Читать книгу Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe (Silberband) - Arndt Ellmer - Страница 14

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Fordergrin Calt sah die Schaltzentrale im Zentrum seiner Atmosphärefabrik schon ohne Hilfsmittel, da maß seine Ortung die Aktivität eines Destruktors an. Der Jascheme ließ den Gleiter wenden und blickte in ein stechend blaues Licht in größerer Entfernung.

Gebäude und Kyberneten im unmittelbaren Bereich der Lichteruption vergingen in atomarer Expansion.

Fordergrin Calt empfand Verblüffung und Zorn gleichermaßen, denn Destruktoren gehörten zur Jaschementechnik und waren damit ausschließlich den Technikern der Tiefe vorbehalten. Folglich konnte nur ein Jascheme diese mittlere Katastrophe für die Fabrik heraufbeschworen haben.

Calt war nahe daran, mehrere Lenkbomben auf den ohnehin verwüsteten Sektor abzuschießen, um den Verbrecher zu treffen, den er dort vermutete. Doch rasch gewann seine kühle Überlegung die Oberhand; er durfte nicht urteilen, bevor er die Sachlage geprüft hatte.

Er setzte seinen Flug zum Mittelpunkt der Fabrik fort, erkannte aber kurz darauf, dass es nicht leicht sein würde, die Schaltzentrale zu erreichen.

Alle Module arbeiteten weiter wie zuvor. Auch die Wartungskyberneten und die als Wächter eingesetzten Module funktionierten einwandfrei, nur wurde Calt von ihnen nicht länger als Herr der Fabrik eingestuft, sondern als lästiger Fremdkörper und Störenfried. Dementsprechend reagierten sie.

Auf allen größeren Plätzen fuhren mobile Strahlgeschütze auf. Die Straßen füllten sich mit Arbeitseinheiten, die sämtliche Gebäude nach Fremdkörpern durchsuchten. Kybermodule mit dem Design von Kampfgleitern aller Größenordnungen stiegen über dem Fabrikareal auf, um Jagd auf Störenfriede zu machen. Die Abläufe waren perfekt. Sogar zu perfekt, als dass sie effektiv gewesen wären. Die Ortungsimpulse überlagerten einander zigtausendfach, sodass kein Kybernet und kein Modul klare Ortungsergebnisse erhielt.

Fordergrin Calt setzte zusätzlich alle Mittel seines Patrouillengleiters ein, um die Zielerfassung der Gegner zu stören. Unzählige Kollisionen ereigneten sich im Bereich der Fabrik, und die mobilen Geschütze zerstörten zudem Hunderte von Kybermodulen.

Fordergrin Calt blieb nicht unbehelligt. Als er schon glaubte, es endlich geschafft zu haben, wurde sein Gleiter schwer getroffen.

Calt musste die Rettungsautomatik auslösen. Während sein Fahrzeug verging, trudelte er in einer transparenten Kapsel in die Tiefe. Da die Kapsel ohne Unterbrechung ein Notsignal sendete, auf das die Rebellen wie früher reagierten, waren schon kurz nach ihrer Landung drei mobile Medoeinheiten vor Ort.

Caglamas Vlot flüchtete in ein kleines pyramidenförmiges Gebäude, als in seiner Nähe zahllose Kyberneten den Himmel verdunkelten. Fast zu spät erkannte er, dass das vermeintliche Gebäude ebenfalls ein Kybernet war. Im ersten Schreck nahm er seine Passivgestalt an und blieb als unregelmäßig geformter, dunkelblauer Felsblock auf dem Unterdeckboden liegen, den KYRUN und die übrige Ausrüstung neben sich.

Bevor sein Stoffwechsel jedoch so stark reduziert war, dass die Reaktivierung zeitraubend geworden wäre, fiel ihm auf, dass der Kybernet nicht auf seine Anwesenheit reagierte. Schlagartig wurde Vlot klar, dass er nur einen Schwarzkreisprüfer vor sich hatte.

