Читать книгу Die Namenlose. Schicksal eines vertauschten Kindes Bd.2 - Anny von Panhuys - Страница 9
38. Kapitel.
ОглавлениеIn einem der alten kleinen Häuschen am Marktplatz von Ludwigsburg hatte Alfred von Bassing mit seiner Frau zwei möblierte Zimmer inne.
Er malte zurzeit für eine private Bildersammlung auf Bestellung, die der Stuttgarter Kunsthändler Meifinger vermittelt hatte, ein Bild der Geliebten des Herzogs Eberhard Ludwigs von Württemberg, ein Bild der Wilhelmine von Grävenitz, der das durch sie schwer geschädigte Volk den Spitznamen „Die Landverderberin“ gegeben. Der eine Schlosseingang sollte den Hintergrund zu dem Porträt bilden, denn in dem Schlosse von Ludwigsburg, das nach ihren Angaben und Wünschen erbaut war, hatte sie einst Hof gehalten als mächtigste Frau des Landes, während die Herzogin von Württemberg unglückliche, einsame Tage in Stuttgart verbrachte.
Der Brief, den Traute Overmans geschrieben, kam in Ludwigsburg an, und Lilli von Bassing, die sich allein zu Hause befand, öffnete ihn sofort.
Sie nickte zufrieden vor sich hin.
Vielleicht erhielt ihr Mann Aufträge von der Tapetenfabrik. Wenn ihm die Sache auch keine besondere Freude bereitete, so würde er dabei doch wahrscheinlich gute Einnahmen haben. Und man brauchte Geld.
Sie schob das Frühstücksgeschirr nachlässig beiseite, achtete gar nicht darauf, dass sie dabei eine noch halbgefüllte Kaffeetasse umstiess und sich das bräunliche Nass über das weisse Tischtuch ergoss. Sie brauchte das Tuch, das die Wirtin erst heute aufgedeckt, ja nicht zu waschen.
Lilli von Bassing regte sich grundsätzlich nur über Dinge auf, die sie selbst angingen. Dann aber tat sie es auch mit Kraft und Ausdauer.
Sie begann gelangweilt Toilette zu machen.
Wozu machte man hier in dem Nest überhaupt Toilette?
Nur um die Kleinstädter ein bisschen zu ärgern, sonst lohnte es sich eigentlich wirklich nicht.
Ihr Mann kümmerte sich kaum noch darum, was sie anzog und schalt nur, wenn sie sich etwas Neues kaufte.
Und dabei war sie doch schon so bescheiden, fand sie.
Sie seufzte. Sie hätte so gern einen Pelzmantel gehabt und ein paar neue Kleider, auch war ein Hut nötig und ein Paar Schuhe.
Man trug sich doch die alten Kleidungsstücke über.
Sie seufzte abermals.
Der blödeste Streich ihres ganzen Lebens war diese Heirat gewesen.
Aber ihre Freundin Steffi hatte sie gewarnt: Wie kann man nur gleich einen Maler heiraten, weil man ihm einmal grossherzig ohne Kleider Modell gestanden hat. Du bist eine altmodische Pute und wirst schon noch einsehen, wie dumm du gewesen bist!
So hatte Steffi gesagt und der Beweis, wie recht sie gehabt, war längst erbracht.
O sässe sie doch noch im Bureau von Werner und Glau am Hausvoigteiplatz in Berlin, o sässe sie doch noch im Bureau der grossen Mäntelfirma!
Ihr alternder, verwitweter Chef würde sich, wenn es ihr auf ein bisschen Augenklappern nicht angekommen wäre, vielleicht auch entschlossen haben, mit ihr den Gang zum Altar zu machen.
Wie so ganz, ganz anders stände sie dann heute da.
Jetzt aber zog sie mit ihrem Manne herum ohne festes Heim, ihm gefiel das so, und wenn er eines Tages mit ihr nach Berlin zurückgehen würde, gab es im günstigsten Falle eine kleine Wohnung hoch oben im Dachstock oder in der weiteren Umgebung der Millionenstadt, deren bewegtes Leben ihr fehlte.
Die Tür vom Flur öffnete sich und Alfred von Bassing trat ein.
