Читать книгу Das Geschenk der Psychothriller-Parodie - Bastian Litsek - Страница 9
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Zwei oder drei Jahre zuvor –
Willkommen zur ersten von gefühlten 5000 Rückblenden
Merlan hielt ein altes Wählscheibentelefon in der Hand und war dabei, die nächste Nummer anzurufen. Die Dinge standen schlecht. Er lebte in einer WG mit zwei anderen Kriminellen. Einer Taschendiebin, die sich etwas mit dem Zeitungsaustragen dazu verdiente, und einem Kfz-Mechaniker, der grundsätzlich an jedem Auto, das er vorgeführt bekam, den Turbolader und das Öl bemängelte, bis die Leute ein derart schlechtes Gewissen hatten, dass sie ihn beauftragten, alles auszutauschen.
Das Leben war hart geworden für die drei Ganoven. Immer weniger Leute fielen auf Merlans Telefonbetrügereien herein. Er selbst kam sich mit seinen 29 Jahren vor wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, genau wie das Telefon, das er in der Hand hielt.
Immer mehr Betrug fand über das Internet statt und Merlan war nicht der große Computermensch. Die Konsumgesellschaft brach langsam zusammen, da die neuen Generationen immer mehr auf Minimalismus setzten. Elektroautos hatten weder Öl noch Turbolader, den es zu bemängeln galt. Die Dinge standen schlecht.
Unser Trickbetrüger zog es sogar schon in Erwägung, eine Lehre anzufangen oder als ungelernte Fachkraft bei einem dieser modernen Sklavenschuppen anzuheuern, die Personalleasing betrieben.
Doch noch war er nicht bereit, aufzugeben.
Jeden Morgen stand irgendein Trottel, den man bescheißen konnte, es galt nur, ihn zu finden. Der Funke der Hoffnung schimmerte in Merlan, als es am anderen Ende der Leitung klingelte.
„Hofmaier?“, sagte eine alte Dame.
„Hallo Oma, hier ist dein Enkel“, gab Merlan zurück. Er kannte die Frau eigentlich nicht.
„Ach Kai, dass du dich meldest, ist aber schön.“
„Hör zu, Oma, ich habe gerade etwas Ärger und könnte Geld gebrauchen.“
„Oh, das hört sich aber gar nicht gut an …“
„Ein paar Kerle sind hinter mir her und wollen Geld von mir und wenn ich bis Ende der Woche nicht bezahle, brechen sie mir die Beine.“
„Ach Jungchen, dann hast du nichts zu befürchten!“
Das warf Merlan aus dem Konzept.
„Wie meinst du das, Oma?“
„Na, du sitzt doch im Rollstuhl. Sollen sie dir deine Beine brechen, so einfach kommst du selten im Leben aus einer Angelegenheit wie dieser raus. Aber über deinen Anruf habe ich mich gefreut. Machs gut, Kai!“
Der Hörer wurde aufgelegt. Es tutete in der Leitung.
Merlan hob die Hörmuschel ungläubig von sich. Was zum Geier war das denn? Er schüttelte den Kopf und wählte die nächste Nummer.
„Birmgärtner?“, fragte eine alte Frau.
„Hallo Oma, hier ist dein Enkel.“
„AHHHH!!!!“, schrie die Frau. Es hörte sich an, als wäre sie hintüber gefallen. „Die Toten suchen mich heim!“, klagte die Oma. „Mein Enkel verfolgt mich über den Fernsprecher! Tot ist er seit drei Jahren und jetzt ruft er mich an aus dem Jenseits, wahrscheinlich auch noch ein R-Gespräch, bei dem die Gebühren auf mich zurück fallen. Weiche, Dämon!“ Das Telefon wurde gewaltsam aufgelegt.
„Verdammt …“, murmelte Merlan. „Gibt es denn keine normalen Menschen mehr?“
Er ging seine Telefonliste durch, kam aber schnell zu dem Entschluss, dass die Oma-Nummer einfach durch war. Was könnte denn sonst noch funktionieren? Er könnte sich als Mann vom Stromnetzwerk ausgeben, sich in die Häuser der Leute schleichen, herausfinden, wo sie ihr Kleingeld lagerten, und so Summen ergaunern, die nie jemand groß vermissen würde.
Nein, der Aufwand war viel zu groß.
Dann kam er auf eine Idee.
Der mündige deutsche Bürger fürchtet nichts so sehr wie Autorität. Er könnte sich als Beamter ausgeben, als Polizist, und den Leuten irgendeinen Blödsinn erzählen von wegen sie werden gleich überfallen und sollten sich ruhig verhalten. Dann konnte er auftauchen und alles Wertvolle abgreifen. Merlan rieb sich das Nasenbein. Es könnte einige Anrufe brauchen, bis er jemand gefunden hatte, der dämlich genug war, um das zu schlucken.
Wie hatte sein Großvater immer gesagt? Die eigentliche Arbeit ist nicht der Betrug, sondern den Dumpfbeutel zu finden, der ihn dir glaubt.
Also, forsch ans Werk!
Nach geschlagenen fünf Stunden und mehr als dreizehn teilweise sehr langen Anrufen, hatte er endlich jemanden am Apparat, der ihn nicht sofort auslachte oder mit der Bemerkung „Ich lege jetzt auf“ auflegte.