Das pyramidenförmige Aggregat schob sich langsam durch das Fabrikgelände, streckte seine Arbeitssonden in alle Schachtöffnungen und testete unaufhörlich alle dicht gepackten Schaltkreise und ihre vielfältigen Querverbindungen. Derartige Aggregate würden wohl nie rebellieren, da ihre Positroniken zu winzig waren, um anderes zu denken als in n-dimensionalen Messwerten.

Vlot erkannte seine Chance, womöglich die einzige, die sich ihm bot. Er verwandelte sich in seine Aktivgestalt zurück, streifte den KYRUN über, testete seine Ausrüstung und ließ sich einen der vertikalen Schächte hinab.

Nach etwa 120 Metern erreichte er einen horizontal verlaufenden Energiekanal. Vlot schob sich auf allen vieren weiter. Seine leuchtende Kombination sorgte für ausreichende Helligkeit.

Der Energiekanal war nur einer von Hunderttausenden mehr oder weniger großen Hohlräumen unter der Fabrik. Unablässig waren in diesem Netz Reiniger, Isolationssprüher, Spannungsmesser und andere kybernetische Elemente unterwegs. Zu Vlots Glück waren derart untergeordnete Einheiten nicht an der Rebellion beteiligt. Trotzdem behinderten sie ihn oder machten ihm sogar schwer zu schaffen. Er wurde mit schnell aushärtendem, nicht hyperleitfähigem Isolierschaum besprüht. Ein Heer winziger Kyberneten sah in ihm offenbar fehlerhaften Abfall, der sich nicht in die Informationsflüsse einpassen ließ. Jedenfalls versuchten die Winzlinge, den KYRUN aufzuschneiden. Caglamas Vlot blieb keine andere Wahl, als Tausende der kaum fingerkuppengroßen Module zu desintegrieren. Das rief Prüfelemente auf den Plan, vor denen er ziellos fliehen musste.

Einige Male verlor Vlot die Orientierung, war aber sicher, dass er sich fortwährend auf sein Ziel zubewegte. Eigentlich musste er dem schon sehr nahe sein, als er Sirenen wimmern hörte und, nachdem der Alarm verstummt war, ein eigenartig rhythmisches Rascheln.

Vlot benötigte eine Weile, bis er in dem Geräusch die depressive Lautäußerung eines Trubbers erkannte. Da Trubber längst ausgestorben waren, Vlot andererseits wusste, dass Fordergrin Calt für seine Aktivgestalt oft diese Erscheinungsform bevorzugte, war ihm schnell klar, woher dieses Rascheln kam.

Wie erwartet, befand sich Fordergrin Calt in Gestalt eines Trubbers in der Nähe. Calt musste eben erst aus einer Rettungskapsel ausgestiegen sein, denn er sah unschlüssig drei mobilen Medoeinheiten entgegen.

Nach dem Alarm war es ungewöhnlich still. Nicht ein Kybermodul befand sich in der Luft. Die Rebellen in der Atmosphärefabrik hatten Vlot offenkundig bislang nicht bemerkt. Calt stellte für sie nicht länger eine Bedrohung dar, denn die Medoeinheiten würden ihren Patienten für geraume Zeit ruhigstellen.

Caglamas Vlot ahmte das Aufmerksamkeit heischende scharfe Klicken eines Trubbers nach – und als er an einer winzigen Bewegung erkannte, dass Calt ihn verstanden hatte, zog er sich vorsichtig zurück.

Der Schacht, durch den er gekommen war, bot ihm nur wenig mehr Platz, als er unbedingt brauchte. Vlot ließ sich bis auf die nächste Etage abwärtsrutschen. Kaum hatte er Boden unter den Füßen, folgte ihm Fordergrin Calt. Über ihnen prallte die erste Medoeinheit gegen den Rand des Schachtes, weil der Einstieg für sie zu klein war.

Vlot wartete nicht darauf, was wenige Meter über ihm geschehen würde. Er stürzte sich in den nächsten abwärts führenden Antigravschacht. Calt folgte ihm, ohne Fragen zu stellen.

