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Unwillig sah Jato-Jato auf, als ein Gongschlag ertönte. Eines der Wandreliefs verschwand und machte dem Holobild eines seltsamen Lebewesens Platz.

Es bewegte sich aufrecht und war nur mit einer Latzhose aus graubraunem Stoff bekleidet. Die nicht davon bedeckten Körperteile ließen gelbbraunen Flaum erkennen – mit Ausnahme des Gesichts, dessen Haut nackt war, aber ebenfalls gelbbraun. Es war ein eher tierhaft wirkendes Gesicht mit faltigen, wabbelnden Wangen, großen Schlappohren und langen borstigen Augenbrauen. Dieses Wesen lief auf zwei Beinen und verfügte über vier Arme. Zwei weitere, verkümmert anmutende Gliedmaßen dienten ihm offenbar dazu, sich abzustützen.

Das alles war indes nicht halb so verblüffend wie die Tatsache, dass sich dieses seltsame Geschöpf in einem Geheimgang befand. An der Peripherie des Gebiets, in dessen Zentrum Jato-Jatos Residenz lag. Diese Region war absolut unzugänglich für Unbefugte. Jedenfalls war Jato-Jato bislang davon überzeugt gewesen, denn er hatte die zahllosen Sicherheits- und Fallensysteme selbst installiert.

Sämtliche Schikanen schien der Eindringling unbeschadet überwunden zu haben. Jedenfalls machte er einen sehr lebendigen Eindruck und war offenbar nicht einmal verletzt. Entweder hatte einiges versagt – oder der Fremde verfügte über technische Mittel, die denen des Jaschemenreiches überlegen waren.

Jato-Jato blickte zu seiner Gefangenen. Vielleicht war der Eindringling das Wesen, das sie ihren Ritter genannt hatte.

Ein Ritter der Tiefe.

Beauftragter der Kosmokraten.

Jato-Jato erschauderte. Wieder versuchte er, sich zu erinnern, was ein Kosmokrat war. Es gelang ihm nicht. Gleichwohl hatte er den sicheren Eindruck, dass sich hinter dem Namen etwas Schreckliches verbarg, dessen Macht sogar die seines Schöpfers übertraf.

Leider konnte er die Spielzeugmacherin nicht fragen. Clio hatte ihren Leib über den drei Augen eingeschnürt und den Oberkörper vom Rest des Rumpfes gelöst. Der abgetrennte Teil schrumpfte, weil sich seine Konsistenz verstärkte, und änderte dabei die Form. Gleichzeitig löste sich der Teppich, auf dem Clios Unterkörper stand, mehr und mehr auf. Jato-Jato wusste, dass das feine Gewebe von Clios Körper absorbiert wurde. Sie baute daraus die Substanz auf, aus der ihr neuer Oberkörper wachsen würde. Die Anfänge waren schon als farblose, schwach vibrierende Ausbuchtungen über der Einschnürung zu sehen.

Es würde zu lange dauern, bis die Spielzeugmacherin wieder ansprechbar war. Jato-Jato fürchtete, dass der Eindringling bis dahin seine Residenz gefunden hatte. Vorübergehend erwog er, sich persönlich zum Kampf zu stellen. Er verwarf diesen Gedanken sofort wieder, denn er fürchtete, einem Beauftragten der Kosmokraten nicht gewachsen zu sein. Keinesfalls wollte er kurz vor seinem bisher größten Triumph sterben. Also blieb ihm nur die Flucht.

Jato-Jato dachte einige Schaltungen. Rings um ihn, Clio und das unfertige Gerät öffnete sich ein quadratischer Spalt im Boden. Alles außerhalb des Quadrats stieg sehr schnell empor, und während dieses Vorgangs schlossen sich zwei Kontakte. Ein fahler Blitz zuckte auf – und Jato-Jato, Clio und das Halbfabrikat wurden räumlich in eine Ausweichresidenz versetzt.

Tengri Lethos-Terakdschan lauschte auf die vielfältigen Impulse aus dem Netzwerk des semi-organischen Gewebes, das seine Tiefenkombination durchzog. Niemand außer ihm kannte das Geheimnis des Netzwerks. Er hatte nie verschwiegen, dass es ihm die relative Unsterblichkeit verlieh, weil es wie ein Zellaktivator wirkte. Auch nicht, dass es seine Kraft und Ausdauer erheblich verstärkte und ihn unsichtbar machen konnte. Aber niemand ahnte, dass es ihm den Zugriff auf enorme Kräfte ermöglichte.