Er war ein Weilchen im Freien herumgelaufen und brachte winterliche Frische an den Kleidern mit in das von einem kleinen Füllofen erwärmte Zimmer.
Lillis sehr schön und regelmässig geschnittenes Gesicht verzog sich unwillig.
„Huh! Welche grässliche Luft ist um dich herum, man fröstelt in deiner Nähe.“
Er hatte es auf der Zunge zu antworten: Ich fröstele schon lange in deiner Nähe, auch wenn du nicht in der winterlichen Natur gewesen bist!
Aber er schluckte die Bemerkung hinunter, wie er so vieles hinunterschlucken musste in dieser übereilten Ehe.
Auf ein schönes Lärvchen und ein bisschen Komödienspiel war er hineingefallen.
Nun musste er sein Leben lang die Folgen seiner Torheit tragen.
Eine liebende, alles für ihn opfernde Frau glaubte er zu gewinnen, und hatte doch nur ein eitles, selbstsüchtiges Weib an sich gekettet, das ihm bei jeder Gelegenheit immer wieder vorwarf, er wäre ihrer nicht wert.
Sie hielt ihm den Brief entgegen und ihre tiefblauen Augen mit dem fast violetten Schimmer nahmen einen gönnerhaften Ausdruck an.
„Die Firma, die einen Tapetenzeichner sucht, hat geschrieben, du sollst dich vorstellen.“
Er nahm ihr den Brief nachlässig ab, las ihn ebenso nachlässig und über sein junges, ein wenig scharfzügiges Gesicht legte sich ein verdrossener Ausdruck.
„Wenn du nicht immer so viele überflüssige Wünsche hättest, Lilli, und dich auch nur ein ganz klein wenig nach der Decke strecken würdest, kämen wir mit dem Geld, das mir meine Bilder einbringen, bestimmt leidlich glatt und sauber aus.“
Sie zupfte an den rotbraunen Locken herum, die neben den Ohren weit über die Wangen fielen und lachte spöttisch.
„Natürlich, nur ich trage die Schuld, dass wir ständig im Dalles sind! Warum haben deine Eltern nicht besser zu rechnen verstanden, und warum bist du so blöd, noch jetzt Schulden deines Vaters zu bezahlen? Er ist doch seit zwei Jahren tot und du hast nicht die geringste Verpflichtung etwas zu bezahlen, was du gar nicht gepumpt hast.“
Er unterbrach sie: „Du weisst, ich halte nichts von Erörterungen mit dir über das Thema, weil wir beide über derartige Ehrenfragen zu verschieden denken.“
Sie höhnte: „Du denkst wie ein Narr darüber und ich wie eine vernünftige Frau. Da hast du zum Beispiel dicht vor Weihnachten die verhältnismässig grosse Summe von Meifinger in Stuttgart für das Bild „Erwachendes Kind“ bekommen, weil er es noch zum Feste verkaufte. Und was tatest du? Schicktest sofort mehr als die Hälfte davon an einen Gläubiger deines Vaters, anstatt mir dafür einen schicken Pelzmantel zu kaufen, den ich schon lange brauche.“
Er seufzte: „Fange doch, bitte, nicht immer wieder davon an. Ich musste tun, was ich getan, ich musste so handeln. Mein Sohnesgefühl gebietet mir, es darf kein Makel an der Person meines Vaters haften. Es bleibt ja nun auch nicht mehr viel zu bezahlen, bald habe ich alles geordnet, dann kann aber niemals ein Mensch sagen, mein Vater hätte ihn geschädigt.“
Sie kräuselte verächtlich die Lippen.
