Читать книгу Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über Preußen - Astrid von Schlachta - Страница 11

Religion hat mit Politik nichts zu tun

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In den Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Hauses Brandenburg schrieb Friedrich II. über seinen Vorfahren Johann Sigismund, er sei 1613 zum reformierten Glauben übergetreten, „den Einwohnern des Klevischen Landes zuliebe, die seine Untertanen werden sollten“.17 Was klingt wie ein Liebesakt und eine nette Willkommensbotschaft, die der brandenburgische Kurfürst an die neuen Untertanen sandte, wirft die Frage nach den Motiven für die Konversion eines Monarchen auf und sie führt tiefer hinein in die Bestimmung des Verhältnisses von Politik und Religion in der Frühen Neuzeit. Wie viel politisches Kalkül stand hinter einer Konversion und wie viel persönliche Überzeugung?

Die Religion, und damit auch eine Konversion, betrifft einen Bereich, der in seiner ganzen Tiefe für Historiker besonders schwer zu fassen ist, denn persönlichen Motiven und Überzeugungen auf die Spur zu kommen, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Die überlieferten Quellen tragen alle jene Botschaft nach außen, die der Verfasser aussenden wollte, und wer will sagen, welche Motive im frühen 17. Jahrhundert im Innersten eines Menschen wirklich handlungsleitend waren. Eines ist jedoch klar: Wenn ein Herrscher konvertierte, war dies nie eine private Angelegenheit, sondern immer auch eine politische. Das Bündnis von Thron und Altar war in der Frühen Neuzeit nicht nur in Preußen sehr eng.

Religionspolitik war seit der Reformation durch Martin Luther eine komplizierte Angelegenheit geworden im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Die mittelalterliche Einheit der Kirche war gesprengt; es gab nun drei große christliche Konfessionen – die katholische, die lutherische und die reformiertcalvinistische. Während des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bestimmten die Konfessionen, teilweise durch kriegerische Auseinandersetzungen, in denen religiöse und politische Motive manchmal nur schwer zu trennen sind, ihr Verhältnis zueinander. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 war ein erster reichsrechtlich gültiger Vertrag, der die Katholische und die Lutherische Kirche anerkannte, für die Reformierten dauerte es noch bis 1648. Der Vertrag legte einen wichtigen Grundsatz fest, der später als „cuius regio, eius religio“ zusammengefasst wurde: Der Landesfürst bestimmte die Religion seiner Untertanen. So klar diese Regel klang, umso schwieriger erwies es sich im konkreten Einzelfall und in regionalen Spezialfällen die Umsetzung.

Der brandenburgische Kurfürst Joachim II. war 1539 lutherisch geworden und wie generell im Luthertum übernahm er als Landesfürst eine Funktion, die weltliche und geistliche Macht verband, nämlich die eines „Notbischofs“. Der Herrscher war Bischof in seinem Territorium, was zu der Zeit nötig war, da das Luthertum noch nicht über feste Strukturen verfügte. Mit der Installierung eines Notbischofs begann jedoch auch im Protestantismus die enge Verzahnung von Religion und Politik, die die katholische Kirche bereits aus dem Mittelalter mitgebracht hatte.

Wie erwähnt, harrten die Reformierten noch ihrer reichsrechtlichen Anerkennung, als der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund sich 1613 zur Konversion entschied. Dies bedeutete, dass der Landesfürst nach Reichsrecht nicht befugt war, auch von seinen Untertanen zu verlangen, zum Calvinismus überzutreten. Lange und harte Auseinandersetzungen mit den Ständen, die lutherisch waren und dies auch bleiben wollten, waren die Folge. Es ging um politische Macht und um die Besetzung einflussreicher Positionen, wie Predigerstellen und Posten an der Landesuniversität Frankfurt/Oder. Auch Tumulte blieben nicht aus. 1615 protestierten Berliner Lutheraner gewaltsam, nachdem in einem späten „calvinistischen Bildersturm“ aus dem Dom das hölzerne Altarkreuz entfernt, zerschlagen und in die Spree geworfen worden war. Auch die übrigen „Götzen“ – Bilder und Statuen – hätten wohl entfernt werden sollen. Die Reaktion waren gewalttätige Aktionen gegen reformierte Geistliche und kurfürstliche Beamte; das Haus des reformierten Hofpredigers Martin Füssel wurde mit Steinen beworfen, geplündert und massiv beschädigt.18 Alle Proteste und Verhandlungen zeigten jedoch Wirkung: Im gleichen Jahr sagte Johann Sigismund den Ständen die freie Religionsausübung nach der Augsburger Konfession zu, in der die lutherischen Reichsstände 1530 ihre Glaubenssätze niedergelegt hatten.

