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Inzwischen war es schon Ende April und das einzig Positive an diesem Montag war, dass es endlich wärmer wurde. Clara beschloss, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, was ihr sowieso viel lieber war. In der U-Bahn saßen überwiegend nur seltsame Leute. Leute, die nach Zigaretten oder Alkohol stanken oder Leute mit hängenden Mundwinkeln und Zornesfalten zwischen den Augen. Dieser Anblick deprimierte sie besonders, denn sie bekam Angst, irgendwann auch so auszusehen, wenn sie niemals den Richtigen finden würde. Da war sie auf dem Fahrrad sicherer.

Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis sie den Schlüssel für ihr Fahrradschloss fand und noch weitere 15 Minuten, bis sie die Reifen frisch aufgepumpt hatte. Nichts war schlimmer als auf ihrem 3-Gang-Hollandrad mit platten Reifen zu fahren. In diesen Momenten vermisste sie ihr Auto.

Mit dem altmodischen Fahrrad war sie nicht besonders schnell, aber eine 21-Gangschaltung hatte sie noch nie bedient und sie fand Mountainbikes oder Rennräder weder chic noch passend zu ihrer runden, weiblichen Figur.

Clara fuhr gemütlich durch die frische Morgenluft und ließ sich auch nicht davon stressen, dass jeder sie überholte. Sie flanierte förmlich auf ihrem Fahrrad und lauschte dem leisen Surren der Räder, wenn sie im Leerlauf dahin rollten. Verträumt hielt sie nach der Hälfte der Strecke an der Ampel vor dem großen Kreisverkehr am Ernst-Reuter-Platz an. Sie starrte, ohne es richtig zu bemerken, auf den Sattel ihres Vordermannes und bewunderte den schönen, britischen Ledersattel. In diesem Moment drehte sich der Typ vor ihr um und zwinkerte ihr zu.

Oh nein, wie peinlich, dachte Clara. Wobei sie nicht wusste, was schlimmer war: Dass ein fremder, aber durchaus gutaussehender Mann ihr in der Öffentlichkeit zuzwinkerte oder dass er sie sogar noch dabei erwischte, wie sie auf seinen Hintern glotzte. Natürlich hatte sie sich immer solch eine Situation gewünscht, dass sie irgendwo unerwartet einem tollen Mann begegnen und die große Liebe daraus werden würde, aber in Wahrheit war sie zu schüchtern. Was sollten die anderen Leute an der Ampel denken? Hatte es jemand bemerkt? Verunsichert schaute sie sich um und als die Ampel grün wurde, fuhr Clara eine extra Runde im Kreisverkehr. Nur weil der Mann in die gleiche Straße abbog, in die sie auch hätte fahren müssen.

»Guten Morgen, Herr Hackstedt!«, wünschte Clara knapp, als sie an seinem Büro vorbeihuschte.

»Na, Fräulein Clara, haben wir uns einen halben Tag freigenommen?«, rief er ihr hinterher.

»Ich weiß nicht, ob Sie sich freigenommen haben – und wenn doch: was machen Sie dann schon hier?«

»Das war eine Anspielung auf Ihr verspätetes Erscheinen!«

Ach, tatsächlich?

»Oh, natürlich, bitte entschuldigen Sie. Es war so ein Nebel draußen, da habe ich mich verfahren.«

»Nebel? Bei fast 20 Grad Celsius in der Stadt?«

»Ich fahre dann mal meinen Laptop hoch.«

Und schon klingelte das Telefon.

Einer ihrer Lieblingskunden, Herr Schwarz aus München, war in der Leitung. Manche Namen vergaß sie nie und ließ sie sofort Aussehen und Persönlichkeit des Anrufers im Kopf abrufen. Clara wusste sofort, mit wem sie es zu tun hatte und Herr Schwarz war in Reklamationslaune. Er wusste jedoch nicht, in welcher Laune Clara heute war!

»Sagen Sie mal, wie kommen Sie dazu, im August Seminare anzubieten, Frau Thiemann?«

»Wie bitte?«

»Sie bieten Seminare an, im August! Warum?«, wiederholte er mit Nachdruck.

»Oh, die Termine lege ich nicht fest.«

»Ich meine auch Ihren Verein. Es sind doch überall Sommerferien, da kann man doch keine Seminare anbieten?«

»Warum nicht?«

»Da sind die Leute im Urlaub und der nächste Termin passt mir beruflich nicht.«

»Na ja, anscheinend sind nicht alle im Urlaub, die Seminare sind schon gut gefüllt.«

»Ich merke schon, Sie wollen mich nicht verstehen. Auf Wiederhören!«, sagte Herr Schwarz in einem pampigen Ton und knallte den Hörer auf.

»Ähm … Tschüss auch!« So, den war sie los.

