Читать книгу Der Kurator, Band 2 - Arno Wulf - Страница 13
Knud Larssen
Оглавление„Ich bin gespannt auf deinen Rechtfertigungsversuch für das in meinen Augen schändliche Verhalten gegenüber deinem Boyfriend - trotz aller Verdienste - die du dir zweifellos erworben hast. Ich begreife einfach nicht, wie man einen geliebten Menschen so vor den Kopf stoßen kann, ja sogar vielmehr die Absicht zu verfolgen scheint, ihn einfach seinem Schicksal zu überlassen. Das ergibt doch einfach keinen Sinn!”
„Können wir die Beantwortung meines in Ihren Augen momentan zugegebenermaßen rätselhaften Auftretens noch um wenige Augenblicke verschieben? Denn ich will meine Ausführungen zunächst einmal mit einer unverfänglichen Frage beginnen, die rein fachliche Aspekte beleuchten soll: Was, lieber Wahid, würdet du als erstes gern bezüglich all dieser Rätsel in Erfahrung bringen?”, fragte Knud sein Gegenüber.
Wahid musste nicht lange überlegen, da er trotz seines emotionalen Aufgewühltseins zugleich seine Neugier nicht mehr bezwingen konnte: „Mich würde als erstes brennend interessieren, wie du an meine Berechnungen gelangt bist. Ich habe sie nämlich in meinem ganzen Leben niemandem verraten. Außerdem hattest du mir ja auch noch versichert, dass du keinerlei Kenntnisse in Physik besäßest.”
Knud schmunzelte.
„Professor, ich bitte Sie, bevor ich diese Frage beantworte, eine Vermutung zu äußern. Wo, Ihrer Meinung nach, befinden wir uns gegenwärtig?”
Wahid dachte angestrengt und zugleich zutiefst verwirrt nach. Aber es gelang ihm, seiner Ratio den Vortritt zu lassen. Er erinnerte sich nämlich an das Gespräch, das er mit Fatima während der letzten gemeinsamen Nacht in ihrem Schlafzimmer geführt hatte und fing an, alle Puzzlestücke, die ihm in den Sinn kamen, und die merkwürdigen Auffälligkeiten und Verhaltensweisen Knuds zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Und plötzlich ließ all dies nur noch einen einzigen Schluss zu, schob sich eine unglaubliche Erkenntnis in den Vordergrund...
Fatima und Elias wagten kaum noch zu atmen - sie spürten, dass etwas Bahnbrechendes in der Luft lag:
Mit zittriger Stimme wagte Wahid es schließlich, das Unfassbare auszusprechen.
„Ich bin mir eigentlich von meiner Ratio ausgehend absolut sicher, dass es nur einen Ort gibt, woher du stammen könntest und was für alle unerklärlichen Beobachtungen eine logische Erklärung liefern würde: Wir befinden uns im Weltraum, in einem Raumschiff und du bist Angehöriger einer extrem weit fortgeschrittenen Zivilisation.”
Fatima ließ einen nur teilweise unterdrückten, fassungslosen Aufschrei hören. Elias schwankte zwischen dem Gefühl, dass sein Vater entweder unter Halluzinationen litt,... oder er doch vielleicht voll ins Schwarze getroffen hatte. Denn auch ihm waren einige eigenartige Verhaltensweisen Knuds aufgefallen, wie zum Beispiel die, dass er immer wieder verträumt über Galaxien in einem Tonfall gesprochen hatte, als wenn er bereits selbst schon einmal da gewesen wäre. Mehrmals hatte er mit seinem Bruder, wenn Knud nicht in der Nähe war, über diese seltsame Beobachtung gesprochen.
„Ich habe mich also in Ihrer überragenden, logischen Denkfähigkeit nicht getäuscht”, konstatierte Knud befriedigt.
Der Professor starrte ihn dennoch wie gelähmt an. Fatima und Elias waren dicht davor, den Verstand zu verlieren.
„Wahid, du spinnst. Derartige Überlegungen gehören doch ins Reich der Phantasie”, meinte Fatima zunächst ungehalten. Aber rasch begann auch sie, noch einmal die zurückliegenden Ereignisse sorgfältig im Geiste unter die Lupe zu nehmen
„Ich denke”, so ergänzte Elias, „dass Vater Recht hat. Kein normalsterbliches Wesen verfügt über die Fähigkeiten, die Ahmad demonstriert hat.”
Er wandte sich Knud zu. „Bin ich gedanklich auf dem richtigen Weg?”
Knud blieb ihm die Antwort schuldig. Statt dessen richtete er seine Aufmerksamkeit auf die hintere Quartierwand seines Zimmers.
„Computer: Außenfenster aktivieren.”
Wieder sah Mouad in die Schwärze des Alls, kein Funkeln und kein Streulicht trübten die Milchstraße. Weit, weit weg, fast nicht mehr zu erkennen, lag ein winziger, unscheinbarer, blauer Punkt.
„Dies ist eure Welt”, sagte Knud feierlich, während er sich seinen Freunden erneut zuwandte, „dort haben sich euer Leben, eure Erfahrungen, eure Gefühle und eure Kriege abgespielt. Alle großartigen und alle verabscheuungswürdigen Taten, Entdeckungen und Erfindungen fanden dort statt. Ein ziemlich unbedeutender Ort, nicht wahr?”
Der Professor schaute zugleich fasziniert und sprachlos auf den überwältigenden Anblick. Fatima und Elias saßen mit offenem Mund da und blickten ungläubig in den unendlichen Abgrund aus Raum und Zeit. Selbst Mouad konnte es immer noch nicht recht fassen.
„Wo... wo sind wir?”
Dem Professor bereitete es, obwohl er die richtigen Schlussfolgerungen aus Knuds Verhalten der letzten Wochen gezogen hatte, sichtlich Mühe, diese einfache, fast schon banale Frage zu formulieren. Er wirkte wie versteinert. Seine Gedanken rasten.
Doch irgendwann setzte seine Ratio wieder ein und er begriff: Keine Macht der Erde war technologisch zu so bahnbrechenden Leistungen fähig!
Der Gedankengang beruhigte und ängstigte ihn gleichzeitig. Und es kam in ihm das überwältigende Gefühl auf, hier gegenüber jemandem zu sitzen, der ungeheure Macht besaß, davon aber keinen Gebrauch zu machen schien.
„An Bord eines - für irdische Verhältnisse - enorm großen Raumschiffes”, führte Knud ruhig und gemessen aus. „Hier arbeiten über 15 000 Besatzungsmitglieder. Ein Rundgang durch das Schiff werde ich morgen...”
„Moment mal”, brach es aus dem Professor, trotz seiner korrekt gezogenen Schlussfolgerungen, ungläubig hervor. „Das, was wir da draußen sehen, ist die Realität und keine Projektion?”
Er schnappte nach Luft. Auch er musste die neue Lage erst einmal in sein Bewusstsein eindringen lassen.
„Du willst uns doch nicht etwa weismachen, dass wir uns im Weltraum - weit weg von der Erde befinden?”
Der Professor schien unglaubliche Mühe zu haben, diese Wahrheit zu akzeptieren. Ratio und seine menschlichen Erfahrungen rangen miteinander.
,Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein, was Knud hier von sich gibt.’
Aber tief in ihm, erst leise, dann immer lauter, alle anderen Gedanken wie ein ungeheuer mächtiges Donnergrollen übertönend, meldete sich sein messerscharfer Verstand.