Für den brandenburgischen Kurfürsten stand die Konversion im Zusammenhang mit den Konflikten um Jülich-Kleve-Berg. Doch sie war wohl weniger ein Willkommensgruß an die neuen Untertanen, sondern bedeutete die Festigung politischer Bündnisse. Schon vor 1613 verfügte Johann Sigismund über gute Beziehungen zum reformierten Pfalzgrafen bei Rhein und durch sein Studium an der Heidelberger Universität war er sowieso im reformierten Spektrum verankert. 1609 hatte er eine „reformierte Allianz“ mit dem pfälzischen Kurfürsten und den Niederlanden geschlossen, um gemeinsam im Jülich-Konflikt vorzugehen. Der politische Interessensausgleich wurde konfessionell legitimiert. Doch die Konversion blieb auf den Monarchen beschränkt. Äußerungen Johann Sigismunds weisen darauf hin, dass es dem Kurfürsten nicht darum ging, seine Untertanen zu einem Bekenntnis zu zwingen, sondern es Gott überlassen wollte, die Wahrheit zu offenbaren.19

Politisch gab es zwischen Luthertum und Calvinismus einige Unterschiede. So lag nach Auffassung der reformierten politischen Staatstheorie die Macht in einem Territorium nicht nur in den Händen des Herrschers, sondern auch in Institutionen wie dem Heer, den Landständen und dem Beamtentum. Vor allem im Widerstandsrecht billigte der Calvinismus den Landständen mehr Rechte zu als das Luthertum. Landstände durften gegen einen Herrscher Widerstand leisten, wenn dieser zum „Tyrannen“ wurde. Dies sei dann der Fall, so der ostfriesische Gelehrte Johannes Althusius, wenn er das Gut, das ihm durch den Herrschaftsvertrag zur Verwaltung übergeben wurde, nicht im Sinne des Auftraggebers, also der Untertanen, verwalte.20 Allerdings waren nur die Landstände zum Widerstand berechtigt, nicht die übrigen Bevölkerungsschichten.

Ist die Konversion Johann Sigismunds also ein Zeichen für die enge Allianz zwischen Thron und Altar, so fand eine weitere Intensivierung dieser Allianz Ende des 17. Jahrhunderts statt, als die hohenzollernschen Herrscher sich dem Pietismus zuwandten und diesen in vielerlei Hinsicht förderten. Zwar gehörte es generell zur Politik frühneuzeitlicher Fürsten, über die Kanäle geistlicher Institutionen auf die Gewissen der Untertanen zuzugreifen und sie so im Sinne ihrer Staatstheorie zu gehorsamen Untertanen zu erziehen, doch zeigt sich diese Verbindung durch den Einfluss des Pietismus in Brandenburg-Preußen noch einmal auf eine fast idealtypische Art und Weise. Allerdings muss bei allen Theorien der Verzahnung von Religion und Politik in der Frühen Neuzeit beachtet werden, dass es das monokonfessionelle Territorium ebenso wenig gab wie den absolut herrschenden Monarchen, der von solch einer Monokonfessionalität profitiert hätte.

