Читать книгу Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe (Silberband) - Arndt Ellmer - Страница 13

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Fordergrin Calt hielt den Patrouillengleiter auf einem Platz an, der von zahlreichen Hyperschaltkuppeln umrahmt wurde. Der Jascheme blickte sich um. Er musste sich dabei nicht einmal umwenden, denn er hatte die Gestalt eines Trubbers angenommen, eines drei Meter großen gleichförmigen Wesens, dessen Körper dicht mit Multisensoren bestückt war. So konnte er nach allen Richtungen sehen. Offenbar war ihm niemand gefolgt.

Die Kybermodule außerhalb der Fabrik verhielten sich absolut irregulär. Allerdings war ihr Angriff keineswegs gefährlich gewesen. Calt prüfte bereits stichprobenartig die von den Modulen und Kyberneten seiner Fabrik ausgehenden Impulse. Sie waren überwiegend normal. Nur ein kleiner Teil zeigte Abweichungen im Impulsmuster, die den für die Funktionskontrolle wichtigen Rückkopplungsmechanismus störten.

Calt sandte an alle gestörten Kybermodule und Kyberneten den Befehl zur Selbstzerlegung. Zugleich erhielt eine Gruppe auf Wartungen spezialisierter Kyberneten die Anweisung, alle zerlegten Einheiten der Wiederverwertung zuzuführen.

Der Jascheme wartete vergeblich darauf, dass die gestörten Einheiten seinen Befehl bestätigten. Wenig später meldeten die Wartungskyberneten, dass sie nirgends selbstzerlegte Einheiten finden konnten. Fordergrin Calt mobilisierte daraufhin weitere Wartungsgruppen und ordnete an, alle Einheiten zwangsweise zu zerlegen und wegzuräumen, deren Impulsmuster nicht der Norm entsprachen. Der Befehl wurde bestätigt, die Durchführung stieß indes auf Schwierigkeiten, denn plötzlich waren alle Funk- und Ortungsfrequenzen so stark gestört, dass die Prüfung von Impulsmustern unmöglich wurde.

In Fordergrin Calt wuchs die Befürchtung, dass er die Lage außerhalb der Atmosphärefabrik nicht so leicht wieder unter Kontrolle bekäme.

Er startete erneut den Patrouillengleiter und stieg auf eine Höhe, von der aus er nahezu das halbe Fabrikareal sowie einen weiten Bereich der Umgebung überblicken konnte. Was er sah, bestätigte seine Befürchtung. Außerhalb der Fabrik hatte sich alles verändert. Der Boden befand sich in ständiger Bewegung, als wollte er sich unablässig umschichten. Außerdem wuchsen kegelförmige Gebilde heraus, deren Oberfläche so hart erschien, als bestünden sie aus molekularverdichtetem Metallplastik.

Der Jascheme achtete nicht so intensiv darauf, wie er es vielleicht hätte tun sollen. Seine Aufmerksamkeit wurde vorübergehend von einer Luftspiegelung abgelenkt, die zwischen der WAND und der Fabrik schwebte und verzerrte rötliche Konturen abbildete. Calt glaubte, einen verschwommenen Ausschnitt der Schwerkraftfabrik Caglamas Vlots zu sehen. Was schlicht unmöglich war, denn beide Fabriken lagen über 200 Kilometer voneinander entfernt.

Calt blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. An der Peripherie seiner Fabrik, wo die Luftspiegelung sehr nahe gewesen war, ereigneten sich mehrere starke Explosionen. Ein großes Gebäude sank in sich zusammen. Zwar nur eine unbenutzte Speichereinheit für Hyperenergie, aber sie war keineswegs baufällig gewesen. Sabotage? Das Schlimmste an dem Gedanken war, dass es weitere Zerstörungen geben konnte – und falls Steuersektionen der Atmosphäre im Tiefenland dadurch beeinträchtigt wurden, war das schon ein Katastrophenszenario.

Blitze zuckten auf. Fordergrin Calt erkannte sie als Entladungen von Hochenergiewaffen in einer peripheren Halle. Jedoch gab es bereits Wichtigeres für ihn, denn da starteten die kegelförmigen Gebilde, die sich aus dem wogenden Gelände erhoben hatten, und rasten auf das Fabrikgelände zu.

