Читать книгу Tod in Amsterdam - Ben Kossek - Страница 8
Оглавление2.
Alexander Berger, Hauptkommissar der Mordkommission bei der Kölner Polizei, erschien in seinem Büro gegen 7 Uhr 30. Zu dieser Uhrzeit ein eher seltenes Ereignis. Doch an diesem wolkenverhangenen Morgen wurde er von seinem jungen Kollegen Jan Scheuer bereits mit großer Ungeduld erwartet.
„Morgen Alex, du kannst die Jacke gleich anbehalten, Kaffee gibt es auch erst später. Wir haben einen Leichenfund, männlich, am Deutzer Hafen. Ein Arbeiter hat den Toten vor etwa einer Stunde in einem Container entdeckt und sofort die Polizei verständigt. Die Kollegen der Polizeiwache Deutz und die Spurensicherung sind bereits draußen vor Ort.“
„Dann mal los“, antwortete Berger, ohne groß Fragen zu stellen. Alex Berger kannte Jan Scheuer bestens, und man konnte gut und gerne von ihnen behaupten, dass sie nicht nur ein hervorragend eingespieltes Team abgaben, sondern dass sie auch so etwas wie eine Freundschaft verband. Bereits seit vielen Jahren waren sie Partner und hatten so manchen Einsatz gemeinsam mit Bravour hinter sich gebracht. Und nicht nur das: Es gab Zeiten, und die waren noch gar nicht so lange her, da hatte Alexander Berger von seinem jungen Kollegen sehr viel Unterstützung erhalten.
Berger war mittelgroß, hatte dunkelbraunes Haar, war Ende vierzig und stets darauf bedacht, sich körperlich fit zu halten. Er hatte dafür sogar schon vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört, jedoch mit einer Unterbrechung, die mehrere Monate andauerte. Damals, mittlerweile war das alles schon drei Jahre her, als das große Leid über sein Leben hereinbrach, wurde er noch einmal schwach und griff erneut zur Zigarette, um sich an irgendetwas festhalten zu können. Doch auch diese Zeit ging dank des fürsorglichen Beistands von Jan vorüber, der nahezu jede Minute an seiner Seite stand, als alles um ihn herum zusammenbrach und in der Bedeutungslosigkeit zu versinken drohte. Alex Berger war sich damals nicht sicher gewesen, ob er überhaupt noch in der Lage war, weiterhin Polizeidienst zu machen, aber Jan Scheuer hatte ihn immer wieder motiviert und ihm gezeigt, wie sehr er ihn brauchte, und dass es keine Option war, jetzt einfach aufzugeben. Er war es, der ihn in dieser schweren Zeit stützte, ihm half, über den unendlichen Schmerz so gut es ging hinwegzukommen und den plötzlichen Unfalltod seiner Frau Rebecca, die er über alles liebte, hinwegzukommen. Rebecca war damals bei einem Verkehrsunfall auf der Heimfahrt von einer Freundin auf tragische Weise ums Leben gekommen. Der Verursacher des Unfalls, der mit seinem Wagen zu weit in die Mitte der Fahrbahn gekommen war und sie abgedrängt hatte, war unerkannt entkommen, während seine Frau damals noch am Unfallort verstarb. Die Suche nach dem flüchtigen Fahrer blieb trotz aller Anstrengungen erfolglos, eine Tatsache, die er selbst heute nur schwer akzeptieren konnte.
Das Rauchen hatte er wieder aufgegeben und joggte nun lieber zwei- bis dreimal die Woche am Rheinufer entlang, wenn draußen nicht gerade Sauwetter war oder ein Fall seine ganze Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
Alex Berger war nicht nur ein guter Polizist, er war auch ein Sturkopf und Pedant, der gerne in den Krümeln suchte. Aber er erledigte seinen Job mit einer bemerkenswerten Ausdauer, die ihn von anderen Kollegen unterschied. Nur nicht von seinem jungen Kollegen Jan Scheuer. In diesem Punkt waren sich beide sehr ähnlich.
Jan Scheuer war Mitte dreißig, trug längeres blondes Haar, Dreitagebart und war gut durchtrainiert. Er hasste jede Form von Schreibtischarbeit. Aber er war ein hervorragender Polizist, in jeder Hinsicht verlässlich und immer dann zur Stelle, wenn er gebraucht wurde. Er fragte nicht lange, was zu tun sei – er tat es einfach. Und er tat fast immer das Richtige. Alex Berger war froh, dass er einen Mann wie Scheuer an seiner Seite hatte und nicht einen, den man erst zum Tatort tragen musste. Von denen gab es auch genug!