Dieses Geheimnis hatte sich ihm erst in der Tiefe enthüllt und war wohl bislang nur teilweise gelüftet. Im Grunde genommen war der Hathor wie alle herausragenden Persönlichkeiten, die er kannte, ein Spielball von Mächten und Kräften, die selbst schon lange nicht mehr präsent waren.

Tengri Lethos-Terakdschan sah sich unter der hochgespannten Kuppel eines monokristallinen Domes stehen. Er presste die Handflächen gegen die Schläfen, als er die Impulse des Netzwerks wahrnahm. Sein Orbiter hielt sich irgendwo in der Nähe auf – und schwebte in Gefahr!

Lethos drehte sich langsam um sich selbst und musterte die Umgebung außerhalb des Kristalldoms. Alles war in Rottönen gehalten, als befände er sich weiterhin in der Stadt, die er nach der Ankunft im Jaschemenreich entdeckt hatte. Zur Rechten ragten drei schlanke, sechsflächige Pyramiden hoch in den schreiend bunten Himmel. Sie schimmerten goldrot. Auf der gegenüberliegenden Seite standen fünf rechteckige, braunrote Hochhäuser. Dazwischen wölbten sich Kuppeln, und über ihnen verliefen Brücken und freitragende Hochstraßen aus starrer Formenergie. Hin und wieder rasten tropfenförmige Fahrzeuge darüber hinweg.

Lethos erinnerte sich, dass er auf der Suche nach Bonsin von schräg rechts gekommen war. Er hatte die Kybermodule abgelenkt und seine Gefährten später vor der Flut aus verflüssigter Formenergie gewarnt. Danach war er einer Spur seines Orbiters gefolgt.

Sein Blick blieb auf einer ziegelroten Kuppel haften. Gleichzeitig erkannte er, dass Bonsin sich dort befand und dass der junge Abaker in Not war.

Lethos-Terakdschan ließ sich von den Impulsen des Netzwerks den Weg weisen. Er sank langsam zum unteren Rand der kleineren Kuppel hinab.

Bald fand er den Eingang, das Netzwerk warnte ihn jedoch vor einem raffinierten Fallensystem. Der Hathor verharrte unschlüssig und fragte sich, ob Bonsin ahnungslos in diese Falle gegangen war. Zugleich bezweifelte er das, denn der Abaker war unter anderem Teleporter und konnte das Fallensystem einfach übersprungen haben.

Lethos setzte eines seiner kleinen Geräte ein, den Sextadimstrahler. Der Eingang der ziegelroten Kuppel verblasste und verschwand kurz darauf. Das Netzwerk stellte fest, dass das Fallensystem ebenfalls verschwunden war.

Hinter der Öffnung herrschte Dunkelheit, die Funktionen des Folienhelms ließen jedoch alles taghell erscheinen. Lethos flog in einen etwa vier Meter hohen und halb so breiten Korridor ein, dessen Wände von einer dünnen Schicht aus zermahlenen Howalgoniumkristallen überzogen waren. Der Weg verlief erst horizontal, senkte sich dann und führte schließlich in einer weiten Spirale abwärts. Lethos stellte fest, dass er weitere desaktivierte Fallensysteme passierte. Wenig später schwebte er über einem quadratischen, rund fünfzehn Meter tiefen Schacht. Auf dem Grund pulsierte ein halbstoffliches Energiebündel, dessen Umrisse in einer bestimmten Pulsationsphase deutlicher wurden.

»Bonsin ...«, erkannte der Hathor betroffen.

Unten im Schacht arbeitete ein Transmitter irregulär. Jemand hatte das Gerät fehlerhaft geschaltet, deshalb war der Abaker nicht vollständig entmaterialisiert worden, sondern bewegte sich unaufhörlich auf halbem Weg vor und zurück. Irgendwann würde der Transmitter dabei überhitzen und explodieren.

