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Vorwort

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„Ändern kannst du sowieso nichts“ – dieses Lebensgefühl wird von Kindern und Jugendlichen in empirischen Studien immer wieder geäußert. Es bezieht sich allerdings weniger auf ihr Aufwachsen im privaten Umfeld, haben sich doch in Deutschland Aushandlungsprozesse zwischen Erziehenden und Kindern in der Familie weiter etabliert. Die jüngste Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2019 stellt heraus, dass sich das Verhältnis zwischen Kindern und Erziehenden kontinuierlich verbessert.

Ganz anders sieht es für die große Mehrheit der jungen Menschen aus, wenn man auf den öffentlichen Raum schaut. Viele junge Menschen melden dazu in Befragungen zurück, dass ihre Stimme nicht oder nur wenig zählt. Die Gesellschaft erlaubt sich mithin, die in zahlreichen rechtlichen Normen, zum Beispiel der UN-Kinderrechtskonvention, Landes- und Kommunalverfassungen, dem Kinder- und Jugendhilferecht/Sozialgesetzbuch VIII, verbrieften Rechte auf Partizipation in hohem Maße zu ignorieren.

Daran mitzuwirken, Kindern und Jugendlichen eine hörbare Stimme zu geben, ist ein wichtiges Anliegen der Bertelsmann Stiftung, das wir seit vielen Jahren verfolgen. Deshalb wurde im Jahr 2009 die Initiative „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie.“ gestartet. Zielsetzung ist es, Kindertagesstätten, Schulen und Jugendarbeit dabei zu unterstützen, jungen Menschen Chancen für die Mitgestaltung ihres Umfeldes zu eröffnen. Von Anfang an standen dabei sowohl die einzelne Einrichtung als auch die Frage der sozialräumlichen und kommunalen Vernetzung im Fokus. Die Herausforderung: Partizipation junger Menschen muss in den Binnenstrukturen der Einrichtungen durch entsprechende Qualifikationen pädagogischer Fachkräfte gestärkt werden – der Blick darf aber an den Türen der Häuser nicht enden, wenn die Lebenswirklichkeit der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt stehen soll. Ein besonderes Anliegen ist es uns, dabei auch diejenigen einzubeziehen, die mit gesellschaftlichen Ausgrenzungen konfrontiert sind, sei es durch ihre ethnische, kulturelle oder soziale Herkunft, ihren Bildungshintergrund, ihre sozioökonomische Lage, ihr Geschlecht oder ihre Religion.

Hier setzt das Konzept „Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern“ (GEBe) an, das auf Initiative der Bertelsmann Stiftung unter wissenschaftlicher Federführung von Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker (Universität Hamburg) erarbeitet wurde. Es war zunächst auf die Benachteiligten als wichtigste Zielgruppe der Offenen Kinder- und Jugendarbeit bezogen. GEBe wurde in zwei Phasen entwickelt. In der ersten Phase (2012 bis 2015) wurde erprobt, wie lebensweltliche Themen Anlass der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen werden können. Darauf aufbauend wurde in der zweiten Phase (2015 bis 2018) der Ansatz im Rahmen einer Exploration mit dem Nachbarschaftsheim Berlin-Schöneberg weiterentwickelt, um Einrichtungen dabei zu unterstützen, sozialräumliche Dimensionen einzubeziehen. Wenn Kindern und Jugendlichen zum Beispiel in ihrem Kiez Freizeitmöglichkeiten fehlen oder sie aus ihren informellen Treffpunkten verdrängt werden, können diese Probleme nur kooperativ mit Akteuren des Sozialraums und der Kommune bearbeitet werden. Hierfür benötigen die Fachkräfte vertiefte Kompetenzen.

So entstand ein erweitertes Konzept. Es fokussiert nicht ausschließlich auf benachteiligte Kinder und Jugendliche, sondern bezieht sich auf alle jungen Menschen, die in Stadtteilen oder Bezirken von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erreicht werden. Es geht nun nicht mehr nur um Offene Kinder- und Jugendarbeit, sondern auch um alle Angebote für Kinder und Jugendliche im jeweiligen Sozialraum, zum Beispiel die Kindertageseinrichtungen, die Ganztagsbetreuung, die Eltern- und Erziehungsberatung, die Schulsozialarbeit, die Jugendkulturarbeit, die Jugendverbände und Vereine oder auch die Hilfen zu Erziehung. Ebenso sind im Sozialraum die lokale Politik und Verwaltung, die Gemeinwesenarbeit, Baugenossenschaften und Geschäftsleute einzubeziehen.

Mit den nun drei Bänden zur Förderung gesellschaftlich-demokratischen Engagements von Kindern und Jugendlichen schlagen wir differenzierte und erprobte Praxiskonzepte vor. Sie setzen bei den lebensweltlichen Themen der Kinder und Jugendlichen an und greifen ihre Handlungsstile und politischen Artikulationsweisen auf. Nur so können wir dazu beitragen, dass junge Menschen ihr Recht auf Mitwirkung an Gemeinwesen und Gesellschaft wahrnehmen können.

Unser besonderer Dank gilt an dieser Stelle Professor Dr. Benedikt Sturzenhecker für die langjährige Zusammenarbeit. Seine innovativen Impulse haben unsere Handlungsansätze immer wieder geschärft. Wir danken Thomas Glaw und Moritz Schwerthelm für die engagierte Begleitung der Explorationsphase mit dem Nachbarschaftsheim Berlin-Schöneberg und die Dokumentation ihrer Arbeit in diesem Band, ebenso allen weiteren Autorinnen und Autoren, die mit ihren Beiträgen die Bezüge unserer Arbeit zu den aktuellen fachwissenschaftlichen Debatten herausgearbeitet haben.

Wir freuen uns, wenn diese Publikation Ihnen neue Ideen für Ihre Arbeit gibt, und hoffen, dass Kinder und Jugendliche mehr und bessere Möglichkeiten bekommen, gehört zu werden und demokratisch Einfluss auf die Belange ihres Lebens in Gemeinwesen und Gesellschaft zu nehmen.

Bettina Windau Director Programm Zukunft der Zivilgesellschaft Sigrid Meinhold-Henschel Senior Project Manager Projektleitung „jungbewegt – Für Engagement und Demokratie.“ Programm Zukunft der Zivilgesellschaft
Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 3

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