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6.

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Die Kurzteleportation brachte Bonsin, Lethos-Terakdschan und Clio auf die Innengalerie einer großen Halle. Ohrenbetäubender Lärm herrschte, begleitet von grellbunten Lichtreflexen. Der Abaker, der die Spielzeugmacherin mit seinen vier Armen umklammerte, wimmerte verhalten.

»Warte, bitte!«, rief Lethos. Ohne Bonsins Arm loszulassen, weil er im Fall einer Panikteleportation des Abakers nicht von ihm getrennt werden wollte, musterte der Hathor die Umgebung.

Die Halle war mindestens einen Kilometer hoch. Abschätzen ließ sich das nur schwer, denn die Decke aus glänzendem Metall spiegelte alles darunter so kraftvoll, dass sie anscheinend die Öffnung zu einer zweiten Halle darstellte.

Lethos konnte nicht erkennen, was in der Halle vorging. Er sah nur, dass an Hunderten Stellen zwischen Decke und Boden fortwährend kugelförmige Ballungen einer hellroten Substanz aus dem Nichts auftauchten. Diese Ballungen, schätzungsweise zwischen fünf und zehn Meter durchmessend, schrumpften schnell, weil sie ihren Inhalt in langen, zähflüssigen Strängen entließen. Am weitläufig durchlöcherten Boden schäumte die Substanz heftig auf und verschwand. Dabei schien der ohrenbetäubende Lärm zu entstehen.

Lethos musste die Augen schließen, um sich auf die Impulse seines Netzwerks konzentrieren zu können. Er dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass die Vorgänge in der Halle der Synthese einer anorganischen Substanz dienten, aus der nach weiteren Produktionsschritten das vorprogrammierte Rohmaterial für die Herstellung von Kybermodulen wurde. Der scheinbare Boden der Halle mit den vielen Löchern war nur eine Zwischendecke aus Formenergie mit einer fünfdimensionalen Komponente. Diese bewirkte, dass die aufgeschäumte Substanz entstofflicht wurde und andernorts materialisierte.

Lethos erkannte, dass ein weiterer Aufenthalt in der Halle unnötig war. »Aufs Dach!«, rief er Bonsin zu.

Übergangslos standen sie dort. Ringsum reihten sich dicht an dicht die Silhouetten unterschiedlicher Bauten. Von ihnen spannten sich Hunderte Formenergiebrücken kreuz und quer über das Dach der Halle.

»Wie geht es weiter?«, fragte Bonsin.

»Schwierig zu sagen«, antwortete der Hathor. »Ich sehe keine Anhaltspunkte, an denen ich mich orientieren könnte. Wenn es gar nicht anders geht, werde ich unsere Freunde, da ich sie nicht telepathisch sondieren kann, anfunken müssen.«

»Ein Vogel!«, rief Bonsin.

»Wie, bitte?«

»Zwei komische Vögel sogar!« Der Abaker deutete schräg nach oben.

Lethos folgte der angedeuteten Richtung mit den Augen. Zugleich erkannte er über das Netzwerk, dass sich ihnen zwei Energiefelder n-dimensionaler Art näherten. Er griff nach dem Sextadimstrahler.

»Tengri, nicht!«, flüsterte Bonsin erschrocken.

»Es sind keine echten Vögel, sondern Kyberneten. Besonders hochwertige sogar. Mit einem normalen Strahler könnte ihnen niemand etwas anhaben.«

Tengri Lethos löste den Sextadimstrahler dennoch nicht aus, sondern wartete ab. Die Kyberneten näherten sich mit langsamen, schwerfällig wirkenden Flügelschlägen.

Bis die Kyberneten in einem weiten Bogen näher kamen, war Lethos überzeugt, dass es sich um Spione handelte, die nach den Eindringlingen gesucht hatten. Er ließ die Waffe aus seiner Hand verschwinden.