,Wahid, du weißt, dass dies die einzige logische Erklärung für all die Ungereimtheiten ist, die, seitdem Knud das erste Mal in dein Leben eintrat, in der Vergangenheit zu beobachten waren. Akzeptier diese Wahrheit gefälligst!’
„Genau das entspricht den Tatsachen”, entgegnete Knud auf die fassungslose Reaktion des Professors in einem Tonfall, der keine Widerworte und Diskussionen zuließ.
„Und”, so führte er vollkommen sachlich aus, „was die Formeln angeht, Professor: Sie sind das Grundwissen eines jeden Kadetten, der in der Magellanschen Flotte in Zukunft arbeiten will.”
Wahid starrte ihn wie vom Blitz getroffen an. Sein Herz jubilierte.
,Das ist doch einfach nicht zu fassen! Hier, an einem der unwahrscheinlichsten Orte, den ich mir vorstellen kann, erzählt mir ein junger Schnösel von 20 Jahren, dass all das, womit ich mich seit vielen Jahren beschäftigt habe und das in der wissenschaftlichen Welt keinerlei Anerkennung fand, völlig korrekt war.’
Aber er konnte sich seinen persönlichen, wissenschaftlichen Erfolg immer noch nicht so recht eingestehen. Laut stieß er völlig überrascht und ungläubig hervor:
„Wie bitte? Die Formeln sind richtig und man kann tatsächlich mit dieser Antriebstechnik reisen?”
„Bereits seit über 20 000 Jahren”, entgegnete Mary gelassen und fixierte die Augen des Professors, „sind sie die Grundvoraussetzungen für Reisen im Raum. Hier bei uns ist diese Theorie - wie heißt das so schön bei euch auf der Erde - Kinderkram. Aber dass Sie diese Erkenntnisse unter den politisch unsicheren Voraussetzungen in ihrem Heimatland und bei der auf der Erde vorherrschenden wissenschaftlichen Ignoranz überhaupt entwickeln konnten, spricht für Sie und Ihre Genialität. Diese physikalische Erkenntnis hätte unter anderen Voraussetzungen ein Meilenstein menschlichen Fortschritts auf ihrem Heimatplaneten sein können.”
Wahid konnte die späte Genugtuung über seine offensichtlich völlig korrekten Berechnungen immer noch nicht so recht wahrhaben und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
„Sie sind ein brillanter Kopf, Professor”, fügte Knud voller Hochachtung hinzu.
Fatima schien mit der neuen Situation besser zurechtzukommen als die anderen.
„Nun lob’ meinen Mann mal nicht zu sehr, das steigt ihm ja noch zu Kopfe. Nachher ruft er noch nach einer Sänfte und brüllt unablässig den ganzen Tag: Heureka - ich habe es gefunden!”
Das brachte sie in einem todernsten Tonfall hervor und verdrehte dabei so die Augen nach oben, dass man nur noch das Weiße sehen konnte. Angesichts dieser Grimasse brachen alle Anwesenden in Gelächter aus. Der Professor bekam, nachdem er mehrere Sekunden verdutzt dreingeblickt hatte, einen minutenlangen, gelösten Lachanfall, der nicht mehr enden wollte, während sich sein Kopf puterrot verfärbte und er sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischen musste.
Fatima stellte die Frage, die ihr schon seit geraumer Zeit auf den Nägeln brannte:
„Was für eine Funktion erfüllst du eigentlich hier an Bord des Schiffes? Und welche Aufgaben hattest du auf der Erde und überhaupt bei diesem ganzen Projekt zu bewältigen?”, fragte sie Knud.
„Ich leite bereits seit einigen Jahren diese Operation - Überwachung von Terra - und bin somit auch für sie verantwortlich. Aber ich muss alles, was ich entscheide und unternehme, der Staatsführung gegenüber - dem Föderationsrat - verantworten. Auf eurer Welt wäre ich zum Beispiel Oberkommandierender einer Flotte; ein Titel, der meine Aufgabe ganz gut beschreibt.”
„Du... du bist also gar kein Student oder irgend so ein Anfänger, der noch nie eigene Entscheidungen treffen musste?”
„Nein. Ich trage für das Gelingen dieser Mission bereits seit längerer Zeit, einschließlich einer mehrjährigen Planungsphase, die volle Verantwortung und bin darüberhinaus auch für das Wohlergehen der Schiffsbesatzung zuständig. So ist es beispielsweise ein oberstes Ziel, dass kein auf der Erde eingesetzter Kundschafter stirbt. Alle Teilnehmer müssen mit heiler Haut aus dieser zum Teil, wie wir alle in letzter Zeit zur Genüge erfahren mussten, lebensgefährlichen Untersuchung eurer Welt herauskommen.
Und jetzt kann ich euch endlich den Grund für mein zunächst abweisendes, in euren Augen unverantwortliches Verhalten gegenüber Mouad offenbaren. Denn aus der Verpflichtung heraus, alle Kundschafter unversehrt wieder nach Hause zu holen, war es für mich auch psychisch extrem belastend, mich dafür zu entschließen, euch zu retten. Meine Liebe zu dir, Mouad, machte mich blind gegenüber dem möglichen Risiko. Wenn mir etwas bei unserer halsbrecherischen Flucht zugestoßen wäre, wäre dies das Ende der gesamten Mission gewesen. Die Föderationsregierung hätte sofort die Notbremse gezogen, alle weiteren Untersuchungen fürs Erste eingestellt und sämtliche Kundschafter abgezogen. Wenn es sich Jahre später dann herausstellen würde, dass die Erde in einem nuklearen, ökologischen oder klimatischen Inferno untergegangen und eine Rettungsmission letztendlich nur an unserer Liebesbeziehung gescheitert wäre, würde jeder Historiker Knud und Mouad im Nachhinein für ihre Tat verdammen. Denn sieben bis acht Milliarden tote Homo Sapiens, die man unter anderen Umständen hätte retten können, wären ein verdammt hoher Preis für unsere Zuneigung, die so am Anfang unserer Mission nicht geplant war.”
Knud sah Mouad, dann Fatima und Wahid in die Augen. Irgendwann wichen sie seinem Blick aus. Fatima seufzte.
„Vielleicht, Mouad, kannst du jetzt zumindest ein wenig nachvollziehen, in welchem Dilemma ich gesteckt habe, als ich dich beinahe deinem Schicksal überließ - und du, nach deiner grauenhaften Flucht, die du unter Lebensgefahr und aus Liebe zu mir unternommen hattest, so abweisend von mir behandelt wurdest.”
Niemand sprach ein Wort. Wahid war vollkommen entgeistert. Unter diesem Aspekt betrachtet war Knuds Verhalten ja sogar selbst für ihn nachvollziehbar. Die Schilderung seines Schwiegersohnes eröffnete ihm zugleich einen vollkommen plausiblen Blickwinkel auf das Dilemma, unter dem Knud die ganze Zeit leiden musste.
Aber Mouad fiel gleichzeitig ein Stein vom Herzen, dass sein Freund so offen gegenüber ihm war. Diese Sichtweise war für ihn die Erleichterung, ja sogar die Erlösung von dem Schatten, der ganz tief in seinem Inneren gelauert hatte. Er versuchte sich vorzustellen, welche immense Verantwortung auf Knud während der ganzen Einsatzzeit auf der Erde gelastet hatte. Er bewunderte seinen Mann auch dafür, wie er sich im Angesicht eines solchen Spagats gegenüber ihm und der Familie verhalten hatte: Er wurde damit für ihn wieder menschlicher, und nicht so unnahbar, wie beim Landeanflug auf die Intrepid. Und es beruhigte ihn zugleich auch - denn er konnte diese Zusammenhänge zum damaligen Zeitpunkt nicht im Mindesten erahnen.
