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42. Vortrag
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Zweiundvierzigster Vortrag.
Von da an: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid, aber ihr suchet mich zu töten“, bis dahin: „Darum höret ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid“. Joh. 8, 37―47.
1.
Unser Herr, auch in der Knechtsgestalt nicht Knecht, sondern auch in der Knechtsgestalt Herr (jene Fleischesgestalt war nämlich zwar die des Knechtes, aber obwohl es dem Fleische der Sünde ähnlich war1180, so war es doch nicht ein Fleisch der Sünde), verhieß den an ihn Glaubenden die Freiheit; allein die Juden, die auf* ihre* Freiheit stolz waren, verschmähten es, frei zu werden, da sie doch Sklaven der Sünde waren. Für frei hielten sie sich aber deshalb, weil sie Abrahams Same waren. Was ihnen nun der Herr darauf antwortete, haben wir bei der Verlesung des heutigen Lesestückes vernommen. „Ich weiß“, sagt er, „daß ihr Kinder Abrahams seid, aber ihr suchet mich zu töten, weil mein Wort in euch nicht Raum faßt“. Ich erkenne euch an, sagt er: „Ihr seid Kinder Abrahams, aber ihr suchet mich zu töten“. Ich anerkenne den Ursprung des Fleisches, nicht den Glauben des Herzens. „Ihr seid Kinder Abrahams“, aber nach dem Fleische. Deshalb, sagt er, „suchet ihr mich zu töten“, denn „mein Wort faßt in euch nicht Raum“. Wenn mein Wort erfaßt würde1181, würde es (euch) fassen; wenn ihr erfaßt würdet, so würdet ihr in den Netzen des Glaubens wie Fische eingeschlossen werden. Was heißt also: „Es faßt nicht Raum“? Es erfaßt nicht euer Herz, weil es von eurem Herzen nicht aufgenommen wird. So nämlich ist das Wort Gottes und so muß es für die Gläubigen sein wie die Angel für den Fisch; dann erfaßt es, wenn es erfaßt wird. Und es widerfährt denen kein Leid, welche erfaßt (gefangen) werden; denn sie werden zum Heile, nicht zum Verderben erfaßt (gefangen). Darum sagt der Herr zu seinen Jüngern: „Folget mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen“1182. Jene also waren nicht von solcher Art, und doch waren sie Kinder Abrahams, Söhne des Mannes Gottes, ungerechte Menschen. Denn sie stammten von ihm zwar dem Fleische nach, aber sie waren entartet, indem sie nicht den Glauben dessen nachahmten, dessen Söhne sie waren.
2.
Ihr habt nun wohl den Herrn sagen hören: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid“; höret, was er hernach sagt: „Ich rede, was ich bei meinem Vater gesehen habe; und ihr tut, was ihr bei eurem Vater gesehen habt“. Eben hatte er gesagt: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid“. Was aber tun sie? Was er ihnen gesagt hat: „Ihr suchet mich zu töten“. Das haben sie bei Abraham niemals gesehen. Der Herr aber will Gott den Vater verstanden wissen, wenn er sagt: „Was ich beim Vater gesehen habe, rede ich“. Die Wahrheit habe ich gesehen, die Wahrheit rede ich, weil ich die Wahrheit bin. Wenn nämlich der Herr die Wahrheit redet, die er beim Vater gesehen hat, so hat er sich gesehen, redet er von sich, weil er selbst die Wahrheit des Vaters ist, die er beim Vater gesehen hat; denn er ist das Wort, welches war bei Gott. Wo haben nun diese das Böse, was sie tun und was der Herr ihnen vorwirft und tadelt, gesehen? Bei ihrem Vater. Wenn wir im folgenden eine genauere Angabe darüber vernehmen werden, wer ihr Vater sei, dann werden wir erkennen, was sie bei diesem Vater gesehen haben; denn vorläufig nennt er ihren Vater nicht. Weiter oben hat er den Abraham erwähnt, aber mit Bezug auf den Ursprung des Fleisches, nicht wegen der Ähnlichkeit des Lebens; er will einen andern Vater derselben nennen, der sie weder erzeugt noch zu Menschen erschaffen hat, aber dennoch waren sie seine Kinder, sofern sie böse waren, nicht sofern sie Menschen waren, sofern sie Nachahmer, nicht sofern sie Geschöpfe waren.