Lethos-Terakdschan sondierte. Die Impulse verrieten ihm, welcher Fehler dem Abaker unterlaufen war. Nachdem der Hathor das richtige Schaltmuster aufgespürt hatte, konnte er dieses aktivieren und die falsche Schaltung löschen.

Mit einem gellenden Schrei materialisierte Bonsin auf der quadratischen Plattform. Zugleich schien die Plattform im Schacht nach oben zu schweben.

Lethos erkannte, dass es umgekehrt war. Der Boden des Raumes, in dem die Plattform ursprünglich gestanden hatte, war an die Decke gehoben worden und senkte sich nun wieder ab, bis alles eine geschlossene Fläche bildete.

Aus der richtigen Decke hingen leuchtende Stäbe aus kalter, goldfarbener Energie. Sowohl die Wände als auch die Decke des Saales bestanden aus Marmorplatten, zwischen denen Reliefs aus getriebenem Kupfer das Licht reflektierten. Der Boden war mit dicken Teppichen bedeckt – mit Ausnahme des quadratischen Ausschnitts, auf dem Bonsin lag. Von dem Teppich dort waren nur kleine, zusammenhaftende Stücke übrig.

Lethos beugte sich vor und half Bonsin auf die Beine.

»Clio muss hier gewesen sein«, sagte er und zeigte auf die spärlichen Überreste des Teppichs. »Sie hat einen Großteil des Gewebes absorbiert. Eine Menge Substanz, denn der Teppich war bestimmt eine Handspanne dick wie die anderen. So viel braucht sie nur, wenn sie ihren abgeschnürten Oberkörper nachwachsen lässt. Sie muss demnach etwas hergestellt haben. Ich frage mich, ob sie dazu gezwungen wurde.«

»Sie ist weg«, jammerte Bonsin. »Clio muss kurz vor meiner Ankunft über den Transmitter verschwunden sein. Warum hat sie nicht auf mich gewartet?«

»Ich vermute, dass ihr keine andere Wahl blieb«, sagte der Hathor. »Sie wurde gezwungen, etwas herzustellen und danach diesen Saal zu verlassen.«

»Gezwungen?« Bonsin klammerte sich mit allen vier Händen an Lethos' Arme. »Von wem und warum?«

»Konntest du telepathisch nichts erfassen? Du scheinst ihr ziemlich nahe gewesen zu sein.«

»Ich konnte nichts Böses espern«, antwortete der Abaker kleinlaut. »Außer Clio war nur eine Wesenheit da, deren Bewusstsein eine positive Ausstrahlung hatte. Ich spürte Zuneigung, Güte und Hunger.«

»Hunger?«, fragte Lethos erschrocken.

»Hunger nach Ideellem. Ich glaube, dieses Wesen sehnte sich nach Anerkennung und Liebe. Vielleicht war das nicht einmal alles. Ich konnte nur nicht mehr erkennen.« Bonsin blickte den Hathor aus feuchten Augen fragend an.

»Ich versuche, Clio zu befreien«, sagte Lethos. »Dich bringe ich am besten zu Atlan und den anderen.«

»Ich bin dein Orbiter«, protestierte Bonsin. »Du darfst mich nicht wegschicken. Vielleicht brauchst du meine Hilfe.«

»Ich dachte, du hättest nach deinem Transmitterunfall erst einmal genug davon.«

»Das schon. Aber wie soll ich sonst neues Vertrauen in die Technik gewinnen?«

Lethos-Terakdschan lächelte kurz. »Ich weiß nur nicht, was uns am Ziel erwartet«, sagte er. »Du solltest dich auf jeden Fall zurückhalten, bis wir einen Überblick haben.«

Er konzentrierte sich auf die Impulse des Netzwerks, prüfte die Schaltung und gab die betreffenden Befehle. Rings um die quadratische Fläche, auf der er mit Bonsin stand, bildete sich ein Spalt, dann stieg der übrige Boden rasch empor. Ein fahler Blitz zuckte auf ...

Der Raum, in dem Lethos-Terakdschan und der Abaker rematerialisierten, glich weitgehend dem, aus dem sie gekommen waren. Er war nur kleiner und nahezu völlig dunkel, denn die aus der Decke herabhängenden Stäbe glommen lediglich schwach in rötlichem Goldton. Über die Kupferreliefs tobten knisternde Funkenentladungen.