Er ging auf Knud zu, drückte ihn fest an sich.
„Ich bin glücklich, zugleich seltsam befreit. Wie wenn eine Zentnerlast von meinem Inneren gefallen wäre.”
Sie küssten sich zärtlich, wobei Knud ihm leicht durch seine Haare streichelte und meinte:
„Ich kann halt nicht mehr ohne dich leben.”
„So, ihr zwei Hübschen, ich will ja nur ungern eure Zärtlichkeiten unterbrechen, aber ich hätte schon gern gewusst, wie dies hier alles entstanden ist”, brummte Wahid amüsiert, nachdem er sich die beiden Turteltäubchen eine Weile angesehen hatte.
Knud setzte sich mit Mouad zusammen in einen doppelsitzigen Suspensorensessel und hieß die anderen, es sich in den verbliebenen Sitzmöbeln gemütlich zu machen.
„Ich möchte euch nicht alles auf einmal über mich erzählen, da ich sonst befürchten muss, dass ihr über viele Ereignisse in der Vergangenheit schockiert sein werdet. Ihr müsst euch - eurem Gehirn, euren Wertvorstellungen und Lebenserfahrungen, die ihr im Laufe des Lebens auf Sol III gesammelt habt - Zeit geben, sich an die neue Situation zu gewöhnen.”
Knud merkte, dass er langsam sprechen musste, da er an der Mimik seiner Freunde sehen konnte, wie schwer es ihnen fiel, die neue Realität zu akzeptieren. Daher machte er immer wieder Denkpausen.
„Ich will euch schließlich nicht verlieren”, fuhr er in beinahe väterlichem Tonfall fort. „Es besteht nämlich durchaus die Gefahr, dass ihr der Flut an neuartigen und seltsamen Informationen und Eindrücken überhaupt nicht gewachsen seid.
Ganz abgesehen davon: Auch ich bin ein Mensch, der Gefühle hat und geliebt werden will. Ich bin euch, was Wissen und politische Erfahrungen angeht, zwar weit überlegen. Aber was meine menschliche Seite angeht - Gefühle, Vertrauen und Liebe - da sind doch noch so einige Defizite vorhanden.”
Er wandte sich Mouad erneut zu und ergriff zärtlich seine Hände. Er holte tief Luft.
„Ich bin immer noch völlig vernarrt in dich, und finde nur langsam meine Selbstsicherheit zurück. Glaube bitte nicht, dass das alles, was wir zusammen durchgemacht haben, spurlos an mir vorüber gegangen ist.
Jetzt, da du, nur um mich wieder zu sehen, durch die Hölle gegangen bist, weiß ich, dass ich unwahrscheinlich viel Glück gehabt habe, einen solchen Menschen wie dich gefunden zu haben. Ich werde deshalb immer an den wunderbaren Augenblick zurückdenken, als wir uns in der American University in Beirut zum ersten Mal begegneten. Mögen sich unsere Wege nie wieder trennen.”
Mouad errötete. Man merkte, dass auch ihn dies emotional aufwühlte.
Knud erhob seine Stimme: „Nur noch dies, bevor ich beginne: Ihr seid hier in jeder Hinsicht in Sicherheit, könnt euch zudem überall auf diesem Schiff frei bewegen, ohne jedwede Einschränkung. Es gibt daher keine geheimnisvollen dunklen Ecken, die ihr nicht betreten dürft - außer natürlich den Laborbereich, wenn dort möglicherweise gefahrvolle Experimente durchgeführt werden.
Überall in der Föderation ist zudem der Aufenthalt absolut sicher: Niemand wird euch bedrohen, niemand gar nach dem Leben trachten. Und eines möchte ich auch noch besonders betonen: Ihr findet bereits hier in dem Arboretum eine völlig intakte Umwelt vor - wie auch auf den allermeisten anderen Planeten der Föderation.”
„Knud - was du hier sagst, beruhigt uns alle doch ungemein. Aber ich muss dir doch jetzt sagen, dass ich gleich vor Neugierde platze, wenn du uns nicht langsam mal etwas genauer aufklärst. Wer bist du eigentlich, und was ist diese Magellansche Föderation, von der uns Mary schon ein wenig berichtet hat?” fragte Elias.
„Mein wahrer Name ist Knud Larssen, Sohn eines Physikprofessors und seiner marokkanischen Frau, die mein Vater auf einer Nordafrikareise in Fez kennengelernt hat. Ich selbst wurde im schwedischen Stockholm geboren. Schon sehr früh habe ich mich für Physik, Chemie und Astronomie interessiert.
Durch eine Laune der Natur bin ich in der Lage, ungeheuer rasch naturwissenschaftliche Zusammenhänge zu begreifen, und auch die sich daraus ergebenden technologischen Konsequenzen abzuleiten. Heute würde man mich auf der Erde vielleicht als Superhirn beschimpfen, aber damals hatte ich, was Diskriminierung gegenüber meiner Intelligenz anging, mehr Glück. In dem Jahrgang, mit dem ich an der Universität studierte, fanden sich noch 25 weitere absolut brillante Köpfe, die exzellente Examina hätten ablegen können, wären wir, wie es von uns an und für sich erwartet wurde, nur gesellschaftlich angepasster gewesen. Aber es kam anders: Es herrschte zwischen uns allen schon damals ein Vertrauen, eine Liberalität und eine Freizügigkeit im Denken, wie es nur einmal vielleicht alle paar hundert Jahre vorkommt. Wir fingen an, unsere eigenen Pläne für die Zukunft zu schmieden, denn wir hatten die Nase voll von bürgerlicher Engstirnigkeit und Spießigkeit. Es herrschte fast so eine Aufbruchsstimmung wie Ende des 20. Jahrhunderts in einigen amerikanischen Eliteuniversitäten wie Havard, MIT oder Stanford, in denen wissenschaftliche Koryphäen bahnbrechende kosmologische Theorien entwickelten.
Wir beschlossen damals, unser eigenes, geheimes Forschungsinstitut zu gründen, damit wir nicht von den Zwängen der Universität und der Politik in unserer Freizügigkeit eingeschränkt wurden. Es gelang uns überdies innerhalb weniger Jahre, einige brillante Professoren in der Stockholmer Universität sowie weitere exzellente Wissenschaftler auf allen Gebieten der Naturwissenschaften im Ausland ausfindig zu machen, auf unsere Seite zu ziehen und sie in das laufende Projekt einzubinden, das in absoluter Geheimhaltung betrieben werden sollte. Wir wussten nämlich schon damals, das man bei der Entwicklung neuer Technologien auch Waffen entwickeln konnte, für die die Welt noch nicht reif war.
Meine Eltern waren natürlich über ihren eifrigen Sohn, der so viel Zeit in seine Forschung investierte, hocherfreut. Die Magnifizenzen, die wir in das Projekt eingeweiht hatten, bescheinigten auch selbstverständlich den Familien der beteiligten Elitestudenten, dass sie weiterhin exzellente Leistungen erbringen würden. Aber unsere Angehörigen konnten sich noch nicht einmal im Traum vorstellen, worauf dieses Projekt, an dem die führenden Köpfe seiner Zeit - man schrieb das Jahr 1875 auf der Erde - hinarbeiteten.