„Das ist ein Getue, dass einem schon flau wird, wenn man zuhört! Lass doch mir gegenüber die Pose. Dein Vater hat ein bisschen zu gut gelebt und unsereins, der nichts davon gehabt hat, der den alten fidelen Herrn nicht mal kannte, soll die Zeche bezahlen helfen. O ich weiss, du sprichst nicht gern davon, weil dich meine Wahrheit stört. Die kannst du nicht vertragen.“ Sie stampfte mit dem Fusse auf. „Jedenfalls ist es Zeit, dass wir zu etwas mehr Geld kommen, dieses Sichdurchdrückenmüssen ist grässlich und dieses Herumvagabundieren im Lande ebenfalls.“
„Hast du nicht vor unserer Heirat behauptet, du könntest dir nichts Herrlicheres denken, als mit mir herumzuziehen und bald hier, bald dort ein Weilchen zu leben?“ hielt er ihr entgegen. „Ich brauche als Künstler den Reiz der Abwechslung, und ich finde es prachtvoll, auf die Weise wie jetzt durch Deutschland zu ziehen, einmal ein paar Wochen sesshaft zu sein, dann wieder nur wenige Tage, und wenn es hoch kommt, einige Monate. Immer Neues kennen zu lernen, immer andere Menschen zu sehen und andere Landschaften.“
Sein Blick suchte ernst und traurig den ihren.
„Du bist so völlig anders, Lilli, wie ich eigentlich erwarten durfte! Ich komme aus den Enttäuschungen bei dir gar nicht heraus. Manchmal tut das noch tüchtig weh und ich überlege dann, mit etwas gutem Willen von beiden Seiten müssten wir uns verstehen und innerlich wieder zueinanderfinden. Bedenke, Lilli, bedenke es richtig: Noch sind wir jung, wenn wir lange am Leben bleiben und der Unfriede zwischen uns nistet sich fest ein, so wäre das doch zum Weinen traurig.“
Sie nickte energisch.
„Die Chose mit uns beiden ist auch zum Weinen traurig! Ich heule schon übergenug. Ganz anders habe ich es mir vorgestellt, eine junge Frau zu sein.“
Er sagte mit einem Beiklang von Güte in der Stimme: „Du hast zuviel Langweile, Lilli. Sieh, ich bringe dir oft inhaltsreiche Bücher mit, aber die guckst du kaum an.“
„Weil man dabei einschläft,“ gab sie zurück. „Da beschreibt so ein Dummkopf, weil ihm eben nichts weiter einfällt, irgendeine Harmlosigkeit so breit, dass man nervös davon wird. Ich begreife nur nicht, wie man solche Schlafpulver drucken kann, die gehören doch in die Apotheke als Mittel gegen Schlaflosigkeit.“
Er zuckte die Achseln.
„Für literarische Bücher fehlt dir jedes Verständnis. Sie langweilen dich, ich weiss es, aber nach Schauerromanen und pikantem Schund langst du gierig. Du aber müsstest gerade bessere Lektüre bevorzugen, weil du auf diese Weise die Lücken deiner Bildung bequem ein wenig ausfüllen könntest, weil —“
Schon wieder bearbeitete ihr rechter Fuss den Boden.
„Ich verbitte mir deine Beleidigungen! Wenn dir meine Bildung nicht genügt, hättest du mich in Ruhe lassen und nicht behaupten sollen, meine Figur wäre für die Seenymphe geradezu ideal geeignet. Hättest dir ein bezahltes Modell dazu holen sollen. Aber mich nackt malen lassen von dir, dazu reichte meine Bildung, nicht wahr?“ Sie hob ihm die geballte Rechte entgegen. „Satt, nein übersatt habe ich das Herumzotteln mit dir und das Wohnen in kleinen Hotels und möblierten Zimmern und das Einrichten, Sparen und Nachderdeckestrecken, und deine langweilige Gegenwart und deine unausstehlichen Ermahnungen. Ich bin genau so alt wie du und brauche keinen Lehrer mehr! Und satt habe ich es ebenfalls, dass du für deinen leichtsinnigen toten Vater Schulden bezahlst, während ich immer in denselben Lappen herumlaufen muss.“
Er fasste sie hart bei den Händen.
„Wage es nicht noch einmal zu wiederholen, was du eben über meinen seligen Vater gesagt hast. Er war nicht leichtsinnig, aber er war ein Künstler. Sogar ein grosser Künstler. Und weil ihm seine Bildhauerei viel einbrachte, glaubte er auch viel ausgeben zu dürfen. Er war kein grosser Rechner, nein, das war er nicht, und er starb zu früh, konnte nichts mehr ordnen.“
Er liess die schmalen Frauenhände los.