3.
„Sie antworteten und sagten zu ihm: Unser Vater ist Abraham“, als wollten sie sagen: Was willst Du gegen Abraham sagen? oder: Wenn Du etwas kannst, nimm Dir den Mut, Abraham zu tadeln. Nicht daß der Herr nicht den Mut hatte, den Abraham zu tadeln, sondern Abraham war von der Art, daß er vom Herrn nicht Tadel, sondern vielmehr Lob verdiente; doch diese schienen ihn herausfordern zu wollen, daß er etwas Schlechtes von Abraham sage, und so ein Anlaß gegeben wäre, das zu tun, was sie im Sinne hatten. „Unser Vater ist Abraham“.
4.
Vernehmen wir, wie der Herr ihnen antwortete, indem er, sie verurteilend, Abraham lobte: „Jesus spricht zu ihnen: Wenn ihr Kinder Abrahams seid, dann tuet die Werke Abrahams. Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit sagte, die ich von Gott gehört habe; dies hat Abraham nicht getan“. Siehe, dieser wird gelobt, jene werden verurteilt. Abraham war kein Mörder. Ich sage nicht, spricht er: Ich bin der Herr Abrahams, womit ich, würde ich es sagen, nur die Wahrheit sagen würde. Denn er sagte anderswo: „Ich bin vor Abraham“1183; da wollten sie ihn steinigen; dies sagte er nicht. Vorläufig bin ich, was ihr seht, was ihr erblickt, wofür ihr allein mich haltet ― ein Mensch. Warum wollt ihr einen Menschen, der euch die Wahrheit, die er von Gott gehört hat, gesagt, töten, als weil ihr nicht Söhne Abrahams seid? Und doch hatte er vorher gesagt: „Ich weiß, daß ihr Kinder Abrahams seid“. Er bestreitet nicht ihren Ursprung, aber er verurteilt ihre Werke; dem Fleische nach waren sie von ihm, aber ihr Leben war nicht nach ihm.
5.
Wir aber, Teuerste, stammen wir etwa von dem Geschlechte Abrahams, oder war Abraham auf irgendeine Weise unser Vater nach dem Fleische? Von seinem Fleische stammt das Fleisch der Juden, nicht das Fleisch der Christen; wir stammen von andern Völkern ab, und doch sind wir durch Nachahmung Kinder Abrahams geworden. Höre den Apostel: „Dem Abraham wurden die Verheißungen gemacht und seinem Samen. Es heißt nicht“, sagt er, „und* den* Samen, als in vielen, sondern als in einem: und deinem Samen, d. i. Christus. Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr also der Same Abrahams, nach der Verheißung Erben“1184. Wir sind also Same Abrahams geworden durch die Gnade Gottes. Nicht aus dem Fleische Abrahams hat ihm Gott Miterben gemacht. Die einen hat er enterbt, die andern an Kindes Statt angenommen, und von jenem Ölbaum, dessen Wurzel in den Patriarchen ist, die stolzen natürlichen Zweige abgeschnitten und den wilden Ölzweig eingepflanzt1185. Als darum die Juden zu Johannes kamen, um sich taufen zu lassen, fuhr er sie an und sprach zu ihnen: „Ihr Natterngezücht“. Ganz besonders nämlich prahlten sie mit der Hoheit ihrer Abstammung, er aber nannte sie ein Gezücht von Nattern, nicht einmal von Menschen, sondern von Nattern. Er sah die Gestalt von Menschen, aber er erkannte das Gift. Sie waren jedoch gekommen, um sich zu bekehren, da sie sich ja taufen lassen wollten, und er sprach zu ihnen: „Ihr Natterngezücht! Wer hat euch gezeigt, dem kommenden Zorne zu entfliehen? Bringet also würdige Früchte der Buße. Und sagt nicht bei euch selbst: Wir haben Abraham zum Vater! Denn Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken“1186. Wenn ihr nicht würdige Früchte der Buße bringet, so schmeichelt euch nicht mit jener Abstammung; Gott kann euch verdammen und den Abraham trotzdem der Nachkommenschaft nicht berauben. Denn er vermag Kinder Abrahams zu erwecken. Zu Kindern werden die Nachahmer seines Glaubens werden: „Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams erwecken“. Wir sind es; in unsern Voreltern waren wir Steine, da wir statt Gott Steine verehrten; aus solchen Steinen bereitete Gott dem Abraham eine Familie.
