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8.

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Erst schwankte der Boden, dann erklang ein anhaltendes Knirschen. Atlan sah, dass sich eine Wand der Reparaturhalle in einen finsteren Schlund verwandelte. Er musterte den Jaschemen, doch Caglamas Vlot war offensichtlich ebenso überrascht wie seine Besucher.

»Es riecht eigenartig«, stellte Bonsin schnuppernd fest.

»Abgestanden«, ergänzte Jen Salik, der neben der Spielzeugmacherin stand.

Atlan roch es ebenfalls. Der Luftzug, der für wenige Sekunden spürbar geworden war, erzeugte einen metallischen Nachgeschmack im Mund.

Tengri Lethos-Terakdschan deutete auf den Schlund, hinter dem etwas wie eine sich windende Röhre erschien. »Was könnte das sein?«

»Ein Dimensionstunnel«, antwortete der Haluter.

»Im schlimmsten Fall wollen eure Raum-Zeit-Ingenieure euch folgen«, argwöhnte Vlot.

»Es sind zwar nicht ›unsere‹ Raum-Zeit-Ingenieure, aber vielleicht haben sie diesen Dimensionstunnel tatsächlich aufgebaut«, sagte Atlan. »Allerdings sieht es nicht danach aus, als könnten sie ihn auch benutzen.«

»Wenn sie das nicht können, sollten wir es tun«, nahm Jen Salik das Stichwort auf.

»Zu diesen Verbrechern bringt mich keiner ...!«, protestierte der Jascheme lautstark.

»Nicht so voreilig!«, platzte Clio dazwischen. Die Stimme der Spielzeugmacherin klang nach ihrer Verjüngung lasziver als zuvor, trotzdem wirkte sie energisch. Auf Vlot hatte die Unterbrechung die Wirkung eines ernüchternden Eiswassergusses.

»Was, denkst du, soll Er tun?«, erkundigte er sich respektvoll bei Clio.

»Einfach nur nachsehen, was sich auf der anderen Seite des Dimensionstunnels befindet«, riet die Spielzeugmacherin.

»Gut, Er wird das tun.« Der Jascheme blickte die Ritter der Tiefe an. »Wollt ihr Ihn begleiten?«

»Selbstverständlich«, antworteten Atlan und Salik wie aus einem Mund.

»Ich halte es für bedenklich, dass ihr beide gehen wollt«, wandte Lethos ein.

»Ich begleite meinen Ritter!«, erklärte Domo Sokrat. »Du solltest bedenken, Atlanos, dass ein Dimensionstunnel jederzeit zur Falle werden kann, die keinen wieder freigibt.«

Atlan nickte. »Deshalb finde ich Tengris Einwand richtig«, sagte er. »Es genügt völlig, wenn ich Caglamas begleite. Ich weiß, dass du für mich durch die Hölle gehen würdest, Sokratos. Sollten wir nicht zurückkehren, wirst du mit deinem Planhirn Jen und Tengri jedenfalls eine große Hilfe sein. Sie werden komplexeste Berechnungen anstellen müssen, um uns zwischen den Dimensionen wiederzufinden.«

»Jeder bestimmt über mich, als wäre ich eine Schachfigur«, schimpfte Jen Salik. »Ich gehe selbstverständlich mit euch.«

»Es ist deine Entscheidung«, entgegnete Atlan unbewegt. »Ich dachte nur, dass die Kombination von Planhirn und Genie ideal wäre, um nötigenfalls ...«

»Schon verstanden!«, unterbrach ihn der Terraner. »Schert euch meinetwegen zum Berg der Schöpfung!«

Atlan hatte das Gefühl, als würde etwas in seinen Gedanken klickend einrasten. Er sah Salik abwägend an, doch der reagierte nur mit einer bohrenden Frage darauf: »Woran denkst du?«

Atlan verscheuchte seine Überlegungen. »Es war nichts weiter«, sagte er, um sich langwierige Erklärungen zu ersparen. »Nichts, was dich betrifft, Jen.«

Ohne es abgesprochen zu haben, verzichteten sowohl Atlan als auch der Jascheme auf den Einsatz ihres Flugaggregats. Beide wussten sie, dass fünfdimensionale Energie innerhalb eines Dimensionstunnels unvorhersehbare Reaktionen auslösen konnten. Nur deshalb gingen sie zu Fuß, obwohl Kyberneten Vlots den kleinen Schaden an Atlans Aggregat schon behoben hatten.