„Du wirst das ja doch niemals verstehen, aber das von eben, über meinen Vater, wünsche ich nie mehr zu hören. Und jetzt fahre ich nach Stuttgart, um mich in der Tapetenfabrik vorzustellen. Gegen Abend werde ich zurück sein. Bis dahin bist du auch vielleicht ein bisschen vernünftiger geworden.“
Sie wiegte sich kokett in den Hüften.
„Ich werde, während du weg bist, in meinem besten Staat spazieren gehen und damit die Spiessbürger aufregen. Das ist ja doch der einzige leidlich angenehme Zeitvertreib hier. Und an meine Freundin Steffi werde ich schreiben, sie soll um des Himmels willen keinen sogenannten Künstler heiraten, denn das wäre schlimmer als lebende Kröten zu schlucken.“
Sie fauchte ihm ins Gesicht: „Hätte ich dich nur niemals gesehen!“
Er nahm, ohne noch ein Wort zu verlieren, Paletot und Hut und verliess grusslos das Zimmer.
Von wenig frohen Gedanken erfüllt, ging er zum Bahnhof und sann unterwegs, wie so völlig anders hatte er sich einmal seine Ehe vorgestellt.
Aber nun musste er sich damit abfinden, dass man ohne Liebe nebeneinander herschlich, wie es freudlose Menschen tun, die nur eine schwere Pflicht erfüllen.
Hätte ich dich nur niemals gesehen! Wie oft hatte er das schon hören müssen.
Und er dachte genau so.
Hätte ich Lilli nur nie gesehen!
Sie, in deren schönes Gesicht und sanfttuendes Wesen er sich so überschnell verliebt, die er für eine gute Gefährtin für die Wanderschaft durchs Leben gehalten, war ein seichtes oberflächliches Geschöpf, dem hübsche moderne Kleider und Vergnügungen über alles gingen.
Sie hatte sich, weil er damals, ehe sie heirateten, ziemlich gute Einnahmen gehabt, wohl ein üppiges Leben an seiner Seite vorgestellt, das Leben einer Künstlerfrau, die zwischen Gesellschaften, Bällen und Atelierfesten hin- und herpendelt und deren grösste Sorge es ist, neue Toiletten zu ersinnen.
Die Enttäuschung, die er ihr bereitet hatte, verzieh sie ihm niemals.
Darüber war er sich längst vollkommen klar geworden.
Er fuhr ungern nach Stuttgart, aber wenn man ihn zum Entwerfen von Tapetenmustern annahm und leidlich dafür bezahlte, so bedeutete das für seine knappen Finanzen sehr viel.
Kaum hatte ihr Mann das Haus verlassen, machte sich Lilli zum Ausgang bereit.
Zum Weihnachtsfeste hatte sie sich von dem Geld, das sie von ihrem Manne erhalten, einen schwarzen Tuchmantel mit breiter hellgrauer Pelzverbrämung gekauft. Er war sehr kurz und die schlanken Beine zeigten sich darunter bis weit über dem Knie. Dazu trug sie hellgraue Halbschuhe mit fast zu grossen Silberschnallen und einen äusserst modernen Hut. Ohrgehänge aus geschliffenen Stahlplättchen und Korallen, die fast die Schultern berührten, vollendeten das Aeussere einer sehr modernen jungen Dame, der die Einwohner der kleinen Stadt nachblickten, wo sie vorüberging, so auffallend wirkte sie.
In der Nähe des Schlosses kam ihr ein Herr entgegen.
Er war ihr schon mehrmals begegnet, aber sie hatte sich dann immer in Begleitung ihres Mannes befunden.
Er war ihr aufgefallen, weil er sich sehr elegant kleidete und weil auf seinem tiefbrünetten Gesicht Leidenschaft und Melancholie zu wohnen schienen.
Als sie nun gerade an dem Herrn vorbeischreiten wollte, zog er den Hut, blieb vor ihr stehen.
