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Bergmischwälder

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Die Bergmischwälder, auch Laubmischwälder genannt, umfassen in den Nordalpen im Idealfall eine ausgewogene Mischung von Tannen (Abies alba), Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Buche (Fagus sylvatica) und Fichte (Picea abies). Am Alpensüdrand bis etwa 1000 Meter Höhe sind ihnen Edelkastanien (Castanea sativa) und Lärchen (Larix decidua) beigemischt. Der lichte Schatten der Bergmischwälder bildet Lebensraum für eine reichhaltige Fauna und eine vielfältige Flora.


Das nördliche Karwendel mit dem Großen und Kleinen Ahornboden ist berühmt für seine wundervollen uralten Bergahorne.

Christrose – Das Sonnenmandala der Raunächte

Helleborus niger, Ranunculaceae

Schwarze Nieswurz, Schneerose, Winterrose, Schneeblume, Schneekatl, Eisblume, Teufelskraut, Wolfszahn, Frangenkraut, Feuerkraut, Schelmwurzn, Schelmrosn, Goggaloanzn (»dem Frühling entgegen«, Kärnten), Chilchrose (Schwyz), Pie de diavolo (spanisch), Black Hellebore, Melampode, Christmas Rose, Devil’s tobacco (englisch)

Vorkommen und Standort

Die Christrose ist keine häufig anzutreffende Pflanze. In den Alpen nicht und anderswo schon gar nicht. Sicherlich ist sie mit ihren Standortansprüchen etwas heikel, auch der Raubbau an der Pflanze für heilkundliche Zwecke hat Spuren hinterlassen. Wo sie aber in schönen Beständen anzutreffen ist, etwa am Königssee, in den höheren Lagen des Inntals oder auf aussichtsreicher Kanzel über dem Luganer See, ist sie gern mit der Schneeheide (Erica carnea, Blütezeit Dezember bis Mai) vergesellschaftet. Es sind ganz besondere Orte, an denen sich die Blüten beider Pflanzen in kahler Umgebung gegen Kälte und Winter leuchtend verbünden.

Auf steilen Abhängen in lichten montanen bis subalpinen Mischwäldern und besonders am Waldrand fühlt sich die Christrose wohl. Trotz ihrer immergrünen Blätter, die bis zu drei Winter überdauern können, verträgt sie mit erstaunlicher Frosthärte sogar Kahlfröste. Sie ist nicht wie die meisten anderen immergrünen Alpenbewohner auf eine wärmende Schneedecke angewiesen. Das eher flach ausgebreitete Wurzelrhizom lässt diese Härte gar nicht erwarten.

Der Name verrät es: Die Blütezeit setzt bereits im Dezember ein. Leider ist dieses kleine Weihnachtswunder auf die südlichen Gebiete wie das Tessin oder die Bergamasker Alpen beschränkt. In den nördlichen Alpen verschiebt sich die Blütezeit bis Februar oder März. Wer sich so eine kalte Jahreszeit zum Blühen aussucht, kann mit seinen Bestäubern nicht heikel sein. Die leuchtendweiße Schalenblüte empfängt alle Bienen, Fliegen und Käfer. Notfalls kann sie sich dank eines ausgetüftelten Neigungswinkels zwischen Stempel und Blütenpollen selbst befruchten.


Die strahlendweiße Christrose wirkt wie eine blütengewordene Gletscherbrise.

Pflanzenbetrachtung

Es stößt einem schon irgendwie auf, eine Blume mit solch strahlenden Blüten als niger (lateinisch »schwarz«) bezeichnet zu wissen. Auch wenn man weiß, dass sich der Name auf die schwarzbraune Wurzel bezieht, das botanisch namensgebende Detail. Dabei ist das Auffällige an der Pflanze, was alle winterlichen Betrachter in wahres Staunen versetzt, die Blüte! Kniet man sich in echter Ehrerbietung vor die Pflanze hin, wirkt es, als ob die Blüte einen direkt anblickt. Sie wirkt wie ein Wesen aus einer ganz anderen Sphäre, das uns zu unwirtlicher Zeit auf unserer Welt besucht.

Für gewöhnlich halten Giftpflanzen ihre Blüten zur Erde geneigt – diese aber scheint direkt mit uns in Kontakt treten zu wollen. Aber was will sie uns sagen, wie kann eine Pflanze überhaupt mit Menschen kommunizieren? Zunächst einmal über ihre Gestalt. Sie ist kräftig, die Christrose, wie sie meist halb von Schnee bedeckt dasteht. Die Blütenfarben rufen bei uns Menschen eine klare Wirkung hervor. Das strahlende Weiß der Christrosenblüte erweckt den Anschein von Reinheit, von Unberührtheit, von Frische. In der Mitte steht ein Stahlenkranz in leuchtendem Sonnengelb.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Sprache der Pflanzen ist ihr Duft. Nicht nur zum profanen Anlocken von Bestäubern. Durch die Wirkung der Duftstoffe auf unser Unterbewusstsein sprechen Blumen direkt mit unserem Innersten, unserer Seele.

Wer es riskiert, sich eine gelbe Nasenspitze zu holen, der wird vom Geruch der kühl wirkenden Christrose überrascht sein. Eindeutig ist ein sanfter Rosenduft zu identifizieren, doch die frische Nuance darin wird auf Anhieb wohl nur von duftbotanisch erfahrenen Bergsteigern zugeordnet werden können. Es ist die Gletscherbrise, die den schneeweißen Blüten entströmt. Eine interessante Kombination: Die Gletscherbrise klärt und der Rosenduft besänftigt. Die extreme Blütezeit weist natürlich auf besondere Fähigkeiten der Pflanze hin. Sie ist zunächst einmal ein hervorragender Lichtverwerter, der Sonnenlicht speichern und seine Fotosynthese schon bei wenigen Stunden Sonnenlicht am Tag durchführen kann. Die Christrose bewahrt das Licht in der dunkelsten Zeit des Jahres. Ihre ausgefallene Blütezeit zeigt aber noch mehr: Die Christrose ist kein Mainstream-Blümchen. Sie widersetzt sich aktiv dem Grundsatz, dass die Blüte mit dem Frühjahr zu beginnen hat, weil die Vegetation im Winter ruht. Sie ist ein Wesen, das außerhalb der Norm bestehen kann.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

Nur eine der vielen Legenden, die sich rund um die Christrose ranken, ist die Geschichte vom armen Hirtenbub aus der Feder von Sepp Bauer: Ein bettelarmer Hirtenbub wollte dem neugeborenen Christkind etwas schenken, hatte aber kein Geld dafür und konnte wegen der Winterszeit nicht einmal eine Blume pflücken. Er weinte bitterlich. Als die Tränen zu Boden fielen, erwuchsen daraus die Christrosen, die der Hirtenbub dann glücklich dem Christkind in die Krippe legen konnte.


In der schweigenden Welt, Die der Winter umfangen hält, Hebt sie einsam ihr weißes Haupt; Selber geht sie dahin und schwindet Eh’ der Lenz kommt und sie findet, Aber sie hat ihn doch verkündet, Als noch keiner an ihn geglaubt. (TROJAN 1907)

Ein liebevoll illustriertes Kinderbuch aus den 1920er Jahren erzählt von zwei Geschwistern, die eine gefahrenvolle Reise zu König Winter unternehmen, um von ihm das Heilmittel für ihren todkranken Vater, eine Christrose, zu erbitten. Natürlich geht die Geschichte gut aus, es wäre ja sonst ein wirklich blödes Weihnachtsmärchen!

Melampodis fama divinationis artibus nota – »Die Christrose ist berühmt in den Wahrsagekünsten« – konstatierte Plinius vor zweitausend Jahren (PLINIUS/KÜLB 1855). Seitdem nehmen die Orakelbräuche rund um die Christrose einen bedeutenden Platz im alpenländischen Brauchtum ein. Als Winterblume war sie zunächst ein wichtiges Wetterorakel. Je reicher die Christrose blühte, umso reicher sollte die Ernte im kommenden Herbst ausfallen. Das wichtigste Christrosenorakel war das »Zwölfersträußerl«. Am Tag der Wintersonnwende, christifiziert am Weihnachtstag, wurden zwölf Knospen der Christrose in einer Vase aufgestellt. Aus dem Aufblühen der Knospen konnten die weisen Frauen nicht nur das Wetter, sondern noch vieles mehr für die kommenden zwölf Monate voraussagen.

Die große Kraft, mit der die Christrose die Vegetationsgeister in sich versammelt, um zur unwirtlichsten Zeit des Jahres blühen zu können, wussten die weisen Frauen und erfahrenen Männer auf viele andere Arten zu nutzen. Sicherlich berücksichtigte Paracelsus bei der Rezeptur seines Unsterblichkeitselixiers, dass die Christrose in der alten Herbalmagie für die ewige Jugend stand …

Wie viele andere sonnenhafte Pflanzen zählt die Christrose zu den schutzmagischen Zutaten in der Herbalmagie. Vielleicht war es ihre strahlend weiße Blüte mit dem zentralen Sonnenkranz, die die Menschen anregte, ihre Häuser mit Christrose zu räuchern, um Geister und Dämonen zu vertreiben? Noch heute findet man in vielen Vorgärten im ganzen Alpenraum Christrosen als Wächter des Hauses in der dunklen Zeit.

Vor über 2000 Jahren wurde sie, die Schwarze Nießwurz, bei der Eroberung der griechischen Stadt Krissa als biologische Kriegswaffe eingesetzt, indem die Belagerer damit die Wasserversorgung vergifteten (MAYOR 2003). Besonders erwähnenswert ist diese Tatsache, weil die Eroberung auf Veranlassung des Sonnengottes Apoll geschah. Bürger von Krissa hatten Pilger, die auf dem Weg zum Apoll-Heiligtum in Delphi waren, überfallen. Die Christrose wird damit zu einer Pflanze des Apoll, wie die Weiße Nießwurz, der Weiße Germer (Veratrum album), zu den heiligen Pflanzen des Sonnengottes Helios gezählt wird. Wenn der Germer die dunkle Sonne repräsentiert, entspricht die Christrose dann der Sonne in der Dunkelheit, also der Sonne im Winterhalbjahr?

Auch Plinius kannte die große magische Kraft der Christrose in Verbindung mit der Sonne: Beim Graben der Christrose müsse man achtgeben, dass der Pflanzengeist in Form des Adlers nicht zu nahe komme, weil dies den eigenen Tod bedeute (PLINIUS/KÜLB 1855). Der Adler, immerhin König der Lüfte, ist weltumfassend ein uraltes Symbol für die Sonne. Eine Pflanze, die mit ihm im Bunde steht, ist damit natürlich auch eine Erscheinungsform des Feuerballs. Die stärkste magische Kraft wurde der Christrose auch zu einer Zeit zugeschrieben, die ganz der Sonne geweiht war. Es ist die Zeit der Wintersonnwende und der darauffolgenden Raunächte.

Phytotherapie und Heilwirkung

Die Christrose war unter dem Namen »Schwarze Nieswurz« fester Bestandteil der alten abendländischen Heilkunde. Plinius hat sie zur Behandlung von Wahnsinn und Hysterie eingesetzt. Der von der Pflanze ausgelöste Niesreiz sollte den Geist reinigen und klären. Bei Paracelsus war sie wichtigster Bestandteil des von ihm kreierten Lebenselixiers (RIPPE/MADEJSKY 2006).