Der Pietismus nun war eine Erweckungsbewegung im Protestantismus, der sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte und vor allem durch Philipp Jacob Speners 1675 erschienenes Werk Pia desideria geprägt wurde. Spener sprach sich darin für eine Öffnung der Konfessionen auf der Basis einer „Vereinigung der Religionen“ aus und er forderte eine Stärkung des Glaubens im Innern, die Gemeindeerbauung, die jeden Gläubigen näher zu Gott führen sollte.21 Das Bekehrungserlebnis als bewusste Hinwendung zu Gott und zu einem innerlich-mystischen Leben fehlte in kaum einer pietistischen Biographie. Die Gläubigen versammelten sich zu privaten Erbauungsstunden, „collegia pietatis“ genannt, in ihren eigenen Häusern, um in der Bibel zu lesen und gemeinsam zu beten. Sie entzogen ihre geistliche Unterweisung damit der amtskirchlichen Kontrolle, was den Pietismus politisch und kirchlich schnell unter Druck geraten ließ. Fragen nach Rechtgläubigkeit, nach Einfluss und Macht ließen altlutherische Geistliche und neu erweckte Pietisten aneinander geraten. Die Pietisten wurden als „Sectirer“ verfolgt und bezichtigt, mystische Irrlehren zu predigen.

Dennoch fand der Pietismus seine Kanäle, in Brandenburg-Preußen vor allem über Adelige und Angehörige des Militärs, die Fürsprache auf politischer Ebene einlegten. Philipp Jacob Spener wurde 1691 als Propst an die Berliner Nikolaikirche und ins Konsistorium berufen, das für die landesfürstliche Kirchenpolitik verantwortlich war. Neben Berlin etablierte sich Halle an der Saale als Hochburg des Pietismus, nachdem dort 1692 August Hermann Francke auf Vermittlung Speners zum Professor für Griechisch und Orientalische Sprachen berufen worden war. Francke hatte zudem die Pfarrstelle in Glaucha bei Halle inne, wo er erste Erfahrungen in der Verbesserung der Erziehung und Bildung von Kindern machte.22

Halle gehörte zum ehemaligen Erzbistum Magdeburg, das 1648 als erbliches Herzogtum endgültig dem Kurfürstentum Brandenburg zugesprochen worden war. Nachdem 1680 der letzte Administrator gestorben war, wurde es enger in die Verwaltung der Hohenzollern eingegliedert. Vor allem bauten die Hohenzollern hier, nämlich in Halle, mit der 1694 gegründeten Universität eine kurbrandenburgische Landesuniversität auf, die zur wichtigsten Stütze des Pietismus wurde. Friedrich III. förderte Universität und Pietismus von Anfang an; er hielt seine schützende Hand über Francke und griff seinem Bildungs- und Reformwerk durch Steuererleichterungen, die Zuteilung von Strafgeldern und durch persönliche Geschenke unter die Arme.

August Hermann Francke selbst hatte, wie er in seinem Lebenslauf schildert, 1687 sein Bekehrungserlebnis gehabt. Anstoß dafür war wohl eine Predigt über die neutestamentliche Stelle Johannes 20, 31: „Diese [= Zeichen Jesu, v. S.] aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen.“ Francke bekam Zweifel an seinem eigenen Glauben, ob dieser tief genug und ausreichend sei. Er betete und erhielt von Gott neue Gewissheit – eine Bekehrung, wie man sie in vielen pietistischen Lebensberichten liest.23 Francke wirkte zunächst in Leipzig, wo sich ein Kreis von Erweckten unter Studenten und Bürgern bildete, der sehr schnell Angriffen von außen ausgesetzt war. Halle wurde Francke zum neuen Wirkungskreis. Die Stadt war durch ein sehr offenes Klima geprägt. Nach 1685 waren viele Hugenotten und Pfälzer Reformierte aufgenommen worden – die Pfalz war 1685 katholisch geworden, was zur Auswanderung vieler Reformierter geführt hatte.