6.
Was erhebt sich also eitle und nichtige Prahlerei? Die Kinder Abrahams sollen einmal aufhören sich zu prahlen; sie hörten, was sie hören mußten: „Wenn ihr Kinder Abrahams seid“, so zeiget es durch Taten, nicht durch Worte. „Ihr suchet mich zu töten, einen Menschen“; vorderhand sage ich nicht: den Sohn Gottes, sage ich nicht: das Wort, weil das Wort nicht stirbt; ich nenne bloß das, was ihr seht, weil ihr das, was ihr seht, töten, und den, welchen ihr nicht seht, beleidigen könnt. Also „dies hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters“. Und noch sagt er nicht, wer ihr Vater sei.
7.
Was antworteten nun jene? Sie erkannten nämlich allmählich einigermaßen, daß der Herr nicht von der Abstammung des Fleisches, sondern von der Lebensführung rede. Und weil es die Gewohnheit der Schrift ist, die sie lasen, es in geistigem Sinne Hurerei zu nennen, wenn die gleichsam zur Unzucht hingegebene Seele vielen und falschen Göttern dient, so antworteten sie darauf: „Sie sagten also zu ihm: Wir sind nicht aus der Hurerei geboren, wir haben* einen* Vater, Gott“. Schon galt Abraham nichts mehr. Sie wurden nämlich abgewiesen, wie sie durch den Mund der Wahrheit abgewiesen werden mußten; denn Abraham war ein solcher, dessen Taten sie nicht nachahmten und mit dessen Geschlecht sie sich brüsteten. Und so änderten sie die Antwort, indem sie, glaube ich, bei sich selbst sagten: so oft wir den Abraham nennen, wird er uns entgegenhalten: Warum ahmt ihr dem nicht nach, mit dessen Geschlecht ihr prahlt? Wir können dem heiligen, gerechten, schuldlosen, großen Mann nicht nachahmen; nennen wir also Gott unsern Vater, wir wollen sehen, was er darauf erwidern wird.
8.
Die Falschheit fand ohne weiteres, was sie zu sagen hatte, und die Wahrheit sollte nicht finden, was sie antworten sollte? Laßt uns hören, was sie sagen; laßt uns hören, was sie zu hören bekommen. „Einen“, sagen sie, „haben wir zum Vater. Jesus also sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich gewiß lieben; ich bin nämlich von Gott ausgegangen und gekommen. Denn ich bin nicht von mir selbst gekommen, sondern jener hat mich gesandt.“ Ihr nennet Gott ― Vater, erkennet mich wenigstens als Bruder an. Aber doch erhob er den Einsichtigen das Herz und berührte das, was er häufig sagt: „Ich bin nicht von mir selbst gekommen, jener hat mich gesandt, von Gott bin ich ausgegangen und gekommen“. Erinnert euch an das, was wir oft sagen: Von ihm ist er gekommen, und* von* dem er gekommen ist,* mit* dem ist er gekommen. Christi Sendung also ist die Menschwerdung. Der Ausgang des Wortes von Gott ist ein ewiger Ausgang; bei dem trifft die Zeit nicht zu, durch den die Zeit geworden ist. Niemand sage in seinem Herzen: Bevor das Wort war, wie war es da Gott? Sage nie: Bevor das Wort Gottes war. Gott war nie ohne das Wort, weil das Wort etwas Bleibendes, nicht etwas Vorübergehendes ist, Gott, nicht ein Schall, derjenige, durch welchen Himmel und Erde gemacht worden ist, nicht etwas, das vergangen ist mit dem, was auf der Erde gemacht worden ist. Also es ist von ihm ausgegangen als Gott, als gleich, als einziger Sohn, als Wort des Vaters, und zu uns gekommen; denn das Wort ist Fleisch geworden, um unter uns zu wohnen1187. Sein Kommen ist seine Menschheit; sein Bleiben ist seine Gottheit; seine Gottheit ist das Ziel, dem wir zueilen, seine Menschheit der Weg, auf dem wir gehen. Wenn er für uns nicht der Weg geworden wäre, auf dem wir gehen, so würden wir nie zu ihm, dem Bleibenden, gelangen.