»Sagt dem, der euch geschickt hat, dass wir mit ihm reden wollen!«, rief Lethos den Kyberneten zu.

Sein – nur auf Empfang geschalteter – Helmfunk sprach an. »Diese Hühnervögel sind stur!«, dröhnte die Stimme des Haluters. »Gebraten dürften sie zugänglicher sein.«

Lethos lokalisierte den Haluter, dessen roter Kampfanzug sich kaum gegen die Silhouette der Stadt abhob. »Nicht den Gravostrahler!«, rief er warnend, weil er daran dachte, welche Waffe er Sokrat erst vor wenigen Stunden ausgehändigt hatte.

Doch es war zu spät. Eine irrlichternde Spirale stand für den Bruchteil einer Sekunde zwischen Sokrat und einem der Kyberneten – dann wurde es schlagartig finster und totenstill, wenn auch nur für die Dauer eines Augenzwinkerns.

Domo Sokrat befand sich nicht mehr dort, wo er eben noch gewesen war. Aus größerer Höhe stürzte er auf eine der Formenergiebrücken herab. Lethos atmete auf, als Sokrats zorniges Gebrüll anhob. Der Haluter hatte den Rückschlag des Gravitationsstrahlers sträflich vernachlässigt.

Die beiden geflügelten Kyberneten vollendeten ihre halbe Runde und verschwanden zwischen den nächsten Bauwerken.

»Warum hast du sie nicht vom Himmel geholt, Terakdschanos!«, grollte der Haluter über Funk. »Mit deinen porleytischen Wunderwaffen wäre dir das nicht schwergefallen.«

»So wunderbar sind sie gar nicht«, wiegelte Lethos ab. »Kannst du aus eigener Kraft herkommen, Sokratos?«

»Nur zu Fuß«, antwortete Sokrat nach einer Weile. »Mein Flugaggregat streikt.«

»Bitte hole ihn her!«, forderte Lethos den Abaker auf. Bonsin entmaterialisierte – und kam wenige Sekunden später mit dem Haluter zurück auf das Hallendach.

»Erzähl mir nicht, du hättest die komischen Vögel nicht herunterholen können!«, grollte Sokrat.

»Begreifst du nicht, dass ich unseren Gegnern keineswegs schon meine Möglichkeiten aufzeigen wollte?«, sagte Lethos ungewohnt heftig. »Sie sollen glauben, dass wir gegen ihre Kyberneten machtlos sind.«

»Das sehe ich ein. Aber nicht, dass sie mich quasi mit links abgeschossen haben.«

»Sie haben überhaupt nichts getan«, widersprach der Hathor. »Ihre Schutzfelder erzeugen allerdings einen Rückschlag, der für den Schützen normalerweise tödlich ist. Grundlos hatte ich dich nicht davor gewarnt, diese Waffe einzusetzen.«

»Wie du siehst, ist ein Haluter unverwüstlich.«

»Und wo hast du den Gravostrahler gelassen?«, fragte Lethos.

Sokrat drehte und wendete seine vier Hände und grummelte verlegen vor sich hin.

»Du hast keine Ahnung?«, fragte Lethos.

»So ist es«, bestätigte der Haluter.

»Der Rückschlag hat die Waffe in ein anderes Kontinuum geschleudert. Genau das hätte leicht auch dir zustoßen können. Ich hoffe, du kannst uns wenigstens verraten, wo wir unsere Freunde wiederfinden.«

»Selbstverständlich«, sagte Sokrat, und erst da schien er Clios Zustand wahrzunehmen. »Was ist mit ihr?«

»Sie liegt im Koma«, antwortete Lethos. »Es sieht nicht gut aus. Sie muss schnellstens zu Jen. Wenn ihr in dieser Lage jemand helfen kann, dann ihr Ritter.«

»Ich beeile mich!« Der Haluter drehte sich einmal um sich selbst, dann deutete er in eine Richtung. »Dorthin, etwa siebzig Kilometer.«

»Danke!«, rief Bonsin und entmaterialisierte mit Clio.

Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Bonsin zurückkam. Er atmete keuchend und konnte sich kaum auf den Beinen halten.

»Sie haben uns überfallen!«, stieß er hervor. »Ich war gerade mit der Spielzeugmacherin angekommen, da erfolgte der Angriff. Atlan und Jen haben sich mit Clio zurückgezogen und mir aufgetragen, euch in ein bestimmtes Gebäude zu bringen.«

»Wer hat euch überfallen?«, fragte Lethos-Terakdschan.

»Kyberneten. Sie müssen als staubkorngroße Fragmente gekommen sein und haben sich erst zu Waffensystemen zusammengesetzt, denn sie waren plötzlich überall.«

»Dann wissen wir wenigstens, was uns erwartet. Bring uns zum Treffpunkt!«

Lethos streckte eine Hand aus. Bonsin ergriff sie und eine Hand des Haluters, dann teleportierte er.

Sie materialisierten in einem turmhohen Gebäude, durch das zahlreiche mannsdicke Röhren vertikal verliefen. Im Zentrum des Bauwerks befand sich ein axialer Antigravschacht, und alle zehn bis zwölf Meter gingen von ihm sternförmig acht schmale Korridore nach außen. Einen solchen Korridor hatte Bonsin mit seinen Gefährten erreicht.

»Wir befinden uns ungefähr in halber Höhe«, erklärte er. »Atlan und Jen wollten mit Clio ganz unten warten, falls sie sich überhaupt hierher durchschlagen konnten. Ich sehe nach, ob sie schon da sind.« Bevor Lethos oder Sokrat reagieren konnten, teleportierte Bonsin.

»Diese Untätigkeit gefällt mir nicht«, bemerkte der Haluter. »Nicht einmal Kampfgeräusche sind zu hören.«

»Ich orte die Entladungen von Strahlwaffen«, sagte Lethos. »Etwa einen Kilometer entfernt. Vermutlich konnten sich Atlan und Jen nicht von den Gegnern lösen.«

»Wir müssen sie unterstützen!«, drängte Sokrat.

»Selbstverständlich«, erwiderte der Hathor. »Ich hatte zwar gehofft, unser Gegner würde positiv auf mein Angebot reagieren, das ich den beiden Vögeln zurief, aber er kann sich anscheinend nicht dazu durchringen.«

»Er will nicht verhandeln, sondern uns vernichten.«

»Wenn er dazu entschlossen wäre, hätte er es längst geschafft«, gab Lethos zurück. »Mit den Kyberneten, Kybermodulen und dieser ganzen Stadt und ihren Sicherheitssystemen wäre das eine Aktion weniger Minuten. Ich denke, dass er nur beobachtet und abwartet, wie wir mit den Immunreaktionen des ganzen Komplexes fertig werden.«

Er lauschte auf die soeben einsetzenden Pumpgeräusche, zu denen sich Gluckern und Gurgeln gesellten.

»Es kommt aus dem Leitungssystem«, beruhigte Lethos den wild um sich blickenden Haluter. »Etwas wird durch die Rohre aufwärts gepumpt und bewirkt eine Aufladung der Luft über der Stadt mit fünfdimensionaler Energie.«

»Was passiert, wenn wir den Turm sprengen?«, erkundigte sich Sokrat.

Lethos-Terakdschan ging nicht darauf ein. Er konzentrierte sich, um mithilfe des Netzwerks Einzelheiten über die Umgebung herauszufinden. Die Stadt war erfüllt von n-dimensionaler Energie. Zeitweise konnte Lethos sogar sechsdimensionale Strömungen anmessen, die er als Schalt- und Kontrollimpulse einstufte. Ihr Ausgangspunkt lag offenbar nicht im Jaschemenreich. Aus der Art ihres Abklingens und Verschwindens schloss Lethos, dass sie sogar aus einer anderen Daseinsebene kamen. Etwas schien »über« dem Gebiet der Kyberneten zu existieren und irgendwie damit verbunden zu sein.