Die Giftwirkung der Christrose ist von Alters her bekannt. Frischpflanzensaft bewirkt auf Haut und Schleimhaut Entzündungen mit Bläschenbildung. Innerlich führen das Steroidsaponingemisch Helleborin und das Lactoin Protoanemonin zu schweren Vergiftungserscheinungen mit Übelkeit und Durchfall, Zuckungen und Atemnot bis hin zur Krampfstarre und dem Tod. Eine hoch giftige Pflanze als Hauptzutat für das Unsterblichkeitselixier des Paracelsus? Ein klarer Vorgriff auf die rund 200 Jahre später von Hahnemann begründete Homöopathie mit der bekannten Wirkungsumkehr durch Veredelung des Ausgangsstoffes. Die Christrose war dann sogar auch Gegenstand von Hahnemanns Habilitation. Heute ist Helleborus niger eines der wichtigsten homöopathischen Mittel, sein Wirkungsspektrum ist auch nach 200 Jahren noch nicht zur Gänze erforscht.

Bereits aus der klassischen Antike ist eine Art homöopathische Zubereitung der Christrose überliefert. Um die Tochter des Königs von Argos vom Wahnsinn zu befreien, fütterte der Ziegenhirt Melampus eine seiner Ziegen mit der Christrose und gab dem Mädchen von der Milch zu trinken. Sie wurde umgehend geheilt.

Rudolf Steiner erkannte als Erster das Potenzial der Christrose zur Behandlung von Krebserkrankungen. Heute ist sie neben der Mistel (Viscum album) – auch dies eine Pflanze der Wintersonnwende – unverzichtbares Element der antroposophischen Krebstherapie.

Entgegen dem verbreiteten Einsatz der Christrose bei den gelehrten Medizinern der vergangenen Jahrhunderte war ihre Verwendung in der Volksheilkunde nicht gebräuchlich. Aufgrund ihrer Giftigkeit wird sie nicht phytotherapeutisch eingesetzt. Sie ist erst in homöopathischen Potenzen ab D4 rezeptfrei.

Grundlegendes Thema bei einer Indikation von Helleborus niger ist ein Trauma in der Kindheit. Meist seelisch, oft aber auch körperlich. Derartige Traumen zeigen sich häufig bei Frühgeburten. Helleborus kann durch eine langfristige Therapie im Zustand nach Hirnblutungen das kindliche Gehirn unterstützen, die Funktionen des geschädigten Gewebes durch die Stärkung anderer Hirnareale auszugleichen. Eine Studie am Hauner’schen Kinderspital in München im Auftrag der Carstens-Stiftung konnte die Wirksamkeit belegen (KRUSE ET AL. 2001). Als Spezifikum wird die Christrose außerdem bei akuter Nephritis, speziell bei kindlicher Scharlachnephritis verordnet.


Rezept zur Rekonvaleszenz nach Kinderkrankheiten

Helleborus niger D2020 ml
Argentum metallicum praep. D1210 ml
Menyanthes trifolium, Urtinktur10 ml
Conchae D1210 ml

Für kleine Kinder in der Apotheke auf Globuli aufziehen lassen.

Nach Abklingen der akuten Krankheitssymptome 2 bis 3 Wochen lang zweimal täglich 15 Globuli. Älteren Schulkindern und Jugendlichen kann man die Tropfen pur in gleicher Dosierung verabreichen.

Blasenentzündungstee mit »Helleborus-Schuss« – bei Ablaufstörungen der Blase mit beginnendem Rückstau zur Niere

Winterheide (Erica carnea)200 g

Helleborus niger Dil. D12

Dreimal täglich 1 EL Heidekraut mit 200 ml Wasser überbrühen, 10 Minuten ziehen lassen und pro Tasse 10 Tropfen Helleborus D12 zugeben.

Handelsprodukte (Auswahl)

 Helleborus niger ist ab der homöopathischen Potenz D4 rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.

 Arsen. album F Komplex 241, Nestmann

 Helleborus niger Amp. 50 Stück, Helixor

 Helleborus niger homöopathisch, DHU/Remedia

 Regenaplex Nr. 3a/11a/12, Regena

 Solunat Nr. 14, Soluna

Anwendungsbeschränkungen

Aufgrund der hohen Giftigkeit der Pflanze ist eine phytotherapeutische Anwendung nicht vertretbar.

Im homöopathischen Arzneimittelbild ist auch die außergewöhnliche Stellung der Christrose innerhalb des Jahreskreises klar erkennbar. Kalte Luft verschlimmert die Symptome, ebenso der Winter per se. Beim Patienten zeigt sich ein großes Bedürfnis nach Sonnenlicht, was die Christrose zu einem guten Heilmittel bei Winterdepressionen macht. Ganz allgemein sind es Zustände herabgesetzter Vitalität, die nach Helleborus niger verlangen. Nicht nur im körperlichen, sondern eben auch im seelischen Bereich.

Durch ihre hohe Giftigkeit, aber auch durch die Extremheit ihres Lebensraums ist die Christrose prädestiniert, in stark verfeinerten Zubereitungen angewandt zu werden. Diese können wie erwähnt homöopathischer Natur sein, daneben werden Blütenessenzen hergestellt.

Bei einer bekannten Zuordnung stellt man die menschlichen Lebensalter neben die Blütezeiten im Jahreslauf. Entsprechend ihrer Blütezeit ist damit die Christrose ein Heilmittel für das hohe Alter – oder die sehr frühe Kindheit. So früh, dass sie sozusagen vor dem eigentlich der Kindheit zugeordneten Frühling erfolgt. Diese Zeitangabe trifft auf Frühgeborene zu, die vor ihrer eigentlichen Zeit schon auf der Welt sind. Sind diese Kinder dann noch in der Phase des hohen Alters gefangen? Eine philosophische Frage.

Die Christrose hat viel mit Alterungsprozessen zu tun. Dementsprechend lautet das Thema der Blütenessenz Lebenszyklen – wie Pubertät, Klimakterium, Alter und Tod. Die Christrose als Pflanze des magischen Zeitpunkts der Wintersonnwende agiert wie eine Vermittlerin zwischen den Welten, sie hilft, am Ende eines Zyklus mit sich selbst ins Reine zu kommen. Sie ist das Licht am Ende des Tunnels, und somit auch als Begleittherapie bei Burn-out-Syndrom bis hin zu Psychosen angezeigt.

In der Viehheilkunde wurde die Christrose im Alpenraum als Heilmittel bei Viehseuchen wie etwa dem Rotlauf eingesetzt. Der Kärntner Name »Schelmrosn« und das bayerische »Schelmwurzn« nehmen Bezug auf die Schelmen – Krankheitsdämonen – als deren Verursacher. Noch um 1900 wurden bei erkrankten Schweinen die Ohren mit einer Ahle durchstochen und eine Christrosenwurzel hindurchgesteckt (MAYR 1925). Selbstverständlich war vorher mit der Wurzel ein Kreuzzeichen über das Tier zu beschreiben. War das Vieh geheilt, wurde der Stall schließlich mit Christrosenwurzel ausgeräuchert.


Nur selten ist der Sanikel wie hier im Lechtal in Auwäldern anzutreffen. Im Hintergrund blüht die wunderschöne Frauenschuh-Orchidee.

Sanikel – Wundheilende Waldelfe

Sanicula europaea (Astrantia diapensia), Apiaceae

Bruchkraut, Heil aller Schäden, Heildolde, Saunickel, Saunigel, Schärnikel, Waldklette, Waldknecke, Waldsanikel, Wundsanikel, Bruchkraut, Zaniggeli, Höalblattl, Fünfwundenblattl, Sankt-Lorenz-Kraut, Heiligenkraut, Diapensia (Paracelsus), Herbe de St. Laurent, Erba fragolina (italienisch), Sanicle (englisch), Bodan coille (gälisch)

Vorkommen und Standort

Als eher anspruchslose Waldpflanze ist der Sanikel in beinahe ganz Europa verbreitet: vom Mittelmeergebiet bis Nordskandinavien und vom Atlantik bis zum Ural. Zumindest theoretisch. Praktisch ist der Flächenanteil von frischen Laubwäldern, am besten noch über kalkigem Untergrund, in Europa stark zurückgegangen. Laubwaldspezifische Kräuter wie der Sanikel haben sich daher in die europäischen Alpen und Mittelgebirge zurückgezogen. Durch seine Bindung an die Laubwälder steigt er nur selten höher als 1700 Meter. Wie es bei einer Wundheilpflanze sein sollte, bevorzugt der Sanikel feuchtfrischen Boden – feucht und frisch ist ein optimales Wundheilmilieu.

Der Sanikel vergesellschaftet sich gern und häufig mit Tannenbärlapp (Lycopodium selago) und Seidelbast (Daphne mezerenum). Auch heilkundlich eine relevante Zusammenstellung, wie wir noch sehen werden. Die Blütezeit reicht von Anfang Mai bis Ende Juni.

Pflanzenbetrachtung

Trotz seiner Zugehörigkeit zur häufig schwer bestimmbaren Familie der Doldenblütler (Apiaceae) ist der Sanikel relativ einfach zu identifizieren. Mit 20 bis 60 Zentimeter Wuchshöhe gehört er zu den kleinsten Vertretern dieser Pflanzenfamilie. Ganz eindeutig sind die johannisbeerblattähnlichen Laubblätter, die wir in dieser Form nur noch bei der Meisterwurz finden. Die Meisterwurz ist aber wesentlich größer und hat einen ganz anderen Standort.

Der Sanikel wächst gewöhnlich nicht als Solitärpflanze, sondern fügt sich unauffällig in die lebendige Grünvielfalt ein. Zart verbirgt er sich richtiggehend in den anderen Pflanzen. Dem allerdings, der ihn sucht, zeigt sich der Sanikel im lichtdurchfluteten Frühlingslaubwald.

Wie ein Rüschenröckchen bauschen sich die grundständigen Laubblätter rund um den zähen Stängel. Oben auf der Pflanze sitzen die zarten Blütenstände. Nicht plump und groß wie bei den meisten Doldenblütlern, sondern ganz fein, wie kleine Krönchen. Eine kleine Waldelfe also, die sich nicht laut in den Vordergrund drängt, sondern sich den Blicken der Menschen eher entzieht. Der Sanikel sieht nicht nur aus wie diese Elfe, er gilt auch als Lieblingspflanze von Naturwesen aller Couleur.

Die oft sehr feinfühligen Inselkelten bezeichnen den Sanikel als Bodan coille (»der kleine Mann des Waldes«). Das scheint zunächst unserer Beobachtung der Waldelfen zu widersprechen – allerdings nur auf den ersten Blick. Im keltischen Kulturkreis ist es verpönt, Elfenwesen direkt anzusprechen. Die Wesen allein schon bei ihrem Namen zu nennen, kann ihren größten Unmut hervorrufen. Männliche Naturwesen haben der Überlieferung nach solche Grillen nicht – dafür aber eine besondere Vorliebe für die reizenden Elfen, in deren Nähe sie sich gern aufhalten. Somit weist der gälische Name sicherheitshalber auf die Waldmännlein, die Begleiter der Sanikelelfen hin.

Begegnet man den zurückgezogenen Pflanzenwesen mit Ehrfurcht, dann erweisen sie sich als wohlwollend und heilend. Orte, an denen Sanikel reichlich wächst, sind Orte der Heilung. Dorthin sollte man sich in Krisenzeiten begeben. Der Name Sanikel stammt vom lateinischen sanus (»gesund«), wobei das Wort »Sanikel« im Alpenraum generell eine Heilpflanze bezeichnen kann. In den Ostalpen bezieht es sich häufig auf die Zahnwurz (Dentinaria enneaphyllos), in Kärnten ist die Alpen-Aurikel (Primula auricula) der Gelbe Sanikel.