Über Funk erteilte Calt die Anweisung, die Fabrik mit einem Schutzschirm zu sichern. Dann beschleunigte er den Gleiter in Richtung der Schaltzentrale.

Da er weder eine Bestätigung seines Befehls erhielt, noch den Aufbau des weitgespannten Energieschirms bemerkte, geriet Calt in Panik. Er zog den Gleiter steil in die Höhe und beschleunigte mit Maximalleistung.

Wer weiß, was geschehen wäre, hätte die Sicherheitsautomatik nicht rechtzeitig eingegriffen und das Fahrzeug vor dem Erreichen der Tiefenkonstante gestoppt. Fordergrin Calt gewann erst da seine Fassung so weit zurück, dass er es wagte, einen Blick nach unten zu werfen. Er hatte erwartet, die Fabrik in Feuer und Rauch gehüllt zu sehen, wurde aber angenehm überrascht. Die Projektile hatten sich über der Fabrik aufgelöst, nur Wolken staubkorngroßer Mikromodule breiteten sich aus.

Calts Erleichterung hielt nicht lange an. Während die Wolken sich langsam über der Fabrik verteilten, ahnte der Jascheme, was das bedeutete. Die rebellischen Kybermodule hatten ihre Saat bis in die Atmosphärefabrik geschickt.

Es gab nur noch eine Hoffnung. Fordergrin Calt musste die Schaltzentrale im Zentrum des Areals erreichen und von dort aus die Unterstützung der anderen Technotoren anfordern.

Caglamas Vlot war wütend. Was in der Atmosphärefabrik vorging, war kein einfacher Zwischenfall mit beeinträchtigten oder gar fehlgesteuerten Kyberneten, wie es sie hin und wieder gab. Dahinter steckte mehr.

Die drei Staubschleier, Milliarden winziger Module, hatten ihn nicht nur seiner Bewegungsfreiheit beraubt, sondern zugleich die Funktionen seines Anzugs beeinträchtigt. Es war ihm unmöglich gewesen, die Winzlinge auf Distanz zu halten, indem er seinen Schutzschirm aktivierte. Vorübergehend hatte Vlot sogar um sein Leben gefürchtet. Dass die Rebellen ihn letztlich »nur« eingesperrt hatten, war im Nachhinein ein sehr schwacher Trost.

Wenn Caglamas Vlot seine Freiheit zurückwollte, gab es für ihn nur einen Weg. Er musste das Gebäude zerstören, in dem die Kyberneten ihn isoliert hatten. Es fiel ihm schwer, diesen Entschluss zu fassen. Möglich war es ohnehin nur, weil er erkannt hatte, dass die Speichereinheit für Hyperenergie außer Betrieb war, ihre Zerstörung die Arbeit der Atmosphärefabrik also nicht beeinträchtigen konnte. Andernfalls hätte er seine weitere Gefangenschaft und sogar den Tod in Kauf genommen. Es war ungeschriebenes Gesetz, dass Technotoren alles unterließen, was anderen Technotoren schaden konnte.

Die Speichereinheit war zum Teil in die Längswand seines Gefängnisses integriert und damit der einzige verwundbare Punkt des Gebäudes. Nur deshalb hatte Vlot überhaupt eine Chance, sich selbst zu befreien.

Caglamas Vlot schaltete sich in die Funktionsabläufe des Speichers ein. Er musste dabei äußerst sorgfältig vorgehen, wollte er keinen Alarm auslösen. Nicht einen Moment lang zweifelte er daran, dass er damit nur die Kyberneten aufmerksam gemacht hätte.

Noch einmal überzeugte Vlot sich davon, dass der Speicher tatsächlich geleert war, dann ließ er das System implodieren.

Er brach mit aktiviertem Schutzschirm durch eine Wolke aus Staub und Trümmern. Trotzdem kam er nicht frei, denn die zerstörte Speichereinheit hatte ihm nur den Weg in eine Halle aus Formenergie geöffnet. Caglamas Vlot erkannte, dass seine Bewaffnung nicht ausreichen würde, die Wände aus transparenter Formenergie zu durchbrechen.

