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WARUM WIR IMMER LÄNGER JUNG BLEIBEN

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Ob bessere Arbeitsbedingungen oder sehr gute medizinische Versorgung: Es gibt viele Gründe dafür, dass wir beim Älterwerden immer jünger bleiben können.

Unser Lebensstandard hat ein komfortables Maß angenommen. Hungersnöte, Kriege, Seuchen und Naturkatastrophen bedrohen die einzelnen Menschen und ihre Lebensbedingungen in hoch entwickelten, wohlhabenden Ländern kaum noch.

Wir nutzen gesundheitliche Vorsorgeangebote und können Zeit für Urlaube, Erholung und Wohlfühlen nutzen. Der medizinische Fortschritt zeigt sich bereits in einer geringeren Säuglingssterblichkeit. Die Chance, einen Herzinfarkt zu überleben, hat sich in knapp einem halben Jahrhundert verfünffacht.

Der Fortschritt wird vor allem auf dem Gebiet der Stammzellforschung weitergehen. Viele Krankheiten, die früher zum Tod führten, sind mittlerweile gut behandelbar. Selbst die Zahl der vorzeitigen Todesfälle durch Krebs, Herzleiden, Diabetes und chronische Atemwegserkrankungen geht weiter zurück.

Unsere Arbeitsbedingungen werden immer besser. Freie Wochenenden, Feierabend nach acht Stunden Arbeit, regelmäßiger Urlaub, weniger körperliche Strapazen, mehr Arbeitsschutz und die Möglichkeit, eine Zeit lang auszusetzen oder die Arbeitszeit zu verkürzen – all das sind lebensverlängernde Errungenschaften.

Trotz der Klimaveränderungen leben wir unter besseren Umweltbedingungen als frühere Generationen. Wir haben sauberes Trinkwasser, funktionierende Abwasser- und Müllsysteme. Hygiene ist so selbstverständlich, dass Krankheiten wie Cholera, Tuberkulose und Typhus in unseren Breitengraden keine Bedeutung mehr haben.

Wir haben die Möglichkeit, uns sehr gut zu ernähren, wenn wir nur wollen. Wir müssen nicht in die Steinzeit zurück, um artgerecht zu essen. Selbst Supermärkte führen heute Bioprodukte. Insgesamt leben die Deutschen gesundheitsbewusster. Der Verbrauch von Fleisch und Alkohol sinkt seit Jahren, dafür wird mehr Gemüse gegessen. Es gibt immer weniger Raucher und mehr Menschen treiben Sport bis ins hohe Alter.

Studien zeigen es immer wieder: Bildung hat einen hohen Stellenwert für die Gesundheit. Menschen mit höherem Bildungsniveau achten auf einen gesunden Lebensstil, treiben mehr Sport, nehmen Vorsorgeuntersuchungen wahr und empfinden ihr Leben als erfüllender. Da Bildung auch zu einem höheren Einkommen führt, verbessert sich die medizinische Versorgung für die, die es sich leisten können. Im Beruf sind Besserverdiener seltener Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

Nur noch halb so viele Geburten

Unsere Gesellschaft wird sich erst einmal verändern. Es wird immer mehr fitte ältere Menschen in Relation zu den Jungen geben, da die Geburtenrate von Ende der Fünfziger- bis Anfang der Siebzigerjahre des letzten Jahrtausends in Deutschland so hoch war wie danach nie mehr. Zum Vergleich: Im Jahr 1964 erblickten mit gut 1,3 Millionen die meisten deutschen Babys das Licht der Welt. Auch im Jahrzehnt zuvor lag die Zahl der Geburten immer über einer Million. Erst ab 1965 setzte der sogenannte Pillenknick ein; die Geburtenrate sank bis 1970 unter das Niveau von 1955 und lag ab 1972 erstmals unter der Sterberate. Die Entwicklung setzte sich entsprechend fort: 2002 wurden nur noch etwa halb so viele Babys in Deutschland geboren wie 1964.

In Japan werden Frauen 87 Jahre alt

Dass es zwischendurch immer mal wieder Meldungen über steigende Geburtenraten gibt, liegt daran, dass nur kleine Ausreißer nach oben oder unten gezählt werden, die durch Vergleiche mit Vorjahren entstehen. Bis heute bewegt sich die Rate grob gerundet zwischen 660 000 und 784 000 Geburten pro Jahr und ist damit weit entfernt von den Babyboomer-Jahren. Daran wird sich auch so bald nichts ändern. Das zeigt ein Blick nach Japan. Dort beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen 87 Jahre. Männer haben in Island die besten Chancen. Dort erreichen sie ein Durchschnittsalter von 81 Jahren.

