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Zehntes kapitel
ОглавлениеLe Coucher d’Emilie Lesser
In dieser Nacht schloss Emilie kein Auge. Völlig benommen hing sie in Leopolds Arm, als man sich gegen ein Uhr in heiterster Champagnerlaune gute Nacht sagte.
„Ist dir auch so leicht?“ fragte sie, als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufstiegen.
„Tritt fester auf!“ erwiderte Leopold, „du schwebst ja.“
„So ist mir auch!“ sagte sie freudig; – „als wenn mich jemand sanft emporhöbe.“
„Runterfallen wirst de;“ gab er zur Antwort
Aber Emilie strahlte.
„Nun nicht mehr!“ rief sie und schüttelte den Kopf. „Von heute ab können wir nur noch emporsteigen!“
„Was soll das heissen?“ fragte er sie.
„Dass die Stunde unseres Aufstiegs gekommen ist!“
Leopold sah sie an.
„Was soll der Pathos?“ fragte er erstaunt. „Du bist auf der Hoteltreppe und nicht im Tempel.“
„Lass nur!“ wehrte Emilie ab; „ich weiss schon, wo ich bin!“
Er schloss die Türe auf, und sie traten in den Salon.
Die Komiteedame ist ihr in den Kopf gestiegen, dachte er.
„Komm! kühl dich ab!“ rief er ihr zu und trat auf den Balkon.
„Nich für ’ne Million!“ wehrte sie.
„Was heisst das? Du schnappst doch sonst alle Abend vor dem Schlafengehen frische Luft! weshalb denn heut nicht?“
„Ja, glaubst du denn, ich will mir eine Erkältung holen – jetzt drei Tage vor dem Fest?“
Dann trat sie an den Schreibtisch und setzte ein Telegramm an ihre Tochter auf.
Das war nicht einfach. Die Buchstaben tanzten ihr vor den Augen; sie schob ein Formular nach dem andern zur Seite und begann von neuem. Für die einfachsten Begriffe fehlten ihr die Worte – schlieslich gelang es ihr doch:
In freudiger Erregung erwarte ich dich und Emma mit deinen besten Sachen so schnell wie möglich hier, da die Prinzessin Lahritsch und die Gräfin Schönborn, mit denen wir hier intim verkehren, dich kennen lernen wollen. Zuges und Geldes wegen wende dich an Papas Buchhalter. Vergiss nicht, dich überall zu verabschieden und den Grund deiner Reise zu nennen. Am besten, du zeigst überall dies Telegramm. Drahte Ankunft deiner glücklichen Mutter.
„Was ist das bloss?“ fragte Leopold laut und schnüffelte in den Park hinaus.
Emilie stand auf und trat an das Fenster. Sie spürte sofort einen brenzlichen Geruch in der Nase.
„Grosser Gott!“ rief sie; – „es brennt!“
„Unsinn!“ erwiderte Leopold; – „ich weiss schon. Da!“ – und er wies auf einen hellen Streifen am Himmel – „das kommt von drüben her, von der Unglücksstätte.“
„Kann das bis zu uns herüberschlagen?“ fragte sie ängstlich.
Leopold zog die Schultern in die Höhe:
„Warum nich?“ sagte er. „Möglich is alles!“
„Um Himmels willen!“ schrie Emilie.
„So schnell geht das nicht! Bis er durch die Wälder zu uns kommt, sind wir längst mit unseren Sachen über alle Berge.“
„Aber das Fest! was wird aus dem Fest?“ jammerte sie; „wenn dieser Ort morgen womöglich in Flammen steht? – Poldi, das darf nicht! Unter keinen Umständen darf das geschehen!“
„Es lässt schon nach“; beruhigte sie Leopold.
Sie warf sich einen Schal über und trat zu ihm hinaus.
„Gott sei Dank!“ atmete sie auf. „Du hast recht!“
Dann gingen sie beide wieder ins Zimmer. Leopold schloss Fenster und Türen und zog die Gardinen vor.
„Das letztemal, dass wir ohne Zofe reisen!“ sagte Emilie und kehrte ihrem Mann den Rücken. „Ich kann es gar nicht sehen, wie du dich quälst!“
Leopold, der über so viel Teilnahme überrascht war, ging vom Fenster aus ohne Aufforderung auf Emilie zu, stellte sich hinter sie und öffnete ihr die Taille.
„Von übermorgen ab macht das Emma!“ sagte sie.
„Mir wird etwas fehlen, wenn das nach einundzwanzig Jahren ein andrer macht!“ erwiderte Leopold.
„Ich habe es immer als unpassend empfunden;“ sagte sie und streifte ihre Ringe von den Fingern. Dann half er ihr aus der Taille; hakte den Kleiderrock auf, der zur Erde glitt, öffnete die Korsettbänder und fasste mit den Fingern hindurch, um sie zu lockern. Emilie hakte vorn auf – und fiel auseinander, verdreifacht in ihrem Umfang.
Das war ihm eine liebe Gewohnheit, die er nur ungern misste. Denn er wusste, dass kein pharmazeutisches Mittel so sicher wie dieser Anblick seine von den Geschäften und schweren Zigarren gereizten Nerven allabendlich beruhigte.
Emilie hatte inzwischen alles abgelegt, womit sie ihre Mitmenschen über die Rücksichtslosigkeit hinwegzutäuschen suchte, mit der die Natur bei ihr verfahren war. Sie stand jetzt stolz vor ihrem Manne, der gerade auf dem Bettrand sass und sich aus seinem Oberhemd mühte.
„Na, Poldi, was sagst du zu mir?“ fragte sie ihn.
Leopold, dessen Kopf noch im Hemde steckte und dessen Arme wie zwei Stöcke in die Höhe ragten, sah wie eine Vogelscheuche aus.
„Feine Leute, diese Beers!“ keuchte er unter dem Hemde hervor.
„Und der Prinz?“ fragte Emilie.
„Was für’n Prinz?“
„Nun der Prittwitz.“
„Das is doch kein Prinz,“ erwiderte Leopold und zog sich sein Nachthemd über – „Baron meinst du.“
„Du bleibst doch ewig ein Miesmacher!“ schalt Emilie; – „was das nu schon gross für ’n Unterschied ist!“
„Immerhin ...“ sagte Leopold, kroch in sein Bett, brabbelte etwas Unverständliches und schlief ein.
Emilie aber hörte nichts mehr. Sie zog aus der Kommode ein reines Spitzenhemd hervor, schlüpfte hinein, nahm vom Toilettentisch ein Flakon und spritzte auf Hemd und Hände ein paar Tropfen. Trat vor den Spiegel, beugte die Knie und übte sich wohl zehn Minuten lang in den Verbeugungen, die sie von Abbildungen der Hoffeste her kannte.
Dann stieg sie ins Bett, knipste das Licht aus – und träumte in tiefen Schlummer hinüber: jung und schön war sie – Prinzen und Könige kamen – von weit her – legten ihr allen Schmuck der Welt zu Füssen – gaben ihr glänzende Feste – und sie thronte, mit Edelsteinen besät, über allen. –
„Deck dich zu!“ flüsterte Leopold, der wach lag und gerade die Kosten für den Sektpavillon berechnete – „du wirst dich erkälten!“
In Schweiss gebadet richtete sich Emilie auf.
„Denk an das Fest!“ erinnerte er.
„Ja ... mein ... Prinz!“ sagte sie ganz benommen, zog die Decke hoch und träumte weiter.