9.
„Warum“, sagt er, „kennet ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt.“ Darum konnten sie nicht erkennen, weil sie nicht hören konnten. Aber warum konnten sie nicht hören, als weil sie sich nicht bessern wollten durch Glauben? Und warum dies? „Der Vater, von dem ihr seid, ist der Teufel.“ Wie lange erwähnt ihr den Vater? Wie lange ändert ihr die Väter, bald den Abraham, bald Gott? Höret den Sohn Gottes, wessen Söhne ihr seid: „Der Vater, von dem ihr seid, ist der Teufel“.
10.
Hier nun muß man sich hüten vor der Irrlehre der Manichäer, welche behauptet, es gebe eine gewisse Natur des Bösen und ein Reich der Finsternis mit seinen Fürsten, das sich erkühnte, gegen Gott zu kämpfen; jener Gott aber habe, damit die feindselige Schar sein Reich nicht zerstöre, gegen dieselbe Fürsten von seinem Lichtreich gleichsam als seine Söhne gesendet, und diese Schar sei gänzlich besiegt worden, und davon komme der Teufel her. Von daher lassen sie auch unsern Leib stammen und in diesem Sinne sei, meinen sie, vom Herrn gesagt worden: „Der Vater, von dem ihr seid, ist der Teufel“, weil sie gleichsam von Natur böse wären, da sie ihren Ursprung aus der feindlichen Schar der Finsternis hätten. So irren sie, so verblenden sie sich, so machen sie sich selbst zu einer Schar der Finsternis, indem sie glauben, was falsch ist, wider den, von dem sie geschaffen sind. Denn jede Natur ist gut, aber die Natur des Menschen ist durch den bösen Willen verschlimmert worden. Was Gott gemacht hat, kann nicht böse sein, wenn der Mensch nicht selbst sich böse ist; aber allerdings der Schöpfer ist Schöpfer, das Geschöpf ist Geschöpf; das Geschöpf kann dem Schöpfer nicht gleichgesetzt werden. Unterscheidet den, der es gemacht hat, von dem, was er gemacht hat. Nicht gleich sein kann dem Schreiner die Bank, nicht gleich sein kann die Säule dem Erbauer, und doch hat der Schreiner, wenn er eine Bank anfertigte, das Holz nicht selbst geschaffen. Der Herr aber, unser Gott, hat, weil er allmächtig ist und durch das Wort machte, was er gemacht hat, zu allem, was er machte, nichts gehabt, woraus er es machte, und doch hat er es gemacht. Denn es ist geworden, weil er wollte; es ist geworden, weil er sprach, aber was geworden, kann mit dem Schöpfer nicht verglichen werden. Du suchst, was du (mit ihm) vergleichen könntest, anerkenne den einzigen Sohn. ― Wodurch also sind die Juden Kinder des Teufels? Durch Nachahmung, nicht durch Abstammung. Höret den Sprachgebrauch der Heiligen Schrift. Der Prophet sagt zu denselben Juden: „Dein Vater ist ein Amorrhäer, und deine Mutter eine Kethäerin“1188. Die Amorrhäer waren ein Volk, von dem die Juden nicht abstammten; auch die Kethäer waren ein Volk, das mit dem Stamme der Juden durchaus nichts gemein hatte. Allein weil die Amorrhäer und Kethäer gottlos waren, die Juden aber ihre Gottlosigkeiten nachahmten, nahmen sie sich Eltern, von denen sie zwar nicht abstammten, deren Sitten sie aber nachahmten, so daß sie gleichfalls verdammt wurden. Ihr fragt aber vielleicht, woher der Teufel selbst sei? Von daher natürlich, woher auch die übrigen Engel sind. Aber die übrigen Engel verharrten in ihrem Gehorsam; jener ist durch Ungehorsam und Stolz als Engel gefallen und ein Teufel geworden.
11.