Er wollte umkehren und versuchen, sich durch die Überreste des Speichers bis in eine andere Etage zu wühlen, da schwebten plötzlich Kyberneten in seinem Verlies. Sie hatten ihn beobachtet, vielleicht sogar auf seinen Fluchtversuch gewartet.

Vlot eröffnete das Feuer auf die Kyberneten, erkannte aber schnell, dass er ihre Schutzschirme nicht überlasten konnte. Außerdem beruhigte er sich etwas. Die Kyberneten wollten ihn nicht töten, sonst hätten sie das längst tun können. Ihnen ging es nur darum, ihn festzuhalten. Warum sie das taten, lag nahe. Er sollte keine Möglichkeit haben, Fordergrin Calt im Kampf gegen die Rebellen zu unterstützen.

Die eben noch grellbunte Helligkeit, die durch die Wände aus Formenergie hindurchschimmerte, wich beinahe schlagartig trüber Dämmerung. Vlot blickte auf und sah schemenhaft düstere Wolkenbänke wachsen. Ihm war sofort bewusst, dass Myriaden staubkorngroßer Mikromodule begonnen hatten, die gesamte Atmosphärefabrik zu infizieren. Damit war ein Notfall gegeben, der den Einsatz aller Mittel erlaubte.

Caglamas Vlot startete den Destruktor. Schlagartig leuchteten die Kyberneten von innen heraus in einem grellen, blauen Licht. Sie schrumpften erst, als werde ihre Masse von diesem Leuchten aufgezehrt, danach expandierten sie explosionsartig.

Vlot registrierte noch, dass die Belastung seines Schutzschirms weit in den Warnbereich schnellte. Im nächsten Moment traf ihn eine unsichtbare Faust und er verlor das Bewusstsein.

Als Caglamas Vlot wieder zu sich kam, schwebte er unterhalb einer wuchtigen Brückenkonstruktion. Die Sicherheitssysteme seiner Kombination hatten ihn aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich entfernt.

Er stieg bis knapp 400 Meter hoch auf, um sich zu orientieren. Dort, wo er den Destruktor eingesetzt hatte, gähnte ein mächtiger Krater. Viele Gebäude waren in einer verzögert ablaufenden Kettenreaktion vernichtet oder schwer zerstört worden. Der Schaden schien enorm zu sein, konnte aber zweifellos über Reserveschaltungen aufgefangen werden.

Am Horizont entdeckte Vlot die Silhouetten dreier Kuppeln. Diese Konstellation war einmalig in der gesamten Fabrik, deshalb konnte er sich daran orientieren. Rund 60 Kilometer von den Kuppeln entfernt würde er die Schaltzentrale Fordergrin Calts erreichen. Vorausgesetzt, er wurde auf dem Weg dorthin nicht erneut von rebellischen Kyberneten angegriffen.

Atlan strauchelte, weil er unverhofft den Boden unter den Füßen verlor. Sein letzter Schritt hatte ihn aus dem Dimensionstunnel ins Umland der Schwerkraftfabrik gebracht. Jedenfalls nahm er an, dass das in vielen Rottönen schimmernde Konglomerat verschachtelter Bauwerke zu Vlots Fabrik gehörte.

Er wandte sich um und sah eine Landschaft aus vermeintlich grasbewachsenen Hügeln und einen quecksilberfarbenen See. Über der flüssigen Formenergie schwebte ein seidenzarter Schleier – zumindest dessen verblassende Konturen, denn das kokonartige Etwas war gedankenschnell verschwunden.

Du weißt, was es war!, flüsterte der Logiksektor.

Atlan runzelte die Stirn. Beobachtete Jato-Jato ihn? Er war ein paar Sekunden zu spät gekommen, und im Nachhinein wollte er sich nicht mit den geheimnisvollen Aktivitäten befassen. Er ließ den TIRUN eine Funkverbindung zu Jen Salik und Lethos-Terakdschan aufbauen.

