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Viertes kapitel
ОглавлениеWie Leopold das grosse Geschäft an sich reisst
Leopold sann jetzt Tag und Nacht darüber nach, wie er die zweimalhunderttausend Mark beschaffen könne. Er lief von einer Bank zur andern. Aber er war aus Furcht, man könne ihm das Gechäft entreissen, nicht zu bewegen, sich zu decouvrieren und die Unterlagen aus der Hand zu geben; und so beschied man ihn entweder abschlägig oder man verlangte Anteile am Gewinn, die in keinerlei Verhältnis zu der Leistung standen, um die er bat.
Auch seine Versuche, die nötigen Summen durch geschäftliche Transaktionen in seinem Geschäfte aufzutreiben, schlugen fehl. Er verschleuderte die von ihm teuer eingekaufte Ware gegen Kasse, während er selbst seinen Dreimonatskredit wechselmässig weiter in Anspruch nahm. Das hatte naturgemäss eine ganz bedeutende Steigerung seines Absatzes zur Folge. Aber die grossen Barmittel, die er auf diese Weise in die Hand bekam, reichten kaum für die geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen, die immer grösser wurden. Und die Gefahr, einen Zusammenbruch seines Geschäftes zu erleben, ehe es ihm gelang, sich auf Grund des ihm in Aussicht gestellten Terraingeschäftes ein für alle Male zu rangieren, rückte immer näher.
Denn der Gedanke, dieses Terraingeschäft, das ihm sein Schwiegervater so leichtfertig in die Hände spielte, auf andere als auf eigene Rechnung zu machen, kam ihm nie.
Um sich geschäftlicher Verpflichtungen zu entledigen, waren Konkurs und Zwangsvergleich noch immer die bewährtesten Mittel.
Nur hiess es, eine Kombination schaffen, welche die Effektuierung des Terraingeschäftes trotz – ja vielleicht grade infolge dieses Konkurses möglich machte.
Und diese Kombination offenbarte sich ihm während der Marcellus-Messe im königlichen Dom am Freitagabend.
Am nächsten Morgen setzte er alle Hebel in Bewegung, um den Aufenthaltsort Jacobys ausfindig zu machen. Weder auf dem Einwohnermeldeamt Berlins, noch auf einem der Vororte war er zu ermitteln. Und so drahtete er denn dringend an seinen Schwiegervater, der erst heute morgen wieder auf einer Karte angefragt hatte, ob die Beschaffung der zweimalhunderttausend Mark auch ganz sicher sei:
„Verbürge mich für rechtzeitige Beschaffung, drahte Jacobys Aufenthalt, den dir zu Liebe wieder aufnehme
Gruss Leopold.“
Und Cohn schmunzelte vergnügt, als er das Telegramm las; hatte den ganzen Tag über für jeden Kunden, den er bediente, ein freundliches Wort, unterrichtete strahlend Marcuse und drahtete nach Berlin zurück:
„Sehr lieb von dir, Jacoby wohnt Rosenstrasse 3.
Gruss euch allen, Vater.
Leopold fuhr selbst zu Jacoby, den er auch antraf.
„Um Himmels willen! – was is passiert!“ rief Jacoby, als Leopold ins Zimmer trat. Er wusste: ein freudiger Anlass konnte es nicht sein, aus dem er zu ihm kam.
„Nich mehr und nich weniger, als dass mein Schwiegervater vor der Pleite steht.“
Jacoby entfärbte sich.
„Gott im Himmel! das is ja nich möglich! –“
„Leider doch!“
„Das überlebt er nich!“
„Ich fürchte auch.“
„Du hast ihn zugrunde gerichtet! Deine Pflicht ist es, ihn zu retten.“
„Wo kann ich es schon,“ erwiderte Leopold. – Dann fuhr er fort: „Du hast es so gut gewusst, wie ich. Du hättest ja reden können damals, wenn du glaubtest, es geschieht ihm unrecht.“
„Hätt’ ich nur! hätt’ ich nur!“ jammerte Jacoby und schlug sich vor den Kopf. „Aber deine Emilie hat mich betölpelt mit schöne Reden – ja, ich bin mit schuld an seinem Unglück – aber ich bin bestraft – das geschieht mir recht – ich hab’s nicht besser verdient!“
„Mit deinem Gejammer machst du es nicht gut,“ sagte Leopold.
„Sage mir, wie ich es gut machen kann!“ erwiderte Jacoby. „Wenn eine Möglichkeit existiert – es gibt kein Opfer, das ich nicht brächte!“
Leopold sah ihm in die Augen.
„Ich hätte nicht übel Lust, dich beim Wort zu nehmen!“ sagte er.
„Tu’s!“ bat Jacoby.
„Es gibt eine Möglichkeit, ihn zu retten.“ Und nun erzählte ihm Leopold unter strengster Verschwiegenheit von dem Terraingeschäft und der Option seines Schwiegervaters, und wie er, Leopold, sich seit Tagen vergeblich bemühe, das Geld zusammenzubringen.
