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DAS GEHEIMNIS DER TELOMERE

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Telomere sind Schutzklappen auf den Chromosomen. Gut gepflegt, halten sie uns länger gesund und jung und behüten uns vor Krankheiten. Die Forschung konnte beweisen, dass die Länge der Telomere unser biologisches Alter bestimmt.


Älterwerden macht sich in vielen Bereichen des Lebens bemerkbar. Die entscheidenden Grundlagen dafür finden in unseren Zellen statt, ohne dass wir am Anfang davon etwas mitbekommen. Die biologische Uhr, die über die Lebenszeit eines Menschen bestimmt, tickt unaufhörlich in jeder einzelnen Zelle. Um zu verstehen, wie Zellen altern, muss man ihre Struktur betrachten: Jede Zelle besitzt 23 Chromosomenpaare. Die Chromosomen sind die Strukturen in den Zellen, die die Gene enthalten. Jeweils an den Enden der Chromosomen befinden sich Kappen, die wie Schutzhauben die gewundenen Stränge der DNA zusammenhalten. Zur Veranschaulichung werden sie gerne mit einem Schnürsenkel verglichen, bei dem die einzelnen Fäden am Ende von Plastikhülsen zusammengehalten werden, damit sie nicht ausfransen. Nach gegenwärtigem Wissensstand liegen in diesen Endkappen keine lebenswichtigen Gene. Bei den Chromosomenenden handelt es sich um sogenannte Telomere, die bei jeder Zellteilung um eine bestimmte Menge an Basenpaaren kürzer werden. Die Zelle kopiert dabei ihren eigenen Bauplan, um aus den Kopien neue Zellen zu schaffen. Das gelingt ihr im Laufe des Lebens bis zu 50-mal, wie der US-Mikrobiologe Leonard Hayflick bereits in den Sechzigerjahren des letzten Jahrtausends herausfand. Bis dahin war man in der Wissenschaft davon ausgegangen, dass die Fähigkeit der Körperzellen, sich zu teilen, unbegrenzt ist.

VERKÜRZUNGEN SIND DIE URSACHE DES ALTERNS

Sind die Telomere infolge zahlreicher Zellteilungen so stark verkürzt, dass sie sich nicht weiter teilen können, stirbt die Zelle. Und damit wird die Alterung vorangetrieben. Logische Folge: Je älter man ist, desto kürzer werden die Telomere und desto anfälliger ist der Körper für Krankheiten. Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ein schwaches Immunsystem, Lungenkrankheiten, Zahnfleischprobleme, Magen-Darm-Erkrankungen, Asthma, Hepatitis, Alzheimer und manche Krebsarten können die Folgen sein. Chronische Entzündungen in verschiedenen Bereichen sind an der Entstehung zahlreicher Krankheiten beteiligt. Zum Glück sind wir dem Leben und Sterben der Telomere nicht ganz hilflos ausgeliefert. Auch wenn sich die Lebensuhr nicht anhalten lässt, ist sie in bestimmten Bereichen beeinflussbar. Wie gut es den Zellen geht und was sie leisten, hängt zum großen Teil davon ab, wie wir leben. Das ist der Bereich, der für die Anti-Aging-Medizin von Bedeutung ist. Denn die Verkürzung ist nicht die Folge, sondern die Ursache des Alterns.

Stammzellen teilen sich häufiger

Im Umkehrschluss müsste es also möglich sein, die biologische Uhr mit entsprechenden medizinischen Maßnahmen aufzuhalten oder zurückzudrehen. Das ist es in gewisser Weise auch, denn nicht alle Zellen sterben, wenn sie sich oft genug geteilt haben. Es gibt auch langlebigere Sorten: Das sind zum Beispiel die Stammzellen, die sich häufiger teilen und langsamer altern als normale Gewebezellen, und die Keimzellen (also die weiblichen und männlichen Geschlechtszellen in Form von Eizellen und Spermien). Beide Zellarten enthalten eine besonders hohe Konzentration des Enzyms Telomerase, das dafür sorgt, dass diese Zellen sich gar nicht verkürzen. Denn die Telomerase ist imstande, die Telomere vor jeder Zellteilung ein Stück zu verlängern. Ein Zukunftstraum ist also naheliegend: Man müsste das Enzym Telomerase gewinnen oder außerhalb des Körpers künstlich züchten, um die Körperzellen damit aufzufrischen und das Altern nicht nur zu stoppen, sondern sogar zurückzudrehen.