Zwei Etagen tiefer überließ Vlot seinem Kollegen die Führung. Wenn jemand wissen konnte, wo sie sich relativ zur Schaltzentrale befanden, dann war das Fordergrin Calt.

Keiner von ihnen redete, auch nicht, als Calt kurz darauf sein Flugaggregat einschaltete. Er bewegte sich schnell und zielstrebig durch das Labyrinth der Fabrik, und als er schließlich einen nach oben führenden Schacht wählte, erreichten sie nicht die Oberfläche, sondern ein Gewölbesystem.

»Hier sind wir sicher«, sagte Calt. »Wenn wir wollen, können wir in wenigen Minuten in der Schaltzentrale sein. Er hofft, dass Seine Kyrotronträger Ihm die Loyalität bewahrt haben.«

»Eigentlich können sie niemals rebellieren«, erwiderte Vlot. »Was die Kyrotronträger von Caglamas betrifft, so wird Er das leider nie erfahren. Teschon und Schekar wurden von einem Ritter der Tiefe zerstört.«

»Von einem Ritter der Tiefe?«, echote Calt verstört. »Unmöglich ...«

»Das ist eine lange Geschichte«, erklärte Vlot. »Er wird Ihm später berichten. Zuerst sollten wir deine Schaltzentrale aufsuchen und Hilfe von den anderen Technotoren anfordern.«

»Richtig«, akzeptierte Calt. »Weiter!«

Atlan hatte ein ungutes Gefühl, als er über der Schwerkraftfabrik kreiste und nirgends Anzeichen von Aktivitäten entdeckte. Sein TIRUN maß unzählige Emissionen aus der Fabrik an, jedoch fehlten Kybermodule und Kyberneten, von denen es in der Gegenwart gewimmelt hatte, die aktuell Relativzukunft war.

Er blickte hinunter zur Schaltzentrale. Hinter der gewölbten Wandung aus glasklarer Formenergie waren weder lebende Wesen noch Kyberneten zu sehen. Selbstverständlich hielt Vlot sich nicht pausenlos in seiner Schaltzentrale auf, aber es war anzunehmen, dass Kyberneten permanent über die Fabrik wachten und ihren Herrn unverzüglich alarmierten, sobald Ungewöhnliches geschah.

Das Erscheinen eines Fremden über der Fabrik konnte kaum alltäglich sein. Atlan suchte nach einer logisch klingenden Erklärung dafür, warum sein Auftauchen keine erkennbare Reaktion hervorgerufen hatte. Er fand keine.

Schon deshalb konnte er sich nicht dazu entschließen, bei der Schaltzentrale zu landen oder Sokrat und Thurg zu holen. Er schwenkte ab und flog in Richtung des Geländes, in dem er und seine Gefährten in der Relativzukunft von dem Vitalenergiespeicher ausgespien worden waren. Schon aus der Weite fiel ihm auf, dass es keine Kampfspuren gab.

Narr!, wisperte der Extrasinn. Vergiss nie, dass du dich in deiner Vergangenheit befindest! Was bislang nicht geschehen ist, kann keine Spuren hinterlassen haben.

Atlan flog mit hoher Geschwindigkeit weiter, über einen Fluss aus sprudelnder Formenergie hinweg, an einem Wäldchen vorüber und quer über eine sanft gewellte Ebene hinweg, die von einem Meer farbiger Grasbüschel bewachsen war.

Als das golden leuchtende Riesenei immer größer vor ihm aufwuchs, wurde ihm bewusst, dass er nicht so weit hatte fliegen wollen. Der Vitalenergiespeicher musste argwöhnisch werden, sobald er jemanden entdeckte, den er bislang nicht kannte. Atlan musste sich beherrschen, um seine Geschwindigkeit nicht spontan abzubremsen und damit erst recht Argwohn zu wecken. Also flog er ein Stück über den Standort des Speichers hinaus und in weitem Bogen zurück.

»Wer bist du?«

Die Stimme klang nicht so arrogant, wie sie in der Relativzukunft klingen würde. Atlan erkannte sie dennoch als die des Großspeichers.