Bonsin materialisierte wieder. »Geschafft!«, jubelte er.

»Und wo sind unsere Freunde?«, fragte Sokrat ungeduldig.

»Sie befinden sich in Sicherheit.« Der junge Abaker blickte Lethos-Terakdschan und den Haluter triumphierend an. »Ich habe die Kyberneten von ihnen abgelenkt und mit mehreren Teleportationen hierhergelockt.«

»Wunderbar!«, stellte Lethos ironisch lächelnd fest. »Und was sollen wir mit ihnen anfangen?«

»In Grund und Boden stampfen!«, trumpfte Sokrat auf. »Es handelt sich nur um Maschinen.«

»Die jemandem gehören, mit dem ich mich verständigen will. Vielleicht werden wir sogar seine Unterstützung nötig haben. Und wer wird schon den schwächen, mit dem er sich zusammentun muss?«

»Dieser Jemand wird nur zur Verständigung bereit sein, wenn wir ihm gezeigt haben, dass wir stärker sind als er«, begehrte Sokrat auf.

»Stark ja, aber nicht stärker«, widersprach Lethos. »Wenn wir uns als die Stärkeren aufspielten, würde er nur weiter auftrumpfen wollen. Damit wäre uns nicht geholfen. Bonsin, teleportiere bitte mit Sokratos zu unseren Freunden! Aber so, dass die Kyberneten euch nicht bemerken.«

»Und du?«, fragte der Abaker. »Soll ich dich allein lassen? Meine Verfolger werden bald hier sein.«

»Eben deshalb will ich, dass du jetzt mit Domo verschwindest«, erklärte Lethos. »Ich muss ein paar Minuten mit diesen Kyberneten allein sein.«

»Ich werde überhaupt nicht gefragt, was ich will?«, grollte der Haluter.

Lethos wölbte die Brauen. »Was willst du, Sokratos?«, erkundigte er sich unbewegt.

»Ist ja schon gut«, wetterte der Haluter und griff nach Bonsins Hand. »Ich gehe.«

Kaum war er allein, machte sich Lethos-Terakdschan über seine Kombination unsichtbar. Die spezifischen Impulse, die das bewirkten, schützten ihn ebenso vor fremder Ortung wie davor, dass seine Gehirnwellen angemessen wurden.

Für die Kyberneten, die wenig später aus dem axialen Antigravschacht in die Korridore aller Etagen stürmten, war der Hathor nicht vorhanden. Sie waren hominid: durchschnittlich zwei Meter groß, aus dunkelrotem Metallplastik, mit einem in der Mitte schwach taillierten Rumpf, mit zwei Armen und Beinen und fünffingrigen Händen. Ihre runden Köpfe saßen auf kurzen Hälsen. Sie hatten weder Sprechgitter noch Augenlinsen, sondern einen Multisensorring, der sich pulsierend um die Mitte des Schädels herumzog.

Lethos lächelte in sich hinein. Das Auftreten der hominiden Kyberneten wertete er nicht mehr nur als eine Art Immunreaktion gegen die Eindringlinge, sondern als zentral gesteuerte Aktion. Außerdem sah er darin einen Kommunikationsversuch des Gegners. Indem der Unbekannte im Hintergrund diesen Kyberneten die Grundform der Eindringlinge gab, bewies er, dass er interessiert Notiz von ihnen nahm.

Einige Hundert hominide Kyberneten durchsuchten das Gebäude. Sie trugen röhrenförmige Waffen, die Lethos an ihrer Streustrahlung als Paralysatoren erkannte. Auch das erschien ihm wie eine Art Angebot des Gegners, denn zuvor hatten seine Kyberneten meist tödlich wirkende Waffen eingesetzt.

