Читать книгу Mein innerer Käfig - Azin Heidari Nejad - Страница 6

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Zu schlafen gehört in all den Jahren zu meinen größten Vergnügungen. Sobald ich einen freien Tag habe, an dem mich bei Tagesanbruch kein Wecker aufschreckt und schlaftrunken zur Arbeit schickt, bleibe ich im Bett. Ich schließe meine Augen. Es ist ein seltsamer Zustand, eine Art Rausch, ein Gefühl zwischen Leben und Tod. Als ob man seinen Körper zum Ruhen in Morpheus’ Arme gelegt hätte und sich selbst, leicht wie eine Feder, ohne die Last des Körpers erhebt und seinen Blick umherschweifen lässt, wo immer man möchte.

Man legt seinen Körper ab, schwebt selbst in die Höhe und lacht über die Sekunden.

Sekunden, die nicht stehenbleiben können, Sekunden, die nicht sterben, Sekunden, die vorwärtsdrängen.

Das ist mein größtes Vergnügen. Ich lege mich hin und lasse die Zeit über mich hinwegziehen. So wie sie über die Toten hinwegzieht. Ich bewege mich nicht, spähe nur nach den Sekunden, wie sie sich über mir aneinanderreihen und dann hektisch vorüberziehen.

Sie sind so in Panik und verängstigt, dass sie sich manchmal gegenseitig anstoßen. Und wenn dann eine von ihnen strauchelt, fallen die anderen über sie. Dann bleibt die Zeit für einen Moment stehen. Aber sie stehen wieder auf, so wie die Sklaven beim Bau der Pyramiden.

Sie müssen weiter. Und wieder steigen sie hektisch über Schulter und Kopf nach oben, um voranzukommen. Sie sind verwirrt, sie haben mich verloren und suchen nach mir. Ich da unten genieße es zu verschwinden.

Es hat mir schon immer Vergnügen bereitet, mich zu verstecken. Zu verschwinden. Plötzlich nicht mehr da zu sein. Wie in den Tagen der Grundschulzeit, als es mir Freude bereitete, plötzlich eins mit der Farbe der Wand zu werden, damit die Lehrer mich nicht sähen. Damit ich nicht da wäre.

Einmal habe ich mein Nichtdasein so meisterhaft gespielt, dass sogar Gott daran zweifelte, mich je erschaffen zu haben. Er ging daran, mich ein zweites Mal zum Leben zu erwecken. Er stieg herab und legte seinen Mund auf meine erstarrten Lippen. Mein Herz begann schnell zu schlagen. Meine Wangen wurden rosig.

Wie Soldaten rückten die Sekunden an, packten mich unter den Achseln und brachten mich wieder auf den rechten Weg. Ich war wiedergefunden.

Mir gefällt das Verschwinden, wenn es jemanden gibt, der mich wiederfindet. Manchmal denke ich, die Verstorbenen warten auf jemanden, der kommt und sie findet.

Seit meiner Ankunft in dem fremden Land sind Jahre vergangen. Ich lebe, aber ich warte nicht mehr auf dich.

Mein innerer Käfig

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