Aber nunmehr vernehmet, was der Herr sagt: „Ihr“, spricht er, „habt den Teufel zum Vater und wollt die Gelüste eures Vaters tun.“ Siehe, warum ihr seine Söhne seid; weil ihr nämlich solche Gelüste habt, nicht weil ihr von ihm abstammt. Welches sind seine Gelüste? „Er war ein Mörder von Anbeginn.“ Siehe, was es heißt: „Ihr wollt die Gelüste eures Vaters tun; ihr suchet mich zu töten, einen Menschen, der euch die Wahrheit sagt“. Auch jener beneidete den Menschen und tötete den Menschen. Denn da der Teufel den Menschen beneidete, redete er in der Hülle einer Schlange zum Weibe und mit dem Weibe vergiftete er auch den Mann. Sie starben, weil sie auf den Teufel hörten1189, auf den sie nicht gehört hätten, wenn sie hätten den Herrn hören wollen. Es stand ja der Mensch zwischen dem, der ihn erschuf, und dem, der fiel; er sollte dem Schöpfer gehorchen, nicht dem Betrüger. Also „jener war ein Mörder von Anbeginn“. Betrachtet die Art des Mordes, Brüder! Ein Mörder heißt der Teufel1190; nicht mit dem Schwerte bewaffnet, mit dem scharfen Eisen umgürtet, kam er zum Menschen, ein böses Wort säte er und tötete ihn. Glaube also nicht, du seiest kein Mörder, wenn du deinem Bruder Böses einredest; wenn du deinem Bruder Böses einredest, tötest du ihn. Und damit du wissest, daß du ihn tötest, so höre den Psalmisten: „Die Menschenkinder ― ihre Zähne sind Waffen und Pfeile, und ihre Zunge ein scharfes Schwert“1191. Ihr also „wollt die Gelüste eures Vaters tun“; darum wütet ihr gegen das Fleisch, weil ihr nichts vermöget gegen den Geist. „Jener war ein Mörder von Anbeginn“, nämlich beim ersten Menschen. Seit jener Zeit war er ein Mörder, seitdem ein Mord stattfinden konnte; ein Mord konnte erst von da an stattfinden, als der Mensch geworden war. Denn es könnte kein Mensch ermordet werden, wenn nicht vorher ein Mensch geworden wäre. Also „jener war ein Mörder von Anbeginn“. Und warum ein Mörder? „Und er bestand nicht in der Wahrheit.“ Also er war in der Wahrheit, aber weil er darin nicht bestand, fiel er. Und warum „bestand er nicht in der Wahrheit“? „Weil die Wahrheit nicht in ihm ist.“ Nicht wie in Christus, der die Wahrheit so ist, daß Christus selbst die Wahrheit ist. Wenn er also in der Wahrheit bestanden wäre, so wäre er in Christus bestanden, aber „er bestand nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist“.
12.
„Wenn er Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater von ihr.“ Was heißt das? Ihr habt die Worte des Evangeliums gehört, ihr habt sie aufmerksam vernommen; siehe, ich wiederhole es, damit ihr erkennet, was ihr erwägen sollt. Vom Teufel hat der Herr das gesagt, was vom Teufel der Herr sagen mußte. „Er war ein Mörder von Anbeginn“; das ist wahr, denn er hat den ersten Menschen gemordet; „und er bestand nicht in der Wahrheit“, denn er fiel von der Wahrheit ab. „Wenn er Lüge redet“ ― natürlich der Teufel ―, „so redet er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater von ihr“1192. Betreffs dieser Worte haben einige gemeint, der Teufel habe einen Vater, und haben gefragt, wer der Vater des Teufels sei. Dieser verabscheuungswürdige Irrtum der Manichäer aber nimmt daraus immer noch einen Anlaß zur Täuschung Unerfahrener. Sie pflegen nämlich zu sagen: Angenommen, der Teufel sei ein Engel gewesen und gefallen (von ihm fing die Sünde an, wie ihr sagt): Wer war sein Vater? Wir dagegen urteilen ganz anders; denn wer von uns hat je gesagt, der Teufel habe einen Vater? Jene erwidern darauf: Der Herr sagt es, das Evangelium verkündet es, vom Teufel redend, spricht er: „Er war ein Mörder von Anbeginn und bestand nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist; wenn er Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen, weil ein Lügner ist auch sein Vater“.
13.