„Diese Summe! Das is nich möglich!“ sagte Jacoby.
„Doch!“ widersprach Leopold. – „Wenn es dir Ernst is um seine Rettung – du brauchst nichts weiter zu tun, als auf – na sagen wir mal fünf Jahre irgendwo ausserhalb Deutschlands – du lieber Gott, die Welt is gross ...“
„Ein Verbrechen soll ich begehen!“ schrie Jacoby auf – „nie im Leben!“
„Reg dich nich auf!“ erwiderte Leopold in aller Ruhe. „Wer spricht von Verbrechen? Dazu werd’ ich mir ausgerechnet n’ Helden wie dich aussuchen. – Aber lassen mer’s; wenn de nich mal das kleine Opfer ...“
„Bis ans Ende der Welt will ich gehen,“ beteuerte Jacoby – „und bis an mein Lebensende fortbleiben, wenn ich ihn damit retten kann. Aber ich begreif’ nich ...“
„Du wirst gleich begreifen,“ unterbrach ihn Leopold. Und er zog aus seiner Tasche einen ganzen Stoss Wechselformulare heraus und legte sie auf den Tisch.
„Was soll das?“ fragte Jacoby.
„Hier“ – und er reichte ihm ein Päckchen ausgefüllter Wechselformulare –“ gebe ich dir für dreimalhunderttausend Mark Akzepte – Se sind gut! – sämtlich auf meinen Namen – du kannst se unbesorgt nehmen.“
Jacoby zögerte.
„Wofür?“ fragte er. – „Wozu?“
„‚Du hast die Liebenswürdigkeit, mir von dir für dreimalhunderttausend Mark Akzepte dagegen zu geben – da“ – und er schob ihm ein Päckchen unbeschriebener Formulare hin – „füll aus – und schreib die Fälligkeitsdaten von dem Zettel hier ab – es is nötig, dass sie später fällig sind als meine.“ Jacoby sah ihn verwirrt an.–„Ich weiss nich, warum du zögerst – es kann kein glatteres Geschäft geben: ich geb dir dreimalhunderttausend Mark und du zahlst mir dreimalhunderttausend Mark zurück.“
„Das schon; aber wozu?“ fragte Jacoby und schüttelte den Kopf.
„Hast du Angst, ich will dich hineinlegen? Sind meine Wechsel nicht besser als deine?“
„Eben – darum – wie kann ich Akzepte ausstellen über dreimalhunderttausend Mark, wo ich nicht weis, wovon ich morgen leben soll.“
„Kannst du mehr tun, als mir das sagen? wenn ich son Esel bin und geb dir trotzdem dagegen meine, was geht’s dich an?“
Jacoby nahm den Halter auf und überlegte – dann tauchte er ein und schrieb:
„Ich kann dabei Strafbares nich finden,“ sagte er – „wenngleich ich nich weiss, wie du damit dem Alten helfen willst.“
„Brauchst du auch nicht zu wissen,“ erwiderte Leopold. „Schreib nur!“
Und Jacoby schrieb quer – Wechsel um Wechsel, füllte Summe und Fälligkeitstermine, wie Leopold sie auf dem Zettetl angegeben hatte, aus und zählte zusammen.
„Es stimmt!“ sagte er – „es sind dreimalhunderttausend Mark – da!“ – und er reichte Leopold die Formulare, der sie zusammenkniffte und in die Tasche schob.
„Was nun?“ fragte Jacoby.
„Nun, mein lieber Jacoby, wirst du doch Geld brauchen.“
„Ich? wozu?“
„Nu, ich weiss ja nich, wo du hingehst – will’s auch nich wissen! – aber reisen kostet Geld. – Und dann: leben musst du ja schliesslich auch.“
„Lieber Leopold“, erwiderte Jacoby – „was bedeutet das alles? Wie kann dadurch, dass ich fortgeh ...“
„Du brauchst also Geld,“ fuhr Leopold fort und überhörte, was Jacoby sagte. „Ich mache dir einen Vorschlag: ich kaufe dir meine Wechsel ab. Und zwar für dreissigtausend Mark. Hier, zähl nach!“ – und er reichte ihm ein Päckchen Tausendmarkscheine, die Jacoby mit zitternden Händen nahm.
„Zähle!“ wiederholte Leopold.
„Ich kann nich,“ erwiderte Jacoby – „ich bin zu erregt – das is ja ein Vermögen – das reicht ja aus, um mir eine Existenz zu gründen. –“
Und immer wieder legte er einen Schein auf den andern und vergass in seiner Erregung, zu zählen, bis Leopold, der seine Wechsel wieder an sich genommen hatte, ungeduldig wurde und sagte:
„Nun gib mir dein Ehrenwort, Jacoby, dass du mindestens fünf Jahre fortbleibst.“
„Bis an mein Lebensende, wenn ihm damit gedient ist,“ gelobte Jacoby und gab ihm die Hand.