Читать книгу Vorträge über das Johannes-Evangelium, Band 2 - Augustinus von Hippo - Страница 14
48. Vortrag
ОглавлениеEinleitung.
Achtundvierzigster Vortrag.
Von der Stelle an: „Es wurde aber das Fest der Tempelweihe zu Jerusalem begangen“, bis dahin: „Alles aber, was Johannes von diesem gesagt hatte, war wahr; und viele glaubten an ihn“. Joh. 10, 22―42.
1.
Was wir eurer Liebe schon eindringlich gesagt haben, müßt ihr dauernd im Gedächtnis behalten, daß nämlich der heilige Evangelist Johannes nicht wolle, daß wir immer nur mit Milch uns nähren, sondern feste Speisen genießen sollen. Wer immer jedoch zur Entgegennahme der festen Speise des göttlichen Wortes noch weniger geeignet ist, der lasse sich durch die Milch des Glaubens nähren und zögere nicht zu glauben, was er nicht verstehen kann. Denn der Glaube ist ein Verdienst, das Verständnis der Lohn. Gerade bei der Arbeit angestrengten Denkens schwitzt der Scharfsinn unseres Geistes, um die Flecken menschlichen Nebels abzustreifen und sich zu klären für das Wort Gottes. Man lehne also die Mühe nicht ab, wenn Lust und Liebe vorhanden ist; ihr wißt ja, daß, wer liebt, keine Mühe empfindet. Denn alle Mühe ist nur denjenigen beschwerlich, denen es an Lust und Liebe gebricht. Wenn bei den Geizigen die Habsucht so viele Mühen auf sich nimmt, sollte dann bei uns die Liebe sie nicht auf sich nehmen?
2.
Gebt acht auf das Evangelium: „Als aber das Fest der Tempelweihe in Jerusalem begangen wurde“. Encaenia ist das Fest der Tempelweihe. Im Griechischen heißt nämlich* καινόν* [kainon] neu. Wann immer etwas Neues eingeweiht wurde, nannte man es encaenia. Bereits hat auch schon der gewöhnliche Sprachgebrauch dieses Wort. Wenn jemand ein neues Kleid anzieht, so nennt man es encaeniare. Jenen Tag nämlich, an dem der Tempel eingeweiht wurde, begingen die Juden in festlicher Weise. Eben dieser Festtag wurde gefeiert, als der Herr das vorhin Verlesene sprach.
3.
„Es war Winter. Und Jesus wandelte im Tempel in der Halle Salomos. Es umringten ihn nun die Juden und sagten: Wie lange hältst Du unsere Seele hin? Wenn Du Christus bist, so sage es uns offen.“ Nicht nach Wahrheit verlangten sie, sondern auf eine List sannen sie. „Es war Winter“, und sie waren kalt; denn zu jenem göttlichen Feuer hinzuzutreten, waren sie zu träge. Aber hinzutreten heißt glauben; wer glaubt, tritt hinzu; wer widerstrebt, tritt zurück. Die Seele bewegt sich nicht mit Füßen, sondern durch Affekte. Sie waren kalt im Streben nach Liebe und brannten vor Verlangen zu schaden. Sie waren weit fort und waren nahe dabei; sie traten nicht im Glauben hinzu und drängten sich verfolgungssüchtig heran. Sie hätten gern vom Herrn hören mögen: Ich bin Christus, und hatten vielleicht Christus nur nach seiner menschlichen Seite im Auge. Die Propheten hatten zwar die Gottheit Christi verkündet, allein die Gottheit Christi in den Propheten und sogar im Evangelium verstehen nicht einmal die Häretiker, um wieviel weniger die Juden, solange der Schleier über ihrem Herzen ist?1341 Mit einem Worte, an einer Stelle hat der Herr Jesus, da er wußte, daß sie Christus nur nach seiner Menschheit, nicht nach seiner Gottheit auffaßten, nach dem, was er als Mensch war, nicht nach dem, was er als Gott auch nach Annahme der Menschheit blieb, zu ihnen gesagt: „Was haltet ihr von Christus? Wessen Sohn ist er?