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Siebentes kapitel
ОглавлениеWie Leopold Lesser das Geschäft effektuierte
Cohn kehrte erst spät nachmittags völlig erschöpft zurück. Leopold und Emilie sahen sofort, dass er sich vergeblich bemüht hatte. Er glitt in einen Sessel und war die ersten zehn Minuten überhaupt nicht imstande, zu erzählen, was sich ereignet hatte.
Nach einer ganzen Weile fragte er leise:
„Hast du dem Hamburger schon abgesagt?“
Emilie wandte sich um und schmunzelte. Auch Leopold hatte Mühe, seine Freude zu verbergen, und erwiderte sehr gegen seine Ueberzeugung.
„Ich will hoffen, du hast das Geld, Papa!“
„Nein!“ sagte Cohn und liess den Kopf sinken. – „Ich habe es nicht und werde es auch nicht bekommen.“
„Grosser Gott!“ rief Leopold. „Hätte ich doch nicht auf dich gehört ...“
„Du hast also doch schon,“ stiess der Alte mühsam hervor.
„Ja!“ erwiderte Leopold. „Vor einer halben Stunde.“
„Dann ist es aus!“ sagte Cohn. Und nach einer Weile: „Wer weiss, wozu es gut ist.“
„Was brauchst du denn als Aeusserstes, um den Konkurs abzuwenden?“ fragte Leopold.
„Für den Augenblick zwanzigtausend Mark – und später ...“
„Das Später wird sich finden,“ unterbrach ihn Leopold. „Jedenfalls ist es von dir ein Verbrechen nicht nur gegen dich, sondern auch gegen uns, ein Propos, das dich retten konnte, aus purem Eigensinn abzulehnen.“
„Ich hoffte ja immer noch! – aber nicht einmal vorgelassen hat man mich an den Banken.“
„Wenn’s in letzter Stunde überhaupt noch jemand macht,“ erklärte Leopold – „dann nur die Kommerz- und Diskonto-Bank, bei der Emilie ’n kleines Konto hat. Ich kenn’ den Direktor. Wenn du willst, versuch’ ich’s.“
Der Alte war noch immer ausser Atem.
„Mach’ was du willst!“ sagte er. „Ich hab’ keine Kräfte mehr.“
„Ich will’s versuchen – obschon ich mir nicht viel davon verspreche.“ – An der Tür blieb er stehen und wandte sich um. War es Mitleid? war es das Gewissen, das plötzlich in ihm erwachte? – Er überlegte, ob er dem Alten, der ganz in sich zusammengesunken war, die Wahrheit sagen sollte. Emilie spürte wohl, was in ihrem Manne vorging. Ein energischer Blick, ein kurzes bestimmtes Schütteln des Kopfes – und Leopold gehorchte.
„Dann nicht!“ sagte er leise vor sich hin. – „Aber ich werde dir Jette schicken, Vater! Die wird dich auf andre Gedanken bringen.“
Jette sass neben ihrem Grossvater – Hand in Hand. Sie wusste nicht, was ihm fehlte, aber sie fühlte, dass er bekümmert war.
„Ich bin auch nicht glücklich!“ sagte sie und sah ihn an.
„Aber! aber!“ widersprach der Alte. „Du hast doch die Eltern!“
Jette schüttelte den Kopf.
„Du weisst ja nicht, wie Mutter ist – wenn man doch auch so wäre – und nichts mehr empfände. Ich kämpfe ja schon alle Gefühle nieder – und es geht auch ganz gut – nur manchmal, da wird man wieder weich – wie du, Grossvater! – Du bist zu gut, du müsstest härter sein!“
„Ich kann mich nicht mehr ändern, mein Kind,“ erwiderte der Alte – „leider! – gewiss wär’s besser. Das Leben is wohl heut anders – also müssen auch die Menschen anders sein! – Nimm’s leicht! wie’s auch kommt! Es lohnt am Ende nicht, es ernst zu nehmen!“
Emilie trat ins Zimmer.
„Leopold is zurück!“ sagte sie. „Da is er!“
Der Alte sah nicht auf – er hielt noch immer Jettes Hand.
„Na,“ sagte Leopold – „vielleicht interessiert’s dich, zu hören ...“
„Geh raus, Jette!“ befahl Emilie.
„Lass sie bei mir!“ sagte der Alte – „sie beruhigt mich.“
„Es passt sich nicht, dass junge Mädchen hören, wenn von Geschäften die Rede ist,“ widersprach Emilie – „Geh!“
Jette drückte noch einmal die Hand ihres Grossvaters, dann stand sie auf und ging.
Als sie draussen war, sagte Cohn uninteressiert:
„Also?“
„Bedank’ dich bei mir!“ sagte Leopold. „Es ist mir tatsächlich gelungen, die Bank zur Uebernahme der Option zu bestimmen. Und zwar für zwanzigtausend Mark. Das Geld liegt bereit – die Zessionsurkunden sind vorbereitet, der Notar wartet auf telephonischen Anruf – du hast nichts weiter zu tun, als das Geld in Empfang zu nehmen und deine Unterschrift zu geben. Es ist jetzt zehn Minuten vor sechs; die Bank hält sich bis sieben Uhr an die Offerte gebunden.“
„Was sagst du zu Leopolds Tüchtigkeit?“ rief Emilie.
„Du bist doch bereit?“ fragte Leopold.
Der Alte mühte sich aus dem Sessel auf:
„Komm!“ sagte er. – Sonst sprach er kein Wort. Auch während des Vollzugs der Zession schwieg er. Erst als er mit Leopold das Bankgebäude verliess und wieder im Auto sass, nahm er aus dem Kuvert, das ihm der Notar im Auftrage der Bank überreichte, fünf Tausendmarkscheine heraus und reichte sie seinem Schwiegersohn.
„Für deine Mühen!“ sagte er.
Und Leopold nahm das Geld, um sich nicht zu verraten.
Am andern Tage übte die Bank – im Auftrage der Frau Emilie Lesser – die Option aus. Sie erwarb die fraglichen Gelände und veräusserte sie weiter an den Fiskus. Und sie erwirkte, dass der Fiskus bei Ankauf des Terrains die alten Kasernen in der Stadt, die grossen Wert repräsentierten, mit in Zahlung gab.
Und durch die Ausbeutung dieser Gelände, bei der ihn die Bank, mit der er nun in innige Fühlung trat, mit Rat und Tat unterstützte, wurde Leopold Lesser Millionär.