Obgleich er im Tiefland bekannt war, hatte er dort als Heilpflanze nie den Stellenwert, den er in der alpenländischen Volksheilkunde genoss. »… ist in Teutschlandt sehr gemein unnd wird uberflüssig darinn gefunden«, schreibt TABERNAEMONTANUS (1588). In den Bergen aber zog man den Sanikel sogar in den Gärten, man wusste um den großen Nutzen der geschätzten Heilpflanze.

HAHNEMANN (1799) kannte den großen Nutzen des kleinen Sanikels, wobei auch er – 200 Jahre nach Tabernaemontanus – darauf hinweist, dass er »heutigen Tages … wenig geachtet wird«. Weitere 200 Jahre später, in unserer Zeit, ist der Sanikel in den Lehrbüchern zur Phytotherapie nicht mehr aufgeführt, ihm wird nurmehr historische Bedeutung beigemessen (WIESNER 1971).

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

Als Hausmittel ist der Sanikel dem heiligen Laurentius zugeordnet (RIPPE/MADEJSKY 2006). Laurentius, der im Feuer verbrannte Märtyrer, deutet auf die Verwendung des Sanikels bei Verbrennungen, Hauterkrankungen und Qualen des Fegefeuers hin. Bei all diesen wendet man sich an ihn. Eine alte Bezeichnung für Magenbrennen ist »Qualen des Fegefeuers«. Und noch heute schließt eine richtig gute Heilbehandlung mit Sanikel mit einem Bittgebet an den heiligen Laurentius ab!

Nach TABERNAEMONTANUS (1588) konnte mit dem Sanikel der Zustand eines Kranken orakelt werden. Gab dieser den mit Sanikel zubereiteten Wundtrank wieder von sich, war es ein finales Zeichen …


Auch wenn er sich zwischen den anderen Pflanzen verbirgt, der Sanikel zeigt ganz deutlich seine Anwesenheit. »Jägerlaus« ist der mundartliche Name seiner anhaftenden Klettfrüchte.

Phytotherapie und Heilwirkung

Lautete die Aufgabenstellung, über den Sanikel ein multimedialkommunikatives Statement mit maximal 140 Zeichen in einem sozialen Netzwerk zu zwitschern, hieße es wohl: »Alle Wunden ASAP damit behandeln, man kriegt sie steril, winzige Narbenbildung, BTDT. AAMOF bestes Wundheilkraut, HTH :-) Sonst: RTFM.«

Nur 59 Zeichen benötigt dagegen das französische Sprichwort »Qui a la bugle et la sanicle, fait aux chirurgiens la nicle« (zu Deutsch: »Wer Günsel und Sanikel hat, kann den Chrirugen eine lange Nase drehen«) – und ist noch dazu wesentlich eleganter. Die Aussage beläuft sich in beiden Fällen allerdings auf das Gleiche. Noch plastischer schildert der große Heilkundige Mattioli die Wirkung: »Jst so heylsam, dasz es auch Fleisch im Hafen zusammen fûgt« (MATTIOLI/CAMERARIUS 1590).

Der wundheilenden Wirkung liegt der Wirkstoffkomplex aus Rosmarinsäure (antiviral, antibakteriell und entzündungshemmend), Rutin (aktiviert das Gefäßsystem zum Abtransport von Schlackenstoffen) und Gerbstoffen (adstringierende Wirkung) zugrunde. Besonders im initialen Stadium wirkt der Sanikel damit Entzündungen entgegen, eine antimikrobielle Wirkung konnte nachgewiesen werden (HÄNSEL ET AL. 1994). Der Sanikel wird als alkoholischer Auszug besonders bei frischen und blutenden Wunden wie Schürf-, Stich- oder Schnittwunden eingesetzt. Er wirkt blutungsstillend, wundheilend und narbenbildend.

Begleitend zur äußerlichen Anwendung als Wundkraut empfiehlt sich eine gleichzeitige innerliche Anwendung von Sanikeltee oder -wein. Schon TABERNAEMONTANUS (1588) weiß um die Wichtigkeit dieser zweigleisigen Therapie: Nur so »heylet sie [die Wunde] von grund herauß«.

Bei verlängertem sekundärem Wundstadium hat sich zur Ausheilung der Hautverletzung eine Tropfenmischung aus Sanikel und homöopathischen Zubereitungen von Lycopodium (Bärlapp) und Daphne (Seidelbast) in mittleren Potenzen schon häufig bewährt.


Manchmal scheint es, als tanzten Sanikelelfen durch den Frühlingswald.


Rezept bei Entzündungen im Mund nach dem »Müllner Peter«

Salbei5 frische Blätter
frisches Sanikelkraut1 Handvoll
frische Rosenblütenblätter1 Handvoll
frisches, grünes Eichenlaub1 Handvoll
frischer Dost1 Handvoll
Kamillenblüten1 Handvoll
Rosenhonig2 EL
Kalium aluminium sulfuricum D6 (falls verfügbar)50 Tropfen

Blätter und Blüten mit Wasser bedecken und zum Kochen bringen, Honig einrühren, nochmals kurz aufkochen, abseihen. Tropfen hinzugeben, in Braunglasflaschen abfüllen und im Kühlschrank aufbewahren. Mehrmals täglich zum Gurgeln verwenden.

Neurodermitisgel

Apis mellifica D6 (Ampullen)10 g
Sanicula europaea, Urtinktur10 g
Arsenicum album D12 (Ampullen)10 g
Hydroxyaethylcellulosum2,8 g
Glycerinum30 g
Aqua purificata plus Zuschlag100 g

Das Gel in der Apotheke zubereiten lassen.

Handelsprodukte (Auswahl)

 Argentum N Oligoplex Tabletten, Madaus

 Millefolium Similiaplex, Pascoe

 Pekana Komplex Nr. 68, Pekana

 Regenaplex 3b, Regena

 Ricura spag. Tropfen, Pekana

 Sanicula europaea homöopathisch, DHU/Remedia

 Sanicula europaea Urtinktur

 Sanicula europaea, Herba

 Symphytum Similiaplex, Pascoe

Anwendungsbeschränkungen

In Einzelfällen können frische Blätter oder Teezubereitungen bei äußerlicher Anwendung zu Reaktionen von einfacher Überempfindlichkeit bis zu einer akuten Kontaktdermatitis führen (HÄNSEL ET AL. 1994) und subkutane Injektionen zu Nekrosen (WIESNER 1971).

Der Frischpflanzenbrei, den Mattioli vor der Einführung des Gipsverbands als Pflaster für Knochenbrüche anpreist (MATTIOLI/CAMERARIUS 1590), hat eine abschwellende und blutungslösende Wirkung. In der Volksheilkunde werden diese Auflagen bei Prellungen, Quetschungen und Blutergüssen empfohlen.

Als Heilpflanze ist der Sanikel so wertvoll, weil er im eiligen Notfall das ganze Jahr über verfügbar ist. Schiebt man im Winter die schützende Schneedecke vorsichtig beiseite, kommen seine frischen, grünen Blätter zum Vorschein. Erst gegen Ende März verwelken sie, bevor ab Anfang April die neuen Blätter sprießen.

Als Pflanze, die immer da ist, bietet sich der Sanikel damit zur Behandlung chronischer Krankheiten an. Im Wundbereich sind es chronische Haut- und Schleimhautgeschwüre, Liegegeschwüre (Dekubitus), Analfissuren oder Ulcus cruris als Folge von Diabetes mellitus. Teezubereitungen werden gleichzeitig inner- wie äußerlich angewendet. Ebenfalls in das Spektrum chronischer Erkrankungen fallen Magenschleimhautentzündungen, die häufig zu leichten Blutungen neigen. Hier ergänzen sich die Heilwirkungen des Sanikels in Bezug auf Wunden und auf den Magen.

In innerlicher Anwendung gilt der Sanikel in der Volksheilkunde wie bei den alten Kräuterkundigen vor allem als adstringierendes und schleimhautregenerierendes Magenmittel. Auch Hildegard von Bingen empfiehlt ihn als Heilmittel für den Magen, wofür sie Wurzelabkochungen mit Honig nach dem Essen einnehmen lässt. Als Wundkraut ist ihr der Sanikel ebenfalls bekannt, allerdings ausschließlich in innerlicher Anwendung des Pflanzenfrischpresssafts, wiederum nach dem Essen eingenommen (BINGEN 1999). Die deutsche Kommission E, zuständig für die amtliche Bewertung von Heilpflanzen, hat für den Sanikel eine Positivmonografie in Bezug auf »Leichte Katarrhe der Luftwege« erstellt und damit seine Wirksamkeit bestätigt (BANZ 1986). Erstaunlicherweise findet in der amtlichen Beschau die Verwendung als Wundheilkraut keinerlei Erwähnung, und auch auf die magenstärkende Wirkung wird kein Bezug genommen.


Die Blüte der Sternnarzisse ist Eleganz pur.

Sternnarzisse – Frühlingshauch der Sternschnuppenwiesen

Narcissus poeticus ssp. radiiflorus (Narcissus radiiflorus), Amaryllidaceae

Sternblütige Narzisse, Bergnarzisse, Narcissenröslein (Mattioli), Sternenblume, Jeanette, Himmelsrösli, Himmelssterna, Majarösli, Jerusalemsrösle, Gottrausa, Tozzetta

Vorkommen und Standort

Die Sternnarzisse ist eine Unterart der Dichternarzisse mit schmaleren Blütenblättern. Sie bevorzugt kalkarme, feuchte, nährstoffreiche Bergwiesen in montanen bis submontanen Höhenlagen bis 1600 Meter. Bekannte Vorkommen liegen im Schwarzwald, im Wallis hoch über dem Rhonetal und im Salzkammergut.

Pflanzenbetrachtung

Zu Füßen der hohen Berge wirken die sanft im Wind wiegenden Narzissenwiesen wie die Aufforderung der Wiesenelfen an ihre Schwestern auf den hohen Gipfeln, jetzt auch das Frühjahr bei sich einziehen zu lassen. Der einfühlsamer Schilderungen mächtige Rudolf Steiner beschreibt Frühlingsblüten wie die Narzisse als Verkörperung der Sehnsucht, durch die der Mensch eine wunderbare Erfahrung machen kann – wenn er sich nur auf diese Empfindungsebene einlässt. »Seelensinn« brauche man dazu (STEINER 2010).

Die Sternnarzisse wirkt auf alle Sinne. Umhüllt von ihrem feinen Duft erfreut sie das Auge mit ihren erlesenen Blüten und wirkt wie von Rudolf Steiner beschrieben auf die Seele. Sie ist ein Heilmittel, um abgestumpfte Sinne zu erwecken, wie die Wiesenelfen durch das »Sinnenerlebnis Narzissenwiese« ihren Winterschlaf beenden.