»Atlan?«, erklang die Stimme des Hathors sofort. »Wo bist du?«

»Außerhalb der Schwerkraftfabrik. Allerdings nicht in der Nähe des Vitalenergiespeichers.«

»Mein Peilung steht«, warf Jen Salik ein. »Du bist rund vierzig Kilometer entfernt. Was ist mit dem Jaschemen, er kennt sich hier aus ...«

»Vlot hat sich in die Atmosphärefabrik eines gewissen Fordergrin Calt abgesetzt. Dort rebellieren die Kybermodule. Wie sieht es bei euch aus? Seid ihr noch in der Reparaturhalle?«

»Wir warten hier auf dich und den Jaschemen. Kommst du zu uns?«

»Das sagt sich so leicht, Jen. Verrätst du mir, wie lange ich suchen soll?«

»Gute Frage. Wir wissen ebenfalls nicht, in welchem Abschnitt der Fabrik die Reparaturhalle liegt. Ich werde zwischen den Gebäuden aufsteigen. Dann sollte es dir möglich sein, mich anzupeilen.«

»Einverstanden«, sagte Atlan. »Ich gehe ebenfalls auf Höhe.«

»Gut«, bestätigte Salik.

Atlan schraubte sich langsam in den bunten Himmel empor. Im Gegensatz zu ihm war Jen Salik von üppigen technischen Einrichtungen umgeben, die sämtliche Emissionen seines TIRUNS überlagerten. Um die meisten Störfaktoren auszuschließen, stieg Atlan mehrere Hundert Meter hoch auf. Trotzdem wartete er vergeblich auf einen Ortungsreflex.

Nach einer Weile meldete sich Jen Salik über Funk. Die Verbindung wurde von Störungen überlagert. »Wir haben ein Problem«, teilte der Terraner mit. »Die Reparaturhalle ist von Kyberneten umstellt, die uns nicht gehen lassen.«

»Rebellieren sie hier ebenfalls?«, rief Atlan erschrocken.

»Es sieht nicht danach aus«, ließ sich nun auch Lethos-Terakdschan vernehmen. »Die Kyberneten haben uns höflich mitgeteilt, dass sie uns nicht ohne Anweisung ihres Herrn herumgehen lassen dürfen.«

»Könnt ihr mit ihnen verhandeln?«

»Sie sind stur.«

»Dann muss Bonsin mit euch teleportieren.«

»Das wäre machbar«, sagte Lethos. »Ich fürchte nur, dass die Kyberneten uns danach weniger höflich behandeln werden. Neue Probleme sind das Letzte, was wir brauchen.«

»Ich verstehe«, bestätigte Atlan. »Bleibt vorerst, wo ihr seid! Ich versuche, mich zu orientieren und die Lage der Schaltzentrale zu ermitteln. Danach sehen wir weiter.«

»In Ordnung«, entgegnete der Hathor. »Steig vorsichtshalber so hoch wie möglich auf.«

So hoch, wie du fliegen müsstest, um nicht abgeschossen werden zu können, kannst du gar nicht hinauf!, kommentierte der Logiksektor. »Die Tiefenkonstante liegt bei 2312 Metern.«

Atlan schaffte es gerade bis auf rund einen Kilometer und näherte sich dabei der Peripherie der Schwerkraftfabrik, dann wurde er von einer imaginären Hand gepackt und hinabgezogen.

Über die Ortung fand er rasch heraus, wo der Traktorstrahlprojektor stand, trotzdem verzichtete er darauf, seine Waffen einzusetzen. Er wollte keine Eskalation provozieren.

Der Griff des Traktorstrahls lockerte sich unerwartet, wenige Augenblicke später verschwand der Einfluss völlig. Atlan stellte verblüfft fest, dass am Standort des Projektors ein hausgroßes Modul zu Staub zerfiel.

Das ist die Wirkung eines Intervallstrahlers! Vlot wird dich und deine Gefährten dafür verantwortlich machen.

Atlan war sich dessen vollauf bewusst. Er rief über Helmfunk nach den Freunden.

»Hier ist die Lage unverändert«, teilte ihm Lethos mit. »Immerhin konnten wir dich kurz anmessen, außerdem die Emissionen eines Traktorstrahls und gleich darauf den Energieausstoß eines Intervallstrahlers. Du solltest dich besser nicht auf einen Kampf einlassen.«

»Wem sagst du das!«, rief Atlan. »Dabei hatte ich kurz die Hoffnung, einer von euch hätte eingegriffen.«

Nicht viel weiter als einen Viertelkilometer vor ihm explodierten zwei kleine Raketen. Atlan hatte sie erst Sekunden vorher im Ortungsdisplay gesehen. Er ließ sich tiefer sinken und versuchte zu erkennen, wer ihm schon zum zweiten Mal beigestanden hatte. Er bezweifelte nicht, dass die beiden Raketen ihm gegolten hatten, jedoch in ihrer Flugbahn beeinflusst worden waren.