Höre, verstehe; ich schicke dich nicht weit fort, in den Worten selbst suche das Verständnis. Den Teufel nennt der Herr den Vater der Lüge. Was heißt das? Höre, was es heißt; betrachte nochmal die Worte und lerne sie verstehen. Nicht jeder nämlich, der lügt, ist der Vater seiner Lüge. Denn wenn du von einem andern eine Lüge vernommen und nachgesprochen hast, so hast du zwar gelogen, da du eine Lüge vorgebracht hast, aber der Vater der Lüge selbst bist du nicht, weil du die Lüge von einem andern übernommen hast. Der Teufel aber war aus sich selbst ein Lügner, er hat seine Lüge selbst erzeugt, er hat sie von niemand gehört. Wie Gott der Vater die Wahrheit als den Sohn erzeugte, so erzeugte der gefallene Teufel gleichsam als Sohn die Lüge. Nach Anhörung des Gesagten bedenke nunmehr und erwäge die Worte des Herrn; katholische Seele, gib acht, was du gehört, merke auf das, was er sagt. „Jener“ ― wer? der Teufel ― „war ein Mörder von Anbeginn.“ Wir verstehen: er hat den Adam gemordet. „Und er bestand nicht in der Wahrheit“. Wir verstehen; er ist ja von der Wahrheit abgefallen. „Denn die Wahrheit ist nicht in ihm.“ Ganz richtig; weil er von der Wahrheit abfiel, hat er die Wahrheit nicht. „Wenn er Lüge redet, redet er aus dem Eigenen.“ Nicht anderswoher nimmt er das, was er redet. „Wenn er Lüge redet, redet er aus dem Eigenen, weil er ein Lügner ist und der Vater von ihr.“ Er ist sowohl ein Lügner wie der Vater der Lüge. Denn du bist vielleicht ein Lügner, weil du Lüge redest, aber du bist nicht ihr Vater. Wenn du nämlich das, was du sagst, vom Teufel vernommen und dem Teufel geglaubt hast, so bist du ein Lügner, aber der Vater der Lüge bist du nicht; jener aber ist, weil er die Lüge, durch die er wie durch ein Gift nach Schlangenart den Menschen tötete, nicht von anderswoher empfangen hat, der Vater der Lüge, wie Gott der Vater der Wahrheit ist. Macht euch los vom Vater der Lüge, eilet hin zum Vater der Wahrheit, schließt euch an die Wahrheit an, damit ihr die Freiheit erlanget.
14.
Jene Juden also sahen bei* ihrem* Vater, was sie redeten; was anders als Lüge? Der Herr aber sah bei* seinem* Vater, was er reden sollte; was anders als sich selbst? Was anders als das Wort des Vaters? Was anders als die ewige Wahrheit des Vaters, die mit dem Vater gleichewige Wahrheit? „Jener also war ein Mörder von Anbeginn und bestand nicht in der Wahrheit, weil die Wahrheit nicht in ihm ist; wenn er Lüge redet, so redet er aus dem Eigenen, weil er ein Lügner ist“. Und nicht bloß ein Lügner ist er, sondern „auch der Vater von ihr“, das heißt von eben der Lüge, die er redet, ist er der Vater, weil er selbst seine Lüge erzeugt hat. „Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubet ihr mir nicht. Wer von euch kann mich einer Sünde zeihen?“ wie ich euch und euren Vater zeihe. „Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht?“ Nur weil ihr Söhne des Teufels seid.
15.