»Ein Inspekteur«, antwortete er über die Außenakustik der TIRUNS. Zu gern hätte er nach dem Verbleib des Herrn der Schwerkraftfabrik gefragt, fürchtete aber, dann sofort als Außenstehender eingestuft zu werden.

»Ein Inspekteur ...«, echote der Speicher. »Der Jascheme hat dich nicht angekündigt, als er sich verabschiedete, um zum Großen Wettkampf der Kyrotronträger zu reisen.«

»Das ändert nichts für mich«, sagte Atlan.

Der Speicher schwieg. Vielleicht war sein Argwohn erloschen. Wahrscheinlich kam er nicht auf den Gedanken, ein Unbefugter könnte von außerhalb ins Reich der Jaschemen eingedrungen sein. Das war ohnehin unmöglich, da die WAND das Reich lückenlos vom übrigen Tiefenland trennte und die Vitalenergiespeicher die einzigen Zugänge bildeten. Sogar alle vorhandenen Transmitter waren seit einer Ewigkeit blockiert.

Immerhin wusste Atlan nun, dass Caglamas Vlots Abwesenheit keine mysteriösen Gründe hatte. Ein Großer Wettkampf der Kyrotronträger. Atlan wusste nicht, wer oder was Kyrotronträger waren, doch unter einem Wettkampf konnte er sich hinreichend viel vorstellen. Vermutlich kamen zu einer solchen Veranstaltung alle Jaschemen zusammen.

Beruhigt nahm er Kurs zurück auf den Fabriksektor, in dem Domo Sokrat und Thurg auf ihn warteten.

Nachdem Atlan berichtet hatte, brachen sie gemeinsam zur Schaltzentrale auf.

Die Zugänge waren gesichert. Zwei Stunden vergingen, bis Atlan ohne einen speziellen Codeimpulstaster, nur mit den Instrumenten seines TIRUNS und Sokrats Unterstützung, den Öffnungscode ermittelt hatte.

Eine kreisrunde Öffnung entstand. Atlan ließ sich langsam hineinsinken, schließlich stand er in der von Schalteinheiten überquellenden Zentrale der Schwerkraftfabrik. Sokrat und Thurg folgten ihm erst nach einigen Minuten.

Systematisch machten sie sich auf die Suche nach den Positionsdaten der Atmosphärefabrik Fordergrin Calts. Zweifellos kannte Caglamas Vlot die Positionen aller Fabriken auswendig, folglich mussten sie für ihn nicht jederzeit abrufbar sein. Diese Überlegung schien sich als richtig zu erweisen. Jedenfalls war das Gesuchte nach über einer Stunde noch nicht gefunden, obwohl gigantische Datenmengen mit Suchbots durchforstet wurden.

»Warum gehen wir nicht einen anderen Weg?«, fragte Domo Sokrat. »Rufen wir die Atmosphärefabrik einfach über Funk. Es gibt bestimmt eine Positronik, die sich meldet – und wir können dann den Sender anpeilen.«

»Das wäre eine Möglichkeit«, räumte Atlan ein. »Nur will ich vermeiden, dass Calt bei seiner Rückkehr von dem Anruf erfährt. Wahrscheinlich würde er Untersuchungen anstellen und käme dahinter, dass sich Unbefugte herumgetrieben haben.«

»Unbefugte mit den besten Absichten!«, grollte der Haluter. »Wir sollten der Rebellion schon in dieser Zeit vorbeugen, am besten, indem wir eine Nachricht für Calt hinterlassen. Er wäre dann gewarnt und könnte rechtzeitig dagegen vorgehen.«

Atlan lehnte ab. »Ich fürchte, mit einer Warnung könnten wir sogar schlimmere Auswirkungen heraufbeschwören«, sagte er. »Wir kehren in unsere Gegenwart zurück, sobald wir die Position der Atmosphärefabrik kennen. Dann helfen wir Calt und Vlot aus der Klemme, in der sie wohl stecken werden.«

Kurz darauf hatten sie die gesuchte Information. Beide Fabriken lagen nur wenig mehr als 200 Kilometer voneinander entfernt.