Die Schönheit, die unaufdringlich edlen Farben und der unvergleichliche Duft der Sternnarzisse erzählen lautlos von der Präsenz wohlmeinender Naturwesen. Diese Blume vereint in sich typische Tugenden von Pflanzen, die an sehr starken Orten der Kraft reichlich bis überreichlich zu finden sind. Dass die Sternnarzisse nicht ganz ungiftig ist, ist ihre leise Warnung, nicht zu sorglos mit ihren Kräften umzugehen.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

In der antiken Mythologie nimmt die Narzisse eine zentrale Rolle ein. Bekannt ist vor allem die Legende um den Jüngling Narzissus, der nur in die eigene Schönheit verliebt war und schließlich vor lauter Selbstbewunderung kopfüber in sein wässriges Spiegelbild kippte und kläglich ertrank. Als die Nymphen seinen Leichnam begraben wollten, fanden sie nurmehr eine wunderschöne Blume, die Narzisse.

Weniger bekannt ist, dass der Unterweltsgott Hades die von ihm angebetete Persephone durch die Schönheit einer Narzissenwiese anlockte, um sie von dort aus direkt in sein Reich zu entführen. Der Haarkranz der Persephone besteht aus Narzissen. Dass die Narzisse in der Herbalmagie häufig zu Liebeszaubern verwendet wird, verwundert nun kaum noch.

Beide Geschichten erzählen von Tod und Wiedergeburt, sie schildern eine Verbindung zu anderen Welten. Es ist also gar nicht so wichtig, dass es Frühling wird. Es ist die Wandlung, auf die es ankommt.

Für uns ist die Narzisse trotzdem ein wunderbarer Frühlingsbote. In Bad Aussee im Salzkammergut wird seit über 50 Jahren jährlich Mitte Mai das Narzissenfest gefeiert. Tausende der Blüten werden in den vorausgehenden Tagen in den Narzissenwiesen rund um das Gebirgsdorf gesammelt. Die Zwiebeln bleiben im Boden, sodass die Pflanze nicht geschädigt, sondern sogar in ihrer Lebenskraft gefördert wird.

Selbstverständlich ist die Narzisse eine wichtige Blüte in der Blumensprache. Sie steht für unerwiderte Liebe, Hochmut und Arroganz.

Phytotherapie und Heilwirkung

Viele der zahlreichen Narzissenarten wurden und werden heilkundlich verwendet, der berühmte Arzt Mattioli aber weist klar darauf hin, »der aller best Narcissus wechst auff den hohen Bergen, reucht lieblich«. Innerlich sieht Mattioli die Sternnarzisse nur als Emetikum, sie »macht speyen« (MATTIOLI/CAMERARIUS 1590). Als wesentlich wichtigeres Heilmittel empfiehlt er mit Honig zerstoßene Narzissenwurzel bei verrenkten Gliedmaßen und verletzten Sehnen. Als Hautheilmittel bei Grind und Hautflechten wird die Narzissenwurzel nach seiner Lehre mit Nesselsamen (Urtica dioica) und Essig verwendet. In einer Mischung mit Wicken (Calystegia sepium) oder Bohnenmehl gilt die Narzissenwurzel bei ihm als Zugmittel bei Schiefern, Dornen und schweren Verletzungen, in denen noch der Pfeil steckt. Auch der Heilkundige LÉMERY (1721) empfiehlt nur den äußerlichen Gebrauch der Wurzel zur Reinigung, Heilung und Linderung entsprechender Beschwerden.

Um die starke krebsfeindliche Wirkung der Sternnarzisse weiß schon Hippokrates und empfiehlt Narzissenöl als Pessarzubereitung bei Unterleibskrebs (KORNIENKO/EVIDENTE 2008). Er verwendet dieses Öl auch zur Erweichung des Muttermundes (VONARBURG 2005c).

Ein ausführlicher Nachweis für die antikanzerogene Wirkung des Alkaloids Narciclasin insbesondere auf MCF-7-Brustkrebszellen und auf PC-3-Prostatakrebszellen konnte 2007 geführt werden. Ein großer Vorteil in der Verwendung des Wirkstoffs Narciclasin ist, dass es im Gegensatz zu anderen Antikanzerogenen nicht auf das Erbgut einwirkt (DUMONT ET AL. 2007).


Narzissenwiese bei Bad Aussee (© Narzissenfestverein Ausseerland-Salzkammergut/Astrid Schoiswohl)

Die Narzisse wirkt innerlich wie äußerlich reizend auf Haut- und Schleimhäute. Die Kontaktdermatitis zeigt sich als lokale Hautreizung und ist bei Gärtnern und Floristen als »Narzissenkrankheit« bekannt. Innerlich führt die Narzisse zu Würgen im Hals, Erbrechen, Schweißausbrüchen, Benommenheit, Kollaps und Lähmungen.

Phytotherapeutisch hat die Narzisse heute vollkommen an Bedeutung verloren. In der Homöopathie wird Narcissus poeticus vor allem bei Übelkeit, Darmkrämpfen und kolikartiger Gastroenteritis, aber auch bei Husten, Schnupfen mit Absonderungen und Bronchitis verwendet. Begleitumstände von Erkrankungen dieser Art, für die Narcissus poeticus ein gutes Heilmittel darstellt, sind erweiterte Pupillen und kalte Gliedmaßen, zittriger Puls und schwache Herzkontraktionen bis hin zu Ohnmachtsanfällen. Opium ist das homöopathische Vergleichsmittel. Meist sind Personen betroffen, die egozentriert – narzisstisch! – wirken, gleich welchen Alters.

Pflanzen, die wie die Sternnarzisse an wohltuenden Kraftorten wachsen und von erlesener Schönheit sind, gelten in der abendländischen Tradition der Kräuterkunde als Ausdruck des Fünften Elements, das Spirit oder Äther genannt wird. Er setzt sich aus den feinsten Eigenschaften der anderen vier Elemente zusammen und kann damit wie durch ein Prisma deren Qualitäten bündeln und veredeln.

Pflanzen wie die Sternnarzisse, Salomonssiegel (Polygonatuum odoratum), Schwarze Akelei (Aquilega atrata) oder Schwertlilie (Isis pseudacorus) unterstützen dabei, die eigenen Kräfte zu bündeln und zu veredeln. Es sind Pflanzen, die helfen, das eigene Selbst zu entdecken und zu begreifen. Eine misslungene Selbstfindung ist häufig die Folge einer gut versteckten Labilität im Selbstwertgefühl und damit Grundlage einer ausgeprägten narzisstischen Störung. Man könnte sagen, die Sternnarzisse befähigt dazu, Realitäten zu verstehen und einzuordnen.

Die Sternnarzisse verbessert Reizverarbeitung und Gehirnleistung – genau darin liegt die große Bedeutung des aus der Sternnarzisse isolierten Alkaloids Galantamin (HEGNAUER 1963). Es hat in den letzten Jahren in der Behandlung der Alzheimer-Demenz für Furore gesorgt. Als Antidementivum verbessert es die genannten Leistungen, gleichzeitig entfaltet der Wirkstoff eine morphinähnliche analgetische Wirkung (HERDEGEN 2010).

Durch den intensiven Duft zeigt sich die Narzisse deutlich als Frauenheilpflanze, was besonders auf wohlriechende Zubereitungen wie das Narzissenöl zutrifft. Traditionell wird es begleitend bei Frauenkrankheiten eingesetzt, die mit Kopfschmerzen und Schläfrigkeit einhergehen.

Der feine, blumige Duft hat darüber hinaus noch eine ganz unerwartet frische Heunote, die ihr volles Bouquet aber erst in einer verdünnten Lösung entfalten kann. Narzissen-Absolue als Herz- oder Basisnote in Duftmischungen wirkt zunächst und vor allem aphrodisierend, indem es Verlangen und Sinnlichkeit weckt und gleichzeitig die Fantasie beflügelt. Diese sinnlich-euphorisierende Wirkung beschränkt sich nicht nur auf die leidenschaftlicheren Gelegenheiten, sondern unterstützt im Alltag, diese positiven Stimmungen auf sich selbst zu projizieren. Narzissenöl ist zudem ein herausragendes Mittel bei übergroßer Schüchternheit, Minderwertigkeitsgefühlen und einem Mangel an Lebenswärme.


Zur Nachbehandlung von Mandeloperationen

Veilchenkraut (Viola odorata)1 EL
Rosenblüten (Rosa damnascea)1 EL
Narcissus poeticus Dil. D305 Tropfen
Juglans regina, Urtinktur5 Tropfen

Kraut und Blüten mit einem Viertel Liter kochendem Wasser überbrühen, 10 Minuten ziehen lassen und abseihen. In den lauwarmen Tee die Tropfen geben. Morgens und abends eine Tasse in kleinen Schlucken trinken.

Handelsprodukte (Auswahl)

 Narcissus poeticus Absolue, Maienfelser Naturkosmetik

 Narcissus poeticus homöopathisch, Remedia

Anwendungsbeschränkungen

Da die Sternnarzisse toxisches Potenzial in sich trägt, verbieten sich Teezubereitungen und die Einnahme der Urtinktur. Bei schweren Leber- und Nierenerkrankungen sind auch homöopathische Tiefpotenzen kontraindiziert.

Klebriger Salbei – Urkraft des Hirschs

Salvia glutinosa (Salvia montana maxima), Lamiaceae

Gelber Salbei, Leimsalbei, Bergsalbei, Wilder Scharlach, Eisenkrautweiblein, Jupiter’s distaff, Jupiter’s sage (englisch)

Vorkommen und Standort

Der Klebrige Salbei wächst in der montanen Laubwaldstufe bis zu Höhenlagen von 1800 Metern und ist nicht nur in den Alpen, sondern auch in den europäischen Mittelgebirgen beheimatet. Auf frischen, kalkhaltigen Böden fühlt er sich am wohlsten, gedeiht aber auch auf Silikat.

Für eine Blühpflanze ist der Klebrige Salbei erstaunlich schattenverträglich. Wo er wächst, ist es aber nicht nur irgendwie schattig, es sind seltsame Orte mit einem »Unwohlfühlfaktor«. Schluchtige Bergtäler, steil-schmierig-felsige Waldhänge, Orte, die schon mal »Höllental« heißen. Niemand würde auf die Idee kommen, dort ein Haus zu bauen. Wer sich aber dort wohlfühlt, ist der Rothirsch. Und der Klebrige Salbei ist seine Leibspeise.

Pflanzenbetrachtung

Wie beinahe alle Gebirgspflanzen ist der Klebrige Salbei mehrjährig und erreicht jedes Jahr wieder eine Wuchshöhe von 1,2 Metern. Er ist die größte heimische Salbeiart. Oben an den vierkantigen Stängeln – in der Signaturenlehre meist ein Hinweis auf eine sehr kraftvolle und kräftigende Pflanze – erscheinen zwischen Juli und August die auffälligen Blüten. Sie wirken ganz eigenartig schmutzig. Bei genauerer Betrachtung erkennt man, dass eine braunviolette Strichzeichnung schuld daran ist.

Der Wanderer geht meist am Klebrigen Salbei vorüber, ohne ihn richtig wahrzunehmen, trotz seiner signalartigen Gelbfärbung. Die Pflanze baut regelrecht eine Aura des Nichtantastens um sich herum auf, man mag ihr eigentlich gar nicht näherkommen. Auch der Wuchsort lädt nicht gerade dazu ein, dort zu rasten. Eigentlich sind es nur Giftpflanzen, die eine solche Aura der Unnahbarkeit um sich herum aufbauen. Der Klebrige Salbei aber ist wie die meisten Lippenblütler ungiftig.




Unter den Pflanzen mit einem Farbenspiel von Gelb zu Braunviolett sind alte Hexenpflanzen wie Schwarze Akelei (Aquilegia atrata, unten) oder Bilsenkraut (Hyoscyamus niger, ganz unten). Der Klebrige Salbei (links) macht keine Ausnahme.