Die Lebenserwartung steigt ständig

Und es geht noch weiter. Demografen des Rostocker Max-Planck-Instituts stellten fest: Wir werden immer älter. Die Lebenserwartung steigt hierzulande demnach pro Jahr um drei Monate. Das bedeutet: Wer heute in Deutschland geboren wird, darf damit rechnen, 81 zu werden, wobei Frauen derzeit statistisch gesehen ein- Alter von 83,18 und Männer von 78,36 Jahren erreichen. Davon konnten die Menschen früher nur träumen. Wer zum Beispiel im Jahr 1840 auf die Welt kam, hatte im Durchschnitt nur 45 Jahre vor sich. Ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen. Ein gesundes Baby von heute hat sehr gute Chancen, später einmal 100 Jahre alt zu werden.

AM ENDE NOCH MAL BERGAUF

Wie wird sich mein gesundheitlicher Zustand entwickeln? Die Statistik kennt ein paar Werte. So lässt sich davon ausgehen, dass die Jahre zwischen 60 und 80 bei gesunden Menschen relativ gut verlaufen. Wenn ab 80 das „zweite Alter“ beginnt, treten meist Krankheiten auf. Wer diese überlebt, kann ab 86 wieder fröhlicher nach vorn blicken. Denn dann stehen die Chancen gut, dass es noch bis über 90 so weitergeht.

Gefühlt zehn Jahre jünger

Die Statistik spiegelt auch das subjektive Gefühl wider, das die meisten kennen: Wir werden zwar immer älter, bleiben dabei aber jünger. 50 ist das neue 40, mit 60 kann man auch gefühlt zehn Jahre jünger sein – zumindest wenn man Familienfotos aus früheren Generationen betrachtet. Männer und Frauen um die 50 sehen fitter und gesünder aus als ihre Großeltern im gleichen Alter – und bei manchen Familien auf dem Spielplatz fragt man sich, ob das Kind mit seinen nicht mehr ganz jungen Eltern oder mit jung gebliebenen Großeltern im Sand buddelt. Das macht Mut, auch wenn es nicht für jeden zu realisieren ist. Die Gesellschaft wird sich darauf einstellen, dass ein großer Teil der Bevölkerung im Rentenalter ist. Ob das beängstigend oder großartig ist, muss jeder selbst entscheiden.

ÄLTERWERDEN FINDET IN DEN ZELLEN STATT

Älterwerden findet in erster Linie in den Zellen statt. Diese sind zwar winzig klein, aber dank moderner Medizin nicht unerreichbar. Hier sind es vor allem die Hormone, die medizinisch gesehen für Veränderungen sorgen. Bei Frauen nehmen die Östrogene, also die weiblichen Geschlechtshormone, mit dem Alter ab. Bei Männern sinkt der Testosteronspiegel langsamer und später. Die Geschlechtshormone schützen im fruchtbaren Alter vor zahlreichen Krankheiten, die heute als typische Alterskrankheiten eingeordnet werden. Sinken die Messwerte, fällt dieser Schutz weg. Alterungsprozesse beginnen und setzen sich in Form von Krankheiten fort, wenn man nichts dagegen tut.

Wir sind ständig Attacken ausgesetzt

Attacken kommen von allen Seiten. Unser Körper ist ständigen Angriffen ausgesetzt. Krankheiten, Verschleiß, Verlust – Altern macht leider von allein keine Pause und beginnt schon sehr früh. Bereits mit 20 Jahren bröckelt es an den ersten Fronten. Wir merken allerdings kaum etwas davon. Oder wussten Sie, dass Sie mit 20 Jahren am größten waren und seitdem langsam, aber sicher schrumpfen? Die Haut verliert ein bisschen an Spannkraft, das Atemvolumen verringert sich. In den Ohren nimmt die Zahl der Haarzellen ab, sodass wir hohe Töne schlechter hören. Mit 75 Jahren haben mehr als ein Drittel der Menschen Gehörschädigungen.

» Alt ist man dann, wenn man an der Vergangenheit mehr Freude hat als an der Zukunft. «

John Knittel

Dem Prozess ein Schnippchen schlagen

Auch in Sachen Fruchtbarkeit verändert sich der Körper schon sehr früh. Mit 25 Jahren lässt die Fruchtbarkeit bei Frauen nach; bei Männern beginnt der Testosteronspiegel zu sinken. Ab 30 sind die Knorpel weniger elastisch. Die Bandscheiben werden dünner. Mit 35 zeigen sich die ersten grauen Haare. Bis die Organe mit ihren Funktionen nachlassen, dauert es dann etwas länger – und es wird spürbar. Ab etwa 55 machen sich die Folgen des Alterungsprozesses deutlicher bemerkbar. Auch das ist angenehmerweise kein unabänderlicher Automatismus, sondern vor allem die Folge von Untätigkeit und zu wenig Herausforderungen für die Zellen. Wer diesen Zusammenhang versteht, kann einem Großteil der Alterungsprozesse ein Schnippchen schlagen. Was bedeutet Älterwerden für jeden einzelnen Bereich des Körpers?

