Читать книгу Gesellschaftliches Engagement von Benachteiligten fördern – Band 3 - Benedikt Sturzenhecker - Страница 6
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Benedikt Sturzenhecker
Dieses Buch besteht aus zwei Teilen:
A | der Begründung, dem methodischen Konzept und den konkreten Prozesserfahrungen zum Modellprojekt „Kooperativ in der Kommune: Demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen fördern (KoKoDe)“ sowie
B | einer Vertiefung der GEBe-Methode – Gesellschaftliches Engagement von benachteiligten Kindern und Jugendlichen fördern –, die dem Modellprojekt KoKoDe zugrunde liegt.
Der Band wendet sich vor allem an Fachkräfte aller Felder der Kinder- und Jugendhilfe sowie an die Träger dieser Organisationen. Es geht also um die Kita, Offene Kinder- und Jugendarbeit, Ganztagsbetreuung, Schulsozialarbeit, Jugendkulturarbeit, Familienbildung, Stadtteilarbeit usw.
Zu Teil A
Für Fachkräfte und Träger wird gezeigt, wie man in den Einrichtungen die lebensweltlichen Themen der Kinder und Jugendlichen entdecken, sie mit diesen dialogisch klären und gemeinsam angehen kann – dafür steht die GEBe-Methode. Auf dieser Basis können die Einrichtungen im Stadtteil, im Dorf, in der Kommune kooperieren und gemeinsam ihre Adressat*innen darin unterstützen, die entdeckten Themen, Konflikte und Problemstellungen selbst vor Ort einzubringen und in der Kommune demokratisch umzusetzen.
Insbesondere der zweite Aspekt wird in diesem Teil des Buches betont: Es geht darum, wie die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe ihre Vereinzelung überwinden und ausgerichtet an den Themen und Interessen der jungen Menschen die Kommune als demokratisches Handlungsfeld kooperativ eröffnen können. Die schon lange bestehende Forderung von Partizipationskonzepten, Sozialraumorientierung und Bildungslandschaften, die Kinder und Jugendlichen zu unterstützen, als Subjekte und Bürger*innen nicht nur ihre Einrichtung, sondern auch das gesellschaftliche Leben und Arbeiten vor Ort demokratisch mitzubestimmen und mitzugestalten, wird mit dem KoKoDe-Modell umgesetzt.
Wie grundsätzliche Arbeitsweisen dabei aussehen könnten und wie das alles in einem konkreten Praxisprojekt funktioniert hat, wird im ersten Teil des Buches erläutert.
Zunächst führt Benedikt Sturzenhecker in die konzeptionelle Begründung und in die methodische Arbeitsweise des KoKoDe-Modells ein. Anschließend beschreibt Thomas Glaw die Ziele, die methodischen Schritte und konkreten Erfahrungen, Erfolge sowie Schwierigkeiten der praktischen Realisierung des Modells anhand des Nachbarschaftsheims Schöneberg in Berlin.Thomas Glaw hat das von der Bertelsmann Stiftung geförderte und von Benedikt Sturzenhecker begleitete Projekt als Koordinator geleitet. Möchte man als Fachkraft oder Träger wissen, wie die vorgeschlagenen Arbeitsweisen umgesetzt wurden und ob und wie sie funktioniert haben, sei dieser Text empfohlen.
Auch der dann folgende Beitrag schildert konkrete Praxiserfahrungen. Innerhalb des Modellprojekts KoKoDe fand am Standort Steglitz-Nord des Nachbarschaftsheims Schöneberg ein konkretes Projekt mit unterschiedlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Stadtteil statt. Es hat erprobt, wie man als Kita, als Ganztagsschule oder in der Offenen Jugendarbeit die lebensweltlichen Themen der Kinder und Jugendlichen zusammen entdecken und aufgreifen kann. Nina Vormelchert hat dieses Teilprojekt als Koordinatorin geleitet und stellt die Prozesserfahrungen vor. Die beteiligten Jugendhilfeeinrichtungen entdeckten nicht nur die ihre Adressat*innen betreffenden Themen, sondern kooperierten auch mit anderen Organisationen im Viertel, zum Beispiel mit einer Baugenossenschaft, einer Kirchengemeinde und einer Seniorenwohnanlage, um die Projekte zu realisieren.