„Verzeihung, Allergnädigste, dass ich es wage, Sie anzusprechen. Aber ich treffe Sie endlich einmal allein, worauf ich schon so lange warte, um Ihnen sagen zu können, wie wunderschön Sie sind. Es drückte mir schon fast das Herz ab, so lange schweigen zu müssen.“
Lilli fand diese Art, eine Dame anzusprechen, höchst originell, und wenn sie auch nicht antwortete, wenn sie auch nur ganz flüchtig den Schritt verhalten, lächelte sie doch voll Koketterie und ging so langsam weiter, dass es fast einem Stehenbleiben glich.
Sie war ja so zornig auf ihren Mann und es bereitete ihr Freude, die Bekanntschaft dieses anscheinend sehr vornehmen Herrn zu machen, dem man die Begeisterung für sie an den Augen ablas.
Eine Art Genugtuung bereitete ihr das verzückte Anschauen des Fremden, der jetzt seinen Namen nannte: Baron Westernhagen!
Er wies in einer bestimmten Richtung, wo am Rande weiter Felder ein Gutshof sichtbar ward.
„Dort wohne ich, Allergnädigste. Leider fehlt meinem Heim die Herrin! Wenn die schönste Frau auf Erden frei wäre, würde ich ihr meinen Reichtum zu Füssen legen und ihr alle Wünsche erfüllen.“
Dabei traf die Eitle ein so flammender Blick, dass ihr fast ein wenig bange vor ihrem Begleiter ward.
In dieser Gegend begegnete man niemand, nur ein paar Kinder spielten vor einem kleinen Hause und hatten winterfrische rote Bäckchen.
Lilli dachte, es sei wohl nun an ihr die Reihe, auch einmal irgend etwas zu sagen.
Vor allem schnitt sie ein kühles, zurückhaltendes Gesicht.
„Sie dürfen nicht in solchem Tone zu mir sprechen, Herr Baron, eben weil ich nicht mehr frei bin.“
Er lächelte sie an.
„Machen Sie sich frei, damit ich Ihnen durch meinen Reichtum ein Leben bieten kann, wie Sie es führen müssten. Die Sterne würde ich für Sie vom Himmel herunterholen, wenn Sie danach Begehr trügen. Nichts wäre mir zu teuer für Sie und jeden Ihrer Wünsche würde ich erfüllen, ehe Sie ihn noch ausgesprochen hätten.“
Sie sann: Weshalb lernte sie nur diesen draufgängerischen Baron erst jetzt kennen, wo sie gebunden war?
Du lieber Himmel, das wäre eine andere Ehe, wie die mit ihrem Toren!
Sie sagte: „Ich muss Sie bitten, sich zu verabschieden, denn ich möchte umkehren.“
Sie redete es so hin und wünschte doch gar nicht, dass sich der originelle Anbeter entfernen sollte.
Das fiel dem aber auch gar nicht ein.
Er erwiderte fast trotzig: „Endlich, nach langem verzweifelten Hoffen bin ich Ihnen allein begegnet. Das möchte ich ausnützen. Schicken Sie mich nicht weg und kehren Sie noch nicht um. Ich kann Sie überhaupt nicht gehen lassen, ohne dass Sie mir ein Wiedersehensversprechen geben.“
Sie schwankte. Was sollte sie tun?
Die Person des Barons interessierte sie sehr, und wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie ihren Mann ohne Ueberlegen gegen ihn ausgetauscht.
Der Titel „Baronin“ reizte sie vor allem.
Und dann überlegte sie wieder: Durfte man jemand vertrauen, der so zu einer Frau sprach, die er gar nicht kennt und von der er weiss, sie ist verheiratet, wie es dieser Baron tat?
Der Zorn auf ihren Mann meldete sich wieder und sie lachte heimlich in sich hinein. Ihre gewöhnliche Natur fand, es war so eine Art von Rache, dass sie mit einem fremden Herrn herumspazierte und sich von ihm Dinge sagen liess, die sie eigentlich nicht anhören durfte.
Als sich Lilli dann später von ihrem scheinbar sehr heissblütig veranlagten Bewunderer trennte, hatte sie dem Manne, den sie hochinteressant fand, ein baldiges Wiedersehen bewilligt.
Hätte sie auch nur im entferntesten die Folgen ihres Tuns geahnt, sie wäre vor diesem Anbeter geflohen, so weit sie die Füsse nur tragen mochten.