“ Sie antworteten gemäß ihrer Meinung: „Davids“. Denn so hatten sie gelesen, und dies allein hielten sie fest, weil sie seine Gottheit zwar lasen aber nicht verstanden. Der Herr aber, um sie anzuhalten, daß sie die Gottheit desjenigen suchen möchten, dessen Schwäche sie verachteten, antwortete ihnen: „Wie nennt ihn also David im Geiste Herr, indem er sagt: Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze Dich zu meiner Rechten, bis ich Deine Feinde zu Deinen Füßen lege? Wenn ihn also David im Geiste Herr nennt, wie ist er sein Sohn?“1342. Er hat nichts verneint, sondern nur gefragt. Niemand meine, wenn er dies hört, daß der Herr Jesus verneint habe, er sei der Sohn Davids. Wenn Christus der Herr als Sohn Davids sich verneinte, so würde er nicht die ihn so anrufenden Blinden erleuchten. Er ging nämlich einmal vorüber, und zwei am Wege sitzende Blinde riefen: „Erbarme Dich unser, Sohn Davids“. Als er dieses Wort hörte, hatte er Mitleid, blieb stehen, heilte und gab das Augenlicht1343, weil er den Namen anerkannte. Auch der Apostel Paulus sagt: „Der ihm geworden ist aus dem Samen Davids nach dem Fleische“1344, und an Timotheus: „Sei eingedenk, daß Jesus Christus auferstanden ist von den Toten aus dem Samen Davids nach meinem Evangelium“1345. Denn vom Samen Davids stammte die Jungfrau Maria, daher kam der Herr vom Samen Davids.
4.
Um das fragten die Juden Christus als um etwas Großes, damit sie ihn, wenn er sagte: Ich bin Christus, sofern sie eben nur an den Samen Davids dachten, verleumden könnten, daß er sich königliche Macht anmaße. Es ist mehr, was er ihnen antwortete; jene wollten ihn wegen des Ausdruckes „Sohn Davids“ verleumden; er antwortete, er sei der Sohn Gottes. Und wie? Höret. „Jesus antwortete ihnen: Ich rede zu euch, und ihr glaubt nicht; die Werke, die ich im Namen meines Vaters tue, diese geben Zeugnis von mir, aber ihr glaubt nicht, weil ihr nicht von meinen Schafen seid“. Schon weiter oben1346 habt ihr erfahren, wer die Schafe sind; ihr sollt Schafe sein. Schafe sind sie, wenn sie glauben; Schafe sind sie, wenn sie dem Hirten folgen; Schafe sind sie, wenn sie den Erlöser nicht verachten; Schafe sind sie, wenn sie durch die Türe eingehen; Schafe sind sie, wenn sie ausgehen und Weide finden; Schafe sind sie, wenn sie das ewige Leben genießen. Wie hat er also zu jenen gesagt: „Ihr seid nicht von meinen Schafen“? Weil er wußte, daß sie zum ewigen Untergang vorherbestimmt und nicht zum ewigen Leben durch den Preis seines Blutes erkauft seien.
5.
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen das ewige Leben.“ Siehe, das ist die Weide. Wenn ihr euch erinnert, so hatte er weiter oben gesagt: „Er wird eingehen und ausgehen und wird Weide finden“. Wir sind eingegangen, indem wir glaubten; wir werden ausgehen, indem wir sterben. Aber wie wir durch die Türe des Glaubens eingegangen sind, so müssen wir als Gläubige vom Leibe ausgehen; denn* so* gehen wir durch die Türe selbst aus, daß wir Weide finden können. „Gute Weide“ heißt das ewige Leben; da verdorrt kein Kraut, da grünt alles, blüht alles. Man pflegt ein gewisses Gewächs „Immergrün“ zu nennen; dort findet sich nur Leben. „Das ewige Leben“, sagt er, „werde ich ihnen geben“. Ihr sucht deshalb nach einer Verleumdung, weil ihr an das gegenwärtige Leben denkt.