»Also dann.« Atlan betrat das Transportband aus Formenergie, das er aus der Realgegenwart kannte. Gleich darauf stand er in der Waffenkuppel, von der aus er die beiden Vogel-Kyberneten abschießen würde.

Es könnte nicht schaden, die Feuerschaltungen schon zu analysieren, raunte der Logiksektor.

Atlan musterte die Funktionskontrollen. Er entsann sich, dass er ziemlich schnell gewusst hatte, wie die Ortungs-, Zielsuch- und Feuerschaltungen bedient werden mussten. Wie unter einem inneren Zwang studierte er die Funktionsweisen. Dabei fragte er sich, ob dieser Zwang bestand, weil er in der Relativzukunft über entsprechendes Wissen verfügt hatte und es sich deshalb vorher, also hier in der Vergangenheit, aneignen musste.

Die Zeit hat ihre eigenen Gesetze, kommentierte sein Extrasinn. Wer in ihr Reich eindringt, muss sich abgewöhnen, in den gewohnten Kausalbahnen zu denken.

»Ich weiß,« antwortete Atlan laut. »Sie ist nicht nur ein Buch mit sieben Siegeln, sondern mit Milliarden Siegeln.«

»Wie, was?«, fragte Sokrat irritiert.

»Ich sprach von der Zeit«, erklärte Atlan. »Aber das steht nicht zur Debatte, obwohl wir gleich wieder einen Zeittransport erleben werden.«

»In dem Spiegelkabinett?«, fragte Thurg, der bislang geschwiegen hatte, und deutete nach unten.

Atlan nickte. Er wandte sich von den Kontrollen des Sextadimstrahlers ab und betrat die Liftkabine. Sokrat folgte ihm, dann kam auch der Exterminator.

In der kleinen Verteilerhalle ging Atlan zielsicher auf die mit einem kupfernen Relief geschmückte Wand zu und drückte dagegen, bis der Widerstand schwand und den Weg in den Raum mit den hellblauen, spiegelglatten Wänden und den zwei Säulen freigab. Nachdenklich bemerkte er, dass der Haluter überhaupt nicht darauf achtete, was geschah. Das konnte der Grund dafür sein, dass Domo Sokrat sich in der Zukunft ohne Hilfe nicht zurechtfinden würde.

Als Sokrat aus seiner Geistesabwesenheit aufschreckte, sah er sich verwundert um. »Wie funktioniert das eigentlich?«, fragte er. »Jato-Jato kann den Transmitter nicht für uns geschaltet haben – er wusste ja nicht, welchen wir benutzen würden.«

»Und warum wusste ich es dann?«, fragte Atlan zurück. »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wie unsere Zeitversetzung funktioniert. Aber da sie in der Relativzukunft schon einmal gut verlief, vertraue ich mich diesem Aggregat an.«

Dir bleibt ohnehin keine andere Wahl, wenn du nicht in Raum und Zeit verloren gehen willst!, seufzte der Logiksektor.

So ist es in der Tat, pflichtete Atlan bei.

Seine Erwartung, das Aggregat würde selbsttätig reagieren, erfüllte sich allerdings nicht. Er musste erst nach einer Möglichkeit suchen, die beiden Gittersäulen in Funktion zu setzen. Dabei war ihm klar, dass Jato-Jato daraus lernen und in der Relativzukunft eine Vorschaltung justieren würde.

Atlan hatte diese Gedanken kaum zu Ende gebracht, da verschwamm die Umgebung – und wurde gleichzeitig wieder deutlich.

»Das war anders als damals – ähm, später«, sagte der Haluter.

Atlan musterte die blauen Wände und nickte. »Diesmal gab es wohl nur eine Versetzung in der Zeit. Das ist mir sogar sehr recht. So haben wir es nicht weit bis zur Schaltzentrale. Wir müssen schnellstens dafür sorgen, dass Kyberneten und Kybermodule nicht länger angreifen und womöglich irreparable Schäden hinterlassen.«

Er wandte sich an Thurg: »Kannst du Funkverbindung zum Großen Exterminator aufnehmen?«

»Wenn du es wünschst, jederzeit«, antwortete der Exterminator.