Vielversprechendes Anti-Aging-Wundermittel

Ob das am besten in Form von Medikamenten, Pillen, Cremes, Injektionen oder mit Nahrungsergänzungsmitteln geschehen kann, wurde in den letzten Jahren federführend in den USA erforscht. Fest steht, dass es eine kleine Heilpflanze (Astragalus membranaceus, mongolischer Tragant) mit Molekülen gibt, die offenbar genau das Naheliegende können, nämlich Telomerase in den Körperzellen aktivieren. Unter dem Namen TA-65 existieren bereits Mittel, die als Anti-Aging-Wundermittel gehandelt werden. Die Forschungen laufen auf Hochtouren und sind äußerst vielversprechend. Die Kehrseite der Medaille ist, dass nicht nur „gute Zellen“ unterstützt werden, sondern auch Krebszellen weiter wachsen können. Bislang wurde zwar keine Zunahme der Krebsrate nachgewiesen, allerdings ist die Studienlage noch recht dünn. Man sollte nicht von einem sicheren Präparat sprechen.

GUTE PFLEGE FÜR KÖRPER UND GEIST

Immer wieder hören und lesen wir, dass ungesunde Ernährung, starkes Übergewicht, Tabakkonsum, aber auch Stress und mangelnde Bewegung krank machen können. Das zeigt sich beim Älterwerden an den Telomeren. Wenn wir unseren Körper und Geist nicht pflegen, zwingen wir unsere Zellen, sich häufiger zu teilen, um die notwendigen Reparaturmechanismen vornehmen zu können. Je ungesünder wir leben, desto häufiger müssen sich unsere Zellen teilen, desto schneller altern wir und desto eher werden wir krank. Je schlechter wir uns ernähren, je mehr Körperfett wir anlagern und je weniger wir uns bewegen und uns negativem Stress aussetzen, desto schneller verkürzen sich die Telomere. Ich schreibe das an dieser Stelle nicht, um Horrorszenarien aufzuzeigen, sondern möchte Ihnen natürlich auch Lösungen bieten. Denn Sie selbst sind die besten „Pfleger“ für Ihren Körper. Jeder von Ihnen ist imstande, die Reparatur der Telomere zu beeinflussen und bereits verkürzte Telomere sogar wieder zu verlängern. Sie können Ihre biologische Uhr also sowohl vorals auch zurückdrehen. Ihr Lebensstil beeinflusst Ihr Alter. Sie können mit zahlreichen Verjüngungsprozessen gar nicht früh genug anfangen und sollten gleichzeitig wissen: Es ist nie zu spät!

Gefahr des unkontrollierten Zellwachstums

Die amerikanische Molekularbiologin Elizabeth Blackburn, die 2009 für ihre Forschungen zu Telomeren mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde, warnt trotz aller Euphorie vor den Gefahren: „Tatsächlich bringen wir uns in Gefahr, wenn wir versuchen, unser Leben durch künstliche Methoden der Telomeraseaktivierung zu verlängern“, schreibt sie in ihrem Bestseller „Die Entschlüsselung des Alters – Der Telomer-Effekt“ und warnt vor der dunklen Seite der Telomerase: „Wir benötigen unsere gute Telomerase, um gesund zu bleiben, aber wenn man in den falschen Zellen zur falschen Zeit zu viel davon bekommt, kann die Telomerase unkontrolliertes Zellwachstum fördern, das typisch für Krebs ist.“

Möglichkeiten ohne Risiken und Nebenwirkungen

Wer wissen möchte, wie es um die eigenen Telomere und deren Zustand steht, kann mittlerweile das tun, was lange Zeit unmöglich erschien: die Länge der eigenen Chromosomen-Endstücke messen lassen. Es gibt inzwischen verschiedene Labore, die diesen Service anbieten – mit dem Versprechen, dass jeder Mensch sich aufgrund des Ergebnisses besser behandeln las-sen kann. Hier besteht allerdings die Gefahr einer Überinterpretation. Das Ergebnis zeigt nicht an, wie lange jemand noch zu leben hat, kann aber unnötige Ängste schüren. Wer etwas für ein langes, gesundes Leben tun möchte, sollte dies auch tun, ohne die Länge der eigenen Telomere genau zu kennen. Denn dafür gibt es genug Möglichkeiten – garantiert ohne unerwünschte Risiken und Nebenwirkungen.