6.
„Und sie werden nicht verloren gehen in Ewigkeit“; du hörst dazwischen heraus, als hätte er gesagt: Ihr werdet auf ewig verloren gehen, weil ihr nicht aus meinen Schafen seid. „Es wird sie niemand aus meiner Hand rauben.“ Vernehmet aufmerksamer: „Was mein Vater mir gegeben, ist größer als alles“. Was vermag der Wolf? Was vermögen Diebe und Räuber? Sie verderben nur diejenigen, die zum Untergang vorherbestimmt sind. Von jenen Schafen aber, von welchen der Apostel sagt: „Der Herr kennt die Seinigen“1347, und: „Die er vorherwußte, die hat er auch vorherbestimmt; die er aber vorherbestimmte, die hat er auch berufen; die er aber berief, die hat er auch gerechtfertigt; die er aber rechtfertigte, die hat er auch verherrlicht“1348, ― von diesen Schafen raubt weder der Wolf, noch nimmt der Dieb, noch tötet der Räuber eines. Sicher ist er über ihre Zahl, der da weiß, was er für sie gegeben hat. Und das meint er, wenn er sagt: „Es wird sie niemand aus meiner Hand rauben“, und desgleichen, wenn er zum Vater spricht: „Was mir mein Vater gegeben hat, ist größer als alles“. Was hat der Vater dem Sohne gegeben, was größer ist als alles? Daß er ihm der eingeborene Sohn Gottes sei. Was heißt also: „Er hat gegeben“? War der schon, dem er gab, oder hat er durch Zeugung gegeben? Denn wenn der schon war, dem er das Sohnsein erst gab, dann war er einmal, war aber nicht Sohn. Das sei ferne, daß Christus der Herr einmal war und nicht Sohn war. Von uns kann das gesagt werden: wir waren einmal Menschenkinder, aber wir waren keine Gotteskinder. Denn uns hat zu Söhnen Gottes die Gnade gemacht, jenen die Natur, weil er so geboren ist. Und es ist nicht an dem, daß du sagen kannst: Er war nicht, bevor er geboren wurde; denn es gab keine Zeit, wo der noch nicht geboren war, der mit dem Vater gleichewig war. Wer verständig ist, fasse es; wer es nicht faßt, der glaube es, lasse sich nähren, und er wird es fassen. Das Wort Gottes ist immer beim Vater und immer das Wort, und weil Wort, darum Sohn. Immer also ist der Sohn und immer gleich. Denn nicht dadurch, daß er wächst, sondern dadurch, daß er geboren wird, ist der gleich, der immer vom Vater als Sohn geboren ist, Gott von Gott, gleichewig vom Ewigen. Der Vater aber ist nicht vom Sohne Gott; der Sohn ist vom Vater Gott; darum hat der Vater dem Sohne durch die Zeugung gegeben, daß er Gott wäre, durch Zeugung ihm gegeben, daß er mit ihm gleichewig wäre, durch Zeugung ihm gegeben, daß er gleich wäre. Das ist es, was größer ist als alles. Wie* ist* der Sohn das Leben und* hat* der Sohn das Leben? Was er hat, das ist er; du bist etwas anderes, hast etwas anderes. Z. B. du hast Weisheit; bist du etwa die Weisheit selbst? Kurz, weil du nicht bist, was du hast, so kehrst du, wenn du verlierst, was du hast, zum Nichthaben zurück; bald gewinnst du es, bald verlierst du es; wie auch unser Auge nicht in sich selbst unzertrennlich das