An diesem kühlen Morgen wartete nun eine Leiche auf sie, und das noch vor dem ersten Kaffee! Überhaupt kein guter Anfang für einen Tag, fand Berger. Als sie wenig später mit ihrem Dienstwagen auf das Gelände der Metallhandel Stoll AG einbogen, hatten beide das Gefühl, dass dies wohl kein gewöhnlicher Morgen werden würde. Zumindest regnete es im Augenblick nicht mehr, was die Kollegen der Spurensicherung wohlwollend zur Kenntnis genommen haben dürften. Die erfolgreiche Sicherung von Spuren an einem Tatort im Freien war wesentlich vom Wetter abhängig. Bei Regen waren viele Spuren nicht mehr erkennbar oder zumindest unbrauchbar.
Vor einem flachen Gebäudekomplex gleich neben der Firmeneinfahrt standen mehrere Polizeifahrzeuge. Auch ein Notarztwagen war vor Ort, in dem ein Mann mit einem dunkelblauen Overall saß. Die beiden Kommissare stiegen aus und gingen auf zwei Polizeibeamte von der Streife zu, die gerade vor dem Eingang des Gebäudes standen.
„Guten Morgen. Hauptkommissar Berger, mein Kollege Jan Scheuer, Mordkommission. Wo befindet sich die Leiche? Dort entlang?“ Alex Berger zeigte mit seinem Dienstausweis nach links in die Richtung, wo er einige Beamte damit beschäftigt sah, etwas sicherzustellen, dass sie offenbar dort auf dem Boden gefunden hatten.
„Ja, und dann gleich nochmal nach links“, erwiderte einer der Beamten.
Berger und Scheuer folgten der angegebenen Richtung und schlüpften unter dem rotweißen Absperrband hindurch, welches den Bereich des Tatorts kennzeichnete. Die Kollegen der Spurensicherung untersuchten gerade mit der für sie unerlässlichen Sorgfalt eine vor einem Müllcontainer liegende Leiche und deren näheres Umfeld.
„Guten Morgen, Köster, alter Schnüffler. Was haben wir?“ fragte Berger etwas unlustig, während er sich das nähere Umfeld aufmerksam ansah.
Einer der Männer im weißen Overall der Spurensicherung drehte sich zu ihnen um. Arndt Köster war ein erfahrener Spezialist auf dem Gebiet der Rechtsmedizin. Er blickte fast etwas mitleidig auf den am Boden liegenden Toten. Ohne auf die Nettigkeiten des Kollegen Berger einzugehen, begann er seinen kurzen Bericht.
„Männliche Leiche, etwa Mitte bis Ende dreißig. Sieht eindeutig nach einer Hinrichtung aus“, antwortete er, ohne auf die erstaunten Gesichter der beiden Kommissare zu achten. „Ein aufgesetzter Schuss von oben in den Hinterkopf. Die Kugel trat unterhalb des Kinns wieder aus, mit relativ kleiner Austrittswunde. Außerdem Blutspuren an der Leiche selbst und auch hier auf dem Boden, des Weiteren einige Blutspritzer außen am Container. So wie es aussieht, wurde er hier an Ort und Stelle in knieender Haltung erschossen und dann einfach in den Container geworfen. Die haben sich nicht viel Mühe mit ihm gemacht. Das Projektil suchen wir gerade noch. Einer der Arbeiter hat ihn heute Morgen entdeckt, als er etwas in den Container werfen wollte.“ Und nach einer kurzen Pause: „Es gibt wohl schönere Arten zu Sterben.“
„Und wo ist dieser Arbeiter jetzt?“ fragte Berger nach.
„Sitzt vorne beim Hauptgebäude im Rettungswagen.“ Köster deutete mit dem Daumen nach hinten über die Schulter, um die ungefähre Richtung vorzugeben.
„Gut, den schau ich mir mal an“, versprach Jan Scheuer kurz entschlossen und ging den Weg zurück zum Rettungsfahrzeug.