Als mein Vater starb, hinterließ er mir ein sehr umfangreiches Vermögen. Er hatte es noch von meinem Opa, der Geschäftsmann war, erhalten und in der Zwischenzeit weiter vermehrt.
Meine Eltern hatten mich stets großzügig unterstützt. Ich konnte bereits früh über Teile des Geldes verfügen und für die Finanzierung der Forschung verwenden. Andere Wissenschaftler hatten in dieser Hinsicht nicht ein solch sorgenfreies Leben. Ich will euch aber nicht weiter mit allen Details konfrontieren. Es gelang uns jedenfalls innerhalb von 20 Jahren für die damalige Zeit äußerst innovative Entdeckungen zu machen: Raketen, Atomenergie, Kernfusion und schließlich die Entdeckung der Antimaterie sowie ihre technische Nutzung. Und als bahnbrechendste Entdeckung wurde schließlich eine - im Vergleich zur Föderationstechnologie - primitive Form des Coronantriebs entwickelt.
Schon damals wussten wir, dass man nicht einfach zu jeder x-beliebigen Sonne in der Nachbarschaft fliegen konnte, um zu hoffen, dort Leben oder eine weit entwickelte Zivilisation zu entdecken. Daher musste man schon einen Stern ausfindig machen, der eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit aufwies, einen lebensfreundlichen Planeten zu besitzen. Als das Ziel - Epsilon Eridani - ausgewählt worden war, wurde es politisch brenzlig, länger auf der Erde zu bleiben. Es zeichnete sich nämlich die erste große, planetenweite Krise am politischen Horizont Terras ab: Der Erste Weltkrieg.
Aber unser technologischer Fortschritt war schon weit gediehen: Das erste Fluggerät für interstellares Reisen war nach zehnjähriger Bauzeit im absolut Geheimen fertiggestellt worden.
Wir entschlossen uns dann auch, wegen der zunehmenden weltweiten Unsicherheit, mit unserem neuen Raumschiff, das immerhin knapp 100 Personen, wenn auch unter absolut beengten Verhältnissen Platz bot, die Erde zu verlassen. Die schwedische Regierung hatte nämlich von unseren Forschungsvorhaben Kenntnis erhalten - von wem wir verraten wurden, wissen wir bis heute nicht. Zum Glück waren alle unsere Werkstätten und Laboratorien tief unter dem Gebirge im Westen Schwedens an der Grenze zu Norwegen angelegt worden - weit weg von jeder Zivilisation, so dass es all die Zeit für uns ein Leichtes war, die geheimen Labors neugierigen Blicken zu entziehen. Wir versiegelten vor dem Start des Raumschiffes sämtliche Eingänge und tarnten sie so, dass sie nach unserem damaligen Wissen niemals entdeckt werden würden.
Den Jungfernflug des neu gebauten Raumschiffs werde ich nie vergessen. Das einmalige, überwältigende Erlebnis, die Erde als funkelnd blaues Juwel unter mir in der Schwärze des Universums schweben zu sehen, wird für alle Zeiten in meinem Gedächtnis eingebrannt bleiben. Und die sich daran anschließende interstellare Reise war ein ungeheurer Erfolg, ein Glücksgefühl, unbeschreiblich. Wir sahen das erste Mal andere Planeten, andere Welten - Jupiter mit seinen geologisch aktiven Monden, den Saturnmond Titan mit seiner Methanatmosphäre und den Seen und Teichen aus flüssigen Kohlenwasserstoffen sowie den blauen Neptun mit seinen gigantischen Stürmen.
Aber bereits während der ersten Tage an Bord begriffen wir, auf was für ein total idiotisches Unterfangen wir uns in unserem überheblichen Leichtsinn da eingelassen hatten. Die Planeten des Sonnensystems live vor sich zu sehen war ja gut und schön.
Aber wer garantierte uns eigentlich, dass wir erstens auf einen lebensfreundlichen Planeten treffen würden, der dann auch noch zweitens tatsächlich von einer technisch hochstehenden Zivilisation beherrscht sein würde?
Ganz abgesehen davon, dass diese Zivilisation, wenn es sie denn gäbe, ja auch noch friedfertig zu sein hatte. Wir waren nämlich gänzlich unbewaffnet und somit einer möglicherweise kriegerischen Rasse hilflos ausgeliefert. Ich erinnere mich noch genau, als wäre es erst gestern gewesen, an die erbitterten, schon fast verzweifelt zu nennenden Diskussionen, über das Für und Wider, das Sonnensystem zu verlassen. Viele hatten Angst, dass wir, wenn uns kein Erfolg beschieden sein sollte, jämmerlich in den Tiefen des Alls sterben würden.
Aber auch auf der Erde durfte man kein viel besseres Los erwarten: Wir würden bei einem Scheitern unserer Mission sehr wahrscheinlich eingesperrt, gefoltert und verhört, möglicherweise danach sogar hingerichtet werden. Die zukünftige Entwicklung auf Terra könnte sich als noch fataler erweisen: Wenn man nämlich unsere technologischen Hinterlassenschaften fände, könnte es zu entsetzlichen, planetenweiten militärischen Auseinandersetzungen kommen, die mit Hilfe der neuen Technologie geführt werden würden.
Am Ende dieser ernsten, kontroversen Diskussionen wurde schließlich in einer Kampfabstimmung der Beschluss gefasst, auf gar keinen Fall zur Erde zurückzukehren, sondern darauf zu hoffen, eine neue Welt mit lebensfreundlichen Bedingungen zu finden.
Es wurde daher ein nervlich aufreibender Flug, hingerissen zwischen Hoffen und Bangen, was wir in diesem fremden, uns völlig unbekannten Sonnensystem vorfinden würden. Gab es eine Rettung für uns alle? Konnten wir Kontakte zu einer friedlichen, technologisch hochstehenden, außerirdischen Zivilisation aufbauen?
Daher steuerten wir unbeirrt weiter das System Epsilon Eridani an, wie schon angedeutet in der Hoffnung, dort auf einen für unser Überleben geeigneten Planeten zu stoßen, der auch genügend Wasser und Nahrung zur Verfügung stellen würde. Wir wussten, dass wir nur Energie und Sauerstoff für etwa sechs Wochen an Bord hatten. Wenn uns kein Erfolg beschieden wäre, müssten wir - so lautete der Plan vor Beginn des Raumflugs - entweder zur Erde zurückkehren und das Raumschiff und alle damit entwickelten Technologien vernichten oder - die Alternative entwickelte sich während der Reise - einen zweiten Versuch wagen, um einen lebensfreundlichen Planeten in einem anderen System zu finden.”
Knud unterbrach seine Ausführungen kurz, um einen Schluck Wein zu trinken, da seine Lippen inzwischen ziemlich trocken geworden waren. Zudem merkte er an seinem deutlich beschleunigten Herzschlag, wie die Erinnerungen ihn übermannten, wie die ungeheure Spannung, der die damaligen Expeditionsteilnehmer ausgesetzt waren, zu einer verstärkten Insulinproduktion in seinem Körper führte.
Er warf seinen Freunden einen raschen Blick zu. Sie hingen an seinen Lippen; vor knisternder Spannung und fiebriger Erwartung wagten sie es kaum noch, zu atmen.