Namensgebend für ihn sind die klebrigen Härchen, die im oberen Bereich des Stängels und an den Blüten besonders dicht (und damit noch klebriger) sind. Sie dienen der Pflanze als Fraßschutz. Der Rothirsch lässt sich von dieser Härchenarmada allerdings wenig beeindrucken.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

Salbeiarten gelten weltweit als Schamanenpflanzen (RIPPE/MADEJSKY 2006), der Klebrige Salbei macht dabei keine Ausnahme. Sein Antlitz deutet aber zweifelsfrei an: Allzu weißmagisch dürfte die Pflanze zu keiner Zeit verwendet worden sein.

In diesem Kontext klärt sich der seltsame englische Name »Jupiter’s distaff«. Ein Spinnrocken des obersten römischen Gottes? Nein – und ja. Der Name ist eine Verschlüsselung. Der Vorgang des Spinnens ist in der Mythologie eng mit den Schicksalsgöttinnen verbunden, die Leben schenken und Leben beenden. Im Alpenraum wurde diese Trinität in Form der drei Bethen verehrt. Doch der Klebrige Salbei war nicht nur das Werkzeug einer der Schicksalsgöttinnen, sondern das Machtinstrument des höchsten der Götter. Cernunnos, The Horned One, ist in der keltischen Mythologie der Gott der Natur und der Fruchtbarkeit und wird als kraftvoller Mann mit Hirschgeweih dargestellt.

Noch die Generation meines Großvaters sah in klebrigen Pflanzen eine enge Verbindung zu Dingen, die nicht in stofflicher Hinsicht anhaften, wie Verwünschungen und Verfluchungen. Handelt es sich um sehr lichte, freundliche Pflanzenwesen wie Ringelblume (Calendula officinalis) oder Birke (Betula alba) konnten sie vor derlei unangenehmen Ereignissen schützen, indem sie die Flüche auflösten. Der Klebrige Salbei ist aber nun weder besonders freundlich, noch ist er besonders licht. Seine freundlichste herbalmagische Verwendung ist als eine Art von Ping-Pong-Magie überliefert, bei der die Verfluchung wie durch einen Spiegel zurückgeschickt wird.

Wesentlich weltlicher, aber ungleich leckerer ist die Verwendung des Klebrigen Salbeis in der Küche. Die Blüten können als Suppeneinlage, in Salaten oder als Würze für Kartoffelpüree verwendet werden (FLEISCHHAUER/GUTHMANN/SPIEGELBERGER 2009). Mit den Blättern würzte man Wein, die alpenländische Variante des aphrodisierenden Muskatellerweins.

Phytotherapie und Heilwirkung

Der Artenname Salvia leitet sich vom lateinischen salvus, »Gesundheit«, ab. Kaum ein Heilkraut wurde über Jahrhunderte hinweg so universell empfohlen, das Loblied keiner anderen Heilpflanze so laut gesungen wie das des Echten Salbeis (Salvia officinalis). Leider aber ist diese ursprünglich mediterrane Pflanze schon im gemäßigten Mitteleuropa nur bedingt winterhart. Der Eigenanbau war im Alpenraum ausgeschlossen, für den Kauf teurer Arzneimittel fehlten der Bergbevölkerung meist die finanziellen Mittel. Eine brauchbare Alternative zum begehrten »echten« stellte der Klebrige Salbei dar, auch wenn die wirksamen Inhaltsstoffe deutlich niedriger dosiert sind. Obwohl nie von medizinischer Seite dokumentiert, war der Klebrige Salbei im Alpenraum eine wichtige Heilpflanze bei Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts.


Die weitaufgerissene Blüte des Klebrigen Salbeis wirkt richtig gefährlich im dunklen Bergwald.


Eine kulinarische Spezialität sind mit Klebrigem Salbei zubereitete Semmelknödel zu Hirschragout – ein rituelles Mahl für den Gott der Fruchtbarkeit.

Die in ihm nachgewiesenen Wirkstoffe lassen jedenfalls Gutes vermuten: Rosmarinsäure (BANDONIENE ET AL. 2005) wirkt antibakteriell, antiviral und entzündungswidrig, das im ätherischen Öl enthaltene Caryophyllen ebenfalls entzündungshemmend (VELIČKOVIĆ ET AL. 2003), und Linalool ist antibakteriell wirksam gegen Escherichia coli und Staphylococcus aureus (TOPCU ET AL. 1997). Darüberhinaus enthält die Pflanze heilkräftige Flavone wie Apigenin und Luteolin, Phenole und Sesquiterpene (TOPCU ET AL. 1997). In einer vergleichenden Studie konnte ein höherer Gehalt an Flavonen im Klebrigen Salbei als im Echten Salbei nachgewiesen werden. Als besonders wirksam erwies sich der Klebrige Salbei gegen den Hefepilz Candida albicans, der beim Menschen für eine Reihe von Erkrankungen im Verdauungstrakt von Candidose bis zum Mundsoor verantwortlich ist (VELIČKOVIĆ ET AL. 2011).

Ihr wirksamstes Mittel gegen Hämorrhoiden, verriet mir eine Frau aus dem Valsesia, sei ein Wurzelauszug des Klebrigen Salbeis in Olivenöl. Auch in den mittelitalienischen Marken wird der Klebrige Salbei dafür verwendet (PIERONI ET AL. 2004a), obwohl dort auch der Echte Salbei wild wächst. Das in der Pflanzenbetrachtung bereits angesprochene Zusammenwirken von Gelb- und Braunvioletttönen in der Blüte hat außer dem optischen Schmuddeleffekt noch eine weitere Bedeutungsebene. Am goetheanischen Farbenkreis stehen sich beide als Komplementärfarben gegenüber. Eine Pflanze, die so Gegensätzliches in sich trägt, hat das Potenzial dazu, Gegensätze zu überwinden.

Eine innere Disharmonie entsprechend den gegensätzlichen Farben zeigt sich beim Menschen als Erkrankung von Psyche und Seele. Pflanzen, die diese Polarität in sich tragen, sind oftmals klärende Begleiter für Psychotherapien. Als Schattenpflanze ist der Klebrige Salbei zudem Prototyp einer Pflanze, die auf das Unterbewusstsein wirkt. Eine feinstoffliche Zubereitung als Homöopathikum wäre wünschenswert.

Salbei ist durch seinen Bezug zur astralen Welt ein außerordentlich wirksames Heilmittel bei »Folgen von Schicksalsschlägen und Schock, die zu Nervenzerrüttung geführt haben«, die Schutzaura eines Menschen beschädigen und ihn Krankheitsdämonen aller Art ausliefern (RIPPE/MADEJSKY 2006). Besonders der Klebrige Salbei schafft hier eine therapeutisch-heilmagische Schutzbarriere. Viele Menschen reagieren in belastenden Lebensphasen mit Erkrankungen der Verdauungswege. Reizdarm, Sodbrennen und Candidose sind Dauerbrenner in der naturheilkundlichen Praxis. Verdauungsstörungen zeigen sich oft als Begleiterscheinung einer seelischen Erkrankung, als auslösender Faktor sind zumeist psychische Ausnahmesituationen auszumachen. Zubereitungen aus dem Klebrigen Salbei, vorzugsweise vom Patienten selbst hergestellt, können hier Erstaunliches leisten.


Rezept bei Magenschmerzen, Bauchkrämpfen oder Reizdarm nach dem unschönen Ende einer Partnerschaft

Salvia glutinosa, Urtinktur20 ml
Crataegus, Urtinktur20 ml
Agrimonia eupatoria D310 ml
Rosenquarz Dil. Q110 ml
ätherisches Rosenöl5 Tropfen

Salvia glutinosa ist als Tinktur nicht im Handel erhältlich. Es ist bei diesem Rezept aber ohnehin wichtig, die Pflanze selbst zu ernten und zu verarbeiten. (Hinweise zur Anfertigung von Tinkturen siehe Seite 8.) Alle Tinkturen mit ätherischem Rosenöl mischen und kurmäßig über 5 Wochen zweimal täglich 10 Tropfen einnehmen. Die Mischung lindert die Beschwerden und stärkt Seele und Psyche.

Handelsprodukte

 Salvia glutinosa, Herba

Anwendungsbeschränkungen

Wie der Echte Salbei darf der Klebrige Salbei in der Schwangerschaft nicht verwendet werden, da er abortiv wirkt.

Neunblatt-Zahnwurz – Nabelpflege mit Biss!

Dentaria enneaphyllos (Cardamine enneaphyllos), Brassiaceae

Quirlblättrige Zahnwurz, Weiße Zahnwurz, Sanigl, Scharnigkl, Große Bergsanikel, Dreyblettericht, Sonnigl, Zahnkraut, Drooping Bittercress (englisch)

Vorkommen und Standort

Die Zahnwurz ist eine mehrjährige Staude. Sie wächst bevorzugt in Edellaubwäldern der montanen Stufe in den nördlichen Kalkalpen bis in Höhen von 1800 Metern und bis hinaus ins kolline Flachland. Je nach Höhenlage erscheinen zwischen März und Mai blassgelbe Blüten, die nickend überhängen. Nach Blüte und Samenstadium zieht sich die Pflanze zurück und kann bis zum kommenden Frühjahr nicht mehr gesichtet werden.

Pflanzenbetrachtung

Der Name »Dentaria« bezieht sich auf die zahnförmigen Schuppen, die das Rhizom besetzen (GENAUST 1996). Die Annahme, dass die so benannte Pflanze dann bitteschön auch gegen Zahnweh helfen soll, fällt leider wirklich in den Bereich der sogenannten Indikationslyrik.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

In der Slowakei wurde die Zahnwurz an das Milchvieh verfüttert, um den Milchertrag zu steigern (HOFFMANN-KRAYER/BAECHTOLD-STAEUBLI 1974). Ihre Wurzeln können als Rohkost oder wie Sauerkraut vergoren gegessen werden (ARNDORFER 2010). Angesichts der Kleinheit der Wurzeln ist die Zubereitung dieser Speise ein recht aufwendiges Unterfangen.

Phytotherapie und Heilwirkung

Die Neunblatt-Zahnwurz ist ein altes Heilkraut in der Volksmedizin. TABERNAEMONTANUS (1588) führt sie als adstringierendes Wundkraut auf, gleichwertig mit den anderen einheimischen Zahnwurzarten. Besonders hebt er ihre Heilkraft in Bezug auf Brüche und innere Wunden hervor, wobei innere und äußere Anwendung zu kombinieren seien. Die gleiche Anwendung ist Mattioli bekannt (MATTIOLI/CAMERARIUS 1590). Er empfiehlt, das pulverisierte Kraut mit frischem Beinwell (Symphitum officinale) aufzukochen, diesen Pflanzenbrei als Wundpflaster aufzulegen und gleichzeitig den Absud für die Dauer von 40 Tagen einzunehmen. Alle vier bekannten Zahnwurzarten – Fiederblättrige Zahnwurz (C. heptaphylla), Fingerblättrige Zahnwurz (C. pentaphyllos), Knöllchentragende Zahnwurz (C. bulbifera) und Neunblatt-Zahnwurz – verwendet er gleichermaßen. LÉMERY (1721) dagegen empfiehlt zur inneren Anwendung nur die Fiederblättrige Zahnwurz, die aber nicht einmal mehr in der Volksheilkunde bekannt ist.


Die Zahnwurz als Frühlingsbote am Hinteren Sonnwendjoch, Mangfallgebirge.