Der hallesche Pietismus und das Herrscherhaus der Hohenzollern gingen eine enge Bindung ein. Mit Friedrich Wilhelm I. fand August Hermann Francke einen noch aktiveren Förderer als Friedrich III., da der König auch innerlich vom Pietismus überzeugt war. Unter ihm intensivierte sich die Allianz von Thron und Altar; letzterer musste zunehmend „hallesch“ sein. Der Pietismus wurde politisch und erhielt wichtige Einflussmöglichkeiten, da immer mehr Predigerstellen am Hof und im Militär mit Vertretern aus pietistischen Kreisen besetzt wurden. Seit 1729 mussten für einige Jahre sogar alle lutherischen Pfarrstellen in Preußen mit Absolventen der Universität Halle besetzt werden, faktisch bestimmten also Pietisten, was den Leuten gepredigt wurde. Allerdings nahm Friedrich Wilhelm I. diese Regelung schon 1733 etwas zurück. Somit wurde also ein König, der eigentlich reformiert war, zum engagierten Förderer einer Erweckungsbewegung, die aus dem Luthertum kam. Friedrich Wilhelm I. lehnte es in seiner 1722 verfassten Instruktion an seinen Nachfolger denn auch ab, sich als Reformierter oder Lutheraner zu bezeichnen: „Wahs die Religion anlanget, so bin ich und werde mit Gottes hülfe Reformiret sehlich sterben, indeßen bin versicherdt, das ein Lutterischer, der dar gottsehlich wandeldt, eben so guht sehlich werde also die Reformirte und der unterseidt nur herrühre von die Prediger Zenckereien“.24

Was machte den Pietismus für den preußischen Staat nun so attraktiv? Einerseits die konfessionsübergreifenden Ausrichtung, denn sie konnte den Kirchenfrieden garantieren, das heißt die Versöhnung von Luthertum und Calvinismus, und sie legitimierte die Aufnahme reformierter wie lutherischer Glaubensflüchtlinge. Zum Dritten sahen die Herrscher in den pietistischen Erziehungsidealen Hilfsmittel, um die Untertanen zu Loyalität und Fleiß anzuhalten.25 Askese und praktisches Christentum, wie es im Pietismus gelebt wurde, trafen sich mit den Idealen Friedrich Wilhelms I.

Zwei Bereiche sollen die Verbindungslinien zwischen Thron und Altar verdeutlichen: das Erziehungswesen und das Militär. Aus einer Armenschule im Pfarrhaus in Glaucha entstanden Mitte der 1690er-Jahre die Franckeschen Stiftungen in Halle. Sie kümmerten sich um die Erziehung von Kindern aus armen Verhältnissen, um diesen bessere Chancen im späteren Leben zu eröffnen. August Hermann Francke versuchte, der Spirale Einhalt zu gebieten, die aus Armut einen Mangel an Bildung und an gelebtem Ethos, das hieß nach Francke Vergnügungssucht, Verantwortungslosigkeit und Unehrlichkeit folgen ließ. Die Stiftungen ermöglichten den Kindern und Jugendlichen eine gediegene Erziehung; Lesen und Schreiben war Grundvoraussetzung für alle weiteren Erziehungs- und Bildungsschritte. Francke selbst entwickelte sich zum unermüdlichen Spendensammler, so dass sein Lebenswerk immer umfangreicher wurde.

Mit Lesen und Schreiben endete die Erziehung nicht, sondern die Kinder sollten in Halle auch Arbeiten lernen. Sie halfen in den Betrieben mit, die Francke allmählich aufbaute, und sie waren eine wichtige Stütze für diese Betriebe. Die Franckeschen Stiftungen erzielten mit ihrer Buchhandlung und Buchdruckerei, mit der Apotheke, der Hallischen Zeitung und der Cansteinschen Bibeldruckerei einigen Gewinn, der wiederum in die Stiftungen investiert wurde. Gut verkaufen ließ sich beispielsweise die „Essentia dulcis“, eine „Wunderarznei“, die aus zerkleinertem Gold und Kampfer bestand. Von ihr hieß es, sie könne viele Krankheiten heilen. Aber auch schriftliche Werke zum preußischen Recht oder der Druck von Bibeln spülten gutes Geld in die Kasse.