Der Dimensionstunnel war auf dieser Seite eine ovale Struktur voller kalter Helligkeit.

»Wer erzeugt eigentlich die Schwerkraft für das Tiefenland?«, fragte Atlan. »In deiner Stadt haben meine Freunde und ich nur schalttechnische Funktionen angemessen.«

»Diese gesamte Anlage ist die Schwerkraftfabrik, keine Stadt«, sagte Vlot. »Andere Schaltzentralen sind die Klimafabrik, die Atmosphärefabrik und so weiter. Die Produktion von Schwerkraft, Klima, Atmosphäre und allem anderen erfolgt im Neutrum, einer Region über der Tiefenkonstante.«

Atlan horchte auf. Er nahm sich vor, später darauf zurückzukommen. Vorerst interessierte ihn etwas anderes mehr.

»Ihr Technotoren sorgt also dafür, dass im Tiefenland optimale Lebensbedingungen für alle Völker herrschen«, stellte er fest. »Haben die Grauen Lords nie versucht, diese Arbeit zu sabotieren?«

Caglamas Vlot schien noch einige Handspannen zu wachsen. »Sie haben solche Versuche längst aufgegeben«, antwortete er mit hörbarem Stolz. »Wir Techniker der Tiefe verstehen unser Geschäft. Uns kann niemand bedrängen.«

»Also seid ihr geradezu perfekt«, sagte Atlan anerkennend. »Die Grauen Lords weiten ihren Machtbereich ständig aus. Befürchtest du nicht, dass sie eines Tages versuchen werden, sogar das Jaschemenreich zu erobern?«

»Vergebliche Mühe«, bemerkte Vlot geringschätzig. »Die Grauen wissen das. Sie haben sich deshalb immer von Kyberland ferngehalten und werden das auch künftig tun. Etwas anderes bleibt ohnehin nicht übrig. Wir Jaschemen verfügen nicht nur über die bessere Technik, wir haben auch die WAND, die unser Reich vor jedem Zugriff abschirmt.«

»Die WAND«, wiederholte Atlan mit der gleichen starken Betonung, mit der Caglamas Vlot das Wort ausgesprochen hatte. »Ist das ein Energieschirm?«

Der Jascheme sah ihn von oben und von der Seite an, wobei seine kristallinen Augenballungen spöttisch zu glitzern schienen.

»Das war eine äußerst dürftige Hochrechnung angesichts deines Wissens um die Stellung von uns Jaschemen«, erklärte Vlot hochmütig. »Natürlich besteht die WAND aus Energie, aber mehr hat sie mit gewöhnlichen Energieschirmen nicht gemeinsam. Sie besteht aus psionischer Mischenergie mit fünf- und sechsdimensionalen Komponenten und schirmt unser Reich vom übrigen Tiefland ab. Nichts kann sie durchdringen.«

Atlan verkniff sich die Entgegnung, dass es gegen jede Defensivwaffe immer etwas Offensives gab, das sie mattzusetzen vermochte, er verfügte da über einschlägige Erfahrungen.

»Habt ihr euch gegen die Grauen Lords so wirksam abgeschottet?«, fasste er nach.

»Sie waren völlig unbedeutend, als wir die WAND entstehen ließen«, erwiderte Caglamas Vlot nach kurzem Zögern. »Sie wurde schon errichtet, nachdem die Raum-Zeit-Ingenieure jede Zusammenarbeit unmöglich gemacht hatten und wir uns aus der Lichtebene am Fuß des Berges der Schöpfung zurückzogen. Die WAND verhindert, dass die Verräter Kontakt mit uns aufnehmen.«

Atlan versuchte, sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Er war ungeduldig, weil der Jascheme auf alle bisherigen Versuche, den Grund für das Zerwürfnis zwischen den Raum-Zeit-Ingenieuren und den Technikern der Tiefe zu erfahren, nur ausweichend geantwortet hatte.

»Könnte es sein, dass nur Missverständnisse zum Zerwürfnis führten?«, sondierte er behutsam.

»Missverständnisse?« Wie Vlot das Wort aussprach, klang es wie ein Fluch. »Möglich, dass diese Verbrecher alle Vorgänge so hinstellen wollen. Nur gab es nichts misszuverstehen. Ihre Absichten waren ebenso klar wie verbrecherisch.«

»Welche Absichten?«

Vlot fuhr wutschnaubend zu Atlan herum, und für die Dauer eines Herzschlags sah es aus, als wollte er sich auf ihn stürzen. Genauso heftig wandte Vlot sich wieder ab, stieß einen dumpfen Schrei aus und raste davon.