»Was geht bei dir vor?«, fragte Jen Salik.

»Das wüsste ich selbst gern.« Atlan tauchte zwischen zwei siloförmige Gebäude ein, zur gleichen Zeit gab es mehrere Explosionen in der Nähe.

Er landete auf einer Straße und lief auf eine Art Torweg in der Vorderfront eines wuchtigen Bauwerks zu. Aber schon nach wenigen Metern startete er instinktiv wieder, zugleich mit einer Warnung seines Extrasinns. Ein schenkeldicker Energiestrahl verfehlte ihn knapp und entlud sich im Bereich des Torwegs. Ein Blick zurück zeigte Atlan ein Kybermodul von der Größe eines terranischen Flugpanzers. Der Strahlprojektor im Bug des Moduls war schwerlich zu übersehen.

Atlan beschleunigte. In wildem Zickzack näherte er sich dem Rand des Gebäudes.

Das Dröhnen einer heftigen Explosion folgte ihm, kaum dass er hinter der Mauerecke leidlich geschützt war. Atlan erwartete, die Wand bersten zu sehen, doch flogen nur glühende Splitter durch die Luft.

Das Kybermodul ist erledigt!, bemerkte der Logiksektor. Deine Helfer scheinen trotzdem unsichtbar bleiben zu wollen.

Atlan entdeckte an der Seitenfront des Gebäudes eine tiefe Eingangsnische. Er landete dort.

Sekunden später materialisierten Bonsin und der Haluter nur wenige Meter entfernt auf der Straße. Domo Sokrat zog den Abaker fest an sich und aktivierte seinen Schutzschirm.

Keinen Augenblick zu früh, denn ein greller Energieschuss zuckte von einem höheren Gebäude herüber. Sokrats IV-Schirm hielt der Belastung stand.

Atlan hatte für einen Moment die Fensteröffnung im Blick gehabt, aus der geschossen worden war. Er hatte zwar nicht den Angreifer gesehen, jedoch dessen Waffe. Lang und stabförmig war sie ihm erschienen.

Er kannte diese Art von Waffe: ein Zepter. Leider nur zu gut erinnerte er sich an die Verfolgung durch die Exterminatoren und dass diese Killer ihn und seine Gefährten hatten töten wollen. Auf seinen Gedankenbefehl lösten sich ein Desintegrator und ein Impulsstrahler aus den Handgelenkswülsten seines TIRUNS und eröffneten aus überhöhten Positionen das Feuer auf den Schützen. Das schwarze Zepter detonierte und löste sich in eine rasch verwehende Gaswolke auf. Was aus dem Exterminator wurde, sah Atlan nicht.

Sokrat und Bonsin kamen zu ihm.

»Dein Orbiter meldet sich zur Stelle, Atlanos!«, dröhnte der Haluter. »Nimm Bonsin in deine Obhut. Ich hole mir den Burschen, der auf uns geschossen hat.«

»Es war ein Exterminator«, sagte Atlan und schaltete seinen Schutzschirm ab, um Bonsin nicht zu gefährden. »Am besten, du springst zu den anderen zurück!«, forderte er den Abaker auf.

»Nicht ohne dich!«, rief Bonsin.

Atlan winkte ab. »Ich bleibe mit Sokrat hier. Jemand unterstützt uns gegen die Kybermodule – wir müssen herausfinden, wer und warum.«

In der Sekunde bogen zwei große Kybermodule um die Ecke. Der Haluter war soeben einige Hundert Meter entfernt in ein Nachbargebäude eingedrungen, die beiden Module erfassten deshalb das nächstliegende Ziel – und das waren Atlan und Bonsin.

»Spring!«, befahl Atlan.

Alles ging unheimlich schnell. Der Abaker verschwand. Zugleich flammten die Strahlprojektoren der Module auf, aber sie entluden sich nicht mehr. Vielmehr zerfielen beide Kybermodule weitgehend zu Staub.