Lethos gab sich trotzdem nicht zu erkennen, denn vielleicht diente alles nur dazu, ihn und seine Gefährten in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Er wartete ab, wich den Kyberneten aus, die ihm mitunter so nahe kamen, dass sie ihn fast berührten, und schlug zu, als sich die beste Gelegenheit ergab. Das war, als die Kyberneten die Durchsuchung abgeschlossen hatten und sich zurückzogen. Lethos aktivierte den porleytischen Robot-Indoktrinator in einer seiner Gürteltaschen.

Der letzte Kybernet ging langsamer, dann blieb er stehen und funkte in dem Symbolcode, den alle hoch organisierten Kyberneten des Jaschemenreiches benutzten und den Lethos bereits entschlüsselt hatte: »Ich stehe zu Diensten.«

Beinahe wäre er darauf hereingefallen. Ohne die Sensibilität seines Netzes hätte der Hathor den schwachen Codeimpuls, der mit der Botschaft gesendet wurde, nicht registriert.

Offenbar hoffte der Gegenspieler darauf, dass er sich auf ein Gespräch einlassen würde und dadurch die Kyberneten Zeit bekämen, ihm einen Hinterhalt zu legen.

Lethos dachte nicht daran, sich darauf einzulassen. Er rief telepathisch nach Bonsin. Anschließend machte er sich sichtbar, trennte dem Kyberneten mit einem Hochenergieschneider den Kopf vom Rumpf, öffnete die Metallplastikschale und nahm die nicht einmal doppelt faustgroße kybernetische Steuereinheit heraus.

Als Bonsin neben ihm materialisierte, forderte Lethos ihn mit einer Handbewegung auf, sich kurz zu gedulden. Ihm erschien es zu riskant, die gesamte Steuereinheit mitzunehmen. Ihr Gegenspieler mochte sogar diese Möglichkeit bedacht und entsprechend vorgesorgt haben.

Er suchte mithilfe der Netzimpulse den reinen Speichersektor des kybernetischen Gehirns, isolierte ihn von allen Einflüssen des Steuerteils und trennte ihn ab. Der Speicher war wenig größer als eine terranische Walnuss, ein Bündel aus rubinrot leuchtenden Kristallnadeln, die so dicht nebeneinander in ein aus Kraftfeldern bestehendes »Nadelkissen« gesteckt waren, dass sie eine glatte Oberfläche zu haben schienen.

»Jetzt können wir!«, sagte der Hathor, nachdem er die Speichereinheit mit der linken Hand umschlossen hatte.

Es war beinahe zu spät. Von allen Seiten rasten bereits Wolken staubkorn- bis erbsengroßer Mikromodule heran.

Bonsin griff nach Lethos' rechter Hand und »sprang«. Sie materialisierten in einem großen Raum mit hellblauen Wänden. Neben Atlan und Sokrat beugte sich Jen Salik soeben über die Spielzeugmacherin, die noch im Koma lag.

»Nicht bewegen!«, rief Lethos.

Es war fast unvermeidlich gewesen, dass Bonsins Teleportation ungewollt Mikromodule mitgerissen hatte – entweder, weil sie bereits körperlichen Kontakt bekommen oder weil sie in seinen hyperenergetischen Sog geraten waren. Lethos beseitigte die winzigen Module mit dem auf geringste Leistung geschalteten Sextadimstrahler. Die Strahlung war so schwach dosiert, dass sogar Lebewesen ohne Schutzanzug sie für kurze Zeit ertrugen. Die winzigen Mikromodule wurden jedoch in eine fremde Dimension abgedrängt.

»Ich fürchte, Clio wird sterben«, sagte Salik betroffen. »Ich kann ihr nicht beistehen. Hast du eine Möglichkeit, Tengri?«

Lethos senkte schuldbewusst den Kopf. »Leider dachte ich nicht daran, aus dem Dom Kesdschan porleytische Geräte mitzunehmen, die der Heilung dienen, statt der Zerstörung.«

»Wir denken in den falschen Bahnen!«, klagte Salik mit an die Schläfen gepressten Fäusten.