„Aber der Planet Epsilon Eridani IV, den wir nach einer Woche Flugzeit erreichten, entpuppte sich zur allgemeinen Erleichterung zwar als ein extrem stürmischer, aber ansonsten lebensfreundlicher Ort, der von einem tiefen, planetenweiten Ozean bedeckt war. Wir landeten schließlich auf einer der wenigen Inseln, die aus der aufgewühlten See herausragten. Die Expeditionsmannschaften gingen bei der Erforschung dieser Welt extrem vorsichtig vor. Man wollte nicht, dass dieser wunderschöne Planet mit unseren Bakterien, Ausscheidungen und Stoffwechselprodukten wie Kohlendioxyd, Schwefelwasserstoff und Merkaptanen kontaminiert wurde. Wir mussten daher vollständig steril und sauber arbeiten. Heute wissen wir, dass der Planet in dieser Hinsicht keine Probleme bereitet: Denn er besitzt eine Art von planetenweitem Immunsystem, das fremdartige Mikroorganismen und Stoffe äußerst effektiv bekämpft.
So erforschten wir zunächst die vulkanische Gebirgskette, die mitten in einem ununterbrochen aktiven Sturmband liegt. Das hatte zur Folge, dass auf diesem Stückchen festen Bodens, das kaum größer als der Libanon ist, auf der windzugewandten Seite etwa 30 Meter Niederschlag oder ungefähr 140 Meter Schnee pro Jahr fallen.
Nach knapp drei Wochen, nach denen wir uns schon fast wieder danach sehnten, auf die Erde zurückzukehren, weil wir die Einsamkeit auf dieser Welt nicht länger ertragen konnten, gelang uns die Entdeckung, die unser aller Leben von da an in völlig neue Bahnen lenken würde: Wir waren nämlich nicht die Ersten, die diese Welt erforschten.
Eine Forschungsgruppe, zu der auch ich gehörte, fanden bei näherer Untersuchung dieser zerklüfteten Felseninsel zunächst eine Brücke, die einen fast 600 Meter tiefen und anderthalb Kilometer breiten Abgrund auf halber Höhe überspannte, sowie einen hypermodernen Hangar, der offenbar regelmäßig von Raumschiffen einer ungemein fortschrittlichen Zivilisation angesteuert wurde.
Sehr rasch wurde man unseren Aktivitäten dann auch gewahr. Zumal uns, nachdem geraume Zeit verstrichen war, mitgeteilt wurde, dass man den gesamten interstellaren Flug schon seit der Überquerung der Neptunbahn genauestens verfolgt hatte. Diese Begegnung stellte somit den ersten Kontakt zu einem kollossalen Bündnis aus vielen verschiedenen Rassen fremdartiger Welten, das als Magellansche Föderation bezeichnet wird, her. Eine Welle der Erleichterung überkam uns, da wir jetzt endlich hoffen konnten, in Sicherheit zu sein.
Bevor ich an dieser Stelle mit meinem Bericht fortfahre, fiel uns damals eine besonders seltsame Tatsache auf:
Das Überraschendste, was wir bei unserer ersten Kontaktaufnahme vorfanden, war nämlich, dass wir unter den ersten Besatzungsmitgliedern eines dieser Schiffe, die wir dort trafen, auch Menschen entdeckten. Dies ist nach den Regeln der Evolution völlig ausgeschlossen. Denn auf keinen zwei Planeten kann sich unabhängig voneinander die gleiche, hoch entwickelte Lebensform entwickeln. Aber wir waren eben nicht die ersten Terraner, die Kontakt mit der Föderation hatten. Ich komme später möglicherweise noch darauf zurück.
Unsere Hoffnung auf ein friedliches Zusammentreffen erfüllte sich: Wir wurden freundlich von diesen hochzivilisierten Lebewesen aufgenommen, konnten uns überall frei bewegen. Man wies uns nur sanft darauf hin, dass wir doch auf jeden Fall die Sprache, das so genannte UniKaL, lernen und uns mit dem Wissensstand dieser Kultur auf allen Gebieten vertraut machen sollten. Von den Fremden wurde den an der Expedition teilnehmenden Wissenschaftlern hoch angerechnet, dass wir in der Lage gewesen waren, von solch einer kriegerischen und unzivilisierten Welt wegzukommen und dabei eine Antriebstechnik unabhängig von einem kulturellen Austausch mit der Föderation zu entwickeln, die interstellares Reisen ermöglichte. Deshalb, Professor, hat das, was Sie geleistet haben, mit zu meiner Entscheidung beigetragen, Sie in der Föderation aufzunehmen. Wir Flüchtlinge von der Erde waren damals zumindest ebenso erstaunt wie ihr über das, was ihr bereits gesehen habt und noch erleben werdet.”
Knud beendete seine Erzählung und blickte in die Runde.
„Das ist ja unglaublich! Ihr habt ja riesiges Glück gehabt, auf diesem Planeten Kontakt zu finden”, meinte der Professor nach einer längeren Pause.
„Irgend jemand hat das hinterher mal ausgerechnet: Es bestand eine Wahrscheinlichkeit von eins zu 100 Quinquilliarden.”
Die vier saßen fassungslos vor ihm und schienen jede einzelne Silbe in sich aufzusaugen.
„Bitte, erzähl weiter. Das ist ja der spannendste Bericht, den ich je gehört habe”, sagte Fatima vollkommen fasziniert.
„Nun gut, noch eine Geschichte aus meinem Leben.”
Er räusperte sich, registrierte, dass sein Mund erneut ausgedorrt war und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas.
„Vor nunmehr 95 Jahren unternahm ich eine Forschungsreise in das Zentrum dieser Galaxis. Auf eurer Welt hatte, nur damit ihr das Geschehen zeitlich einordnen könnt, gerade der Zweite Weltkrieg begonnen. Ich lebte da schon über 30 Jahre in der Föderation und hatte mich sowohl in der Politik als auch der Wissenschaft gut etabliert.
Unsere Wissenschaftler waren damals der Meinung, dass sich im Zentrum der Milchstrasse lediglich alte, so genannte Rote Riesensterne befänden; Sonnen, die ihre Existenz als Hauptreihenstern schon längst hinter sich gebracht haben. In diesem Stadium ist der Wasserstoffbrennstoff im Kern bereits fast vollständig aufgebraucht - die Heliumfusion hat schon begonnen. Man glaubte daher, dass sämtliche dort jemals existierenden Zivilisationen ausradiert worden wären, da diese Sterne während dieses Prozesses das Hundert- bis Tausendfache ihres ursprünglichen Durchmessers aufweisen. Zur Begründung dieser These wurde angeführt, dass in beinahe 99 Prozent aller Fälle die Planeten, die sich in der Habitatzone während des Hauptreihenstadiums befänden, zu diesem Zeitpunkt von der enorm aufgeblähten Korona verschluckt worden wären. Deshalb gingen führende Wissenschaftler zu Beginn der Mission davon aus, dass man nur ausgeglühte, verschmolzene Welten vorfinden würde - sterile Schlackenreste längst untergegangener Kulturen. Ich selbst war mit dieser Theorie nicht einverstanden: Warum sollte es nicht möglich sein, dass sich die in dieser Region beheimateten Kulturen vor der drohenden Katastrophe in Sicherheit gebracht haben könnten?
