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Ein mutiger Entschluss

Soll ich das wirklich wagen? Mit leicht zitternder Hand hole ich das Papier aus dem Drucker und lese es immer wieder durch. „Hiermit kündige ich den mit Ihnen geschlossen Arbeitsvertrag zum 30.09.2019.“

Ein paar Tage später bringe ich das Schreiben in die Personalabteilung. Nun gibt es kein Zurück mehr. Nach zwei Jahren Fernbeziehung habe ich mich entschlossen, meinen sicheren Job im öffentlichen Dienst aufzugeben und nach Kanada zu gehen. Einerseits fühle ich mich befreit, andererseits bin ich auch voller Ängste. Wird das gut gehen? Kann ich mit über 50 tatsächlich mein bisheriges Leben aufgeben und in einem fernen Land noch einmal von vorn anfangen? Sowohl Daniel als auch ich haben die letzten Jahre alleine gelebt und uns daran gewöhnt, keine Kompromisse zu machen. Wir sind uns einig, dass ich meine Eigentumswohnung erst mal behalte, und nur mit zwei Koffern mit dem Touristenvisum nach Kanada komme. Ich bin gespannt auf mein neues Leben auf Probe.

Warum ich das mache? Viele emanzipierte Frauen werden jetzt vielleicht die Stirn runzeln und sich fragen, warum eine selbstbewusste, gut ausgebildete Frau wie ich alles hinschmeißt, um einem Mann in die kanadische Einöde zu folgen. Warum müssen es immer die Frauen sein, die dem Mann in die Ferne folgen und ihre gewohnte Umgebung aufgeben? Für mich aber liegt der Grund für mein Aufbrechen nicht allein darin, mit dem Mann, den ich liebe, zusammen zu sein. Seit ich in das Berufsleben nach meinem Studium eingestiegen bin, habe ich mich immer wieder gefragt, ob das jetzt alles ist. Ich habe Unmengen von Lebensratgebern gelesen, Seminare und Workshops zum Thema Selbstfindung besucht, eine Ausbildung zur Tanztherapeutin und später zur Fitnesstrainerin gemacht und war stets auf der Suche nach dem einen perfekten und sinnerfülltem Leben für mich. Ich fühle mich oft wie eine Art Jekyll and Hyde. Zwei Persönlichkeiten stecken in mir. Die eine möchte ein finanziell abgesichertes Leben, und die andere möchte Abenteuer, neue Herausforderungen und einen Beruf mit Leidenschaft ausüben. In dem Moment, als ich gekündigt habe, hat der risikofreudige und lebendige Part in mir sich durchgesetzt und die Stimmen der Vernunft gesteuerten und eher ängstlichen Persönlichkeit einfach ignoriert. Ob das gutgehen wird, weiß niemand. Ich weiß nur, dass ich es ausprobieren muss, weil ich mich sonst den Rest meines Lebens fragen würde, ob meine Entscheidung, in meinem alten Leben zu bleiben, richtig war. Es heißt, man bereut am Ende seines Lebens am meisten die Dinge, die man nicht gemacht hat. Ich habe für mich beschlossen, dass ich, wenn ich alt bin, à la Ediath Piaf aus vollem Herzen sagen können möchte: „Je ne regrette nien.“

Zwischen Fernweh und Heimweh

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