TELOMERE SCHÜTZEN: DAS KÖNNEN SIE SELBST TUN

Ein effektiver Schritt besteht zum Beispiel darin, mit dem Rauchen aufzuhören. Zigarettenrauch bringt Zellen dazu, sich öfter zu teilen, als sie es normalerweise tun würden. Mit dem Teilen versuchen die Zellen, Schäden zu reparieren, die durchs Rauchen entstehen. Auch bei Infekten, Krankheiten und bei bestimmten Umweltgiften konnte dies beobachtet werden. Die Zellteilungen verkürzen die Telomere – und damit die Lebenszeit. Deshalb bekommen Raucher typische Alterserkrankungen manchmal bis zu 20 Jahre früher als Nichtraucher.

DIE KREBSBEHANDLUNG DER ZUKUNFT?

Auch wenn das Enzym Telomerase segensreich auf die Zellen wirkt, kann eine Überproduktion gefährlich sein. Das zeigt sich etwa bei bösartigen Tumoren, die in 80 bis 90 Prozent aller Fälle eine enorm hohe Telomerasekonzentration aufweisen. Möglicherweise führt diese Erkenntnis zu neuen Wegen in der Krebsbehandlung. Sollte es gelingen, Telomerase gezielt nur in Krebszellen auszuschalten, wäre die tückische Krankheit vielleicht behandelbar. Wissenschaftler arbeiten daran.

Gesunde Ernährung und ein bewegter Alltag ohne chronischen Stress

Auch der Zusammenhang zwischen negativem Stress und verkürzten Chromosomenenden ist gut belegt. Elizabeth Blackburn hat nicht nur die Telomere entdeckt. Sie konnte auch nachweisen, wie Dauerstress das Erbgut verändert. Als geeignete Versuchsteilnehmer dafür erwiesen sich Mütter: Eine Gruppe hatte kranke Kinder zu versorgen, die andere gesunde. Erwartungsgemäß stand die Gruppe der Mütter von kranken Kindern fast rund um die Uhr unter Stress. Die Enden der Chromosomen waren entsprechend kürzer, der Telomerasespiegel niedrig. Die logische Ableitung daraus: Alles, was dem Stressabbau dient, hilft, das Leben zu verlängern. Als „Fitnesstraining“ für die Telomere haben sich im Rahmen von Studien zum Beispiel Meditationskurse, Achtsamkeitstraining oder die bewusste Konzentration auf eine einzige Tätigkeit erwiesen. Auch die Ernährung spielt eine große Rolle. Eine abwechslungsreiche Mischkost mit einem hohen Anteil an Gemüse, Obst und ungesättigten Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren) bremst die Verkürzung der Telomere. Mehr dazu erfahren Sie ab Seite 36. Erforscht ist auch, dass starkes Übergewicht unsere Zellen schneller altern lässt und uns krank macht, weil es chronische Entzündungen im Körper verursacht. Zwar ist ein bisschen Übergewicht nicht gleich schädlich, doch vor allem Bauchfett wirkt sich nachweislich gesundheitsschädigend aus. Beim Thema Bewegung ist jede Form von gelenkschonendem Sport hilfreich, der die Ausdauer und den Muskelaufbau fördert und die Beweglichkeit verbessert. Denn Bewegung sorgt nicht nur dafür, dass Ihre Muskeln stärker werden, die Durchblutung sich verbessert und Sie vermehrt Glückshormone bilden. Studien konnten nachweisen, dass die Telomere bei Menschen, die sich regelmäßig bewegen, länger sind und dass Sport die Verkürzung sogar verhindern kann. Mehr zum Thema Bewegung erfahren Sie ab Seite 54. Welche Sportarten in der zweiten Lebenshälfte besonders förderlich sind, verrate ich Ihnen auf Seite 60/61.

Älter werden wir später!

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