Die Mission begann zunächst als rein kartografische Untersuchung. Das zuständige Ministerium wollte herausfinden, welche Flugrouten im Galaxienzentrum existierten, um möglichst rasch auf die gegenüberliegende Seite des Sternsystems zu gelangen. Da keine besonderen Schwierigkeiten zu erwarten wären, wurde uns ein mit wissenschaftlichen Gerätschaften gut ausgestattetes, aber lediglich sehr kleines Expeditionsschiff zur Verfügung gestellt. Ich war damals jedoch nur ein einfacher Offizier. Angesichts der enormen Entfernungen und der zu erwartenden Dauer der Reise ins Unbekannte, war ich damit jedoch absolut nicht einverstanden. Zu diesem Zeitpunkt war dieses Schiff, in dem wir uns gerade befinden, brandneu und sollte einem Testflug unterzogen werden. Es erschien mir ein Unding, allein für den Hinflug mit dem uns zugewiesenen Forschungsschiff viele Monate zu benötigen, wohingegen man mit diesem damals ultramodernen Fluggerät nur wenige Tage unterwegs wäre.
Nach zeitraubendem Hin- und Her und der Überlegung in der Magellanschen Akademie der Wissenschaften, dass man möglicherweise doch mehr entdecken könnte, als lediglich Planetenleichen, wurde mir gestattet, eine Besatzung nach meinen Wünschen zusammenzustellen.
Wir erreichten unser Zielgebiet nach genau sechs Tagen, ohne dass es etwas Nennenswertes zu vermelden gäbe. Glasartige, zernarbte, mit Kratern übersäte, schwarz- und aschefarbene Planetenkrusten bekamen wir zu Gesicht, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf zivilisatorische Hinweise zu finden. Zunächst dachten wir, dass dies auf den normalen Sternalterungsprozess zurückzuführen war. Aber je mehr wir uns dem Galaxienzentrum näherten, umso größer wurde die Zerstörung: Durch irgendein entsetzliches Ereignis waren komplette Sterne zerrissen, Planeten vollständig pulverisiert oder verstrahlt worden. Und allmählich schwante mir, was da möglicherweise geschehen war:
In jeder Galaxie befindet sich bereits seit fast dem Anbeginn der Zeit ein kolossales Schwarzes Loch, so auch im Zentrum unserer Milchstraße. Dieses verübt Schwerkraftanomalien auf umliegende Sternsysteme, was wiederum Fluktuationen im Gravitationsmuster noch entfernterer Himmelskörper verursacht. Das kann sich zu einer Art von Kettenreaktion aufschaukeln, die zur Folge hat, dass komplette Sonnensysteme auf Kollisionskurs mit dieser ungeheuren Materieansammlung gehen. Und mir war sofort klar, was das bedeuten könnte: Eine galaktische Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, sofern es in der Umgebung Zivilisationen geben würde.
In der Folge begann die Crew, die Kernregion der Galaxie systematisch zu analysieren, was beinahe in einer Katastrophe für das Schiff geendet hätte: Das Schwarze Loch schleudert nämlich diskontinuierlich extrem energiereiche Strahlungs- und Materiejets aus, die manchmal durch dichte Dunkelwolken aus Gas und Staub getarnt werden und daher nur schwer detektierbar waren.
Ich erinnere mich noch genau an die verräterischen Wirbel, die in Kernregionen mit Gas- und Staubansammlungen gefunden wurden. Der Kommandant des Schiffes wollte damals diesem Phänomen genauer nachgehen, aber mehrere Besatzungsmitglieder - einschließlich meiner Wenigkeit - protestierten dagegen aufs schärfste und wussten dieses Vorhaben zu verhindern.
Sekunden später verfehlte uns eine auf mehrere 10 000 Kilometer pro Sekunde beschleunigte, superheiße Plasmawolke aus der Kernregion nur knapp. Die Kraftfeldtechnik war damals noch nicht so leistungsfähig wie heute: Das Schiff wäre damals bei einem Volltreffer in einzelne Atome zerlegt worden.
Im Verlauf unserer Untersuchung der Kernregion waren eine ganze Reihe von Raumsonden gestartet worden, um einen größeren Bereich des Untersuchungsgebietes unter die Lupe zu nehmen. Und irgendwann erhielten wir die Gewissheit, die meine schlimmsten Befürchtungen bestätigte: Dass nämlich auch an diesem Ort, obwohl es auf Grund der vorherrschenden Sternenpopulation unwahrscheinlich war, Zivilisationen existierten, die dem alles versengenden Feuer ihrer alternden Zentralsterne dadurch entgangen waren, indem sie in äußeren Regionen ihres jeweiligen Sonnensystems eine Rückzugsmöglichkeit gefunden hatten. Jedoch zeigten diese Untersuchungen auch, dass die meisten der fremden Rassen nicht die Fähigkeit interstellaren Reisens entwickelt hatten.
Die sich daraus abzeichnenden Konsequenzen lieferten ein schreckliches Bild: Viele Regionen um den sich abzeichnenden Kataklysmos würden ausradiert werden, und mit ihr unzählige Zivilisationen, die dort existierten. Dieses Ereignis wird in unserer Geschichte als Core-Explosion bezeichnet, viel gewaltiger als jede Supernova.”
Knud schilderte in knappen Sätzen die dramatischen Geschehnisse, die damals vorgefallen waren und musste erneut an die grauenhaften Bilder denken, die im Verlauf der Konferenz auf der Brücke den leitenden Offizieren präsentiert worden waren.
Er fuhr fort: „Diese Rettungsmission von wahrhaft galaktischen Dimensionen war auch einer der Gründe dafür, dass uns ein im Vergleich zur Core Explosion so unbedeutendes Ereignis wie Hitlers sinnloser und mörderischer Krieg auf eurer Welt nicht weiter interessierte. Schließlich drohte ja zu dieser Zeit auf der Erde nicht die Auslöschung einer ganzen Rasse.”
„Moment mal”, unterbrach ihn der Professor, „du willst doch nicht etwa behaupten, ihr könnt ganze Planeten gewissermaßen als Riesenraumschiffe über tausende von Lichtjahren transportieren?”
„Nicht nur das, wir können sogar ganze Sonnensysteme einschließlich der Sterne verschieben.”
Der Professor schnappte nach Luft.
„Die ganze Operation mit allen ihren Auswirkungen dauerte über 25 Jahre. Es mussten zahllose neue Planeten entworfen und nutzbar gemacht werden, ganz nach den Bedürfnissen der Flüchtlinge.
Aber das schier Unmögliche gelang. Seit nunmehr über einem halben Jahrhundert leben und arbeiten die neuen Mitbewohner friedlich mit den alten Rassen der Föderation zusammen. Es gelang sogar, zwei besonders kriegerische Spezies zu absolut friedfertigem Verhalten zu bewegen, da diese besonders intelligent und lernfähig sind und anschaulich sehen konnten, dass man ohne Kriegführung zu ungeheuren zivilisatorischen Leistungen fähig ist.”
„Und du hast das Ganze organisiert?”, fragte Mouad entgeistert.
„Nein, zum Glück nicht alles allein”, meinte Knud schmunzelnd. „Das ganze Projekt hat mich aber dennoch häufig an Grenzen geführt, wo ich dachte, ich würde innerlich zerbrechen.
Diese Aufgabe hat nämlich die Stärken und Schwächen meines Charakters gezeigt:
Zunächst einmal konnte ich die fremden Rassen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Das ließ mein Respekt und meine Wertschätzung gegenüber allen Lebewesen nicht zu; und dies war auch der Grund dafür, warum ich sie unbedingt retten wollte. Andererseits litt durch das enorme Arbeitspensum meine Entwicklung als Mensch.”
Fatima sah ihn respektvoll an. Der Professor blickte nachdenklich zu Mary. Sie schien seine Gedanken zu erraten.
„Es stimmt wirklich alles, was er erzählt hat. Genau so ist es gewesen, ich habe es auch erlebt.”
