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3.


Das Kapitel, vor dem vierten Kapitel


Merlan war keinesfalls der geborene Kriminelle. Wahrscheinlich wäre er im Beruf als Maurer oder Bäcker, der ihm Routine auferlegte, viel besser gewesen. Dazu hatte er noch das ein oder andere Wehweh, das ihn immer wieder in Bedrängnis brachte. Leider war er auch kein großer Kämpfer, sondern gehörte eher zu denen, die Schläge blutend einsteckten.

Aber wie jeder andere Mensch musste auch Merlan sein Geld verdienen. Eine Zeit lang hatte er es aufgrund seines Namens als Zauberer versucht, und war damit recht erfolgreich gewesen. Doch der Bus, den er brauchte, um seine Requisiten, Hasen und Tauben umherzufahren, war eines Tages verschwunden und damit seine Existenzgrundlage. Sicher, er hätte alles neu anschaffen und sich etwas Geld leihen können, doch der Sprung in die Kriminalität war schlicht einfacher. Auch wenn Merlan die Tage vermisste, in denen er nicht Gefahr lief, zusammengeschlagen oder verhaftet und mit Formularen geplagt zu werden.

Pflichtbewusst hatte er seine Wohnung mit der Sturmhaube auf verlassen. Er musste nur noch in das Restaurant gehen, das Geld abkassieren und verschwinden. Er hatte der Frau hinreichend eingetrichtert, sich nicht zu wehren.

Auf dem Weg nach Berlin-Hallensee waren ihm schon mehrere entsetzte Personen entgegengekommen. Weihnachten stand vor der Tür und die Leute umklammerten ihre Einkäufe fester, als sie Merlan kommen sahen. Die meisten zumindest. Eine große Dogge, die mit einer kleinen Frau Gassi ging, bekam es derart mit der Angst, als sie Merlan sah, dass der Hund sein Frauchen schnurstracks hochhob, auf den Arm nahm und hastig davoneilte. Ein Mann blickte von seinem Smartphone auf, zog die Augenbrauen zusammen und knallte frontal gegen einen Laternenmast.

Die Sache verlief alles andere als unauffällig.

Leider liefen jedes Jahr um Weihnachten wieder die Kevin-allein-zu-Haus-Filme im Fernsehen, und gerade Kinder sahen sich dazu ermutigt, jedem potenziellen Ganoven die Stirn zu bieten, in der Hoffnung, sich eine goldene Nase zu verdienen.

Merlan hatte die Sturmhaube gerade wieder hochzogen, um in dem stinkenden Ding nicht zu ersticken, als ein fesch aussehender Junge in Knickerbocker und Schiebermütze vor ihm stand. Er hielt einem Knüppel in der Hand, den er wiederholt in der Fläche seiner anderen Hand niedergehen ließ.

„Wenn haben wir denn da?“, fragte der Junge, der sich einen schwarzen Kreis um das eine Auge geschminkt hatte. „Sind wir etwa auf dem Weg, um etwas Verbotenes zu tun?“

„Äh … äh …“, sagte Merlan. „Nein. Ich will in die Berge zum Skifahren und muss meine neue Maske eintragen, damit sie vor Ort nicht mehr so juckt.“

„Oh, sehr schade. Ich hätte Ihnen gerne diese Broschüre gegeben“, sagte der Junge und zog einen Zettel hervor.

Merlan tat angetan und nickte. Leider konnte er nicht lesen, was da stand. Er war dabei, jemanden zu überfallen, und hatte seine Lesebrille zu Hause gelassen.

„Danke dir“, sagte Merlan. „Ich werde mir die Sache zu Herzen nehmen.“ Er griff nach dem Zettel und steckte ihn sich am Arsch vorbei in die hintere Hosentasche.

Er ließ den Jungen hinter sich und zog weiter. Immerhin war er nicht zum Spaß unterwegs. Es galt, „Frisch aus dem Fett“ um die Tageseinnahmen zu erleichtern. Abschließend würde er schnell zum Penny gehen und einkaufen. Danach hatte er noch einen Friseurtermin.

In seinem Hinterstübchen fragte er sich immer, warum ihm so viel daran lag, Geld zu ergaunern, und nicht einfach von Stadt zu Stadt zog und sich nahm, was er wollte. Ein gratis Einkauf oder Haarschnitt waren nur davon abhängig, wie schnell man rennen konnte und wie weit der nächste Bahnhof entfernt war. Merlan hörte auf, darüber nachzudenken, bevor sein Kopf anfangen konnte zu schmerzen. Er bog um die Ecke, vorbei an Vanessas Kiosk und schlenderte direkt auf das spärlich beleuchtete Restaurant zu, von dessen Neonreklame nur noch einzelne Buchstaben leuchteten, die ein unanständiges Wort ergaben, das wir hier aus Gründen des guten Geschmacks aussparen wollen.1

Er öffnete die Tür, und blickte auf eine Inneneinrichtung, die zweifelsohne schon mehrere Dutzend Pächter überlebt hatte. Mit den verschnörkelten Holztischen bayrischer Art, den chinesischen Schriftzügen an der Wand und Decke, der American Diner-artigen Bar mit Hockern und Küche dahinter und dazu noch einem Fußboden, der aus einem Mischmasch von Teppich, grünen Fliesen und Kork bestand, war nur schwer zu sagen, ob der Besitzer an kompletter Geschmackserblindung litt, oder noch schlimmer, es genau so gewollt hatte. Bevor Merlan jedoch noch weitere Details aufsaugen konnte, hörte er einen lauten dumpfen Knall!

BUMM!

Seine Brust brannte, als hätte man ihm Salzkugeln unter die Haut geschossen.

Eine Frau zielte sie mit einer Schrotflinte auf ihn. Der linke Lauf der Waffe rauchte. Und als sie den Hahn des anderen Laufs spannte, verzog sie den Mundwinkel.

„Gib mir einen guten Grund, dir nicht zwischen die Augen zu schießen“, sagte sie und legte an. Diesmal zielte sie auf Merlans Kopf.

„Ich …“, sagte der und hob den Finger. Blut floss ihm die Brust hinunter. Das Nächste, was ihm einfiel, würde über sein Leben entscheiden.2

1 Mir ist klar, dass Sie beim Lesen dieses Werkes öfters Dinge sagen werden wie „Das hätte man besser weggelassen“. Was ich in weiser Voraussicht getan habe. Bitte sehr, Sie wurden erhört. Ein fortschrittliches Buch ist das hier, finden Sie nicht? Viele Autoren nehmen sich die Kritik ihrer Leser erst Werke später bis gar nicht zu Herzen.

2 Und über Ihr Schicksal schier endlose Rückblendungen zu lesen. Aber wir sind erst am Anfang. Vielleicht hat Merlan einen Zwillingsbruder, Merlon, der genauso aussieht wie er. Vielleicht war Merlon auch die ganze Zeit über Merlan und hat sich für seinen Bruder ausgegeben, weil er ihn in Verruf bringen will. So viele Möglichkeiten. Glauben Sie mir, Sie wollen meiner schier grenzenlosen Fantasie nicht ausgeliefert sein. Es gibt schlimmere Dinge als körperliche Folter.

Das Geschenk der Psychothriller-Parodie

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