»Gut, von der Schaltzentrale aus. Von dort wird sich hoffentlich Frieden zwischen Vlots Helfern und dem Heer der Exterminatoren stiften lassen.«

Ein zorniges Fauchen ließ Caglamas Vlot zurückprallen, kaum dass er den von dem Gewölbe aus weiterführenden Treppenschacht betreten wollte. Fordergrin Calt, der bereits über der dritten Stufe schwebte, stieß ein gurrendes Geräusch aus, das wie ein amüsiertes Lachen klang.

»Das ist Flabat, einer Seiner Kyrotronträger«, sagte Calt. »Flabat faucht immer, wenn Er Besucher mitbringt. Das ist eine normale Reaktion und lässt Ihn hoffen, dass er und Kusse Ihm loyal geblieben sind. Komm ruhig weiter mit, Caglamas Vlot! Er garantiert dir, dass sie dich nicht beißen.«

Mit gemischten Gefühlen folgte Vlot der Aufforderung. Er kannte die beiden persönlichen Kyberneten seines Kollegen zwar vom Sehen und wusste, dass sie Sieger des letzten Wettkampfs der Kyrotronträger geworden waren, aber er fand sie unsympathisch, ohne den Grund dafür zu kennen.

Wenig später stand Vlot in einer Lagerhalle unter der Schaltzentrale und sah mit Abscheu zu, wie Flabat und Kusse um Calt herumstrichen. Er versteifte sich, als beide Kyberneten auch zu ihm kamen und sich gegen seine Beine drückten. Zwar konnten sie nicht an ihn heran, da er seinen Schutzanzug trug, doch er bildete sich ein, ihre Berührung zu spüren und glaubte sogar, kleine Funken von ihrem Fell überspringen zu sehen.

»Sie sind schön mit ihren ausdrucksvollen Augen und den unterschiedlich gestreiften Fellen«, erklärte Calt. »Dass sie dir nicht gefallen, begreift Er gar nicht.«

»Es ist unwichtig.« Kusse starrte ihren Herrn aus großen gelben Augen an. »Ich spüre Gefahr. Draußen ballt sich eine unheimliche Bedrohung zusammen.«

»Schlimme Zeiten!«, fauchte Flabat und stieß Vlot heftig an. »Du musst Fordergrin Calt helfen!«

»Selbstverständlich«, sagte Vlot und wich einen Schritt zurück. »Deshalb bin ich hier.« Er wandte sich an Calt. »Willst du dir nicht ein Ei geben lassen?«

»Ein Ei?«, wiederholte Calt verwundert, dann prustete er belustigt. »Du meinst eine Multischalteinheit? Die braucht Er sich nicht mehr geben zu lassen. Flabat und Kusse konnten Ihm klarmachen, dass Eierlegen wider ihre Natur ist.«

»Wider ihre Natur? Sie sind Kyberneten!«

»Realen tierischen Vorbildern nachgeahmt.« Calt winkte schroff ab. »Und was die Multischalteinheit angeht, die hat Er geteilt und in beide integriert. Sie emittieren seitdem die Schaltfeldenergien, deren Er sich bedient. Das hat gegenüber der alten Methode viele Vorteile.«

»Gefahr!«, fauchte Flabat geradezu impertinent.

»In die Zentrale!«, befahl Calt.

Die beiden Kyrotronträger ließen von Vlots Beinen ab, huschten lautlos aus der Lagerhalle und eine uralte Wendeltreppe hinauf. Calt schwebte hinterher, Vlot aktivierte ebenfalls sein Flugaggregat.

Als sie die Schaltzentrale betraten, hätten sie im ersten Schreck beinahe ihre Passivgestalt angenommen. Außerhalb der Kuppel wogte ein Meer aufständischer Kyberneten und Kybermodule. Nur ein Häuflein loyal gebliebener Kyberneten, deren Zahl ständig abnahm, hielt die Rebellen bislang auf Distanz.