„Wer aus Gott ist, hört Gottes Wort; deshalb hört ihr es nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“ Wiederum sehet nicht auf die Natur, sondern auf die moralische Schuld. So sind diese aus Gott und nicht aus Gott: der Natur nach sind sie aus Gott, der eigenen Verschuldung nach sind sie nicht aus Gott. Ich bitte euch, gebet acht; im Evangelium habt ihr Heilmittel gegen die giftigen und verderblichen Irrtümer der Häretiker. Denn auch bezüglich dieser Worte pflegen die Manichäer zu sagen: Siehe, es gibt zwei Naturen, eine gute und eine böse, der Herr sagt es. Was sagt der Herr? „Deshalb hört ihr nicht (Gottes Wort), weil ihr nicht aus Gott seid.“ Dies sagt der Herr. Was also, sagt er (der Manichäer), antwortest du darauf? Höre, was ich antworte: Sie sind aus Gott, und sie sind nicht aus Gott; der Natur nach sind sie aus Gott, der eigenen Verschuldung nach sind sie nicht aus Gott. Die an sich gute Natur nämlich, die aus Gott ist, sündigte durch den Willen, indem sie glaubte, was der Teufel ihr einredete, und ward so schlecht. Darum verlangt sie nach dem Arzte; denn sie ist nicht gesund. Siehe, das sage ich. Aber es scheint dir unmöglich, daß sie aus Gott sind und nicht aus Gott sind; höre, daß es nicht unmöglich ist. So sind sie aus Gott und nicht aus Gott, wie sie Söhne Abrahams sind und nicht Söhne Abrahams sind. Da habt ihr es, ihr könnet nichts darauf erwidern. Höre den Herrn selbst, er sagte zu ihnen: „Ich weiß, daß ihr Söhne Abrahams seid“1193. Sollte etwa der Herr lügen? Das sei ferne. Ist also wahr, was der Herr gesagt hat? Es ist wahr. Es ist also wahr, daß sie Söhne Abrahams waren? Ja es ist wahr. Höre, wie er es selbst wieder verneint. Der gesagt hat: „Ihr seid Söhne Abrahams“, derselbe stellt in Abrede, daß sie Söhne Abrahams seien. „Wenn ihr Söhne Abrahams seid, so tuet die Werke Abrahams. Nun aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit sage, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters“, d. h. des Teufels. Wie nun waren sie Söhne Abrahams und doch wieder nicht Söhne Abrahams? Beides zeigte er an ihnen; sie waren Söhne Abrahams durch den Ursprung des Fleisches, und sie waren keine Söhne Abrahams durch die Schuld teuflischer Einflüsterung. So achtet auch auf unsern Herrn und Gott; sie waren aus ihm und waren doch wieder nicht aus ihm. Wie waren sie aus ihm? Weil er den Menschen erschaffen hat, aus dem sie geboren wurden. Wie waren sie aus ihm? Weil er der Urheber der Natur, der Schöpfer des Leibes und der Seele ist. Wie waren sie also nicht aus ihm? Weil sie durch sich selbst verkehrt geworden waren. Sie waren nicht aus ihm, weil sie, dem Teufel nachahmend, Söhne des Teufels geworden waren.
16.
Es kam also Gott der Herr zum Menschen, der ein Sünder war. Zwei Namen hast du gehört, Mensch und Sünder. Sofern er Mensch ist, ist er aus Gott; sofern er Sünder ist, ist er nicht aus Gott. Man halte Natur und Verderbtheit auseinander; man anerkenne die Natur, um den Schöpfer zu preisen; man anerkenne die Verderbtheit, um ihretwegen den Arzt zu suchen. Wenn also der Herr sagt: „Wer aus Gott ist, hört Gottes Wort; deshalb hört ihr es nicht, weil ihr nicht aus Gott seid“, so hat er damit nicht einen Wertunterschied der Naturen ausgesprochen oder außer* seiner* Seele und* seinem* Fleische eine Natur bei den Menschen gefunden, welche durch die Sünde nicht verderbt gewesen wäre, sondern weil er die in der Zukunft an ihn Glaubenden zum voraus erkannte, so hat er von diesen gesagt, sie seien aus Gott, da sie durch die Kindschaft der Wiedergeburt aus Gott geboren werden sollten. Auf diese bezieht sich: „Wer aus Gott ist, hört Gottes Wort“. Das Folgende aber: „Deshalb hört ihr es nicht, weil ihr nicht aus Gott seid“, gilt denen, die nicht bloß durch die Sünde verderbt waren (denn dieses Übel war allen gemeinsam), sondern von denen er auch vorherwußte, daß sie nicht glauben würden mit jenem Glauben, durch den sie allein vom Bande der Sünde befreit werden könnten. Darum wußte er von denen, zu welchen er solches sagte, vorher, daß sie in dem verharren würden, was sie aus dem Teufel waren, d. h. daß sie in ihren Sünden und ihrer Gottlosigkeit verharren würden, worin sie ihm ähnlich waren, und daß sie nicht zur Wiedergeburt gelangen würden, in der sie Kinder Gottes wären, d. h. aus Gott wiedergeboren, von dem sie als Menschen erschaffen worden waren. Im Sinne dieser Vorherbestimmung hat der Herr geredet, nicht daß er einen Menschen gefunden hätte, der entweder der Wiedergeburt nach bereits aus Gott gewesen wäre oder der Natur nach überhaupt nicht aus Gott wäre.