Licht hat, es öffnet sich und faßt es, es schließt sich und verliert es. Nicht so ist Gott, der Sohn Gottes, nicht so ist das Wort des Vaters, nicht so ist das Wort, das nicht im Erklingen vergeht, sondern mittels Zeugung bleibt. Er hat so die Weisheit, daß er selbst die Weisheit ist und weise macht; er hat so das Leben, daß er das Leben ist und lebendig macht. Das ist es, was größer ist als alles. Es beschaute der Evangelist Johannes den Himmel und die Erde, da er vom Sohne Gottes reden wollte; er beschaute und überstieg sie; er betrachtete über dem Himmel die Tausende der Heerschar von Engeln; er betrachtete und überstieg, wie ein Adler die Wolken, mit seinem Geiste die gesamte Schöpfung; er überstieg alles Große, drang empor bis zu dem, was größer ist als alles, und sprach: „Im Anfang war das Wort“. Aber weil der, dessen Wort es ist, nicht vom Worte ist, das Wort aber von dem ist, dessen Wort es ist, darum sprach er: „Was der Vater mir gegeben hat“, d. h. sein Wort zu sein, sein eingeborener Sohn zu sein, sein Abglanz zu sein, „ist größer als alles“. Deshalb sagt er: „Niemand raubt meine Schafe aus meiner Hand. Niemand kann sie aus der Hand meines Vaters rauben“.
7.
„Von meiner Hand“ und „von der Hand meines Vaters.“ Was ist das: „Niemand raubt aus meiner Hand“, und „niemand raubt aus der Hand meines Vaters“? Hat der Vater und der Sohn nur* eine* Hand, oder ist vielleicht der Sohn die Hand seines Vaters? Wenn wir unter der Hand die Macht verstehen, so ist die Macht des Vaters und des Sohnes nur eine, weil die Gottheit nur* eine* ist; wenn wir aber die Hand so verstehen, wie es beim Propheten heißt: „Und der Arm des Herrn ― wem ist es geoffenbart?“1349 so ist die Hand des Vaters der Sohn selbst. Das ist nicht so gemeint, als hätte Gott eine menschliche Gestalt oder gleichsam Glieder des Leibes, sondern es heißt so, weil alles durch ihn geworden ist. Denn auch die Menschen pflegen andere Menschen, durch welche sie ihren Willen ausführen, ihre Hände zu nennen. Bisweilen wird auch das Werk des Menschen selbst die Hand des Menschen genannt, weil es durch die Hand geschieht, wie man ja auch sagt, es erkenne jemand seine Hand, wenn er das von ihm Geschriebene anerkennt. Da man also auf mancherlei Weise auch von der Hand des Menschen spricht, der unter den Gliedern seines Leibes im eigentlichen Sinne eine Hand hat, um wieviel mehr ist es nicht auf einerlei Weise zu verstehen, wenn man von der Hand Gottes liest, der keine körperliche Gestalt hat? Und deshalb verstehen wir an unserer Stelle unter der Hand des Vaters und des Sohnes besser die Macht des Vaters und des Sohnes, damit nicht, wenn wir hier die Hand des Vaters als den Sohn selbst auffassen, das fleischliche Denken anfange, auch vom Sohne selbst einen Sohn zu suchen, den es gleichfalls für die Hand Christi hält. Also „niemand raubt von der Hand meines Vaters“, heißt dies: Niemand raubt mir.
8.