Die Tugenden, die Francke in seinen Anstalten vermittelte, deckten sich nicht zufällig mit dem, was man gemeinhin als preußische Tugenden bezeichnet. Gehorsam, Pflichtgefühl, Bescheidenheit, Ordnung, Pünktlichkeit, Fleiß und Standhaftigkeit – einige Tugenden, die wir als „preußische“ kennen und die sich auch in Franckes Programm wiederfinden. „Gott zur Ehr’ und zu des Landes Besten“ war der Leitsatz, der im Gründungsprivileg Friedrichs III. für die Franckeschen Stiftungen genannt wird. Francke selbst verbreitete die Auffassung, gute Christen würden den Obrigkeiten die größte Ehrerbietung entgegenbringen, weil sie die Obrigkeiten als von Gott eingesetzt akzeptierten. Diese Meinung wurde später zwar zum generellen Vorwurf gegenüber den Protestanten, sie seien obrigkeitshörig, sie ließ sich jedoch politisch gut verwerten. Der Unterricht auf der Basis der entsprechenden Tugenden diente den preußischen Königen zur Erziehung ihrer Untertanen, aber auch zur Integration der verschiedenen Landesteile und ihrer Kulturen. Ihre Verbreitung fanden die Ideen August Hermann Franckes durch in Halle Ausgebildete, die wichtige Posten in Brandenburg-Preußen übernahmen.

Noch in einem zweiten Bereich zeigten die halleschen Tugenden ihre Wirkung: im Militär. Drill und Disziplin, Gehorsam und Aufopferung, sich selbst zum Opfer bringen – Einstellungen, die den Aufbau der Armee unter Friedrich Wilhelm I. begleiteten. 1717 richtete der Monarch in Berlin eine Kadettenanstalt ein, die sich an den Erziehungsmethoden August Hermann Franckes orientierte. Auf der Basis religiöser Unterrichtung und Ermahnung wurde militärischer Gehorsam gelehrt. 1720 folgte mit dem Militärwaisenhaus in Potsdam ein weiterer Baustein im Bemühen, gehorsame Untertanen und Soldaten heranzuziehen. Um die religiöse Unterweisung im Feld zu intensivieren baute Friedrich Wilhelm I. die Institution der Militärkirche auf, die er von der zivilen Kirche trennte. Garnisons- und Feldprediger zogen mit den Armeen durch die Lande oder versahen ihren Dienst in den Garnisonsstädten – sie stammten ebenfalls aus Halle.

Doch Halle blieb nicht ewig führend. Schon zum Ende der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. kam es zu Brüchen in der Schiene Berlin-Halle. Ein Grund war das Erstarken weiterer pietistischer Zweige. So hatte der König die Bekanntschaft Nikolaus Ludwig von Zinzendorfs gemacht, der im sächsischen Herrnhut bei Görlitz die Brüdergemeine, eine Lebensgemeinschaft auf religiöser Basis, gegründet hatte. Die generelle Allianz zwischen Thron und Altar hielt allerdings länger. Noch bis ins 19. Jahrhundert versuchten die brandenburgischen Könige religiöse Leitlinien vorzugeben. Friedrich Wilhelm III. setzte einen weiteren Markstein, indem er 1817 die Reformierte und die Lutherische Kirche vereinte. Praktische Fragen des Kultus, der Gottesdienstordnung und der Ausgestaltung von Kirchen führten zu einigen Auseinandersetzungen, da Reformierte und Lutheraner ihre je eigenen Traditionen hatten. Der König erwies sich in der Versorgung seiner Untertanen mit religiöser Unterweisung zudem als praktisch und sparsam denkender Baumeister. 1825 beauftragte er Karl Friedrich Schinkel, einen Prototyp für eine Einheitskirche zu entwerfen, die in verschiedenen Dörfern und ländlichen Gemeinden günstig gebaut werden sollte. Vorbild für Schinkels Musterkirche war zunächst die Sankt-Nicolai-Kirche in der Magdeburger Neustadt; ein späterer Entwurf hatte wohl die Kirche in Nakel im Herzogtum Posen zum Vorbild. Nach Schinkels Vorbild gebaute Kirchen sind jene in Sophiental im Oderbruch oder in Wuthenow. Ein nicht uninteressantes Bauprogramm Friedrich Wilhelms III., eine Rationalisierung im Namen des Kultes – dies war die Allianz von Thron und Altar, in einem Gebäude sichtbar gemacht.

Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über Preußen

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