›Immunsystem

Auch unser Immunsystem kommt in die Jahre. Es bildet weniger Abwehrzellen und Antikörper; die körpereigene Schutzpolizei ist nicht mehr so aktiv. Viren und Bakterien haben leichtes Spiel und damit breiten sich leider auch Krebszellen schneller aus. Schon bei der Produktion der Vorläuferzellen, die später zu Abwehrzellen werden, zeigen sich Schwächen. Sie reifen im Alter nicht mehr so leicht aus. Der gesamte Alterungsprozess des Immunsystems ist noch nicht ausreichend erforscht. Eventuell gibt es auch einen Zusammenhang mit dem Darmmikrobiom, also der Gesamtheit aller Bakterien, Viren und Pilze im Darm. Doch auch hier gilt: Vorbeugung macht stark. Ob Bewegung, vitaminreiche Ernährung, mentale Gelassenheit, ausreichend Schlaf oder Naturheilmittel – all das sind Wohltaten für die körpereigene Abwehr.

›Hormone

Hormone sind die Dirigenten unseres Lebens. Die Botenstoffe regulieren und steuern zahlreiche Vorgänge im Körper. Sie lassen uns erst wachsen und gedeihen und halten uns später gesund, jung und fit. Federführend sind dabei Wachstums- und Sexualhormone, mit denen wir in unseren fruchtbaren Jahren gut ausgestattet sind. Fortpflanzung ist schließlich das höchste Ziel, für das die Natur uns angelegt hat. Ist die Zeit vorbei, stellen die Hormone ihre Produktion ein. Das ist ein Meilenstein im Prozess des Älterwerdens. Denn die Sexualhormone beeinflussen neben dem Lustempfinden auch die Stabilität der Knochen, den Zustand der Gefäße, die Stimmung und den Stoffwechsel. Schlaflosigkeit, Hitzewallungen und Stimmungsschwankungen gehören zu den Folgen. Statt mit Hormonersatztherapien, die wegen der Nebenwirkungen heute seltener empfohlen werden, lassen sich die unerwünschten Nebenwirkungen mit Bewegung, der richtigen Ernährung und pflanzlichem Hormonersatz reduzieren. Gut zu wissen: Vor allem Sexual- und Wachstumshormone bilden sich immer wieder neu, wenn wir sportlich aktiv sind und Muskeln aufbauen. Das sexuelle Interesse lässt auch im Alter nie ganz nach.

›Herz

Im Mittelpunkt des Körpers steht das Herz, das mit dem Älterwerden immer mehr arbeiten muss. Vom 30. Lebensjahr an nimmt seine Leistungsfähigkeit ab. Denn die Arterien werden mit der Zeit steifer. Ablagerungen verdicken die Wände. Deshalb erhöht sich der Blutdruck bereits ab 30 Jahren. Vor allem durch Rauchen und hohe Cholesterinwerte wird das Problem verschärft. Herzinfarkt ist bis heute bei uns die Todesursache Nummer eins. Traf es früher hauptsächlich Männer, so nimmt die Zahl der Frauen immer weiter zu, sobald sie schlechte Gewohnheiten übernehmen, die einst typisch männliche waren. Gegen Herzkrankheiten ist ein gesunder Lebensstil die beste Prophylaxe.

›Gehirn

Auch im Kopf beginnt das (vermeintlich) große Sterben schon mit 30 Jahren. Das Gehirn fängt schleichend an abzubauen. Etwa 50 000 Hirnzellen verenden jeden Tag. Das Gedächtnis, die Konzentrationsfähigkeit und oft auch die Kreativität lassen nach, was zum Glück recht langsam vor sich geht, sodass man in vielen Fällen jahrzehntelang lang gar nichts davon merkt. Wenn man weiß, dass wir ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen haben, lässt sich der Verlust von ein paar Zehntausenden verschmerzen. Erst bei Demenz sinkt die Zahl so stark, dass die Betroffenen beeinträchtigt werden. Ansonsten sind wir den Alterungsprozessen auch auf diesem Gebiet nicht hilflos ausgeliefert und können einiges tun, um das Hirn fit zu halten. Bewegung zum Beispiel fördert die Durchblutung und die Versorgung mit Sauerstoff. Geistige Herausforderungen trainieren das Gehirn. Gut zu wissen: Wenn unser Gehirn eine Sache gut kann, dann ist es die Fähigkeit, bestimmte Teile für andere einspringen zu lassen, sobald diese ausfallen. Selbst in hohem Alter können Hirnregionen noch wachsen und Synapsen sich verbinden. Wir können lebenslänglich lernen.

Älter werden wir später!

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