Aber damit du nicht etwa noch schwankest, höre, was folgt: „Ich und der Vater sind eins“. Bis hierher konnten es die Juden noch ertragen; sie hörten: „Ich und der Vater sind eins“, und sie ertrugen es nicht mehr, und hart, wie sie waren, liefen sie zu den Steinen. „Sie nahmen Steine, um ihn zu steinigen“. Der Herr, der nicht litt, was er nicht leiden wollte, und nur litt, was er leiden wollte, redet sie noch an, da sie ihn zu steinigen verlangten. „Die Juden hoben Steine auf, um ihn zu steinigen. Jesus sprach zu ihnen: Viele gute Werke habe ich euch gezeigt von meinem Vater; wegen welches dieser Werke steinigt ihr mich? Und sie antworteten: Wegen eines guten Werkes steinigen wir Dich nicht, sondern wegen der Gotteslästerung, und weil Du, obwohl Du ein Mensch bist, Dich selbst zu Gott machst.“ Das war die Antwort auf seine Äußerung: „Ich und der Vater sind eins“. Siehe, die Juden verstanden, was die Arianer nicht verstehen. Deshalb nämlich wurden sie aufgebracht, weil sie fühlten, es könne nur da gesagt werden: „Ich und der Vater sind eins“, wo Gleichheit zwischen Vater und Sohn vorhanden ist.
9.
Sehet nun aber zu, was der Herr diesen Leuten von langsamer Fassungskraft antwortete. Er erkannte, daß sie den Glanz der Wahrheit nicht ertrugen, und milderte ihn in seinen Worten: „Steht nicht in eurem Gesetze“, d. h. in dem euch gegebenen Gesetze, „geschrieben: Ich habe gesagt: Ihr seid Götter?“ Gott sagt durch den Propheten im Psalme zum Menschen: „Ich habe gesagt: Ihr seid Götter“1350. Als Gesetz bezeichnete der Herr im allgemeinen alle jene Schriften, obwohl er anderswo das Gesetz besonders nennt und dasselbe von den Propheten unterscheidet, wie z. B.: „Das Gesetz und die Propheten bis auf Johannes“1351, und: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten“1352. Gelegentlich aber teilt er dieselben Schriften in drei Klassen, wo er sagt: „Es mußte sich alles erfüllen, was von mir geschrieben ist in dem Gesetze, in den Propheten und den Psalmen“1353. Jetzt aber bezeichnete er auch die Psalmen mit dem Namen „Gesetz“, wo es heißt: „Ich habe gesagt: Ihr seid Götter. Wenn er jene Götter nannte, an die das Wort Gottes gerichtet wurde, und die Schrift nicht aufgehoben werden kann, wie sprecht ihr zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat: Du lästerst, weil ich gesagt habe: Ich bin der Sohn Gottes“? Wenn das Wort Gottes an Menschen ergangen ist, daß sie Götter genannt wurden, wie sollte dann nicht das Wort Gottes selbst, welches bei Gott ist, Gott sein? Wenn durch die Anrede Gottes Menschen Götter werden, wenn sie durch Teilnahme Götter werden, ist dann der, an welchem sie teilnehmen, nicht Gott? Wenn die erleuchteten Lichter Götter sind, ist dann das Licht, welches erleuchtet, nicht Gott? Wenn die gleichsam durch ein heilsames Feuer Erwärmten zu Göttern werden, ist dann der, von dem sie erwärmt werden, nicht Gott? Du trittst zum Lichte hin und wirst erleuchtet und unter die Söhne Gottes gezählt; wenn du dich vom Lichte entfernst, wirst du verdunkelt und unter die Finsternis gerechnet; jenes Licht jedoch tritt nicht zu sich hinzu, weil es von sich nicht zurückweicht. Wenn also euch die Anrede Gottes zu Göttern macht, wie sollte dann nicht das Wort Gottes Gott sein? Der Vater also hat seinen Sohn geheiligt und in die Welt gesandt. Vielleicht sagt einer: Wenn der Vater ihn geheiligt hat, dann war er also einmal nicht heilig? So hat er ihn geheiligt, wie er ihn gezeugt hat. Daß er nämlich heilig sei, hat er ihm durch die Zeugung gegeben, weil er ihn als heilig zeugte. Denn wenn, was geheiligt ward, vorher nicht heilig war, wie sagen wir dann zu Gott dem Vater: „Geheiligt werde Dein Name“1354?
10.