Die Schüsse aus einem Nachbargebäude, die Atlan womöglich das Leben retteten, stürzten ihn zugleich in tiefe Verwirrung. Er hatte leidlich erkennen können, dass große Hominide mit winzigen Köpfen das Feuer auf die Kybermodule eröffnet hatten. Diese Wesen, in weiße Schutzanzüge gekleidet, hatten schwarze Zepter eingesetzt, die alle denkbaren Energiewaffen simulieren konnten.

Exterminatoren!

Schlag nie den Mund, der dich küssen will!, mahnte der Logiksektor, weil Atlan in einem heftigen Reflex beim Anblick der Tiefenpolizisten auch seine restlichen vier Waffen startete.

Atlan verzichtete zwar auf den gedanklichen Feuerbefehl, hielt die pfeilspitzenförmigen Waffen aber in Bereitschaft.

»Hallo, Atlanos!«, meldete sich der Haluter erstaunlich leise über Funk. »Weißt du, wer auf mich geschossen hat?«

»Ich habe es dir schon gesagt.«

»Ja, ich weiß, ein Exterminator. Zugleich ein Freund. Er hat auf mich geschossen, weil er annahm, ich wäre dein Feind. Was sagst du dazu?«

Atlan sagte gar nichts, denn hoch in seinem Blickfeld tauchten weitere große Kybermodule auf. Sie hatten es allerdings nicht auf ihn abgesehen. Das Feuer ihrer Strahlkanonen zuckte über das Gebäude hinweg, in dessen Seitenfront er leidlich Deckung hatte. Grelle Entladungen tobten im Bereich mehrerer naher Bauten. Atlan zweifelte nicht daran, dass dieser Angriff den Exterminatoren galt, die ihm beigestanden hatten.

Du willst dich revanchieren?

Atlan lächelte freudlos. Das Risiko wäre zu groß gewesen. Die Exterminatoren waren wohl klug genug, sich der Übermacht nicht zu stellen. Zumindest einige von ihnen konnten den Angriff überlebt haben, wenn ihre Deckungen gut genug gewesen waren.

»Die Module schlagen mächtig drein!«, röhrte Sokrat im Helmfunk. »Aber das Gewitter scheint abzuflauen. Ich komme mit Thurg.«

»Warte!«, rief Atlan. Im Helmdisplay verfolgte er die Ortungsbilder der rund 30 Kybermodule. »Es ist nicht auszuschließen, dass sie erneut angreifen.«

Er holte seine Waffen in die Handgelenkspassen zurück. Wen der Haluter mit Thurg gemeint hatte, konnte er sich lebhaft vorstellen.

Die Kybermodule drehten ab – bis auf eines, das weiterhin in der Höhe kreiste.

»Verhaltet euch ruhig, Domo!«, sagte Atlan mit schwacher Sendeleistung. »Die Module haben einen Lockvogel zurückgelassen. Falls der beschossen wird, haben wir die Meute wieder hier.«

»Verstanden!«, gab der Haluter zurück.

Von irgendwo im Hintergrund zuckten drei Energieblitze in den grellbunten Himmel und ließen das Kybermodul aufglühen.

»Jetzt weg!«, rief Atlan über Helmfunk und startete sein Flugaggregat. Er sah den Haluter gemeinsam mit einem Exterminator aus einer Fensteröffnung hervorbrechen und ihm folgen.

Augenblicke später war das Unheil da. Sokrats Aufschrei verriet, dass der Haluter die tödliche Gefahr ebenfalls bemerkt hatte. Doch es gab kein Ausweichen mehr ...

Der kokonartige seidenzarte Schleier musste gleichzeitig mit der Formation von mindestens 30 Kybermodulen erschienen sein. Atlan hatte ihn wegen der heranrasenden Gegner nur nicht sofort beachtet. Das gelbe Metallgestell und der darauf liegende braun gestreifte Fellberg waren jedoch nicht zu übersehen.

Das Gestell kollidierte mit einem der panzergroßen Module, während in der Atlan zugewandten Trichteröffnung die Kristalle aufleuchteten. Das heißt, die Kollision hätte erfolgen müssen, doch mit dem Flackern der Kristalle verschwanden die Angreifer.

»Jato-Jato ist da!«, dröhnte die Stimme des Haluters im Helmfunk.