Es war eine Frau mit dem Namen Tabea Drang, und sie arbeitet in einem Restaurant mit dem Namen „Frisch aus dem Fett“. Wie der Name schon sagte, bekam man hier alles frisch aus dem Fett. Seien es Schokoriegel, Hühnerschenkel oder Rosenkohl. Sogar das Vanilleeis wurde hier frittiert. Der Laden war besonders bei Briten und Amerikanern beliebt.
„Frisch aus dem Fett, Tabea Drang an der Tröte, was kann ich für Sie frittieren?“
„Mein Name ist Polizeiwachtmeister Moseldampfer, ich rufe in einer dringenden Angelegenheit an.“
„Sie wollen Ihr Mittagessen bestellen?“, fragte Tabea gelangweilt.
„Nein ganz und gar nicht. Uns ist ein gefährlicher Verbrecher entlaufen und er ist auf dem Weg zu Ihnen.“
„Aha. Will er etwas essen?“
„Nein, nein … hören Sie.“
„Wir sind ein Restaurant, das hier ist nicht die Telefonseelsorge.“
„Der Mann ist gefährlich!“, versicherte ihr Merlan und verstellte seine Stimme, so gut er konnte.
„Das sind die meisten Verbrecher“, gab Tabea zurück.
„Er ist auf dem Weg zu Ihnen! Er wird Sie ausrauben oder umbringen oder noch schlimmer.“
„Was ist denn noch schlimmer, als umgebracht zu werden?“
„Öhm tja“, sagte Merlan und kratzte sich hinter dem Ohr.
„Wie war Ihr Name noch mal?“
„Polizeiwachtmeister Moseldampfer. Hören Sie, Frau Drang, wir haben das Restaurant umstellt und nicht weniger als sieben Scharfschützen auf den Laden gerichtet.“
„Perfekt! Dann können Sie den Kerl ja einfach abknallen, wenn er hier auftaucht.“
„Aber nein, wir brauchen ihn lebend.“
„Wozu das denn?“
„Er muss uns verraten, wo er seine letzte Geisel versteckt hat.“
„Schießen Sie ihm doch ins Bein und drohen Sie ihm mit einem Kopfschuss. Ich hab hier Salz, das können wir in die Wunde streuen. Dann redet der Kerl mit Sicherheit. Habe ich mit meinem Ex-Freund gemacht.“
„Ähm …“, murmelte Merlan. Ihre Kaltblütigkeit machte ihm ein wenig Angst. „Wir sind die deutsche Polizei und keine Foltertruppe. Wir wollen ihn lebend schnappen, werden Sie mir helfen Frau Drang?“
„Soweit möglich. Was springt denn für mich raus?“, fragte sie und Merlan hörte, wie eine Kaugummiblase platzte.
„Mein Dank.“
„Na toll. Ich kann ja mal versuchen, meine Miete mit Ihrem Dank zu bezahlen. Sehr mager, Herr Moseldampfer … Moment mal. Heißt so nicht der Polizist aus dem Räuber Hotzenplotz?“
Merlan schlug sich mit der Hand gegen die Stirn.
„Ja, das ist eine qualvolle Parallele für mich. Aber sagen Sie, Frau Drang, wie viel Bargeld haben Sie im Restaurant? Wie groß wäre die Beute des Täters? Das spielt eine Rolle für den rechtlichen Ablauf des Falls. Wenn es nur fünf Euro sind, wird alles wegen Geringfügigkeit eingestellt.“
„Sie stellen wirklich Fragen, soll ich hier jetzt alles nachzählen?“
„Machen Sie mal.“
„Moment.“ Der Hörer wurde zur Seite gelegt. Minuten später wieder aufgenommen. „Ungefähr 600 Euro und ein paar Groschen. Und jetzt?“
„Wir warten ab, sobald der Verdächtige den Laden betreten hat, greifen wir zu. Händigen Sie ihm das Geld aus und leisten Sie keinen Widerstand. Wir haben ihn die ganze Zeit im Visier, sollte er auf Sie losgehen, werden wir ihn natürlich ausschalten. Haben Sie verstanden, Frau Drang? Geben Sie ihm das Geld und lassen Sie ihn gehen, wir werden ihn uns schnappen.“
Stille
„Hören Sie mich?“
„Ja, ich bin leichtgläubig, nicht taub. Dann machen Sie mal. Klingt wie der dümmste Plan, der mir je zu Ohren gekommen ist, aber Sie sind hier der Beamte auf Lebenszeit.“
„Danke Frau Drang.“
„Lassen Sie es mich nicht bereuen“, sagte Tabea Drang und legte auf.
Merlan seufzte. Er hasste, was als Nächstes kam. Er würde die Frau überfallen und sie dastehen lassen wie einen Idioten. Als Verkleidung trug er eine Sturmhaube, über die er eine Gesichtsmaske von Bussie Bär gezogen hatte. Ihm gefiel die Vorstellung, dass die Geschädigten später zur Aussage gaben, Bussie Bär hätte sie überfallen.
Er packte seine neun Sachen und machte sich auf den Weg.
Unterdessen überprüfte Tabea Drang die zwei Patronen in ihrer abgesägten Schrotflinte.