Atlan erschrak, weil der Jascheme sich mit seinem Triebwerk erhoben hatte und weiterflog. Der Zorn ließ ihn offenbar jegliche Vorsicht vergessen.

Du wirst eine Dummheit hoffentlich nicht nachahmen, nur weil sie von einem Jaschemen verübt wird?, mahnte der Logiksektor.

Keineswegs, gab Atlan lautlos zurück. Ich will nur nicht, dass der Kontakt zwischen uns abreißt.

Er aktivierte das Flugaggregat seines TIRUNS und folgte dem Jaschemen mit schnell wachsender Geschwindigkeit. Um ihn herum verschwammen die Konturen.

Abrupt wurde es dunkel. Atlan erkannte im selben Moment, dass eine seiner Befürchtungen eingetroffen war. Die Frage war nur, welche.

Die Tiefenkombination reagierte nicht auf seine Gedankenbefehle. Atlan sah und hörte nichts mehr. Er wollte die Hände zum Kopf heben, um überhaupt feststellen zu können, ob sich der Helm geschlossen hatte, aber nicht einmal das war ihm möglich. Existierte er schon nicht mehr körperlich?

Genügt es dir nicht, dass du überhaupt existierst?

Atlan verstand den Spott seines Logiksektors so, wie er gedacht war, nämlich als Denkanstoß. Vermutlich hatte ihn das Zusammenwirken der energetischen Strukturen des Dimensionstunnels und der Streustrahlung des Flugaggregats in ein Kontinuum versetzt, in dem körperliche Wahrnehmungen nicht möglich waren.

Er spannte seine Sinne aufs Äußerste an, weil ihm plötzlich war, als hätte er jemanden flüstern hören. Atlan verspürte eine absurde Art von Belustigung, als ihm klar wurde, dass er das Flüstern in einem Kontinuum wahrgenommen hatte, in dem er selbst keinen Ton hervorbringen konnte. Er hatte eben vergeblich versucht, mit sich selbst zu reden.

Da war das Flüstern wieder. Lauter als zuvor.

Du bist körperlich zusammengezuckt!, behauptete der Logiksektor.

Im selben Augenblick wurde Atlan bewusst, dass er sein Körpergefühl wiedergewonnen hatte – und dass er im Scheinwerferlicht des TIRUNS Ausschnitte einer Trümmerlandschaft sah, über die er hinwegflog.

Nicht darüber hinweg, sondern mitten hindurch!

Atlan erkannte die anfängliche Täuschung. Er flog keineswegs über der Oberfläche eines Planeten, sondern zwischen den Trümmerbrocken eines Asteroidenschwarms, der irgendwo in der Weltraumschwärze trieb.

Das ist unmöglich!, raunte sein Extrasinn.

Theoretisch konnte ein Dimensionstunnel überallhin führen, ohne Rücksicht auf Raum und Zeit. Allerdings hatte Atlan nicht vergessen, was Caglamas Vlot über die WAND preisgegeben hatte. Wenn sie tatsächlich ein Gebilde aus psionischer Energie mit fünf- und sechsdimensionalen Komponenten war, dann konnte nicht einmal ein Dimensionstunnel sie einfach überbrücken.

Atlan vermutete, dass ihn der Dimensionstunnel in die WAND geschleudert hatte. War die psionische Energie dieses Gebildes in der Lage, sozusagen ein Miniatur-Universum zu erschaffen, das nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktionierte?

Ein knapper Gedankenbefehl schaltete die Funkanlage des TIRUNS ein und startete einen Versuch, Caglamas Vlot zu erreichen. Atlan hoffte, dass der Jascheme in denselben Bereich wie er verschlagen worden war.

Er atmete auf, als der Kontakt zustande kam.

