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2. Die politische Entwicklung zwischen 1849 und den 90er Jahren

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Preußen zwischen Märzrevolution und Bismarck-Ära

Die Daten von Bismarcks Ernennung zum preußischen Ministerpräsidenten (23.9.1862) und seiner Entlassung als Reichskanzler (20.3.1890) heben die „Bismarckzeit“ natürlich als besondere Periode der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervor. Das darf den Blick aber ebenso wenig auf das Dutzend Jahre zuvor verstellen wie den auf die Schweizer Situation. Österreich – um die Notwendigkeit trilateraler Betrachtung nicht außer Acht zu lassen – ist auf dem europäischen Spannungsfeld, das Bismarck zu dirigieren verstand, ohnehin ständig präsent. Das gilt ganz entscheidend auch für die ersten nachrevolutionären Jahre:

Österreich zwischen Olmütz und Königgrätz

Der preußische König Friedrich Wilhelm IV (1795–1858, König seit 1840) hatte nach Ablehnung der ihm vom Paulskirchen-Parlament angebotenen Kaiserkrone versucht, eine Reichseinigung zustande zu bringen über die Zwischenstufe eines „kleindeutschen“ Bundesstaates unter preußischer Führung, der sich zu einem erweiterten Bund mit Österreich zusammenschließen sollte. Österreich erzwang jedoch mit Hilfe des russischen Zaren die Wiederherstellung des Deutschen Bundes unter seinem alleinigem Vorsitz (Olmützer Punktation von 1850). Es war das letzte Mal, dass Österreich sich durchsetzen konnte: Parallel zur Schwächung des 1849 wiederhergestellten österreichischen Absolutismus im Inneren durch Verfassungskonflikte und Nationalitätenstreit des Vielvölkerstaates erfolgte seine Demontage von außen: Im Zuge des Krimkrieges von 1854–56 zerbrach die Heilige Allianz des Ostens wegen des Streits um die Balkanländer; 1859 unterlag Österreich den Verbündeten Frankreich und Königreich Sardinien im Italienischen Einigungskrieg (Schlachten von Magenta und Solferino), 1863 ließ Bismarck den von Österreich organisierten Frankfurter Fürstentag, der die europäischen Verhältnisse neu ordnen sollte, scheitern und spitzte danach den Konflikt gezielt zu. In der Folge des von Preußen und Österreich gemeinsam gewonnenen Deutsch-Dänischen Krieges von 1864 nutzte er den Streit um Schleswig-Holstein zu einer militärischen Lösung, die innerhalb weniger Wochen zum Sieg Preußens über Österreich mit der Schlacht bei Königgrätz (3.7.1866) führte.

Da Frankreich unter der Regierung Napoleons III. (1808–1873, Reg.zt.: 1852–1870) Österreich unterstützt hatte, war damit auch der Keim für die Preußisch-Französischen Auseinandersetzungen gelegt, die 1870 zum Deutsch-Französischen Krieg führten, den Bismarck zur kleindeutschen Reichseinigung mit der Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches in Versailles am 18.1.1871 nutzte.

Die Einheit Deutschlands, eine entscheidende Forderung der liberalen und nationalen Bewegung seit Beginn des Jahrhunderts, war damit verwirklicht. Mit der zweiten, der Forderung nach Freiheit, sah es durchaus unterschiedlich, insgesamt aber schlecht aus, und auch die Hoffnung der „Realpolitiker“, dass man durch Einheit zur Freiheit gelangen könne, bewahrheitete sich weder im Deutschen noch im Habsburger Reich.

„Oktroyierte Verfassung“ Preußens

In Preußen „oktroyierte“ der König schon am 5. Dezember 1848 eine Verfassung, die im Mai 1849 noch eine konservative Verschärfung erfuhr. Ein 2-Kammer-Parlament wurde geschaffen: Das „Herrenhaus“ war dem Adel vorbehalten, für die zweite Kammer, die Volksvertretung, wurde ein Dreiklassenwahlrecht auf der Grundlage der Steuerleistungen eingerichtet mit dem Ergebnis, dass z.B. 1849 4.7 % der Wahlbevölkerung, die 1. Klasse, die gleiche Zahl an Wahlmännern bestimmte, wie die 12.6 % Wähleranteil der 2. und die 82.6 % der 3. Klasse.