Benedikt Sturzenhecker fasst dann die methodischen Vorgehensweisen aus den Projekten zusammen und folgert daraus sehr konkrete Arbeitsschritte und Handlungsweisen für die Praxis, um demokratisches Engagement von Kindern und Jugendlichen in der Kommune kooperativ zu realisieren. Fachkräfte und Teams können in diesem Beitrag ganz konkrete Anleitungen und Anregungen für ihre Arbeit finden.
Im KoKoDe-Projekt des Nachbarschaftsheims Schöneberg wurden die Fachkräfte aus den unterschiedlichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe des Trägers zunächst in der GEBe-Methode geschult und bei deren Umsetzung im Projekt unterstützt. Moritz Schwerthelm, der diese Fortbildungen mit durchgeführt und die Projekte gecoacht hat, stellt die Methoden und Arbeitsweisen für die Qualifizierung der Fachkräfte vor.
In einem weiteren Beitrag wird reflektiert, welche Probleme und welche Erfolge Fachkräfte bei der Umsetzung der GEBe-Methode auf dem Weg zur gemeinsamen Förderung demokratischen Engagements in der Kommune hatten. In drei Evaluationsprojekten hat Benedikt Sturzenhecker gemeinsam mit Studierenden der Universität Hamburg Fachkräfte zur Realisierung der Arbeitsweise befragt. So entstand eine Auswertung, die offen und ehrlich positive Entwicklungen, aber auch bestehende Schwierigkeiten aus Sicht der Fachkräfte benennt. Daraus ergeben sich wiederum Anregungen für eine Verbesserung der Arbeitsweise und ihrer Implementierung in der Praxis.
Am Schluss des ersten Teils gibt Stephan Maykus als Experte für Bildungslandschaften noch eine konzeptionelle Rahmung. Er zeigt, warum das Modellprojekt des Nachbarschaftsheims Schöneberg und der Bertelsmann Stiftung sehr konkrete Hinweise für eine demokratische Gestaltung von Bildungslandschaften gibt. Damit wird eine eigene theoretische Begründungsperspektive auf eine Kooperation geliefert, die die Kinder und Jugendlichen, ihre Themen, Probleme und Interessen, aber auch ihre Handlungsfähigkeit in der Kommune in den Mittelpunkt stellt.
Zu Teil B
Das Modellprojekt KoKoDe und seine Arbeitsweisen fußen auf der GEBe-Methode. Diese wurde zwar für die Hauptzielgruppe der Offenen Kinder- und Jugendarbeit – nämlich Benachteiligte – entwickelt, zeigt sich aber als ebenfalls gültig und nützlich für alle anderen Felder der Kinder- und Jugendhilfe und ihre Zielgruppen.
Im zweiten Teil des Buches werden die Arbeitsweisen des Projekts um einen wichtigen Aspekt ergänzt. KoKoDe bezieht sich auf die Unterstützung des demokratischen Handelns der Kinder und Jugendlichen in der Kommune. Die kann aber nur erfolgreich sein, wenn die Fachkräfte und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe selbst über Konzepte und Kompetenzen für eigenes jugendpolitisches Handeln vor Ort verfügen. Beide Seiten müssen zusammenkommen: die Förderung des demokratischen Handelns der jungen Menschen, ausgehend von deren Lebensweltperspektive, und das politische Handeln der Fachkräfte und Einrichtungen mit Blick auf politische Analysen, Netzwerkstrategien und konkrete Einmischung in Jugendpolitik vor Ort.