Die Zahnwurz ist nicht im Handel erhältlich. Heilmittel für Säuglinge und Kleinkinder wirken erfahrungsgemäß am besten, wenn sie eigenhändig von ihrer Mutter zubereitet wurden. Die Habitate der Zahnwurz in der montanen Laubwaldstufe sind auch für Schwangere zum Selbstsammeln gut erreichbar. Ohnehin ist ein leichter Spaziergang im frühlingsfrischen Bergwald eine Wohltat für Mutter und Kind.

Den Gebrauch der Neunblatt-Zahnwurz hat die Volksmedizin nie völlig vergessen. Im Lungau wird noch heute die weiße Wurzel mit Melkfett zu einer Salbe verarbeitet, die bei Knochenbrüchen und Nabelbrüchen und Nabelgeschwüren Einsatz findet (HÖNEGGER 2008). Diese Anwendung bezieht sich vor allem auf das Almvieh, manchmal werden aber auch Babys mit der Zahnwurz behandelt.

Wenn man sich die Frage stellt, wie die Volksmedizin überhaupt auf die Idee gekommen ist, in der Zahnwurz ein Heilmittel für die Nabelpflege zu finden, kann die Signaturenlehre darüber Auskunft geben. Die Neunblatt-Zahnwurz ist einer der ersten Frühlingsblüher und damit ein Heilmittel für das ganz frühe Lebensalter. Nach der Blüte aber zieht sie ein und ist nicht mehr zu sehen – so wie auch der Nabelstumpf nach einigen Tagen einfach abfällt.

Neben der Nabelpflege wird die Zahnwurz volksheilkundlich noch immer zur unterstützenden Behandlung von Knochenbrüchen verwendet. Auch aus dem Lungau stammt die überlieferte Zusammensetzung eines entsprechenden Heilpflasters aus Fichten- und Lärchenpech, Alantwurzelextrakt (Extractum Inula heleni), Arsenpulver, Frischwurzelzubereitungen aus Zahnwurz und Gelbem Enzian (Gentiana lutea) sowie Pappelknospen (Populi gemma) (HÖNEGGER 2008). Als Salbengrundlage wird die Zahnwurz in Niederösterreich und im Salzburger Land noch heute vor allem von der älteren Generation bei Zerrungen, Verrenkungen und Verstauchungen verwendet (MACHATSCHEK 2004).


Rezept zur Pflege eines nässenden und leicht blutenden Nabels

Calcea Wund- und Heilcreme, Wala30 g
Dentaria enneaphyllos, Urtinktur10 Tropfen
Apatit/Phosphorus comp. K, Weleda10 Tropfen

Mehrmals täglich auf den Nabelstumpf auftragen.

Bei länger andauernden Nabelbeschwerden von Babys ab dem achten Monat können begleitend morgens und abends 3 Tropfen Apatit/Phosphorus comp. K von Weleda in etwas Tee gegeben werden.

Handelsprodukte (Auswahl)

Dentaria enneaphyllos, Radix

Anwendungsbeschränkungen

Über die Inhaltsstoffe der Zahnwurz ist bis auf ätherisches Öl und noch nicht näher identifiziertes Glycosid (KROEBER 1930) bislang noch nichts bekannt. Von einer innerlichen Anwendung ist abzuraten

Alpenveilchen – Farbtupfer gegen dunklen Herzenskummer

Cyclamen europaeus (Cyclamen purpurea), Primulaceae

Erdscheibe, Erdscheibenwurzel, Erdscheibeschweinsbrod, Erdapfel, Kreuzwehkraut, Kel’nwurzel, Saubrot, Schweinsbrod, Hirschbrot, Goasruabn, Stierl, Hirschbrunst, Hasenöhrli, Gätziapfel, Haselblümel, Haselwörzli, Kristleidenblume, Türk’n, Zyklame, Cygglämi, Rave de terre (französisch), Ciclamino delle Alpi, Pamporzino, Artanita (italienisch)

Vorkommen und Standort

Als Charakterart der Buchen- und Buchenmischwälder ist das Alpenveilchen eine Halbschatten- bis Schattenpflanze der Laubmischwälder in der montanen Höhenstufe. Wo die Wälder höher steigen, steigt das Alpenveilchen mit – Hauptsache, es hat seinen Schatten! Urgestein schätzt es nicht, deshalb ist es in den Zentralalpen selten beziehungsweise fehlt völlig. Bevorzugter Standort in den Nordalpen ist unter Haselbüschen, in den Südalpen unter Edelkastanien.

Das Alpenveilchen ist eine typische Reizstreifenpflanze, die bevorzugt entlang geologischer Verwerfungen und anderer geomantischer Linien wächst. Viele Reizstreifenpflanzen haben große Heilkräfte in sich.

Pflanzenbetrachtung

Außerhalb der Blütezeit, die von Juni bis Oktober außergewöhnlich lange andauert, erscheint die Pflanze mit ihren immergrünen Blättern fast bedrohlich dunkel. Die silbrige Blattzeichnung hellt den Eindruck nicht auf, sie vermittelt eher die Warnung: »Finger weg!« An diesem Eindruck kann nicht einmal die aparte Herzform etwas ändern.

An Standorten, die ihm gut zusagen, tritt das Alpenveilchen gesellig in großen Verbänden auf. Die Blüten stehen stets auf einem eigenen Stängel, die Köpfchen in anmutiger Lady-Di-Geste gebeugt. Zusammen wirken sie wie ein verschämt ratschendes Damenkränzchen und leuchten im herrlichsten Rosaton. Aber es ist kein romantisches Rosa, sondern eher ein schockierendes Miss-Piggy-Pink. Der Name »Saubrot« bezieht sich aber auf die Vorliebe der Schweine für die Wurzelknollen des Alpenveilchens und nicht auf das allseits bekannte Show-Schweinchen.

Dass das Alpenveilchen eine echte Frauenheilpflanze ist, zeigt sich durch die Verbindung der Blütenfarbe mit einem herrlichen, veilchenartigen Duft. Diesen kann aber nur derjenige entdecken, der nahe genug an die Blume herangeht. Auffallend ist die ungewöhnliche Blütenform. Derart zurückgeschlagene Blütenblätter sind in der heimischen Flora nur noch bei der Türkenbundlilie (Lilium martagon) zu finden. Man braucht nicht viel Fantasie, um einen Bogen von der Blütenform zum Geburtsvorgang zu schlagen. Tatsächlich ist das Alpenveilchen eine alte Geburts(zauber)-pflanze.

Noch merkwürdiger dünkt die Geste, mit der das Alpenveilchen die Reifungszeit seiner Samen begleitet. Nach der Befruchtung bildet sich eine feste Samenkapsel. Der ehemalige Blütenstängel dreht sich zu einer Spirale ein und drückt die Samenkapsel in den Boden hinein, wo sie sich öffnet und die Samen als Dunkelkeimer geschützt den Winter überdauern können. Der ausgeklügelte Einbettungsmechanismus in den Boden ist aber nicht die einzige Fortpflanzungsstrategie des Alpenveilchens, es kann sich ebenso durch vegetative Ausläufer vermehren. Damit zeigt es gleich mehrere Signaturen, die auf eine enge Beziehung zu Schwangerschaft und Geburt hindeuten.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

Die gesamte Alpenveilchenblüte erscheint wie eine einzige magische Geste, vom Auffalten ihrer in Pentagrammform angeordneten irritierend leuchtkräftigen Blütenblätter bis hin zum Spiralverhalten der Fruchtkapsel. Schon Plinius bezeichnet das Gewächs als Zaubermittel (MADAUS 1938). Die faszinierende Giftpflanze soll einst im Garten von Hekate gediehen sein (DIERBACH 1833). Die griechische Hexengöttin gebietet nicht nur über die reine Magie, sondern genauso über Wegkreuzungen und die Tore zwischen den Welten. Damit ist sie die Magna Mater, die Herrin über die Übergänge zwischen Geburt, Leben und Tod.


Anmutig zeichnet sich in den Blütenblättern des Alpenveilchens das Spiel von Licht und Schatten ab. Häufig zeigen sich »Kummermittel« durch besondere Lichtspiele.


Eine Alpenveilchenallee scheint den Weg ins Erdinnere zu weisen.

Nur wenige weise Frauen der Berge kannten sich mit der Verwendung des Alpenveilchens aus. Diejenigen aber, die es zur Geburtserleichterung einsetzten, wussten es als magische Pflanze für sichere Übergänge aller Art zu verwenden. Mit Räucherungen des Alpenveilchens riefen sie alte Naturwesen um Beistand herbei – auch wenn sie noch nie von der Muttergöttin Hekate gehört hatten.

Phytotherapie und Heilwirkung

Das Alpenveilchen galt im Alpenraum nie als großes Mittel der Volksheilkunde, zu stark ist seine Giftwirkung. Selbst HAHNEMANN (1799) ist in der Verwendung des Pflanzenmaterials äußerst zurückhaltend. Seiner Aussage nach wirkt die getrocknete Wurzel so heftig, dass sie sogar bei äußerlicher Anwendung auf dem Unterbauch Würmer austreiben könne, weshalb er von ihrem Gebrauch abrät. Aus Süditalien ist eine sympathiemagische Behandlung von Warzen überliefert, die mit einer aufgeschnittenen Alpenveilchenknolle bestrichen werden. Die Knolle wird danach auf einen dornigen Busch gesteckt, beim Verdorren der Knolle vergeht die Warze (PIERONI ET AL. 2004b).

Das Alpenveilchen ist durch verschiedene Saponine wie Cyclamin allgemein toxisch und führt in größeren Mengen zu Krampfanfällen, Lähmungserscheinungen und tödlicher Hämolyse (WINK 2009). Phytotherapeutisch wird das Alpenveilchen entsprechend seiner Giftigkeit nur noch selten und wenn, dann äußerlich, eingesetzt. Zu den bekannten Indikationen zählen Ohrensausen und Hautmykosen (VONARBURG 2005b). Mattioli führt den Absud der Wurzelknolle als schmerzlindernde Auflage beim Gicht-Podagra an. Erfrorene Füße behandelt er mit einer Spezialrezeptur, für die in die ausgehöhlte Wurzelknolle Öl gefüllt wird. Diese wird zum Erhitzen in heiße Asche gelegt, damit flüssiges Wachs als Salbengrundlage daruntergerührt werden kann (MATTIOLI/CAMERARIUS 1590).

Die abortive Wirkung des Alpenveilchens war bereits im Altertum bekannt. In einer Mischung mit Madonnenlilie (Lilium candidum), Rose (Rosa var.) und Akelei (Aquilegia vulgaris) galt es als herausragendes Mittel, um den Geburtsvorgang zu erleichtern und zu beschleunigen (CRESSEY 1997) oder um tote Föten und die Nachgeburt auszutreiben (LÉMERY 1721). Die abortive Wirkung soll so stark sein, dass nach TABERNAEMONTANUS (1588) eine Fehlgeburt schon dann zu befürchten sei, wenn eine schwangere Frau nur auf ein Alpenveilchen trete!

Einen hohen Stellenwert hat das Alpenveilchen in der Homöopathie. Zu seinen wichtigsten Indikationen zählen Migräne, Kopfschmerzen mit Drehschwindel und chronische Kopfschmerzen. Auch homöopathisch hat die Pflanze einen starken Bezug zur Frauenheilkunde. Die Einsatzgebiete sind Menstruationskrämpfe, die mit Kopfschmerzen einhergehen, und unterdrückte Menstruation, besonders nach Hormongaben. Die offensichtlich hormonelle Wirkung, die das Alpenveilchen dabei entfaltet, zeigt sich in der Indikation »übermäßig rasche Alterung im Klimakterium«.