Entwicklung des Parteiensystems in Preußen

Im Jahre 1908 hatte sich das kaum verändert (4 % – 14 % – 82 %). Die 1. Klasse bestand im Wesentlichen aus Versicherungsunternehmern, Bankiers und Industriellen, dem Großbürgertum also, das an dieser Regelung der Stimmen- und Machtverteilung selbstverständlich nichts auszusetzen hatte. Trotz dieses „Staatsstreichs von oben“ konnte sich der König der Unterstützung der Bourgeoisie damit sicher sein. Das Wahlrecht galt in Preußen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges. Von den schon im Vormärz sich herausbildenden politischen Gruppierungen in Preußen – Konservative, Liberale, Demokraten – wurden zunächst (bis 1858) die Konservativen von den neuen Machtverhältnissen begünstigt, die sich schon 1851 in zwei Fraktionen spalteten und um zwei konkurrierende Zeitungen gruppierten:

Konservative

Um die Neue Preußische Zeitung (besser bekannt als Kreuzzeitung wegen des Eisernen Kreuzes in der Titelzeile) einerseits – sie vertrat die feudal-junkerlichen Interessen – und um das Wochenblatt, die der „Wochenblattpartei“ den öffentlich gebrauchten Namen gab. Das waren vor allem diejenigen Adligen, die sich schon seit den 30er Jahren wirtschaftlich und industriell engagiert hatten, die sogenannten „Schlotbarone“. Mit dem Antritt der Regentschaft des Prinzen Wilhelm (1858) büßte sie ihre Bedeutung ein.

Deutscher Nationalverein die Fortschrittspartei

1859 gründeten Liberale und gemäßigte Demokraten den Deutschen Nationalverein, aus dessen Führung heraus zwei Jahre später die Initiative zur Gründung der Deutschen Fortschrittspartei betrieben wurde. Diese erste deutsche Partei im modernen Sinne – zwar noch Honoratiorenpartei, aber mit einem Parteiprogramm, das die Einigung Deutschlands, die Verwirklichung des Verfassungsstaates und die Trennung von Kirche und Staat anstrebte –, erreichte 1862 die Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhaus. Im Streit um die vom König betriebene Heeresreform war die Fortschrittspartei mit den Liberalen aber nur Opposition, da der König Bismarck zum Ministerpräsidenten berief. Dessen Politik der „Reichseinigung von oben“ setzte sich gegen die Zweidrittelmehrheit der Fortschrittspartei und der Liberalen durch und brach deren Widerstand: Nachträglich billigte das Abgeordnetenhaus unter dem Eindruck des Sieges bei Königgrätz das verfassungswidrige Handeln Bismarcks in den vorhergehenden vier Jahren. Diese Vereinnahmungspolitik gegenüber der politischen Opposition zeigte noch weitergehende Wirkung: Ein Teil der Liberalen stellte sich nun hinter Bismarck und gründete 1867 die Nationalliberale Partei.

Die Nationalliberale Partei

Das wurde ein wichtiges Element im Blick auf die Reichsverfassung und den Reichstag nach 1871.

Österreichs Probleme nach Königgrätz

In Österreich, wo die Restauration der vorrevolutionären Verhältnisse am konsequentesten durchgeführt schien, zwangen außenpolitische und militärische Niederlagen den Kaiser und die Regierungen, sich der Regelung der inneren Widersprüche des Staates zuzuwenden, die äußerst restriktive und zentralistische Gesetzgebung des „Silvesterpatents“ von 1851 wurde schrittweise gemildert und den nichtdeutschen Völkern Mitspracherechte zugebilligt. Vor allem nach der Niederlage gegen Preußen bei Königgrätz wurden in der „Dezemberverfassung“ von 1867 staatsbürgerliche Grundrechte wie Rechtsgleichheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit durchgesetzt, aber auch die Gleichberechtigung aller Volksgruppen proklamiert.

„Doppelmonarchie“ Österreich-Ungarn

Im gleichen Jahr wurden die sogenannten „Ausgleichsgesetze“ verabschiedet, die aus dem Habsburgischen Kaiserreich die Doppel(„K.u.K.“)monarchie Österreich-Ungarn machte mit getrennter Verfassung, Verwaltung und Gesetzgebung bei gemeinsamer Außen-, Finanz- und Heerespolitik und der Verpflichtung zu zehnjährlicher Neuverhandlung der jeweiligen Anteile an der Finanzierung.

Konkordat und Probleme der Nationalitäten

In den Jahren davor rieben sich die Vertreter des liberalen Bürgertums im Kampf gegen das 1855 mit dem Vatikan geschlossenen Konkordat auf. Dieses hatte der katholischen Kirche fast vollständige Oberaufsicht über Erziehung und Unterricht, Zensur und eigene Gerichtsbarkeit (Žmegač, 5) eingeräumt. 1868 erreichten die Liberalen die faktische Auflösung des Konkordats. Die Wahlniederlage der Liberalen von 1870 und die Ausstrahlung der Reichseinigung in Deutschland auf die regionalen, vor allem die slawischen, Nationalisten machte aber einen Versuch zu einer föderalistischen Lösung der österreichischen Problematik zunichte. Die K.u.K-Monarchie galt als eine „Monarchie auf Abruf“ (Žmegač, 4).