Werner Lindner hat in den vergangenen Jahren besonders für die Kinder- und Jugendarbeit pointiert herausgearbeitet, dass und wie sie sich in die kommunale Jugendpolitik einmischen kann und muss. Für dieses Buch hat er dazu einen neuen Text erarbeitet, der den zweiten Teil eröffnet. Darin begründet und beschreibt der Autor, wie die kommunalpolitischen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe beschaffen sind.
Zu diesem Thema hat Werner Lindner zusammen mit Winfried Pletzer vor zwei Jahren ein wichtiges Buch herausgegeben (Kommunale Jugendarbeit, Weinheim 2017). Diesem Band haben wir zwei Texte entnommen, die bedeutende methodische Ergänzungen für politisches Handeln der Kinder- und Jugendhilfe in der Kommune enthalten. Marco Althaus referiert sehr greifbar die Grundsätze der Politikberatung für die kommunale Jugendlobby – was also Fachkräfte wissen und tun müssen, um lokale Politik zu jugendpolitischen Themen beraten und beeinflussen zu können. Herbert Schubert, ein ausgewiesener Experte für Netzwerkgestaltung, gibt Wissen und konkrete methodische Hinweise zur Identifizierung und Gestaltung von Netzwerken in der Kommune.
In den bisherigen Publikationen zur GEBe-Methode wurde ein wichtiges Thema der lebensweltnahen Partizipation von jungen Menschen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nur am Rande erwähnt: wie Differenz und Unterschiedlichkeit mit dem Anspruch auf gleichberechtigte demokratische Teilnahme verbunden werden können. Kinder und Jugendliche sind auf verschiedene Weise unterschiedlich und das hat Folgen dafür, wie sie sich in demokratische Mitentscheidung und Mithandlung einbringen können. Will man gleiche Beteiligung als Recht für alle sichern, muss man Differenz und Ungleichheit erkennen und bewusst damit umgehen.
Wie Differenz und Ungleichheit zusammenhängen und welche benachteiligende Wirkung sie auf unterschiedliche Menschen haben können, erläutern Melanie Plößer und Benedikt Sturzenhecker in ihrem Text zur Differenz und Demokratie im Partizipationsalltag der Kinder- und Jugendhilfe. Es wird gezeigt, dass für den Gleichheitsanspruch von Demokratie die doch real bestehende Ungleichheit reflexiv erkannt und bewusst in der sozialpädagogischen Forderung nach Demokratiebildung berücksichtigt werden muss. Ganz konkrete Reflexionsfragen, die sich für die praktische Nutzung in Teamsitzungen anbieten, prägen diesen Artikel. Benedikt Sturzenhecker geht anschließend noch einen Schritt weiter und schlägt methodische Arbeitsweisen vor, wie in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe konkret eine differenzbewusste Demokratiebildung gefördert werden kann.
In den letzten drei Beiträgen des Buches geht es um Vertiefungen und Erfahrungen mit der Methode. Zwei Fachkräfte, die am Berliner KoKoDe-Modellprojekt des Nachbarschaftsheims Schöneberg teilgenommen haben, Jenka Doris Bühler und Anja Henatsch, entwickeln Verbindungen zwischen der von ihnen angewandten Methode der gewaltfreien Kommunikation und der GEBe-Methode – ganz konkret ausgerichtet an ihren Erfahrungen mit beiden Arbeitsweisen in der Jugendkulturarbeit.
Alicia Picker nutzt die Modelle der Theorien zu erfahrungsbasiertem Lernen aus der Psychologie, um Lernprozesse von Fachkräften im Umgang mit der Methode zu beleuchten. Deutlich werden dabei Krisen und Potenziale solcher Lernprozesse im Umgang mit GEBe.
Schließlich berichtet Annalena Uhlenbrock aus einem Forschungspraktikum, in dem sie zwei Jugendpfleger des Kreises Gütersloh zu deren Erfahrungen mit der GEBe-Methode befragt hat. Sie zeigt, wie ein Kreisjugendamt die Fachkräfte der offenen Jugendeinrichtungen bei der Realisierung der Methode beraten sowie methodisch bewusstes Handeln und fachliche Reflexion nachhaltig stärken kann.