»Das Universum pulsiert im falschen Takt«, stellte Lethos klar. »Unter anderem, weil der Moralische Code beschädigt wurde. Die Fehlentwicklung hat uns alle erfasst, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht. Deshalb wird es höchste Zeit, dass wir die Raum-Zeit-Ingenieure finden und ihnen dabei helfen, die Tiefe auf die Rückführung von TRIICLE-9 vorzubereiten.«

»Höchste Zeit?«, wiederholte Atlan düster. »Ich wollte, wir könnten uns in der Zeit so bewegen wie im Raum. Weil ich fürchte, dass wir zu spät kommen und es eine unermessliche Katastrophe gibt, sobald TRIICLE-9 zurückkehrt. Nichts ist vorbereitet.«

»Das alles kann Clio nicht helfen.«

»Ich gehe und suche nach den Technikern der Tiefe beziehungsweise nach den Jaschemen, wer oder was immer sie sein mögen«, sagte Atlan entschlossen. »Sie müssen Möglichkeiten haben, Clio zu helfen.«

»Ich begleite dich«, grollte Domo Sokrat. »Kommst du mit?«, wandte er sich an Lethos.

Der Hathor öffnete die linke Hand. »Ich werde dieser Speichereinheit alle wichtigen Informationen über das Jaschemenreich entlocken. Nur dann kommen wir weiter.«

»Und ich bleibe bei Clio«, erklärte Salik. »Sie soll nicht allein sein ...«

Atlan räusperte sich und blickte Lethos-Terakdschan fragend an.

»Ich verstehe«, sagte Lethos. »Du brauchst Anhaltspunkte, wenn du nach den Herren des Jaschemenreiches suchen willst. Aber das benötigt einige Zeit.«

Er entnahm einer seiner Gürteltaschen ein gitterförmiges Quadrat von etwa zehn Zentimetern Seitenlänge und faltete es so auseinander, dass es eine Art würfelförmigen Käfig bildete. Mit einem schwarzen Stift, den er ebenfalls aus einer Gürteltasche holte, berührte er mehrere Stellen des Gitterkäfigs. Daraufhin fing das Material so silbrig zu schimmern an wie das semi-organische Netzwerk in seiner Kombination.

Als er die Speichereinheit auf den Käfig legte, strahlte das Gitterwerk heller – im nächsten Moment befand sich die rubinrote Nadelballung innerhalb des Käfigs.

Gut zehn Minuten verharrte Lethos-Terakdschan mit geschlossenen Augen, dann seufzte er tief. »Das Jaschemenreich liegt auf halbem Weg zwischen Mhuthan, Schatzen und dem Vagenda und ist etwa so groß wie ...«, er stockte kurz, »... das terranische Nordamerika. Es gibt in Kyberland keine natürlichen Formationen, ebenso keine Tier- und Pflanzenwelt. Alles besteht aus kybernetischen Organismen, die in ihren Funktionen aufeinander abgestimmt und voneinander abhängig sind. Und sie sind in das technische Kontrollsystem der Jaschemen integriert.

Die Jaschemen tragen den Titel ›Technotor‹ und sprechen von sich selbst zumeist als ›Er‹. Ihr Sprachempfinden verabscheut die Ich-Form. Untereinander sind sie hilfsbereit, höflich und zuvorkommend. Fremden gegenüber verhalten sie sich arrogant. Sie steuern die Kybermodule mental; ihre eigene Verständigung erfolgt auf akustischer Basis. Sie können ihre Körper auf zwei grundverschiedene Daseinsformen ausrichten. In der Aktivgestalt ist der Körper weich und nach Gutdünken veränderbar. Benötigte Sinnesorgane oder Gliedmaße können in dieser Phase willentlich herausgebildet werden. In der Passivgestalt ähneln sie dunkelblauen, unregelmäßig geformten Felsmonolithen zwischen drei und fünf Metern Größe. In dieser Gestalt, in der die Lebensvorgänge reduziert sind, ruhen und meditieren sie. Die benötigte Energie nehmen sie auf, indem sie in Flüsse oder Seen mit verflüssigter Formenergie steigen. Ihre Lebenserwartung beträgt durchschnittlich vierzigtausend Tiefenjahre. Wer länger als üblich in der Passivgestalt verharrt, verlängert seine Lebenserwartung, wer die Aktivgestalt vorzieht, verkürzt sie entsprechend.

