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Erste Hilfe

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Früher dachte ich:

Wer krank ist, geht ins Krankenhaus und wird behandelt, und sobald man entlassen wird, ist man gesund. So müsste das dann doch auch mit psychischen Krankheiten funktionieren. Die Medizin war so weit fortgeschritten, dass Ärzte Herzen transplantieren konnten. Da sollte es doch ein Leichtes sein, eine Blockade im Kopf mithilfe einer Therapie heilen zu können.

Bevor ich mich allerdings auf eine langwierige ambulante Therapie einlassen konnte, wurde ich erstmalig stationär aufgenommen. Ich war so in meinen kranken Mustern drin, dass meine Eltern keinen anderen Ausweg sahen. Dass dieser erste Klinikaufenthalt nicht die gewünschte Wirkung zeigte, verrät wahrscheinlich schon das Wort »erste«. Tatsächlich folgten daraufhin nämlich noch zwei weitere.

Ich habe lange überlegt, wie ich von diesen Behandlungen am besten erzählen kann. Vor meiner Aufnahme in der ersten Klinik war ich überzeugt: »Wenn ich wieder nach Hause komme, bin ich gesund.« Tja, das klappte nicht so ganz. Trotzdem will ich hier keinen demotivieren oder jemandem die Hoffnung auf Genesung nehmen. Ganz im Gegenteil. Mir ist es aber sehr wichtig zu betonen, dass ein Aufenthalt in einer Klinik kein Allheilmittel ist und völlig ergebnislos bleiben kann. Das hat einen bestimmten Grund, und dieser Grund bist genau genommen du selbst. Denn das Geheimrezept, eine psychische Krankheit sofort zu heilen, gibt es nicht. Bei jedem Schritt, den du gehst, hast du die Fäden selbst in der Hand. Du kannst in einer schlechten Klinik gesund werden und in einer guten Klinik scheitern. Es geht darum, dass du bereit bist, an dir selbst zu arbeiten.

Ich möchte mir in diesem Buch nicht das Recht herausnehmen, einen Heilungsansatz als richtig darzustellen und einen anderen als falsch. Letztendlich zählt nur, dass Betroffene am Ende wieder ein selbstbestimmtes Leben führen können. Der Weg, der dorthin führt, kann ganz unterschiedlich aussehen. Die Behandlung psychischer Störungen kann man in dieser Hinsicht auch mit der Behandlung organischer Krankheiten vergleichen: Nicht jedem Krebspatienten kann mit den gleichen Medikamenten geholfen werden, dennoch gibt es Therapien, die bei vielen Erkrankten anschlagen.

Auch finde ich es in diesem Zusammenhang praktisch, die Essstörungen noch mal mit anderen Süchten zu vergleichen. So wie ein Drogenabhängiger unter dem Einfluss von Drogen keine Therapie machen kann, sondern erst mal nüchtern werden muss, ist auch das Gehirn einer magersüchtigen Person mit zu niedrigem Gewicht nicht aufnahmefähig. Viele Kliniken verfolgen deshalb den Ansatz, essgestörte Patienten erst mal schnell wieder körperlich aufzubauen. Ein gesundes Gewicht ist schließlich Voraussetzung für ein gesundes Leben und genauso auch für eine erfolgreiche Therapie. Unser Gehirn braucht unheimlich viel Futter, um vernünftig zu arbeiten, und auch wenn ich während meiner Krankheitszeit der felsenfesten Überzeugung war, stets bei vollem Verstand zu sein, kann ich heute mit bestem Gewissen sagen: Das war ich nicht. Mittlerweile kann ich mich an bestimmte Phasen, in denen ich zu wenig gegessen habe, nicht einmal mehr klar erinnern.

Wie viel wiegt mein Leben?

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