»Anhalten, Sokratos!«, rief Atlan. Kurz wandte er sich dem neben Domo Sokrat fliegenden Exterminator zu. »Und Thurg, wenn ich den Namen richtig verstanden habe.«

Sie stoppten ab und schalteten ihre Schutzschirme aus. Das Gestell mit Jato-Jato kam ebenfalls zum Stillstand.

Ganz kurz spürte Atlan ein Prickeln auf der Haut, als würden Käfer über seinen Körper krabbeln. Er kannte diese Empfindung bereits und wusste deshalb sofort, dass Thurg ihn mit dem eigentümlichen Tastsinn befühlte, über den alle Exterminatoren verfügten. Danach konzentrierte der große Hominide seine Wahrnehmungen offenbar auf Jato-Jato.

»Ohne dein Eingreifen hätten uns die Kyberneten erwischt«, sagte Atlan. »Danke.«

»Es war reiner Zufall, dass meine Sextadimkomponente die Gefahr aufspürte, als sie eine Spanne vorausging«, erwiderte das Fellwesen.

Atlan horchte auf. »Du kannst damit auch in die Zukunft reisen?«, fragte er und deutete auf das Gestell.

»Nicht mit dem Temporator«, antwortete Jato-Jato. »Er ist unvollkommen. Die Sextadimkomponente eines Intelligenzwesens kann auch nicht physisch vorausgehen, denn sie existiert nicht physisch.«

Er hat nicht von sich, sondern von seiner ÜBSEF-Konstante gesprochen!, bemerkte der Logiksektor.

»Ich verstehe«, sagte Atlan. »Du meinst Präkognition. Das ist eine wertvolle, wenngleich seltene Begabung.«

»Ich habe diese Fertigkeit erlernt. Doch wir halten uns mit Nebensächlichkeiten auf. Atlan, hast du die Spielzeugmacherin gefragt, warum Jato-Jota besser zu mir passt als Jato-Jato?«

»Nein«, antwortete Atlan zögernd. »Ich hatte bislang keine Gelegenheit, aber ich werde es nachholen. Übrigens, was weißt du über Jota Großer Berg?«

»Nichts«, sagte das Fellwesen. »Den Namen habe ich nie gehört. Nun muss ich gehen. Ihr befindet euch momentan in einer Vergangenheit, in der ihr euch ungehindert durch die Schwerkraftfabrik meines Vaters bewegen könnt. Haltet euch trotzdem nicht länger auf als unbedingt nötig! Benutzt eine Transmitterkammer mit blauen, nicht reflektierenden Wänden! Ihr gelangt dann auf die Zeitebene zurück, auf der das Modul euch beinahe erwischt hätte. Seid vorsichtig, ich kann euch kein zweites Mal retten. Helft meinem Vater Caglamas Vlot und Fordergrin Calt ebenfalls, wenn ihr könnt!«

Atlan hatte viele Fragen, nur verschwammen die Konturen des Gestells und des Fellwesens schon wieder hinter dem seidenzarten Schleier – und dann war Jato-Jato mit seinem Temporator fort.

Atlan sah sich nun erst um. Thurg, Sokrat und er standen auf einer Straße, unter deren Belag aus Formenergie ein stabiler Unterbau aus erstarrten Mikromodulen in allen Rottönen zu sehen war.

Die Gebäude in der Nähe wirkten seltsam still und unbewohnt. Vor allem waren die rund 30 Kybermodule nicht vorhanden – noch nicht! Atlan fröstelte bei dem Gedanken, was geschehen wäre, wenn Jato-Jato nicht eingegriffen hätte.

Er wandte sich Thurg zu. Ob er diesen Exterminator schon einmal gesehen hatte, blieb dahingestellt. Diese Wesen mit der blütenweißen Haut, den grünen Pigmentflecken und den tennisballgroßen Köpfen sahen zumindest für Angehörige anderer Spezies alle gleich aus.