Der Teil des Jaschemenreiches, in dem wir uns befinden, wird von Caglamas Vlot beherrscht. Er überwacht und steuert mit seiner Schwerkraftfabrik die Gravitation in allen Bereichen des Tiefenlands; Er ist der Herr der Gravitation. Andere Technotoren steuern die Atmosphäre, das Klima, die Beleuchtung, die Magnetfelder und vieles mehr. Ohne sie könnte in der Tiefe niemand leben.

Caglamas Vlot wartet in seiner Schaltzentrale im geometrischen Zentrum der Schwerkraftfabrik darauf, dass die Kreaturen, die sich unerlaubt im Jaschemenreich verbergen, ihr Wohl und Wehe ihm anvertrauen. Andernfalls wird Er zusehen, wie sie von den Kybermodulen und Kyberneten beseitigt werden.«

»Das genügt!«, rief Atlan. »Wach auf, Tengri, sonst identifizierst du dich völlig mit diesem Möchtegerngott!«

Lethos' Lider zuckten, dann öffnete er die Augen und blickte erstaunt drein. Als er den Gitterkäfig mit der Speichereinheit darin sah, lächelte er begreifend.

»Ich musste mich so stark auf die Speichereinheit konzentrieren, dass ich gar nicht gleich merkte, welchen Scherz sich Caglamas Vlot erlaubt hat.«

»Du hast wie er gesprochen – beziehungsweise wie seine rechte Hand«, sagte Salik vorwurfsvoll.

»Das war der Scherz«, erklärte Lethos. »Nicht meiner, sondern der des Jaschemen. Er beweist, dass er uns auch das zutraute, dass wir nämlich nicht nur die Speichereinheit eines Kyberneten in unsere Gewalt bringen, sondern sogar ihre Daten abfragen können.«

»Arrogant wie ein arkonidischer Imperator«, stellte Atlan sarkastisch fest.

»Du sagst es«, erwiderte Lethos. »Aber du warst nie so. Andererseits wirst du dich in seine Psyche versetzen können.«

»Denkst du, Er wartet wirklich in seiner Schaltzentrale darauf, dass wir kommen und uns Ihm unterwerfen?«

»Genau das. Doch täusche dich nicht, Atlan! Er wird zwar warten, aber er wird nicht damit rechnen, dass wir uns sofort unterwerfen. Ich bin überzeugt, dass er dafür gesorgt hat, dass jeder von uns, der sich in die Nähe seiner Schaltzentrale wagt, auch in seine Gewalt gerät.«

»Also Fallen«, meinte Domo Sokrat grimmig.

»Egal was, ich werde alles tun, um diese Nuss zu knacken«, sagte Atlan entschlossen. »Kommst du mit, Tengri, nachdem du die Speichereinheit ohnehin schon ausgefragt hast?«

»Nur abgefragt«, berichtigte Lethos. »Ausgefragt ist sie keineswegs schon.«

Atlan lächelte leicht amüsiert. »Du willst damit sagen, dass du uns nicht begleiten wirst, weil jemand übrig bleiben muss, der uns aus Vlots Fängen befreit. Stimmt es?«

»Nicht ganz. Ich kann nämlich nicht garantieren, ob mir das auch gelingen würde.«

Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe  (Silberband)

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