Etwas unschlüssig wanderte Bergers Blick über das vor ihm liegende Gelände. Es war ein auf den ersten Blick unüberschaubares Chaos von Metallabfällen, die man sortiert zu Bergen aufgetürmt hatte, dazwischen Container, Paletten, und ein paar Kabeltrommeln, die sich über das gesamte Areal verteilten. Einige niedrige Betonmauern waren dazu gedacht, das Gelände in verschiedene Bereiche zu unterteilen. Berger fragte sich, warum der Mann ausgerechnet hier erschossen und in einen Container geworfen wurde. Hatten die Täter zum Tatort einen bestimmten Bezug oder war er rein zufällig ausgewählt worden? Für das Gelände als solches sprach, dass es ziemlich unübersichtlich und abgelegen war. Hier musste man nicht damit rechnen, dass des Nachts jemand rein zufällig vorbeikommen.
„Hatte der Tote etwas bei sich, das uns helfen könnte, ihn zu identifizieren?“ brummte Berger, dessen anfangs noch einigermaßen erträgliche Laune sich nun doch langsam aber sicher verschlechterte. Er überlegte, dass ein heißer Kaffee jetzt keine üble Idee wäre.
„Nein, Fehlanzeige. Keine Brieftasche, kein Handy, nur die Klamotten, die er auf dem Leib trägt. Die sind allerdings nicht von der Stange, alles Markenware der gehobenen Preisklasse. Alleine diese Schuhe, sind von Salvatore Ferragamo“, Köster verdrehte die Augen, „im Handel nicht unter achthundert Euro zu bekommen. Und von seinem ebenso teuren Anzug fehlt uns das Jackett.“
„Das Jackett fehlt?“ Alex Berger blickte sich verwundert um, als könne er es hier irgendwo finden.
„Genauso. Es fehlt.“
„Ihr habt alles abgesucht?“
„Natürlich. Was denkst Du?“ Köster bedachte Berger mit einem Blick, als hätte der ihn gerade gefragt, ob er in seiner Freizeit Damenunterwäsche trage.
„Seltsam. Gibt‘s auffallende Verletzungen an seinem Körper?“
„Ja. Er hat vor seinem Tod mehrere heftige Schläge ins Gesicht abbekommen, die Prellungen belegen das. Genaueres aber erst nach der Obduktion. Du weißt ja, Alex, so manches Mal kommen bei einer Obduktion noch die merkwürdigsten Sachen zum Vorschein. Wäre nicht das erste Mal.“
Das stimmte zweifellos, da musste er dem Kollegen Köster Recht geben. Er würde nie vergessen, wie Arndt Köster bei der Obduktion einer Frauenleiche einen kleinen Wundhaken zum Vorschein brachte. Der war offenbar bei einer zuvor stattgefundenen OP der Frau nicht einmal vermisst worden und hatte über einen längeren Zeitraum unbemerkt in ihrem Körper für stetiges Unbehagen gesorgt. Die Frau hatte sich immer wieder über undefinierbare Schmerzen im Bauchbereich beklagt, jedoch wurde dem seitens der behandelnden Ärzte keine besondere Beachtung geschenkt.
„Könnt ihr schon etwas über den Todeszeitpunkt sagen?“ Mit dieser Frage versuchte Alex Berger, seine Gedanken wieder in die richtigen Bahnen zu lenken und sich auf den vorliegenden Fall zu konzentrieren.
„Der liegt mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen 23 Uhr 40 und 2 Uhr morgens. Aber auch da genaueres erst nach der Obduktion“, erklärte Arndt Köster. Berger stutzte erneut.
„23 Uhr 40? Wie kommt ihr auf diese Uhrzeit? Gibt es dafür etwa einen konkreten Anhaltspunkt?“
„Ja. Die Reifenspuren, die wir sichergestellt haben, sind erst nach dem starken Regen heute Nacht entstanden …“
„Ihr habt Reifenspuren?“ platzte Berger in die Ausführungen des Kollegen und war plötzlich auch ganz ohne Kaffee hellwach. „Nun, das ist doch schon mal ein verdammt guter Anfang.“
Berger wusste, dass die Reifenspur eines jeden Fahrzeugs ein einzigartiges Muster aufwies, ähnlich wie bei einem Schuhabdruck. Durch die Art, wie eine Person sich beim Gehen bewegt, nutzen sich die Schuhsohlen auf eine unverwechselbare Weise ab. So konnte man zwei verschiedene Personen, die exakt die gleiche Schuhmarke und Schuhgröße trugen, anhand ihres Gehverhaltens am Schuhabdrucks klar voneinander unterscheiden. Ebenso verhält es sich bei Autoreifen. Zwei Fahrzeuge gleichen Fabrikats mit identischer Bereifung können verschiedene Reifenspuren durch unterschiedliche Abnutzung des Profils hinterlassen, die wiederum bedingt ist durch eine ganze Reihe von weiteren Faktoren.