»Ich höre dich!«, erklang Vlots Stimme. »Du scheinst in meiner Nähe zu sein. Warum bist du mir gefolgt? Konntest du dir nicht ausrechnen, dass die Aktivierung eines Gravoaggregats unabsehbare Folgen haben muss?«

»Das hättest du ebenfalls wissen können!«, rief Atlan. »Dabei hattest du sogar die Wahl. Ich hatte sie nicht mehr. Und wenn ich deine Dummheit nicht nachvollzogen hätte, wären wir nie wieder zusammengekommen.«

Es blieb still im Helmfunk, was Atlan ein ironisches Lachen entlockte. Die Tatsache, dass Vlot eine Beleidigung stillschweigend hinnahm, bewies, dass er das Törichte seiner eigenen Handlungsweise eingesehen hatte.

Bald darauf sah Atlan den Jaschemen nicht weit entfernt auf einem hausgroßen Trümmerbrocken stehen. Es war kein Zufall, dass er Vlot gefunden hatte, sondern das Werk des TIRUNS. Atlan flog zu dem Felsen und landete neben dem Techniker der Tiefe.

»Ich bedauere, was geschehen ist«, sagte Vlot über die Funkverbindung. »Sobald ich an die verbrecherischen Pläne der Raum-Zeit-Ingenieure denke, ist es um meine Selbstbeherrschung geschehen.«

»Du wirst lernen müssen, dich zu beherrschen«, entgegnete Atlan eindringlich. Ihm war klar, dass seine Aufgabe nur gelöst werden konnte, wenn die Jaschemen ihm halfen, die Raum-Zeit-Ingenieure zu finden. »Die Katastrophe kann nur dann abgewendet werden, wenn ihr Jaschemen euren Hass zurückstellt.«

»Die Katastrophe?«, echote Vlot aufgebracht. »Die haben sich die Raum-Zeit-Ingenieure selbst zuzuschreiben! Wir Jaschemen denken nicht daran, für diese Verbrecher einen einzigen Finger zu rühren. Außerdem: Welchen Raum-Zeit-Ingenieuren sollen wir eigentlich helfen?«

Atlan schaute den Jaschemen verblüfft an. Dessen Miene verriet nichts über seine Gefühle. Aller Ähnlichkeit mit einem menschlichen Gesicht zum Trotz war es nicht das Gesicht eines Menschen, sondern nur ein Abklatsch. Und dahinter verbarg sich eine sehr exotische Intelligenz.

Immerhin hatte Vlots letzter Satz einen völlig neuen Aspekt aufgezeigt. Offenbar gab es mindestens zwei Gruppen von Raum-Zeit-Ingenieuren – und eine davon waren die entarteten Grauen Lords.

Umso wichtiger erschien es Atlan, endlich zu erfahren, wie sich die Raum-Zeit-Ingenieure den Hass der Jaschemen zugezogen hatten. Er musste eine entsprechende Frage nur vorsichtig genug formulieren, um Caglamas Vlot nicht erneut in Raserei zu versetzen.

Unvermittelt öffnete sich eine Art Höllenschlund unter dem Felsbrocken, auf dem Atlan und Vlot standen – und sie stürzten in diesen Schlund hinein ...

»Nicht starten!«, rief Atlan, weil ihm sofort klar wurde, dass unter den gegebenen Umständen jeder fliehen würde, der nicht wie er durch unzählige Erfahrungen gegen panikartige Reaktionen gewappnet war. »Es genügt, wenn wir Ruhe bewahren.«

Er musterte die flammenden Wände, an denen sie vorbeiglitten. Nach einer Weile verlangsamte sich der Sturz. Und dann, von einem Lidschlag zum nächsten, schwebten Atlan und Vlot wieder in dem Dimensionstunnel – zumindest sah alles so aus wie zuvor.

»Aus welcher Richtung sind wir gekommen?« Der Jascheme sah abwechselnd in beide Richtungen, ohne sich entscheiden zu können.

Er fürchtet sich!, raunte der Extrasinn.

Das hatte Atlan schon an Vlots Frage nach der Richtung erkannt. Wahrscheinlich hatte sich der Jascheme nie so hilflos gefühlt wie nun, da er von allen kybernetischen Hilfsmitteln abgeschnitten war.

»Willkürlich in eine Richtung zu gehen, würde uns nicht weiterbringen«, sagte Atlan.

»Es hat ebenso wenig Sinn, ewig herumzustehen.«

»Denk bitte darüber nach, warum wir uns wieder in dem Tunnel befinden, obwohl die Situation nach der Aktivierung der Flugaggregate fast ausweglos war.«

»Zufall«, grollte Vlot.