Der Hathor hielt einen eiförmigen Projektor in der Hand, über den er mental eine Barriere aus Formenergie zwischen sich und dem Fremden auf der anderen Seite des Raumes aufbaute. Die Barriere schloss die Spielzeugmacherin mit ein, die unbeweglich auf dieser Seite des Raumes kauerte.

Der Fremde war nur undeutlich zu sehen. Lethos hatte überhaupt erst an seinen großen Augen erkannt, dass er es mit einem lebenden Wesen zu tun hatte. Eher konnte man diese Gestalt für einen gut vier Meter hohen Erdhügel halten. Was feuchter Erde so ähnlich sah, erwies sich erst bei genauerem Hinsehen als in Brauntönen gestreiftes Fell. Der Kopf ähnelte dem eines terranischen Braunbären, war aber nicht nur viel größer, sondern wirkte zugleich gedrungener, weil eine vorspringende Schnauze fehlte. Dieses Wesen hatte auch keine krallenbewehrten Tatzen, sondern samtweich anmutende Pfoten, die ein wenig unter dem massigen Körper hervorlugten.

Ein Tier? Der Hathor lächelte selbstironisch, als er sich bei diesem Gedanken ertappte. Der Fremde war keinesfalls ein Tier. Er lag auf einem Gestell aus honiggelbem Metall, ein Zwischending aus Polarschlitten und räderlosem Gokart, an dem vorn und hinten jeweils ein wagenradgroßer schwarzer Trichter befestigt war. Lethos zweifelte keine Sekunde daran, dass dieses Gestell von Clio produziert worden war.

Mein Vater möge mir verzeihen!

Der Gedanke erreichte den Hathor gleich einem psionischen Fanfarenstoß, und es waren so viele Emotionen darin verpackt, dass er betroffen ächzte. Er sah noch, dass sich in der Öffnung des vorderen Trichters eine schwebende Ballung silbrig funkelnder Kristalle bildete, dann verschwammen die Konturen des Gestells und des Fremden hinter einem kokonförmigen zarten Schleier. Alles verblasste schnell, der Schleier pulsierte einmal heftig und verschwand mitsamt dem Gestell und dem Fremden.

In dem Sekundenbruchteil, in dem der Schleier pulsierte, hatte Lethos-Terakdschans Netzwerk Reflexe aufgefangen, die zumindest erahnen ließen, wohin der Fremde verschwunden war.

Die Spielzeugmacherin seufzte und kippte einfach um. Lethos schaltete den Formenergieprojektor aus, lief zu Clio und beugte sich über sie. Sie sah eigenartig unproportioniert aus, da ihr Oberkörper keineswegs schon voll reproduziert war.

»Ist sie tot?«, fragte Bonsin stockend.

»Nur bewusstlos«, antwortete Lethos. »Aber ihre Lebensfunktionen werden schwächer, und ich kann ihr nicht helfen.«

»Was hat der Fremde mit ihr gemacht?«

»Er hat sie bewogen, ein Aggregat für ihn zu erschaffen. Ein Gerät, mit dem er uns vielleicht für immer entkommen ist. Anscheinend dient es dem Transport durch die Zeit.«

»Durch die Zeit?«, echote Bonsin. »So etwas gibt es?«

»Öfter als du denkst. Wir existieren nur in einem vordergründigen Universum; das Ganze ist unendlich größer.« Lethos-Terakdschan lächelte entsagungsvoll. »Vergiss es, mein Junge, das ist nichts für uns! Wir bringen Clio besser zu unseren Freunden. Wenn ihr jemand helfen kann, dann ihr Ritter.«

»Ja, Tengri«, sagte Bonsin eifrig. »Darf ich mit euch teleportieren?«

»Das ist möglich. Aber wähle zuerst eine kurze Strecke, damit wir uns orientieren können. Wir dürfen auf keinen Fall vergessen, dass wir uns im Reich der Jaschemen befinden – und dass die Techniker der Tiefe uns offenbar nicht wohlgesinnt sind.«

»Ich denke daran«, versprach Bonsin. »Und falls Clio etwas zustößt, werde ich mich furchtbar rächen.«

Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe  (Silberband)

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