Der Professor erhob sich und wollte sich wohl vor Knud respektvoll verneigen. Aber dieser sprang noch schneller auf und drückte ihn sanft wieder in seinen Sessel zurück.
„Alle diese Jahre waren unglaublich interessant, spannend, jedoch auch unsäglich verantwortungsvoll. Und genau deshalb ist das Private bei mir zu kurz gekommen. Meine Homosexualität habe ich über viele, viele Jahre verdrängt. Und als ich ihrer so richtig gewahr wurde, blieb keine Zeit für Gefühle.
Überdies habe ich eine Ewigkeit eine schwere Last mit mir herumgeschleppt. Obwohl die Evakuierung ein voller Erfolg war und nur drei Flüchtlinge bei Unfällen durch leichtsinniges Verhalten beim Transport ums Leben gekommen sind, was eine verschwindend geringe Zahl ist, angesichts der Gesamtgröße des Unterfangens, gab es, und damit schließe ich meinen Bericht heute Abend ab, ein entsetzliches Ereignis, das parallel dazu stattgefunden hat.
Die Mission, die auf Sol III zur Zeit läuft, hat ihre Begründung in der nuklearen Katastrophe vor nunmehr 88 Jahren auf einer Welt mit dem Namen Warendula VII, eines in der Nähe der Fluchtrouten liegenden Planeten, der nicht durch die Core-Explosion gefährdet war. Die Bewohner dieser Welt vernichteten sich durch einen nuklearen Schlagabtausch gegenseitig. Diese Kulmination markierte den furchtbaren Endpunkt verschiedener kriegerischer Auseinandersetzungen, die durch Klimaprobleme, Rohstoffknappheit und Überbevölkerung sowie heillose politische Zersplitterung ausgelöst worden waren. Energiekrisen, religiöser Fanatismus, Umweltverschmutzung, Migration, weit verbreiteter legaler und illegaler Waffenbesitz unter der Bevölkerung selbst und atomares Wettrüsten verschärften die instabile politische Situation auf dieser Welt zuvor zusätzlich. Wir wussten also, welches Schicksal dem Planeten bevorstand, konnten aber nicht helfen, da einige Dutzend andere Welten von der Schockfront der Explosion bedroht waren und wir daher absolut keine Transportkapazität mehr frei hatten, um diese Rasse zu retten. In der Charta der Föderation, was etwa einer Verfassung eines der irdischen Staaten entspricht, sind wir nämlich verpflichtet, bei drohender Selbstzerstörung einer Rasse, einzugreifen. Aber hier konnten wir dies bedauerlicherweise nicht.”
Knud konnte die letzten Worte kaum hervorbringen. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Mouad drehte sich zu ihm, zog ihn aus dem Sessel hoch und umarmte ihn.
„Über acht Milliarden Bewohner kamen vermutlich ums Leben”, flüsterte Knud.
„Ich bin froh, dass du noch stets menschliche Gefühle zeigst”, sagte er leise und mit Ernst in der Stimme. „Ich dachte schon, dass ich mich in jemanden verliebt hätte, der meilenweit über mir steht und absolut unnahbar ist. Aber jetzt weiß ich, dass du weiterhin eine liebenswerte Person bist, die glücklicherweise Schwächen zeigt.
Außerdem denke ich, dass du nichts dafür kannst, dass diese Welt untergegangen ist. Dass euch nicht mehr Transportkapazität zur Verfügung stand, ist natürlich eine bedauerliche Tatsache, die aber unter den gegebenen Umständen wahrscheinlich nicht zu ändern war. Aber sieh es doch mal so: Du hast doch vielen anderen Rassen geholfen.
Und zu guter Letzt noch dies: Mach dir um mich keine Sorgen mehr, ich bringe mich schon nicht um. Jetzt, wo ich weiß, dass du zu mir beziehungsweise uns hältst und wir deine Handlungsweisen, die uns im Libanon rätselhaft erschienen, durchaus nachvollziehen können, lässt sich der Kulturschock, der auf uns einstürmt, viel leichter verkraften. Aber du begreifst hoffentlich: Wir alle haben ganz schön an dem zu knacken, was wir hier gesehen und gehört haben.”
„Und jetzt verstehe ich auch, warum ihr an der Erde ein so großes Interesse habt und sie so intensiv beobachtet”, führte Elias aus. „Unsere Welt steht genau so am Rand einer Katastrophe wie dieser von dir eben erwähnte Planet, stimmt’s?”
Knud nickte. Er wirkte wieder etwas gefasster.
„Ich hoffe nur, dass sich das noch nicht in nächster Zukunft ereignet angesichts der Spaltungsbomben, die ja schon irrsinnigerweise eingesetzt worden sind. Wenn es keine neuerliche Eskalation gibt, haben wir auf Terra noch einige Monate oder vielleicht auch Jahre Zeit. Auch wenn Menschen in der Föderation geschätzt und von niemandem diskriminiert werden, so ist doch Sol III mit seinen absolut rücksichtslosen, egoistischen, kriegerischen und die Umwelt zerstörenden Bewohnern leider zu gut bekannt. Die meisten Rassen wollen nämlich nicht wegen dieser Barbaren in einen Feldzug ziehen oder sich gar aufopfern, um Terra zu retten. Daher ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig, um der Erde ein ähnliches Schicksal wie den unglücklichen Bewohnern von Warendula VII zu ersparen.”
Der Professor schüttelte bedächtig den Kopf. So, als wäre er tief in Gedanken versunken und müsste eine schwere Bürde mit sich schleppen. „Viele der Gründe, die du soeben angeführt hast, passen hundertprozentig auf die Entwicklungen auf der Erde. Weit verbreiteter Waffenbesitz unter der Zivilbevölkerung; da fallen mir doch spontan die USA ein. Es gibt kein Land auf der Erde, dass solch eine verheerende Innenpolitik betrieben hat wie diese Nation. Ganze Regionen, zum Teil sogar über die Grenzen mehrerer Bundesstaaten hinweg, wurden im Laufe des beginnenden 21. Jahrhunderts völlig unkontrollierbar, da die dortige Bevölkerung mit ihrer Unzahl moderner Waffen die Exekutive selbst in die Hand nahm. Die staatliche Autorität brach schließlich völlig zusammen. Unliebsame Minderheiten wie Schwarze, Schwule und Lesben, liberal denkende Menschen, Intellektuelle wurden, wie auch zahllose andere Minderheiten, rücksichtslos verfolgt und regelrecht massakriert. Die National Rifle Association (NRA) bildet inzwischen die neue dortige Staatselite und verfolgt einen massiven Aufrüstungskurs. Dass zum Krieg führen aber auch eine fähige Generalität benötigt wird und eine straffe Armeestruktur, ist den Herrschaften offenbar entgangen. Dies zeigt die verheerende Niederlage im Verlaufe des letzten Libanonkriegs überdeutlich.”