„Allerdings, haben wir, Kollege. Und jetzt wird‘s interessant.“ Arndt Köster grinste zufrieden. „Wir haben einen einwandfreien und vollständigen Reifenabdruck dort vorne direkt hinter der Absperrung gefunden. Das Gelände ist zwar durchgehend asphaltiert, jedoch hat sich in diesem Bereich eine dicke Schicht Erde angesammelt, die sich dort möglicherweise durch verschmutzte LKW-Reifen in Verbindung mit dem starken Regen abgelagert hat. In der nassen Erde fanden die Jungs den gut ausgeprägten Abdruck, und zwar nicht vom Regen verwischt. Demnach ist er erst entstanden, nachdem der Regen aufgehört hat. Das war so gegen 23 Uhr 40. Soviel können wir schon mit ziemlicher Gewissheit sagen. Was den Abdruck selbst angeht, weist er unverwechselbare Merkmale im Profil auf. Das könnte uns entscheidend weiterhelfen. Wir können zwar noch nicht genau sagen, zu welchem Fahrzeugtyp er gehört. Aber spätestens heute Nachmittag wissen wir es.“
Alex Berger blickte sich nach allen Richtungen um. „Könnte der auch von einem anderen Fahrzeug stammen, vielleicht von einem Privatfahrzeug der Mitarbeiter oder einem der Firmenfahrzeuge?“
„Wohl eher nicht. Der Parkplatz für das Personal befindet sich vorne beim Hauptgebäude, und die Firmenfahrzeuge haben diesen Bereich heute noch nicht befahren. Das haben wir schon abgeklärt.“
Berger dachte nach. Die Erkenntnisse hier am Tatort ließen bisher folgenden Schluss zu: Der Tote war nach dem gestrigen Regen, frühestens kurz vor Mitternacht, mit einem noch unbekannten Fahrzeug hier auf das Firmengelände gebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt war er noch am Leben. Erst hier an Ort und Stelle wurde er dann vor dem Container erschossen, wie die erwähnten Blutspuren eindeutig belegen, und anschließend in den Container geworfen. Und es gab brauchbare Reifenspuren – gar kein so schlechter Anfang. Das alles konnte dazu beitragen, die wichtigen Fragen, die im Raum standen, zu klären: Wer war der Tote, der hier so elend sterben musste, warum musste er sterben und wer waren die Täter?
„Gut, Arndt, melde dich, wenn du mehr weißt, klar?“ Berger wandte sich zum Gehen, als Arndt Köster ihm hinterherrief:
„Aber natürlich. Wir schauen uns noch den Inhalt dieses Containers an. Wenn wir den geleert haben, kommt vielleicht ja noch etwas Interessantes zum Vorschein. Und mit ein wenig Glück finden die Jungs auch das fehlende Projektil. Ihr hört von mir.“
Alex Berger unternahm einen kleinen Rundgang über das Firmengelände in der Hoffnung, in diesem Chaos doch noch etwas Brauchbares zu entdecken, bevor er wieder zurück in Richtung Rettungswagen ging. Dort fand er den Kollegen Scheuer noch im Gespräch mit dem Mann im blauen Overall. Als Scheuer seinen Kollegen kommen sah, ging er ihm ein paar Schritte entgegen.
„Er steht noch leicht unter Schock“, sagte er. „Er hat die Leiche heute Morgen gegen 6 Uhr 30 entdeckt, als er einige Stahlteile in den Container werfen wollte. Beinahe hätte er den Toten übersehen, weil etliches Material auf ihm lang. Nur eine Hand ragte durch die Stahlteile. Er habe sich erschrocken, sei dann aber sofort nach vorne zum Hauptgebäude gerannt, um von dort die Polizei und seinen Chef anzurufen.“
„Ist ihm sonst etwas aufgefallen? Irgendetwas, das am heutigen Morgen anders war als sonst?“
„Nein, nichts dergleichen.“
Der Mann im blauen Overall rauchte mit zittrigen Fingern eine Zigarette. Berger reichte ihm seine Karte und sagte nur: „Rufen Sie uns an, wenn ihnen noch irgendetwas einfällt. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, es könnte wichtig sein und uns weiterhelfen. Wo finden wir Ihren Chef?“
„Dort im Büro.“ Der Arbeiter zeigte mit einer Kopfbewegung auf einen der einfachen Flachbauten auf der rechten Seite. Berger und Scheuer gingen hinüber und traten, nachdem sie angeklopft hatten, durch eine graue Holztür mit dem Hinweis „Büro“.