Die Angreifer setzten sogar schwere Waffen ein. In das Blitzen der Strahlgeschütze mischte sich das Donnern von Detonatoren, und unablässig explodierten oder verglühten Kämpfer auf beiden Seiten.

»Das ist das Ende!«, sagte Caglamas Vlot tonlos.

Fordergrin Calt schwebte von einem Schaltpult zum anderen. Er schien seine Kyberneten, die wie wild durch die Zentrale rasten, gar nicht mehr wahrzunehmen.

Vlot spürte die Schaltfeldenergie, die Flabat und Kusse emittierten. Er versuchte, ebenfalls damit zu arbeiten, das große Funkgerät zu aktivieren und einen Hilferuf an die anderen Jaschemen zu senden, doch er hatte keine Übung im Umgang mit Feldenergien dieser speziellen Art.

»Fordergrin Calt!«, schrie er schließlich, der Panik nahe. »Kümmere dich um deine Kyberneten und schalte endlich das Funkgerät ein! Oder gib mir eine Multischalteinheit!«

Calt reagierte nicht. Die tobende Schlacht hatte ihn in Angst und Schrecken versetzt, und die hektisch über die Pulte jagenden Kyberneten taten wohl ein Übriges dazu. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um sich zu vernünftigem Denken zu zwingen.

Es wäre das Gebot der Stunde gewesen, sämtliche Schaltungen manuell zu bedienen. Caglamas Vlot konnte allerdings nichts mit den Schaltpulten anfangen. Immer schon war die Technik im Kyberland so ausgereift gewesen, dass manuelle Bedienung nicht nur als unnötig, sondern als verpönt galt. Kein Jascheme hätte sich dazu herabgelassen, in seiner eigenen Zentrale Schaltungen manuell vorzunehmen.

Vlot verwünschte seine Hilfsbereitschaft, die ihn veranlasst hatte, aus dem Dimensionstunnel heraus zur Atmosphärefabrik zu fliegen, um Calt beizustehen. Dieser Ritter der Tiefe, der sich Atlan nannte, war wesentlich zurückhaltender gewesen. Vlot beneidete Atlan um seinen Selbsterhaltungswillen.

Ein schneidendes Singen erklang. Caglamas Vlot blickte gehetzt um sich. Er erkannte, dass die Rebellen ihren Ring um die Schaltzentrale immer enger zogen. An einer Stelle brach die Verteidigung fast schon zusammen.

»Schließt die Lücke!«, schrie Vlot, ohne überhaupt zu realisieren, dass ihn die Kämpfer draußen nicht hören konnten.

Der Verteidigungswall war aufgebrochen. Es gab so gut wie keine Reservekämpfer mehr, denen es möglich gewesen wäre, in die Bresche zu springen. Schon feuerten die Angreifer mit Detonatoren und Desintegratoren auf die ausglühenden Wracks, um die letzten Hindernisse zu beseitigen. Danach würden sie sich unnachgiebig Zugang zur Schaltzentrale verschaffen.

»Sie kommen!«, schrie Caglamas Vlot fast schon hysterisch. »Und sie werden uns töten!«

Fordergrin Calt schien endlich zu realisieren, wie schlimm es tatsächlich schon stand. »Flabat!«, röchelte er. »Kusse!«

Die beiden Kyberneten hörten auf, umherzutoben. Sekundenlang verharrten sie wie erstarrt, dann stürzten sie zu einer kleinen Geschützkuppel am Rand der Schaltzentrale.

Für einen Moment gab Vlot sich der Illusion hin, die Kyberneten würden mit dem Sextadimstrahler auf die Angreifer schießen. Dann sah er, dass der Strahler zu einem unförmigen Klumpen zusammengeschmolzen und die Kuppel geborsten war. Die Rebellen hatten die Bedrohung von dort längst ausgeschaltet.