„Das ist doch noch nicht alles”, fügte Fatima hinzu. „Große Teile Mittel- und Südamerikas stehen nach meiner Kenntnis unter der Kontrolle der Drogenmafia, die jahrzehntelang Rauschgift gegen Waffen getauscht hatten. Mexiko war das Fanal, das am Beginn dieser Entwicklung stand, danach war Mittelamerika an der Reihe, schließlich zerbrachen auch ehemals gefestigte Strukturen, wie zum Beispiel Argentinien, Brasilien und Chile, die sich am Anfang gegen die steigende, subversiv kriminelle Unterwanderung des Gemeinwesens einigermaßen zur Wehr setzen konnten. Alle diese Staaten hatten Regionen, die von der jeweiligen Zentralregierung nur schlecht kontrolliert werden konnten. Dies waren die idealen Brutstätten für die mafiösen Strukturen, die danach alle amerikanischen Länder wie ein wucherndes, tödliches Pilzgeflecht durchzogen, dessen letzte Ausläufer bis zur libanesischen Hisbollah reichten. Das wird auch jetzt wohl noch so sein, obwohl ich seltsamerweise seit einigen Jahren nichts mehr aus dieser Weltregion gehört habe.”
Knud antwortete darauf erst einmal nicht. Er sah erneut die Bilder der Katastrophe auf Warendula vor sich. Er wagte es nicht, sich die möglichen Verheerungen auf Sol III vorzustellen; zu grauenhaft war allein schon die Vorstellung der zu erwartenden Apokalypse.
Mary gähnte. „So, ihr Lieben. Ich bin eine alte Frau und dementsprechend müde. Ich gehe in mein Quartier, zwei Türen weiter.” Sie verspürte nämlich keine Lust mehr, sich heute Abend noch mit weiteren Problemfeldern auseinanderzusetzen.
„In Ordnung”, sagte Knud knapp.
Und zu den Bribires gewandt, meinte er:
„Ich habe auch für euch eine Bleibe vorbereitet.”
Sie erhoben sich - müde, überwältigt und erschlagen von der Unmenge an Neuigkeiten. Er führte seine Freunde zum Ausgang. Dann bogen sie rechts ab, gingen etwa 15 Schritte den Gang entlang. Schon vor der nächsten Kabinentür blieb Knud stehen.
„Computer, Zugangsberechtigung für die Familie Bribire erstellen. Autorisation Knud Larssen.”
„Bitte nennen Sie ihren Vor- und Zunamen”, wurden sie höflich aufgefordert.
„Stimmenerkennung erfolgreich. Sie können eintreten.”
Die Tür öffnete sich.
„Computer: Licht”, sagte der Professor.
Eine milde, gedämpfte, dem natürlichen Sonnenspektrum entlehnte Beleuchtung flammte auf. Sie schauten erwartungsvoll in den Raum hinein.
Der Professor stieß einen Freudenschrei aus. „Der große Esstisch im Wohnzimmer und die phönizische Sammlung”,
„die Leuchter und das Porzellan”, rief Fatima jauchzend aus.
Der Professor wandte sich um, Freudentränen glitzerten in seinen Augen. Fatima weinte ebenfalls. Auch Mouad und Elias standen fassungslos vor dem, was sie dort sahen.
„Wo kommen die Gegenstände denn her? Wir haben doch mit eigenen Augen gesehen, dass das gesamte Haus mit all unseren lieb gewonnenen Erinnerungen bei dem Hubschrauberangriff zerstört worden ist!”, riefen Wahid und Fatima wie aus einem Munde.
„Ich sag es erstmal so: Ich sorgte dafür, dass, als ihr das Haus verlassen habt, die Inneneinrichtung gerettet beziehungsweise hierhergeschafft wurde. Ich war mir ganz sicher, dass das Gebäude irgendwann im Verlaufe des Abends angegriffen und vernichtet werden würde. Astrid und Mary hatten mich schließlich vorgewarnt. Ihr werdet jetzt fragen, wie das geht, aber diese Technologie erkläre ich ein andermal. Auch die Bücher, Professor, die Küche und alle anderen Gegenstände, die euch gehörten, sind an Bord dieses Schiffes. Aber nicht alles befindet sich hier in diesem Raum, dafür ist er doch zu klein. Wenn ihr etwas unbedingt sehen wollt oder einen bestimmten Gegenstand sucht, müssen wir uns ins Magazin des Schiffes bequemen und uns dort umschauen; dort ist der Rest eures Hausrates verstaut. Auslöser für diese materielle Rettungsmission war der Gedanke, dass euch die Eingewöhnung erheblich leichter fallen würde, wenn ihr eure persönlichen Sachen in eurer Nähe vorfinden würdet.”
Wieder brachen seine Freunde in Jubelrufe der Erleichterung aus. Sie konnten ihr Glück einfach nicht fassen. Knud musste sich schon ziemlich anstrengen, um noch genug Luft zu bekommen, damit er die Umarmungen des bärenstarken Professors überlebte.
Knud ergriff noch einmal das Wort. Seine Erleichterung über den glücklichen Ausgang des familiären Wiedersehens war ihm deutlich anzumerken:
„So, und jetzt schlaft gut. Wenn ihr nicht wisst, wie das Bett, die Dusche oder die Toilette zu bedienen sind: Immer schön den Computer fragen. Der erklärt nämlich alles mit Engelsgeduld und wird niemals müde. Und durch die Tür eures Quartiers kommt auch niemand hereinspaziert - die Spracherkennung verhindert dies. Aber denkt bloß nicht, dass irgendwelche Attentäter im Anmarsch sind, um euch zu überfallen; es dient nur dem Schutz vor menschlichen Fehlern. Auch mir ist es schließlich schon passiert, dass ich in Gedanken vertieft vor irgendeiner anderen Tür stand, die sich dann nicht öffnete. Man respektiert auch hier die Privatsphäre.”
Der Professor kam auf ihn zu, drückte ihn noch einmal kräftig an sich und sagte gerührt: „Vielen, vielen Dank für alles. Mir fehlen die Worte. Jetzt können wir alle gemeinsam in ein neues Leben aufbrechen.”
Knud wollte schon den Raum verlassen, als Mouad ihn am Arm zupfte.
„Was geschieht mit mir? Wo soll ich die Nacht verbringen?”
„Du kannst selbstverständlich bei mir bleiben. Entschuldige bitte meine Unaufmerksamkeit, aber auch ich bin erschöpft, und scheine daher solche wichtigen Privatsachen zu vergessen. Aber erwarte nicht, dass ich mich in den nächsten Tagen ausschließlich dir widmen werde. Ich bin immer noch für das Schiff und seine Besatzung verantwortlich. Und es ereignen sich häufig als Folge solcher Missionen unerwartete Überraschungen.”
„Kannst du nicht etwas konkreter werden? Wenn das so formuliert wird, werde ich völlig nervös und unsicher.”
„Es geht nicht um dein Leben. Das ist an diesem Ort absolut sicher. Ich denke eher an Fehler, die im Rahmen der zurückliegenden Ereignisse von den Kundschaftern begangen worden sind und erst später zu Tage treten.”
Drüben angekommen, schlief Mouad fast schon im Stehen ein. Knud legte ihn aufs Bett, deckte ihn zu und sagte leise:
„Schlaf gut und sei unbesorgt. Nichts wird dich hier peinigen oder bedrohen.”
Er war überglücklich, dass sein Freund bei ihm war und er ihn nicht auf der Erde zurückgelassen hatte. Er wollte ihn noch einmal kräftig drücken, da ihn schon wieder seine Gefühle überwältigten.
Aber Mouad gähnte lediglich herzhaft und schlummerte bereits nach wenigen Sekunden tief und fest. Knud grübelte noch über seine soeben geäußerten Befürchtungen. Während er sich entkleidete und sich ankuschelte, überkam ihn trotzdem zunächst ein Gefühl der Unruhe, trotz der wohligen Wärme seines Freundes, die auf seinen Körper übersprang. Schließlich versank aber auch er im friedlichen Reich der Träume.