Mit seiner kummervoll nickenden Blüte ist das Alpenveilchen in feinstofflicher Zubereitung ein bewährtes Kummermittel. In diesem Kontext steht es zwischen Aurum metallicum (einem Mittel für das beißende Martyrium mit großen Schuldgefühlen) und Natrium muriaticum (wenn man sich den übermächtigen Schmerz nicht eingestehen kann). Der Goldtyp ist meist selber schuld an seinem Unglück, wer Natrium muriaticum braucht, wurde von außen in diese Lage gebracht. Cyclamen, der Alpenveilchen-Typ, spürt den Kummer, der aus einer Interaktion von ihm selbst mit der Umwelt entstanden ist – und will nur noch weg.

Es sind Kümmernisse, die sich bis zur Depression steigern können. Häufig treten sie als depressive Verstimmungen in der Schwangerschaft und als postnatale Depressionen auf. Primulaceentypisch sind häufig Frauen betroffen, die sich leicht eingeengt fühlen; sie haben ein großes Bedürfnis nach Freiheit. Zu Hause wird meist alles viel, viel schlimmer. Können sie den kummerschaffenden Umständen nicht entfliehen, verlieren sie immer mehr an Lebenskraft und gehen ein wie eine Primel … Bewährt haben sich hier seltene Gaben des Mittels in hohen Potenzen.

Kummer bildet sich als Krankheitsgeschehen auf dem Herzchakra ab. Das Alpenveilchen ist eine Pflanze, die auf dieses Chakra wirkt. Eines seiner großen Anwendungsgebiete sind funktionelle Herzstörungen bis hin zu manifesten Herzneurosen. Auch die christliche Symbolik hat einen Bezug zum Herzchakra. Mit seiner blutroten Färbung steht das Alpenveilchen als Marienpflanze für das aus Schmerz blutende Herz Mariens gemäß der Weissagung des Simeon aus dem Lukasevangelium: »Und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen, auf dass vieler Herzen Gedanken offenbar werden« (BECKER 2000).

Oft ist eine Kombination aus Homöopathika und Blütenessenzen empfehlenswert. In Blütenessenzen können ätherische Öle übergehen, wie das im Alpenveilchen enthaltene, maiglöckchenartig duftende Farnesol (GIFTINFO MAINZ 2004). Farnesol hat eine pheromonartige Wirkung und ist damit ein beruhigendes und besänftigendes Psychotherapeutikum erster Güte. Mit dieser Kombination können insbesondere die Folgen von Verlassenheit und schmerzlichen Lebenseinschnitten am Herzchakra behandelt werden.


Tropfenmischung »Großer Kummer, großer Herzschmerz« bei Herzneurose

(ausschließlich nach Ausschluss organischer Erkrankungen)

Cyclamen D2030 ml
Cyclamen C20010 ml
Crataegus, Urtinktur20 ml
Aqua marinus D1230 ml
Blütenessenz »Alpenveilchen«10 ml

Die Blütenessenz ist rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Von der Tropfenmischung zweimal täglich 10 Tropfen einnehmen, maximal 14 Tage lang.

Handelsprodukte (Auswahl)

Cyclamen europaeus ist ab der homöopathischen Potenz D4 rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.

 Alpenveilche Blütenessenz, Iris Flora

 Cyclamen N Oligoplex, Madaus

 Biosanum Migränum N, Bindergass

 Calamus Komplex 181, Nestmann

 Cyclamen europaeum homöopathisch, Remedia

 Cyclamen F Komplex 128, Nestmann

 Dolor A, Schwarzwälder

 Hormeel SN (Ampullen), Heel

 Hypericum K Komplex 52, Nestmann

 L Biodolor (Tabletten), Pflüger

 Regenaplex 3b, Regena

Anwendungsbeschränkungen

Aufgrund der Giftigkeit der Pflanze sollte sie phytotherapeutisch nicht angewendet werden.


Die Blüte der Türkenbundlilie wirkt wie ein orientalischer Turban.

Türkenbundlilie – Der Alchemisten Zauberwurz

Lilium martagon (Lilium sylvestre), Liliaceae

Berglilie, Goldwurz, Goldapfel, Goldpflanndl, Heidenlilie, Sillichwurz, Purpurrote Lilie, Bernhardshödlehia, Schlanggubliämu, D’rgabloam, Lis de Catherine, Petit lis du calvaire, Poms d’or (französisch), Turcscap, Matragon (englisch)

Vorkommen und Standort

Obwohl die Türkenbundlilie auch zerstreut in den Tieflagen Mittel- und Südeuropas zu finden ist, ist sie doch eher ein Kind der Bergwälder. Sie bevorzugt krautreiche Laub- und Nadelwälder der montanen Vegetationsstufe, in frischen, nährstoffreichen Hochstaudenfluren steigt sie bis auf über 2000 Meter. Vollsonnige Standorte missfallen der Pflanze genauso wie zu große Trockenheit.

Pflanzenbetrachtung

Wo ihr der Standort zusagt, kann die Türkenbundlilie bis zu 2 Meter groß werden, zumeist misst sie zwischen 30 und 150 Zentimeter. Trotz der filigran ausgeformten Blüten wirkt die Pflanze recht robust. Der runde Stängel ist vor allem im unteren Bereich rundum von Laubblättern besetzt. Diese Scheinquirls wirken wie wirbelnde Petticoats und scheinen der Pflanze wie kleine Ausleger eine Stütze zu geben.

Zwischen Juni und August erblühen auf rispigem Blütenstand bis zu 16 Blüten. Wird der Türkenbundlilie die Wartezeit auf einen Bestäuber zu lang, kann sie zur Selbsthilfe greifen. Sie lässt den Griffel nochmals nachwachsen, sodass er sich gegen die Staubblätter krümmt und sich selbst befruchten kann.

Die Namen »Goldwurzel« oder »Goldapfel« sind auf die goldgelben Zwiebelkugeln zurückzuführen. Diese Farbgebung hat die frühen Alchemisten angeregt, die Türkenbundlilie zur Gewinnung von Gold einzusetzen. Sie verliehen ihr das Epitheton martagon mit Bezug auf den römischen Kriegsgott Mars. Lilien sind nach antiker Anschauung Attribut der Liebesgöttin Venus. Die Türkenbundlilie ist damit ihr und ihrem Liebhaber Mars unterstellt, sie beinhaltet weibliche wie männliche Qualitäten.

Schon tagsüber wirkt die Türkenbundlilie wie ein recht seltsames Waldwesen. Jeder zufällig passierende Wanderer wird durch die purpurrote Signalfarbe in der dunklen Umgebung auf sie aufmerksam. Bei näherem Blick fällt sofort die höchst ungewöhnliche Blütenform auf. Im Aufblühen ähnelt die Türkenbundlilie noch einem Stern. Ist sie voll erblüht, schlägt sie die Blütenblätter in einer Geste der Öffnung nach hinten, als ob sie irgendetwas in die Welt entlassen wollte. Was, das bleibt dem Bewunderer ein Rätsel. Die Blume behält das Geheimnis für sich.

Die Türkenbundlilie ist eine Pflanze der Sterne und der Nacht, denn wie kleine purpurne Sterne am Firmament funkeln ihre Blüten im dunklen Bergwald. Sie leuchten in der Farbe, die wir am Nachthimmel beim Mars erkennen können. Obwohl sie im dunklen Wald stark leuchtet, wirkt sie nie wie ein Sonnenkind. Ihre Anmutung ist eher dunkel-astral. Der dunkle Rosaton wird dem Weiblichen und damit wieder der Venus zugeordnet. Und wieder finden wir so im Türkenbund Männlich und Weiblich vereint.


Die Türkenbundlilie ist ein leuchtender Farbtupfer in den Bergwäldern.

Lockt die Türkenbundlilie tagsüber Schmetterlinge und andere Bestäuber über ihre Purpurfarbe, setzt sie eine andere Strategie ein, wenn die Dämmerung hereinbricht. Wenn der letzte Sonnenstrahl hinter dem Horizont versinkt, beginnt sie ihren schwersüßen Duft zu verströmen.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

Dass in früheren Zeiten mit der Türkenbundlilie allerhand Zauberei betrieben wurde, erzählt bereits der Name »Heidenlilie«. Die nachtduftende Blume hat im Alpenraum eine lange und bedeutsame Tradition als Amulett gegen die Gefahren der Nacht (ALPENBURG 1857). Optisch an einen Schuppenpanzer erinnernd, galt die Wurzel ähnlich dem Allermannsharnisch (Allium victorialis) als Schutzmittel gegen Verwundung, Zauberei und Geisterspuk (KRONFELD 1915). Am besten wurde sie dazu an einem Freitag während des Gebetläutens gegraben.

Phytotherapie und Heilwirkung

Anfang des 19. Jahrhunderts war Radix Martagon, die Wurzel der Türkenbundlilie noch gebräuchlich. In Spanien wird sie noch heute als entzündungshemmendes und schmerzstillendes Heilmittel verwendet (PIERONI ET AL. 2006). Im 19. Jahrhundert galt der Wurzelsaft der Türkenbundlilie auch im Alpenraum als schmerzstillend, besonders bei Prellungen des Schienbeins (ALPENBURG 1857). Als Amulett soll die Wurzel das Zahnen der Kinder erleichtern und die Schmerzen lindern (NEES VON ESENBECK/EBERMAIER 1830). Äußerlich galt sie als vorzügliches Heilmittel bei Hautkrankheiten und Geschwüren (WINKLER 1840). Die überlieferte Verwendung der Türkenbundlilie bei Haarausfall (NEES VON ESENBECK/EBERMAIER 1830) konnte von der Autorin bislang leider nicht nachgeprüft werden, da sich noch kein Proband fand, der sich die mit Honig versetzte Asche der Pflanze in die Kopfhaut einmassieren lassen wollte. Wenn auch die Wurzeln noch heute in Südeuropa bei Leberschwäche eingesetzt werden (PIERONI ET AL. 2006), hält schon HAHNEMANN nicht viel von dieser Indikation: »Gegen Gelbsucht hat man sie wohl nur aus Signaturgrillen empfohlen«, konstatiert er unerbittlich (1799).

Innerlich wirkt die Türkenbundlilie harntreibend und menstruationsfördernd, Mattioli verwendete sie zur Geburtseinleitung bei Übertragung (MATTIOLI/CAMARUS 1590). Bezeichnend ist die Geste, die die Blüte vollführt: Wie sie aufgeht, scheint den Geburtsvorgang nachzuahmen. Als oben beschriebene Verbindung von Männlichem und Weiblichem hat die Türkenbundlilie eine sehr starke Verbindung zu Sexualität und Fortpflanzung.

So wie die Türkenbundlilie ihr Köpfchen hängen lässt, zeigt sie sich als Kummermittel (siehe auch »Alpenveilchen«). In denselben Kontext fällt der Tiroler Brauch, die Türkenbundwurzel bei Melancholie als heilbringendes Amulett bei sich zu tragen (ALPENBURG 1857).