Flabat und Kusse huschten durch ein gezacktes Loch in der Geschützkuppel weiter und sprangen mit hochgestellten Schweifen von einem Verteidiger zum anderen bis in die Nähe der Lücke. Dort setzten sie mit weiten Sprüngen auf die Formenergiehülle der Schaltzentrale über, richteten ihre Blicke auf die nächsten Rebellen und schienen zu erstarren. Einer der angreifenden großen Kyberneten schwankte plötzlich; ein Modul drehte sich im Kreis.

Vlot erkannte, dass die Kyrotronträger die von ihnen erzeugte Schaltfeldenergie gezielt gegen die Angreifer einsetzten und deren Schaltungen störten. Die attackierten Rebellen taumelten zurück und eröffneten das Feuer auf ihre Mitkämpfer. Sie zerstörten etliche Kyberneten und Module, doch dann kam die kompromisslose Gegenreaktion.

Etliche der von den Kyrotronträgern beeinflussten Angreifer glühten im konzentrierten Beschuss der Rebellen auf und zerfielen. Augenblicke später ereilte Flabat und Kusse das gleiche Schicksal.

Von Fordergrin Calt kam ein gellender Aufschrei – und als Vlot herumfuhr, sah er, dass sein Kollege sich verformte und zu einem unförmigen Wesen mit zahlreichen Tentakelarmen wurde.

»Flabat! Kusse!«, schrie Calt. »Ihr habt sie ermordet, das werdet ihr büßen!« Er bewegte sich taumelnd auf ein Schaltpult zu.

Vlot glaubte, Calt hätte sich endlich besonnen und wollte über Funk Hilfe herbeirufen. Er begriff erst, als Calt mit seinen Tentakelarmen wahllos auf die Schaltungen für die Feinjustierung der Atmosphären einschlug.

Vlot schrie entsetzt auf, denn mit einer derart wahnwitzigen Manipulation würden Katastrophen ausgelöst werden, die Milliarden intelligenter Wesen das Leben kosten konnten. Er stürzte vorwärts, um Calt von dem Pult wegzuziehen, doch es gelang ihm nicht. Vielmehr wurde Vlot selbst quer durch den Raum geschleudert.

Bis er sich wieder aufrappelte, hatte Calt mit seiner irrsinnigen Aktion aufgehört. Aus einem einzigen kristallinen Auge starrte er um sich.

»Das wird sie wachrütteln!«, stieß er bebend hervor.

»Es wird Milliarden Tote geben!«, schrie Vlot.

Calt stutzte, dann lachte er. »Du hast einen gewaltigen Schreck bekommen, wie?«, rief er triumphierend. »Aber du bist im Irrtum!« Seine Stimme wurde vorwurfsvoll. »Wie kannst du nur glauben, dass Er Tod und Schrecken über die Ihm anvertrauten Tiefenvölker bringt? So wahnsinnig kann Er niemals werden. Nein, dieses Schaltpult ist ausschließlich für das Jaschemenreich reserviert.«

»Auch das ist schlimm«, sagte Vlot tonlos. »Wenn sich die Luftzusammensetzung und der Luftdruck sprunghaft ändern, kann das für viele Jaschemen und ihre Fabriken das Ende bedeuten.«

Eine heftige Explosion nahe bei der Schaltzentrale tauchte das rauchverhüllte Terrain in grelle Helligkeit. Die am weitesten entfernten Angreifer wurden von der Druckwelle auseinandergewirbelt und beschädigt. Sogar die Schaltzentrale wankte. Vermutlich hatten sich irgendwo Wasserstoffkonzentrationen gebildet, sich mit dem Luftsauerstoff vermischt und waren explodiert.

Fordergrin Calt lachte irr. »Wenn wir sterben, sollen alle Jaschemen mit uns untergehen!«, rief er bebend. »Sie haben tatenlos zugesehen, wie Flabat und Kusse gemeuchelt wurden ...«

»Das waren nur Kyberneten!«, schrie Vlot.

»... jetzt sollen sie das Fürchten lernen«, fuhr Calt ungerührt fort. »Vielleicht überleben sie sogar, falls das Technotorium sich endlich kümmert und Seine Atmosphärefabrik rettet ...«

Perry Rhodan 149: Der Einsame der Tiefe  (Silberband)

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