Der restliche Tag im Büro verlief dafür relativ entspannt, sodass Clara im Internet noch einige berufliche E-Mails beantwortete und nebenbei neue Kleidung shoppte, bis eine Nachricht von Harry eintraf. Es hätte sie auch nicht gewundert, wenn er gar nicht mehr auf ihre Abschiedsmail reagiert hätte. Neugierig öffnete sie seine Nachricht und hoffte, dass es seine letzte sein würde:

Liebe Clara,

Danke für deine E-Mail! Das kann man sicher so betrachten, allerdings dachte ich, dass wir eine Chance haben könnten, wenn wir uns noch etwas mehr Zeit geben würden, uns besser kennenzulernen.Meine Tür steht dir immer offen …

Dein Harry

Ihr Harry? Clara schämte sich dafür, dass sie bereits diese Gefühle in Harry ausgelöst hatte. Sie wollte es gar nicht so weit kommen lassen und beschloss, ab jetzt nicht mehr zu reagieren. Sie hoffte vor allem, ihn beruflich nicht mehr allzu oft sehen zu müssen.

Auf dem Heimweg rollte sie gedankenverloren die Bismarckstraße entlang. Plötzlich ertönte eine Fahrradklingel hinter ihr und gerade als sie rechts ranfuhr, um Platz zu machen, fuhr eine Frau fast in sie rein. Clara konnte sich gerade noch so auf ihrem Fahrrad halten und einen Unfall vermeiden.

»Spinnen Sie? Was soll das denn?«, blaffte Clara die Frau an.

»Wie bitte? Sie können doch nicht einfach mitten auf dem Radweg fahren!«, schoss sie zurück.

»Kann ich wohl! Und seit wann überholt man denn rechts? Mach erst mal deinen Führerschein, bevor du am Straßenverkehr teilnimmst!«

»Da hat sie allerdings recht!«, sagte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Clara erbleichte. Es war derselbe Mann, der ihr am Morgen zu gezwinkert hatte. Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst.

»Schönen Feierabend!«, sagte er lächelnd, nickte ihr freundlich zu und raste davon.

»Danke!«, rief sie ihm noch verdutzt hinterher. Die komische Frau fuhr beleidigt ebenfalls davon.

Clara schwor sich, am nächsten Tag doch lieber wieder die U-Bahn zu nehmen. An irgendjemanden erinnerte der nette Radfahrer sie jedoch!

Während sie durch den milden Frühlingsabend nach Hause radelte, dämmerte es ihr: Er erinnerte sie an Adrian, mit dem sie vor sechs Jahren ein paarmal ausgegangen war. Sie war an der Uni, er ging noch zur Schule und machte gerade sein Abitur. Kennengelernt hatten sie sich auf einer Party, aber Clara konnte seine Gefühle für sie nicht richtig ernst nehmen. Er war fünf Jahre jünger als sie und unglaublich schön. Daher arbeitete er neben der Schule auch als Model für große, internationale Werbekampagnen. Zu allem Übel stellte sich während ihres dritten Dates heraus, dass Clara mit Adrians großer Schwester mal eine Zeit lang in derselben Klasse war. Clara war damals ein pummeliges, verträumtes und schüchternes Kind, das keinen Sinn fürs Lernen hatte und deshalb auch nach der 7. Klasse vom Gymnasium auf eine Gesamtschule wechselte, weil sie sonst sitzengeblieben wäre. Bis dahin ging sie mit Adrians Schwester in eine Klasse. Seine Schwester war hübsch, klug, schlank, hatte ein schönes Lächeln, beherrschte diverse Musikinstrumente und Sprachen, und sie schrieb natürlich immer gute Noten. Eben all das, was Clara zu diesem Zeitpunkt nicht war oder hatte. Und dann, zehn Jahre später, ging sie plötzlich mit ihrem kleinen, süßen Bruder aus!

Clara wusste bis heute nicht, ob Adrian den Kontakt mit ihr abbrach, weil sie seine Gefühle nicht genug erwiderte oder weil seine Schwester ihm berichtete wie sie früher wirklich war, oder weil er ein neues, hübscheres und jüngeres Mädchen kennengelernt hatte. Aber sie fand das nicht schlimm. Clara ließ es sowieso nicht zu, sich in Adrian zu verlieben, weil es für sie damals sehr schlimm gewesen wäre, wenn ein so schöner Typ sie irgendwann wieder verlassen hätte. Oder mit anderen Worten: Was du über dich denkst, dass wird dein Partner auch über dich denken! Man zieht immer die Menschen in sein Leben, die einen genauso wertschätzen, wie man sich selbst wertschätzt. Clara war damals davon überzeugt, dass Adrian nur jung und naiv war. Je älter und reifer er werden würde, umso weniger spielte sie in seiner Liga. Sie konnte nicht glauben, dass sie so einen hübschen und erfolgreichen Kerl verdient hätte, und dass er es auch noch ehrlich mit ihr meinen könnte.

Zu Hause angekommen, traf sie ihren Nachbarn Yorick im Treppenhaus.

»Na, wann ziehst du wieder wild um die Häuser?«, wollte er wissen.

»So schnell nicht mehr. Sunny hat mal wieder einen neuen Freund und ist schwer beschäftigt.«

»Oh, das tut mir leid für dich!«, lachte er.

»Nein, Quatsch, das muss es nicht!«, stieß Clara schnell hervor. »Ich finde es gerade sehr angenehm, mal nicht so viel auszugehen.«

»Du meinst wohl, mal nicht so viel zu saufen?«, lachte Yorick, »Schade, das war immer lustig, wenn ihr betrunken nach Hause gekommen seid.«

»Erinnere mich nicht daran …«

»Okay, dann einen schönen Abend noch, Clara!«

Kein Date ohne Katastrophe

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