»Das kann ich nicht ausschließen. Trotzdem ist es sehr unwahrscheinlich«, bemerkte Atlan. »Ich vermute eher, dass dieser Tunnel gezielt errichtet wurde, weil jemand uns aus dem Dilemma befreien wollte.«

»Vermutest du, dass die Raum-Zeit-Ingenieure uns entführen?«

»Durch die WAND hindurch?« Atlan fühlte zumindest eine gewisse Erleichterung, dass Vlot ihn offenbar nicht länger als Komplizen seiner schlimmsten Feinde sah.

»Nicht durch die WAND hindurch«, sagte der Jascheme. »Das wäre unmöglich. Allerdings könnte es sein, dass ein Agent der Raum-Zeit-Ingenieure sich den Vitalströmen anvertraute wie du und deine Begleiter, und dass er ebenfalls nahe meiner Schwerkraftfabrik ausgespien wurde.«

»Danach wollte ich dich ohnehin fragen«, sagte Atlan. »Hast du eine Sperre geschaltet, die uns aus den Vitalenergieströmen herausfischte und uns im Kyberland anstatt im Vagenda materialisieren ließ?«

»Ja, und ich habe diese Schaltung bislang nicht rückgängig gemacht«, gab Vlot zu. »Alles, was derzeit in den Vitalenergieströmen reist und den Untergrund des Jaschemenreiches durchquert, wird von der Sperre erfasst und materialisiert. Aber das ist nicht das Thema ...«

Atlan nickte sinnend. »Wer immer den Dimensionstunnel errichtete, hat dafür gesorgt, dass wir ihn betreten konnten – und dass wir zurückkehrten.«

Eine Veränderung zeichnete sich weit entfernt ab. Bis eben scheinbar geradlinig in die Unendlichkeit führend, krümmte sich die ovale Röhre zunehmend.

Jemand will euch etwas zeigen!, folgerte der Logiksektor.

Atlan versteifte sich, als er wieder das Flüstern vernahm. Es war lauter diesmal, blieb aber unverständlich.

Caglamas Vlot gab einen dumpfen Laut von sich und deutete in die andere Richtung. Dort war ein ultrahelles Wabern sichtbar geworden.

Schnell verwandelte sich die gleißende Helligkeit in das Leuchten eines schreiend bunten Himmels. Gleich darauf wurde die Silhouette einer Stadt sichtbar, die Vlots Schwerkraftfabrik hätte sein können, wäre sie nicht in allen denkbaren Grünschattierungen erschienen.

»Die Krümmung vorhin stammte vermutlich von einer Dimensionsweiche«, sagte Atlan zögernd. »Was wir nun sehen, ist das Ergebnis, das die Dimensionsweiche bewirkt hat, ein Ausblick auf eine Fabrik. Welche ist es?«

»Fordergrin Calts Atmosphärefabrik«, antwortete Vlot. »Aber die Umgebung hat sich verändert, sie wirkt bedrohlich.«

Atlan kniff die Augen leicht zusammen. Der bunte Himmel leuchtete über der Atmosphärefabrik intensiver als über Vlots Fabrik. Das Licht war irgendwie stechend.

Was Vlot mit bedrohlich gemeint hatte, offenbarte sich Atlan nicht. Das lag zweifellos daran, dass er nicht wusste, wie die Umgebung der Atmosphärefabrik früher ausgesehen hatte. Aktuell erinnerte sie ihn an die sonnenüberflutete Oberfläche eines Salzsees. Nur die daraus hervorgewachsenen strohfarbenen Bäume mit ihren bis zum Boden hängenden Wedeln passten nicht zu diesem Vergleich. Sie waren alle gleich groß, und die Abstände zwischen ihnen betrugen schätzungsweise 20 Meter.

Während Atlan die Landschaft musterte, erschien zwischen zwei Bauwerken am Stadtrand ein blinkendes Objekt. Es verließ das bebaute Areal und schwebte in geringer Höhe und gleichbleibendem Abstand weiter.

»Das ist Fordergrins Patrouillengleiter«, stellte Vlot fest.

Atlan beobachtete das tropfenförmige Fahrzeug. Er runzelte die Stirn, als es plötzlich in Schlangenlinien flog und sich gleich darauf von der Fabrik entfernte. Erst hatte es den Anschein, als käme der Gleiter auf Atlan und Vlot zu, kurz darauf wurde ersichtlich, dass er ein anderes Ziel hatte.