Thurg war mindestens 2,80 Meter groß und ein Muskelprotz wie alle Terminatoren. Sein Schmutz abweisender weißer Schutzanzug hatte nicht den geringsten Makel. Der kugelförmige transparente Helm war wie der Schutzanzug in der Lage, Strahlschüsse zu absorbieren. Zusätzlich trug der Exterminator einen voluminösen Tornister, der ein Mikrokraftwerk, Schutzschirmprojektoren, ein Flugaggregat sowie verschiedene Waffen enthielt. Die Zepter genannte Variowaffe fehlte; für Atlan war das der Beweis, dass er dem Exterminator gegenüberstand, der auf Sokrat geschossen hatte.

Unbeantwortet blieb die Frage, wieso Thurg friedfertig war – nach den schlimmen Erfahrungen, die Atlan und seine Gefährten mit den zu Killern entarteten einstigen Tiefenpolizisten gemacht hatten.

Wichtiger ist es, zu klären, warum die Exterminatoren auf eurer Seite gegen die Kybermodule gekämpft haben!, meldete sich der Logiksektor.

Gekämpft haben werden!, berichtigte Atlan. Er wandte sich Sokrat zu, doch der Haluter war eine Nuance schneller und antwortete bereits auf die noch gar nicht gestellte Frage.

»Die Exterminatoren wurden geläutert, nachdem sie sich in den Vitalströmen des Speichers selbst in Vitalenergie auflösten«, dröhnte Domo Sokrat. »Thurg hat es mir gesagt, nachdem ich ihn beinahe auseinandergerissen hätte, weil er auf mich schoss.«

»Das war ein Missverständnis«, beteuerte Thurg mit der piepsigen Stimme aller Exterminatoren. Der lippenlose Schlitzmund an der Unterseite seines kräftigen Halses bebte merklich. »Ich hielt Sokrat für ein angreifendes Kybermodul. Er tauchte für mich überraschend auf, nachdem ich vorher erfahren hatte, dass du allein wärst, Atlan.«

»Akzeptiert und vergessen«, sagte Atlan. »Wie seid ihr Exterminatoren überhaupt ins Reich der Jaschemen gekommen und was wollt ihr hier?«

»Nachdem ihr in den Vitalenergiespeicher von Schatzen geflüchtet wart, befahl der Große Exterminator, euch zu verfolgen«, berichtete Thurg. »Er selbst ging uns voran. Wie schon gesagt: Wir wurden in den Vitalströmen wieder zu den Hütern der Tiefengesetze, die wir einst gewesen sind. Wir schworen dem Speicher tätige Reue und euch Rittern der Tiefe treu zu dienen. Daraufhin schickte er uns in Richtung Vagenda, doch eine Sperre fing uns ab und ließ uns hier stranden. Keiner von uns ahnte, dass es euch genauso erging. Erst als wir das aus Funksprüchen heraushörten, entschieden wir, aktiv zu werden. Ich gehöre zu einer kleinen Vorausgruppe, die dich gegen die Kybermodule schützen soll.«

»Das habt ihr recht wirkungsvoll geschafft«, stellte Atlan zweideutig fest. »Ohne Jato-Jato hätten die letzten Salven für uns das Ende bedeutet.«

»Jato-Jato«, wiederholte Thurg. »Er ist ein Intelligenzwesen, das die Zeitreise beherrscht, nicht wahr? Wieso nannte er den Herrn der Schwerkraftfabrik seinen Vater?«

»So richtig habe ich die Zusammenhänge selbst bislang nicht durchschaut«, antwortete Atlan. »Ich nehme an, der Begriff Vater hat für Jato-Jato einen anderen Sinn als für uns.«

»Interessant, aber nicht aktuell«, dröhnte Sokrat. »Ich schlage vor, wir beeilen uns, die Atmosphärefabrik zu erreichen und den Aufstand der Kyberneten und Kybermodule zu beenden.«

»Auf dieser Zeitebene?«, fragte Atlan. »In der Vergangenheit, in der es noch gar keinen Aufstand gibt?«

Der Haluter grummelte. »In unserer Gegenwart wäre es zu gefährlich«, wandte er ein. »Hast du schon vergessen, dass wir beinahe umgekommen wären?«

Atlan schüttelte den Kopf, dann wandte er sich an den Exterminator. »Willst du uns überhaupt begleiten, Thurg?«

»Du bist ein Ritter der Tiefe«, antwortete der Riese mit dem winzigen Kugelkopf. »Wenn es nötig ist, werde ich dir bis in den Tod folgen.«

Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe  (Silberband)

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