In dem engen Raum bildeten lediglich zwei wuchtige ältere Holzschreibtische, allem Anschein nach Überbleibsel aus einem anderen Jahrhundert, sowie ein ebensolches Regal, das bis unter die Decke mit schmutzigen Aktenordnern jeglicher Couleur vollgestopft war, das hauptsächliche Mobiliar. Hinter einem der beiden Schreibtische saß ein untersetzter Mann mit lichtem, grauem Haar, das einfach glatt nach hinten gekämmt war. Das Kinn in beide Hände gestützt, starrte er verwirrt vor sich auf die Schreibtischplatte. Ihm war anzusehen, dass ihn der Leichenfund von heute Morgen hier auf seinem Firmengelände ziemlich aus der Fassung brachte.
„Herr Stoll?“ Berger zeigte seinen Dienstausweis.
„Ja, Harry Stoll. Mir gehört der Laden hier. Wie kann ich Ihnen helfen, meine Herren?“
„Berger, Mordkommission, und das ist mein Kollege Scheuer. Hätten Sie einen Moment Zeit für uns? Wir haben noch ein paar Fragen und hoffen, Sie können uns dabei helfen.“
„Natürlich, aber ich habe ihren Kollegen bereits gesagt, dass ich nichts weiß. Ist ´ne schöne Sauerei, das mit der Leiche. Einer meiner Leute hat ihn heute Morgen entdeckt und danach erst die Polizei und dann mich angerufen. Ich bin dann sofort hierhergefahren, aber da waren ihre Kollegen schon hier.“ Er wischte sich mit einem Baumwolltaschentuch, das noch um einiges älter aussah als er selbst, und dessen ursprüngliche Farbe selbst mit gutem Willen nicht mehr zu erkennen war, die schweißnasse Stirn und fragte dann: „Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?“
Ein kurzer Blick auf etwas auf einem wackligen Beistelltisch, das früher einmal eine Kaffeemaschine gewesen sein könnte, nun aber mit einer eingebrannten braunen Kruste und Kaffeepulver überzogen war, ließ selbst Alex Berger trotz seines Verlangens dankend ablehnen. Jan Scheuer blickte dabei drein, als versuche er abzuschätzen, wann hier das letzte Mal die Filtertüte gewechselt worden war.
„Ist Ihnen in den letzten Tagen etwas Verdächtiges aufgefallen? Eine Kleinigkeit vielleicht nur? Personen oder Fahrzeuge, die hier nicht hingehörten? Selbst der kleinste Hinweis könnte hilfreich sein“, fragte Jan Scheuer.
„Nee. Nicht das ich wüsste. Alles war wie immer. Alle Männer, die hier bei mir arbeiten, sind schon seit mehr als zehn Jahren in der Firma. Jeder kennt hier jeden, und vor allem: Ich kenne hier jeden Einzelnen. Man schätzt und hilft sich untereinander, so gut es nun mal eben geht.“
„Wird das Gelände nachts gesichert?“ wollte Berger wissen.
„Aber meine Herren! Wer sollte hier denn etwas klauen? Das Tor steht immer offen, ich weiß gar nicht, ob es sich überhaupt noch schließen lässt. Wir hatten diesbezüglich noch nie Probleme hier. Das ist überhaupt das erste Mal, dass hier etwas passiert ist. Hierher verläuft sich normalerweise keine Menschenseele. Weiß man denn schon, wer der Tote ist? Von meinen Leuten ist es jedenfalls keiner.“
„Nein, das wissen wir noch nicht. Aber wir werden es herausfinden, darauf können Sie wetten. Aber der Kleidung nach ist es tatsächlich keiner von Ihren Leuten.“ Scheuer drehte sich etwas zur Seite und grinste verstohlen nach Bergers Bemerkung.
„Und was geschieht nun mit der Leiche?“ wollte Harry Stoll wissen, wobei seine rechte Hand aufgeregt mit der linken rang.
„Die Kollegen nehmen sie später mit. In zwei Stunden sind wir hier weg, wenn die Spurensicherung abgeschlossen ist. Die nehmen sich jetzt noch den Container vor und das war es. Sollte Ihnen noch etwas einfallen, rufen Sie uns an.“ Berger legte seine Visitenkarte auf den Schreibtisch und ging hinaus. Scheuer folgte ihm ohne ein Wort.