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1. Gleichgültigkeit und Passivität

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„Wir schauen nur noch, aber wir sehen nicht.“

Andrej Tarkowski

Millionen Kriegstote seit Ende des Zweiten Weltkrieges, Dutzende bewaffnete Konflikte noch heute, 60 Millionen Menschen auf der Flucht, 800 Millionen an Hunger leidende Menschen, Chaos, Umweltzerstörung, Ausbeutung (Stand 2015). Und die Welt schaut zu. Gleichgültigkeit ist der Tumor, der die Menschheit durchsetzt und die Welt letztlich zu diesem riesigen Trümmerhaufen macht. Die Folgen der kollektiven Gleichgültigkeit sind genauso verheerend wie die der schlimmsten staatlich geführten Kriege, denn Gleichgültigkeit ermöglicht erst flächendeckende Gewalt. Die Gleichgültigen sind die Stütze derjenigen, die Menschen als bloße Schachfiguren betrachten und sie im Sinne eigener Interessen bewegen und opfern wollen. Die Machtelite kann schließlich nur das tun, was die Massen ihr erlauben.

Wir werden täglich mit Negativmeldungen aus allen Kanälen bombardiert; Krieg und Leid sind für uns der Normalzustand, wir kennen es gar nicht anders. Krieg lässt uns kalt, zumindest solange er nicht vor unserer Haustür stattfindet. Was kümmert uns schon der Krieg im Irak oder in Syrien? Das ist doch nicht unser Problem und ohnehin sind Krieg und Leid unveränderbare Konstanten, die sich durch die Menschheitsgeschichte ziehen. Die Wahrheit ist: Wir sind abgestumpft, gleichgültig, ignorant und versuchen das mit unserem Gewissen zu vereinbaren, indem wir Ausreden zum Nichtstun finden und die Probleme verdrängen. Dabei überlassen wir Menschen ihrem Schicksal und vergessen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Wir haben nur die eine Erde und diese eine Menschheit, doch wir lassen alles von einer kleinen, globalen Machtelite missbrauchen. In einer schwierigen Lage würden wohl alle Hilfe von anderen erwarten, wieso aber hilft kaum jemand selbst? Wenn jeder nach dem einfachen Grundsatz leben würde, so zu handeln, wie man selbst es von anderen erwartet, sähe die Welt schon ganz anders aus. Wir haben die heutigen Probleme möglich gemacht, wir können sie auch lösen.

Wie sieht der typische gleichgültige Mensch eigentlich aus? Der gleichgültige Mensch befasst sich nicht ernsthaft mit politischen Themen und stellt sich die Frage, was richtig und was falsch ist, gar nicht erst. Denken ist anstrengend und man selber hat schon genug Probleme, wieso sich noch mit fremden Problemen belasten? Der Gleichgültige befasst sich nur mit dem, was ihn persönlich interessiert oder betrifft. Alles andere zieht diffus an ihm vorbei - und doch bleibt einiges im Bewusstsein haften. Die vorgefassten Meinungen und Informationen der Medien und des persönlichen Umfelds infiltrieren langsam und unbemerkt das völlig beschränkte Weltbild des Gleichgültigen. Diese werden für gewöhnlich nicht hinterfragt und beurteilt werden können sie aufgrund fehlenden Wissens ohnehin nicht. So denken im Grunde andere Menschen für ihn - Demagogen haben ein leichtes Spiel. Das ist der heutige Durchschnittsmensch. Ein Todesurteil für jede Demokratie (= Volksherrschaft), denn diese setzen einen wissenden, mündigen Bürger voraus. Wie soll ein Volk, das nur die eigenen belanglosen Bedürfnisse im Kopf hat, regieren, wenn es gar nicht regieren will?

Der gute Wille allein reicht natürlich nicht aus. Das Volk muss handeln, um etwas zu verändern. Sicherlich hat sich jeder einmal gefragt, warum es denn so viel Leid auf der Welt gibt. Die Antwort ist ganz simpel: weil nichts dagegen getan wird aufgrund der Gleichgültigkeit. „Wenn wir uns nicht um die Politik kümmern, kümmert sich die Politik um uns“, sagte der damalige Adenauer-Berater Robert Pferdmenges sehr treffend. Wir haben in Deutschland immerhin einige Millionen von politisch gebildeten Menschen, die zwar Wissen haben, das aber weitgehend ungenutzt lassen. Und hier bleibt viel Potenzial liegen. Passivität, oft ein Resultat von Gleichgültigkeit, ist ebenfalls tödlich und sollte genauso bekämpfen werden wie die eigentliche Gleichgültigkeit. In den letzten Jahren hat ein weiteres Problem an Bedeutung gewonnen: Defätismus. Die Politikverdrossenheit vieler ist nachvollziehbar, absolut, aber passives Koexistieren mit der Politik kann keine Lösung sein und schadet letzten Endes nur uns selbst. Alles Wissen und Empörung der Welt führt zu nichts, wenn nicht gehandelt wird. Wer nicht kämpft, hat bekanntlich schon verloren. Auf den ersten Blick kann unser Kampf wie der zwischen David und Goliath aussehen - und das ist er auch. Bloß wird er aus einem falschen Blickwinkel betrachtet. „Die da oben“ scheinen übermächtig zu sein mit ihren finanziellen, wirtschaftlichen, militärischen, geheimdienstlichen, medialen und sonstigen Mitteln, doch sie sind nur einige wenige. Was nutzen ihnen die ganzen Mittel, wenn sich Millionen Menschen vor sie stellen und sagen: „Stopp, so nicht!“? Wir sind Goliath. Wir müssen uns „nur“ unserer schlummernden Kraft bewusst werden und einige Millionen Menschen für den zivilen Widerstand mobilisieren - durch gemeinsame Aufklärungsarbeit können wir das erreichen.

