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Bekommen Mörder eigentlich einen Nachruf?

Und wie würde meiner wohl lauten?

Frau Sheyda Porroya aus Teheran, Iran, starb am 11. März 1999 an einem gebrochenen Genick, nachdem sie zum Tode durch den Strang verurteilt worden war.

Sheyda Porroya wurde am 1. April 1979 geboren, als einzige Tochter von Rustam (†) und Aresu (†) Porroya, die beide unter verschiedenen, aber ähnlich tragischen Umständen ums Leben gekommen sind. Nach ihrem Abschluss am Fatima-Zahra-Gymnasium bestand sie den Konkour mit Bestnoten und wurde zum

Studium zugelassen. Während ihres ersten und einzigen Jahrs an der Universität war sie eine fleißige Studentin, die Seminare in Persischer Geschichte und Mythologie, Englisch und Lyrik belegte und bei allen Kommilitonen und Dozenten, die das Glück hatten, diese unkonventionelle und leidenschaftliche junge Frau kennenzulernen, einen tiefen Eindruck hinterließ.

Sheyda war als unverbesserliche Träumerin bekannt. Sheyda, die ein äußerst freundliches Naturell besaß, war ein lebensfrohes, abenteuerlustiges Ding und erzählte furchtbar gern Geschichten. Sie glaubte unbeirrbar an die Liebe, an den Triumph der Liebe, an ewiges Glück und an rührselige Happy Ends. Und obwohl ihr frühzeitiger Tod, der durch das gerechte Urteil des Erhängens erfolgt ist, bedeutet, dass Sheyda ihren Traum, die ganze Welt zu lieben und sie auf ihre eigene fehlgeleitete Art zu retten, nicht verwirklichen konnte, war sie der festen Überzeugung, dass jeder Einzelne von uns irgendwann seine Sternstunde erlebt, und dass der Tod ihre Sternstunde sein würde.

In ihrer Freizeit widmete sich Sheyda mit bemerkenswertem Eifer ihren beiden Hobbys, dem Sammeln von Engelsfiguren und dem von Büchern, vor allem solchen, die von dem ebenso geheimnisvollen wie brillanten Mustafa Jafari übersetzt worden sind. Sie hatte eine große Begabung fürs Schreiben, auch wenn keiner ihrer Texte jemals veröffentlicht worden ist, aus politischer Korrektheit und wegen kultureller und religiöser Sensibilitäten. Einigen ihrer Texte wurde vorgeworfen, Hass und Feindseligkeit gegen das islamische Regime zu schüren, weshalb sie nach ihrem Tod verbrannt worden sind. Sheyda war eine leidenschaftliche Beobachterin sowohl von Vögeln als auch von Menschen, wobei ihr bewusst war, dass Vögel, was die Freiheit angeht, immer die Oberhand haben werden, oder in diesem Fall, wenn man so will, den Oberflügel.

Sheyda Porroya hinterlässt einen Teddybär, der auch ihr Zellengenosse war, eine treue Stoffpuppe namens Laleh, ein Universum, das für niemanden auch nur einen Moment innehält, und viele wunderschöne unsterbliche Träume.

Im düstern Wald werden unsre Leiber hängen

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