„Wenn ich nicht die Werke meines Vaters tue, so glaubet mir nicht; wenn ich sie aber tue, und wenn ihr mir nicht glauben wollt, so glaubet den Werken, damit ihr erkennet und glaubet, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.“ Nicht so sagt der Sohn: In mir ist der Vater und ich in ihm, wie es die Menschen sagen können. Wenn wir nämlich recht denken, sind wir in Gott; und wenn wir recht leben, ist Gott in uns; als Gläubige an seiner Gnade teilnehmend, von ihm erleuchtet, sind wir in ihm und er in uns. Aber nicht so der eingeborene Sohn, er ist im Vater und der Vater in ihm, als der Gleiche in dem, dem er gleich ist. Kurz, wir können ja wohl sagen: Wir sind in Gott, und Gott ist in uns; könnten wir etwa auch sagen: Ich und Gott sind eins? Du bist in Gott, weil Gott dich umschließt; Gott ist in dir, weil du ein Tempel Gottes geworden bist; aber kannst du etwa, weil du in Gott bist, und Gott in dir ist, sagen: Wer mich sieht, sieht Gott, wie der Eingeborene gesagt hat: „Wer mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen“1355, und: „Ich und der Vater sind eins“1356? Erkenne das Eigentum des Herrn und das Geschenk des Knechtes. Das Eigentum des Herrn ist die Gleichheit mit dem Vater, das Geschenk des Knechtes ist die Teilnahme am Heiland.
11.
„Sie suchten ihn nun zu ergreifen.“ Daß sie ihn nur ergreifen würden, aber so, daß sie an ihn glauben und ihn verstehen, nicht so, daß sie gegen ihn wüten und ihn töten. Denn jetzt, meine Brüder, da ich solches rede, als ein Schwacher Starkes, als ein Kleiner Großes, als ein Gebrechlicher Kräftiges ―, sowohl ihr, die ihr gleichsam aus derselben Masse seid wie ich, als auch ich selbst, der ich zu euch rede, wir alle wollen Christus ergreifen. Was heißt ergreifen? Hast du verstanden, so hast du ergriffen. Aber nicht so die Juden; du hast ihn ergriffen, um ihn zu haben; jene wollten ihn ergreifen, um ihn nicht zu haben. Und da sie ihn in solcher Weise ergreifen wollten, was hat er ihnen getan? „Er entging ihren Händen.“ Sie ergriffen ihn nicht, weil sie nicht die Hände des Glaubens hatten. „Das Wort ist Fleisch geworden“, aber es war für das Wort nichts Großes, sein Fleisch den Händen des Fleisches zu entziehen. Mit dem Geiste das Wort ergreifen, das heißt Christus recht ergreifen.
12.
„Und er begab sich wieder jenseits des Jordans, an den Ort, wo Johannes zuerst getauft hatte, und blieb dort. Und es kamen viele zu ihm und sagten: Johannes hat zwar kein Zeichen getan.“ Ihr erinnert euch, wie euch von Johannes gesagt wurde, daß er eine Leuchte war und dem Tage Zeugnis gab1357. Was sagten also jene bei sich: „Johannes hat kein Zeichen getan“? Kein Wunder, sagen sie, hat Johannes zu schauen gegeben; er hat keine Teufel ausgetrieben, kein Fieber verscheucht, keine Blinden sehend gemacht, keine Toten erweckt, nicht so viele tausend Menschen mit fünf oder sieben Broten gespeist, nicht den Winden und Wogen geboten, er ist nicht auf dem Meere gewandelt; von all dem hat Johannes nichts getan, und alles, was er sagte, war ein Zeugnis für diesen. Durch die Leuchte sollen wir zum Lichte kommen. „Johannes hat kein Zeichen getan; alles aber, was Johannes von diesem sagte, war wahr.“ Siehe, diese ergriffen ihn, nicht wie die Juden. Die Juden wollten ihn ergreifen als einen, der weggeht, diese ergriffen ihn als einen, der bleibt. Schließlich was folgt noch? „Und viele glaubten an ihn.“