Читать книгу Erlebnispädagogik und ADHS - Benjamin Heller - Страница 13
2.3.4.Ganzheitlicher Ansatz
ОглавлениеNeurobiologe Gerald Hüther (2006), einer der großen Kritiker im Umgang mit ADHS, sieht die Ursache nicht rein biologisch oder genetisch, sondern geht von einem ganzheitlichen Ansatz aus. Er vermutet, dass gestörte Bindungsbeziehungen, fehlende Strukturen und Rituale, Stress und inkompetente Erziehungsstile, Überlastung der Eltern und die daraus resultierende übermäßige und stressige Reizexposition aufseiten der primären Bezugspersonen dafür verantwortlich sind, dass eine zu frühe und zu starke Stimulation dopaminerger Neurone im Mittelhirn stattfindet und einen Kreislauf zwischen neuronalen Strukturen und Umwelterfahrungen auslöst. Dieser führt später zu übermäßig expansivem Verhalten und mangelhafter autonomer Impulskontrolle. Kinder, die bereits in jungen Jahren gestresst sind, entwickeln also ein überentwickeltes dopaminerges System. Wenn sie dann weiterhin unter ungünstigen psychologischen Bedingungen heranwachsen, unter denen ihre erhöhten, zerebralen Angebote nicht genutzt und stabilisiert werden können, kommt es zu einer Rückbildung nicht genutzter Strukturen und damit zu einer unzureichend entwickelten exekutiven Frontalhirnfunktion32. Die Folgen sind demnach Defizite in der Impulskontrolle, Handlungsplanung und Folgenabschätzung. Hüther bezeichnet dies als „Teufelskreis übersteigerten Antriebs und gleichzeitig mangelhafter Antriebskontrolle“33.
Die deutsche Ärztekammer fasst zusammen, dass die Ursachen und Entstehungsbedingungen von ADHS noch „nicht vollständig geklärt“34seien. Man gehe aber davon aus, dass ADHS nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen sei, sondern mehrere Komponenten an der Verursachung beteiligt seien. Das Auftreten von ADHS sei nicht auf die Veränderung einzelner Gene zurückzuführen. Eine multifaktorielle Genese verschiedener Gene und/oder die Wechselwirkung zwischen genetischen und exogenen Faktoren (zum Beispiel DAT-10, ein Gen, das mit ADHS in Verbindung gebracht wird, aber auch mütterliches Rauchen oder Trinken) seien eventuell die Ursache35.
Abschließend kann resümiert werden, dass die Wissenschaft sich weiterhin uneinig bei der eigentlichen Ursache der ADHS ist. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen jedoch eine Tendenz zu einer multifaktoriellen Ursache, sprich einer Mischung aus ungünstigen Umweltfaktoren als auch genetischen Dispositionen.36