Bevor daraus falsche Schlüsse gezogen werden, möchte ich mit einem Irrglauben aufräumen. Ich meine den Glauben, die Machthaber seien das Problem, und dieser Glaube hindert die wenigen engagierten Bürger schon seit Jahrhunderten an nachhaltigen Veränderungen. In der Geschichte kommen Umstürze und Revolutionen aufgrund dieses Irrglaubens immer wieder vor, die Versprechen davon konnten aber noch nie wirklich erfüllt werden. Natürlich nicht, Politik - die Kunst der Staatsführung - bedeutet vor allem die Durchsetzung von Machtinteressen. Politik ist ein ständiger Machtkampf, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Das menschliche Streben nach Macht eben. Regierungen oder Revolutionären zu vertrauen, ist wie der Glaube, ein Zauberer komme ohne Tricks aus. Insgeheim hoffen wir alle trotzdem auf einen Messias, der uns ins Paradies führt. Das wird nie passieren. Alle Revolutionen wurden missbraucht und alte Machtmenschen wurden durch neue ersetzt. Die Mächtigen sind, waren und werden immer gleich bleiben, wir können leider nichts daran ändern. Es bleibt nur eins: Wenn die Machthaber sich nicht ändern können, müssen wir uns ändern. Die Welt verbessern, indem wir uns selbst ändern, so lautet die Zauberformel. Unser Denken und Tun sind das Einzige, was wir unter voller Kontrolle haben. Zugegeben, eine so tiefgreifende Veränderung zu erreichen ist eine Mammutaufgabe, aber doch möglich und unsere einzige Chance. Die Massen sind wie Kinder, man muss ihnen nur den Weg weisen und sie gehen ihn. Revolutionen sind gescheitert, wir brauchen eine intellektuelle Evolution der Völker. Nachhaltig besser wird es erst, wenn wir endlich Verantwortung übernehmen. Wie bereits erwähnt, können die Machthaber nur das tun, was wir ihnen erlauben, und so sollten wir uns nicht mehr von oben herab regieren lassen, sondern selbst regieren.

Der Mensch ist egoistisch veranlagt, doch mit einer Portion Empathie und Ratio kann er dem entgegenwirken und seiner moralischen Pflicht nachkommen. Zuerst aber müssen wir eine Sensibilisierung für die Probleme dieser Welt vorantreiben. Allerdings sollte dies auf Verstandesebene geschehen, weil Emotionen keinen Bestand haben; ist die Wut oder das Mitleid verflogen, dann war es das. Nur der Verstand ermöglicht systematisches Vorgehen mit Bestand. Langfristig gesehen sollte sich jeder genauestens darüber im Klaren sein, warum Gleichgültigkeit so gefährlich ist, also welche Folgen sie hat, was für eine bessere Welt zu tun ist und wie diese Welt überhaupt funktioniert. Wissen und ein tiefes Verständnis von dem, was geschieht, sind stets wichtig für alle, die nicht gleichgültig sind. Ich hoffe, ich kann mit diesem Buch dabei helfen.

Noch ein paar allgemeine Worte zum Buch: Es ist kein wissenschaftlich-sachliches Buch, das sich an eine kleine Gruppe von Experten richtet, sondern ein subjektives, aber fundiertes, das sich an alle richtet. Hiermit möchte ich einen Beitrag zur politischen Bildung und zum politischen Verständnis aller leisten, ob Politikneuling oder Politikbegeisterter, gleichzeitig möchte ich auch nachvollziehbar meine persönlichen Standpunkte darlegen. Ferner soll dieses Buch zum Nachdenken und vor allem zum Handeln anregen, es geht mir um realen Widerstand und reale Veränderungen. Den ersten Schritt haben Sie bereits gemacht, denn: Aus Interesse wächst Empörung, aus Empörung wächst Widerstand und aus dem Widerstand kommen die Veränderungen.

Der ursprüngliche Grund, warum ich so ein Buch schreiben wollte, war einfach der, dass scheinbar kein vergleichbares Buch existiert. Zumindest keins, das meinen Vorstellungen ungefähr entspricht. Es gibt viele Bücher über konkrete Sachverhalte, aber kaum welche, die umfassend dem Grundverständnis von Politik, Medien und Gesellschaft dienen. Und so wird ständig an der Oberfläche gekratzt, anstatt in die Tiefe zu gehen. Das führt dazu, dass man vielen Menschen immer wieder neu aufkommende Sachverhalte erklären muss, weil sie nicht in der Lage sind, sie selbstständig zu verstehen. Diese Situation erinnert an einen Abhängigen, der ständig neuen Stoff braucht, um irgendwie zurechtzukommen. Ich wollte diesen aussichtslosen Kreislauf beenden und letztlich ist ein unkonventioneller Leitfaden für politische Bildung entstanden, der mit wichtigen persönlichen Voraussetzungen beginnt und mit konkreten Handlungsmöglichkeiten endet. Man könnte dieses Buch auch als Anleitung für angehende politische Aktivisten betrachten.

Worauf ich mit allem hinaus will: Entweder wir akzeptieren die Situation, so wie sie ist, oder wir ergreifen die Initiative für Veränderungen. Einer alleine wird nicht viel ausrichten können, zusammen können wir aber die ganze Welt auf den Kopf stellen. Politik geht uns alle etwas an und es liegt in unserer Verantwortung, sie zu ändern.

Unsere Gleichgültigkeit ist das Todesurteil anderer

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