Atlan verfolgte den Flug des Gleiters. Schon nach wenigen Augenblicken bemerkte er ein massiv wirkendes, in allen Farben des Spektrums schillerndes Gebilde, das senkrecht in den Himmel reichte. Er wusste sofort, dass er die WAND sah. Und ihm wurde klar, warum der bunte Himmel so stechend leuchtete: Die WAND reflektierte einen Teil der Helligkeit und der Farben. Es war ein überwältigender Anblick.

»Sie reicht bis zur Tiefenkonstante hinauf?«

»So ist es«, antwortete der Jascheme. »Ich verstehe nur nicht, wieso Fordergrin zur WAND fliegt. Was will er dort? Er kann nichts beeinflussen, denn die Kontrolle geht vom Neutrum aus.«

Atlan richtete den Blick weiter in die Höhe. Was immer sich »über« der Fabrik befand, war weder zu sehen noch zu erreichen – jedenfalls nicht mit den Mitteln, die Vlot und ihm zur Verfügung standen.

»Fordergrin fliegt an der WAND entlang, als würde er dort etwas suchen«, sagte Vlot aufgeregt.

»Hat es mit dem Sturm zu tun, der sich da zusammenbraut?«, fragte Atlan, denn außerhalb der riesigen Gebäudefläche wirbelten dichte Staubfahnen auf.

»Ein Sturm?«, wiederholte Vlot verständnislos. »Es gibt im Kyberland kein Wetter.«

Atlan lachte unsicher. »Da wachsen Bäume. Es muss also regnen – und Regen ist eine Wettererscheinung.«

»Du irrst dich«, sagte Vlot. »Es gibt nicht einmal fruchtbaren Boden. Alles, was bei uns existiert, besteht aus Kybermodulen jeglicher Größe. Wetter kennen wir so wenig wie im Innern eines Raumschiffs.«

»Und die Staubfahnen ...?«

»Es sind Wolken von Kybermodulen, die sich gegen die Steuerung auflehnen.« Der Jascheme deutete in Richtung des Gleiters. »Da, er wird angegriffen!«

Einer der Staubschleier wirbelte schneller und bewegte sich auf das Fahrzeug zu. Fordergrin Calt flog Ausweichmanöver, allerdings näherte sich ihm von der anderen Seite ein zweiter Wirbel aus Kybermodulen – und weitere stiegen soeben vom Boden auf.

In dem Moment bemerkte Atlan, dass Caglamas Vlot nicht mehr neben ihm stand. Er blickte ahnungsvoll auf und sah den Jaschemen auf den Schlund zu schweben, hinter dem ein Ausschnitt von Kyberland mit der Atmosphärefabrik lag.

»Abschalten!«, rief Atlan über Helmfunk. »Sofort das Flugaggregat abschalten!«

Caglamas Vlot achtete nicht auf ihn. Was bei der Fabrik geschah, schien ihn alle Vorsicht vergessen zu lassen.

Atlan überlegte, ob er Vlot folgen sollte, doch diesmal schreckte er vor dem Risiko zurück. Vor allem sorgte er sich um die Sicherheit seiner Gefährten. Er fragte sich, was geschehen würde, falls die Rebellion der Module nicht auf den Bereich der Atmosphärefabrik beschränkt blieb, sondern auf ganz Kyberland übergriff.

Außerdem bezweifelte er, dass der Schlund des Dimensionstunnels von dieser Seite aus als Übergang zum normalen Kontinuum nutzbar war. Dass er sich täuschte, erkannte Atlan gleich darauf, weil Caglamas Vlot unvermittelt »drüben« auftauchte.

Er hielt den Atem an, als drei ausgedehnte Staubschleier sich auf den Jaschemen stürzten. Doch Vlot wusste anscheinend genau, was er tat, denn er ging im Sturzflug bis dicht über den Boden und raste im Zickzack in geringster Höhe auf die Atmosphärefabrik zu.

Sein Artgenosse in dem Patrouillengleiter schien Vlot gar nicht bemerkt zu haben. Er war mittlerweile bis zur WAND zurückgeflogen, jagte an ihr entlang auf die nächsten Gebäude zu und tauchte zwischen ihnen unter.

Vlot verschwand nahezu zeitgleich, von den Staubschleiern eingehüllt und womöglich von ihnen überwältigt, inmitten von dicht gedrängt stehenden Gebäuden.

Atlan zögerte nicht länger, er folgte Caglamas Vlot.

Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe  (Silberband)

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