Die Pflanze löst erstaunlicherweise keinerlei allergische Reaktionen aus (CHEHREGANI/KOUHKAN 2008). Allergien können als etwas verstanden werden, das einem »unter die Haut geht« oder »die Luft abschnürt«. Die Allergene stellen häufig auf psychischer Ebene unverdaute Themen dar. Nachdem die Türkenbundlilie kein Allergiepotenzial bietet, ist sie ein Heilmittel bei starken psychischen Belastungen, die seelische Probleme nach sich ziehen.

Sie ist zwar in homöopathischer Zubereitung im Handel, leider ist aber bislang kein Arzneimittelbild zur heimischen Verwandten der homöopathisch wohlbekannten Tigerlilie (Lilium tigrinum) veröffentlicht. Aufgrund des sehr ähnlichen Aussehens beider Lilien und ihrer phytotherapeutisch gleichfalls sehr ähnlichen Verwendung wäre eine homöopathische Erforschung der Türkenbundlilie wünschenswert. Lilium tigrinum wird insbesondere bei nervöser Reizung eingesetzt, wenn diese sich psychosomatisch von neuralgischen Schmerzen begleitet auf dem Beckenbereich abbildet (MEZGER 2007).

Frauenheilkundlich ist die Türkenbundlilie bei Unfruchtbarkeit aufgrund psychischer Probleme und verborgenem Kummer eine interessante Heilpflanze. Ihre Blütenessenz wird vor allem bei mangelndem Selbstbewusstsein und Traurigkeit eingesetzt, welche aus einer in Lieblosigkeit verbrachten Kindheit entstanden sind. Besonders günstig ist die Blütenzubereitung, wenn es aufgrund einer Störung des harmonischen Geburtsprozesses zu einer nachhaltigen Störung in der Beziehung zwischen Mutter und Kind gekommen ist.+


Wundsalbe bei geprellten und aufgeschürften Schienbeinen

Türkenbundlilie (Lilium martagon), Wurzel2 Stück
Wundklee (Anthyllis vulneraria)50 g
Johanniskrautöl200 ml
Bienenwachs20 g
Ruta gravolens Dil. D620 ml
Ätherisches Rosenöl (Rosa alba)10 Tropfen

Wurzeln (aus Zucht oder dem eigenen Garten) klein schneiden, mit Anthyllis im Wasserbad im Öl aufkochen, 5 Minuten köcheln lassen, abseihen. Bienenwachs einstreuen, kaltrühren. Dabei die Ruta-gravolens-Tropfen komplett hinzugeben. In einer verschlossenen Salbendose hält sich die Salbe im Kühlschrank über mehrere Monate.

Handelsprodukte (Auswahl)

 Lilium martagon, Urtinktur, Linden-Apotheke Pfaffenhofen

 Lilium martagon homöopathisch, Spagyros

 Lilium martagon, Flores

Anwendungsbeschränkungen

In Schwangerschaft und Stillzeit ist der phytotherapeutische Gebrauch der Türkenbundlilie kontraindiziert. Homöopathische Hochpotenzen sollten nur unter der Begleitung eines erfahrenen Therapeuten eingesetzt werden.

Waldziest – Die maskierte Pflanzenkraft

Stachys sylvatica, Lamiaceae

Krötenkraut, Stinkblatt, Klaffen (Luzern, »klaffende Wunde«), Bienensaug, Große Stinknessel, Clown’s Wood, Woundwort (englisch), Créachtlus (irisch »Heilkraut der klaffenden Wunde«)

Vorkommen und Standort

Der Waldziest ist keine reine Alpenpflanze, sondern in den gemäßigten Breiten ganz Europas zu Hause. Dennoch gehört er zu den Pflanzen, die Bergwanderer in Bergmischwäldern bis in Höhen von 1700 Metern am häufigsten sehen. Besonders in größeren Erlenbeständen fühlt er sich wohl.

Glücklicherweise wächst diese auffallend hübsch gezeichnete Pflanze an feuchten, schattigen Orten. Stünde sie in der warmen Sonne, würde an heißen Tagen ein unangenehmer Effekt auftreten: Man könnte die Pflanze dann zwar immer noch leicht übersehen, aber keinesfalls mehr überriechen. Über dem Waldziest wabert ein unerträglicher Gestank, der an eine Mischung aus Katzenurin und alten Lumpen erinnert.

Pflanzenbetrachtung

Wer sich vom ersten Geruchseindruck nicht beeindrucken lässt, findet heraus, dass die Waldziestblätter bei weiterer Verarbeitung wie Steinpilze duften. Eine Pflanze, die als Feuchtezeiger gilt und damit über einen Schutz gegen Pilzbefall verfügen muss – gleichzeitig aber den Geruch eines hoch köstlichen Speisepilzes in sich birgt? Ja, und nicht nur das: Wer sich traut, seine Nase durch den Blattmief hindurchzustecken, um an den Blüten zu riechen, wird sogar noch mit einem zauberhaften Fliederduft belohnt.

In den hübsch anzusehenden rosa Blüten verbergen sich ganz eigenartige Wesen … Verulkt uns der Waldziest etwa? Schon der große englische Kräuterkundige Culpeper hat ihn nicht umsonst »Clown’s Wood« genannt (CULPEPER 1813). Vielleicht ist es der grüne Mann, der Herr der Wälder, der uns aus dieser Pflanze anblickt und sich mit ihrem strengen Geruch gegen diejenigen tarnt, denen nur das Offensichtliche erkennbar und wertvoll ist.

Brauchtum, Überlieferungen und Mythen

Als Krötenpflanze ist der Waldziest eine Hexenpflanze per Definition. Welcher anständige, gelehrte Medicus hätte solch ein Stinkerkraut freiwillig zur Hand genommen? Wie oft erschließt sich auch beim Waldziest die überlieferte herbalmagische Wirkung nicht auf den ersten Blick. Bei Betrachtung des Blütenkelchs einer einzelnen verblühten und abgefallenen Blüte ist darin die magische Pentagrammform zu erkennen. Mehr noch, das Pentagramm zieht sich nach innen, in eine von außen nicht einsehbare Dunkelheit. Der Waldziest wurde als Schutzzauber gegen Krankheiten und bei Heilungsritualen verwendet. Auch der Brauch, die Pflanze trotz ihres Geruchs gegen Alpträume und Schreckensvisionen unter das Kopfkissen zu legen, zeugt von ihrer schutzmagischen Wirkung.

Phytotherapie und Heilwirkung

In der Kräuterheilkunde gehört die gesamte Familie der Zieste zu den wertvollsten Gewächsen. Herausragende Vertreterin ist die Betonie (Betonia officinalis, auch »Heilziest« genannt), die als Polychrest eine uralte Heilpflanze ist. Hippokrates, Paracelsus und Hildegard sind ihres Lobes voll. Ein Allheilmittel ist der Waldziest vielleicht nicht gerade, auf seinem Gebiet aber unschlagbar. Tiefe Wunden, Stichwunden, innere Wunden, Blutungen aller Art, er ist ein fantastisches Wundheilmittel. Sein rot überlaufener, zäher Stängel hat starken Bezug zum Blut und deutet gleichzeitig auf große Regenerationskraft hin. Die größte Heilkraft entfaltet er bei frischen Wunden mit der Tendenz zu großem Blutverlust. Hier begegnen wir wieder dem eigentümlichen Waldziest-Phänomen: Sein Wirken ist in einem verschleiernden Nebel verborgen. Obwohl er eine große Besonderheit darstellt, ist sein Können kaum erkannt, seine Heilkraft kaum bekannt. Diejenigen aber, die ihn kennen, schwören darauf. Besonders wirksam soll das Wundkraut sein, wenn die frischen Blätter mit Igelfett zu einer Paste verarbeitet werden (WATTS 2007). Allerdings ist derzeit keine pharmazeutische Bezugsquelle für Igelfett bekannt. Mit Igelfett wurden einst Knochenbrüche und offene Wunden behandelt. Als Signatur können die Igelstacheln gewertet werden, die stechende Schmerzen darstellen.


Während die Blüte links oben wie ein verwunschener Wasserspeier an einem alten Gemäuer wirkt, scheint uns die Blüte in der Mitte herausfordernd die Zunge herauszustrecken.


Am Waldtümpel fühlt sich die Krötenpflanze Waldziest sichtlich wohl.

Waldziest wird zu keiner alkoholischen Tinktur, sondern zu Frischpflanzen-Breipflaster oder zu Sirup verarbeitet, der innerlich wie äußerlich verwendbar ist. Bei leichten Blutungen im Verdauungstrakt, wie etwa bei einer Gastritis oder einem Magengeschwür, kann er schnell Linderung verschaffen, zudem wirkt er krampflösend, antitoxisch und beruhigend.

Die wissenschaftliche Erklärung dafür liegt im Wirkstoff Betonicin, einem wenig giftigen Alkaloid. Betonicin, das auch in der Schafgarbe vorkommt, wirkt blutstillend und entzündungshemmend. Es ist allerdings nicht in Alkohol, sondern nur in Wasser löslich (SCHULZE/TRIER 1912).

Passend zum urinösen Geruch der Blätter wird der Waldziest bei Blasenentzündungen eingesetzt, die mit Blut im Urin einhergehen. Zusätzlich zu seiner entzündungshemmenden, antiseptischen und krampflösenden Wirkung ist er mild entwässernd.

Nicht nur mit dem Igel wurde der Waldziest in der Volksheilkunde in Verbindung gebracht, sondern auch mit Kröten. Sie sollen bevorzugt in seinem Schatten leben. In der alten Heilkunde steht die Kröte mit der Gebärmutter in Verbindung. Entsprechend wurde der Waldziest bei Amenorrhoe verwendet und war als Abortivum im Gebrauch. Wieder einer der Widersprüche, die der Waldziest in sich trägt. Wie kann es sein, dass diese blutungsstillende Pflanze Blutungen der Gebärmutter auslöst?

Völlig unbekannt ist der Waldziest in der Homöopathie, nur wenig bekannt ist seine Blütenessenz. Diese wird bei tiefen körperlichen wie seelischen Wunden sowie begleitend zur Rekonvaleszenz von schweren chronischen Krankheiten eingesetzt.


Rezept für Waldziestsirup zur Begleitbehandlung bei Gastritis oder Magengeschwüren

Bio-Zitronen2 Stück
frisches blühendes Waldziestkraut200 g
Zucker500 g
Wasser500 ml

Zitronen waschen, in 1 Zentimeter dicke Scheiben schneiden und schichtweise abwechselnd mit dem Waldziestkraut in einen großen Topf füllen. Zucker darauf streuen und mit dem Wasser übergießen. Aufkochen und 15 Minuten simmern lassen, noch heiß abseihen und in Braunglasgläser zu 100 ml füllen. Verschlossen im Kühlschrank aufbewahrt, hält sich der Sirup mehrere Monate, angebrochene Gläser alsbald verbrauchen.

Herbstwaldbutter mit Steinpilzaroma

Bucheckern1 Handvoll
Waldziest5 bis 10 schöne Blätter
Butter150 g

Salz, Pfeffer

Bucheckern schälen, von den Härchen befreien (dazu zwischen Küchentüchern reiben), ohne Fett in einer Pfanne anrösten und dann fein hacken. Waldziestblätter fein hacken und alles unter zimmerwarme, schaumig aufgeschlagene Butter rühren. Mit Salz und Pfeffer würzen und mindestens eine Stunde durchziehen lassen. Schmeckt am besten auf deftigem Bauernbrot.

Handelsprodukte (Auswahl)

 Stachys silvatica, Urtinktur, Linden-Apotheke Pfaffenhofen

 Stachys silvatica, Herba

Lexikon der Alpenheilpflanzen

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