Süddeutschland vor der Reichsgründung

Bis zur Kaiserkrönung in Versailles bestand neben den Machtzentren Preußen (bzw. seit 1867 dem Norddeutschen Bund) und Österreich eine dritte Kraft in dem Herzogtum Baden, der sich Bayern, Hessen-Darmstadt und andere kleinere süddeutsche Staaten zugesellten.

Baden vor allem, seit dem Vormärz Gründungsland und Zentrum des Liberalismus und 1848/49 Schauplatz revolutionärer Aufstände gegen die drohende Reaktion, hatte unter Führung Friedrichs I. (Regent seit 1852, Großherzog seit 1856) an diese liberalen Traditionen angeknüpft. Parlamentarische Rechte und ein geringeres Maß der staatlichen Repression gegenüber Kunst, Wissenschaft und Presse zeichnete das „liberale Musterland“ gegenüber den anderen deutschen Regionen aus. Auch das Königreich Bayern hielt zunächst an der Reformpolitik des Vormärz fest.

Zolleinigung als Vorstufe der Reichseinigung

Obwohl Friedrich I. von Baden die kleindeutsche Lösung eines Deutschen Reiches unter Preußens Führung befürwortete, kostete der Preußische Krieg mit Österreich und die Härte und Konsequenz der Bismarckschen Einigungspolitik dem Kanzler so viele Sympathien, dass ein erster Versuch, den deutschen Süden näher an den Norddeutschen Bund heranzuführen, scheiterte. Wie schon in den 30er Jahren sollte eine solche Annäherung auf wirtschaftlicher Ebene durch Neuordnung des Deutschen Zollvereins erreicht werden, der einen Zollbundesrat und ein Zollparlament erhalten sollte. Bei den Wahlen dazu in Württemberg und Bayern erlitten die Parteien, die der preußische Politik nahe standen, schwere Niederlagen, in Baden siegten sie nur knapp.

Deutsch-französischer Krieg und Reichsgründung

In der Folgezeit stand im Zollparlament der deutschen Einigungsbewegung deshalb eine starke Opposition gegenüber. Erst der Streit Preußens mit Frankreich um die Spanische Thronkandidatur der Hohenzollern, das diplomatische Ungeschick der französischen Regierung, das Bismarck mit einer tendenziös verkürzten öffentliche Schilderung dieses Disputs (die „Emser Depesche“, 13. Juli 1870) auszunutzen verstand, änderte die Situation und vor allem die Stimmung: Auch in den süddeutschen Staaten wurde die französische Kriegserklärung an Preußen als eine gesamtdeutsche, nationale, Angelegenheit begriffen, was die Reichseinigung ermöglichte. Die liberale Kritik an einem preußischen Deutschland – in der Karikatur Deutschlands Zukunft (FaG. 130) noch durch eine preußische Pickelhaube charakterisiert, die den deutschen Staaten unter Verlust einiger Gliedmaßen übergestülpt wurde – war im Jubel nationaler Begeisterung lange Zeit nicht mehr zu vernehmen.

Reichsverfassung

Die Reichsverfassung gab dem Kaiser das Recht, den Reichskanzler zu ernennen und zu entlassen und den Reichstag einzuberufen und auch aufzulösen. Er saß überdies dem Bundesrat, der Vertretung der Landesfürsten, vor. Da die Mitglieder des Reichstages aber aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervorgingen, wurde die Verfassung allgemein als ein wesentlicher Fortschritt in der langen Auseinandersetzung um den Konstitutionalismus empfunden.

„Zentrum“ und „Kulturkampf“

In den neuen Reichstag zog 1871 mit dem „Zentrum“ eine neue Partei als zweitstärkste Fraktion ein, die sich im preußischen Abgeordnetenhaus aus der katholischen Fraktion gebildet hatte. Bismarck sah sie als Opposition zum evangelischen Kaisertum und versuchte ihren Einfluss zurückzudrängen: Im Verlauf eines fast achtjährigen „Kulturkampfes“ (den Begriff prägte der Arzt und Führer der Fortschrittspartei, Rudolf Virchow – 1821–1902) wurde der Kirche die geistliche Schulaufsicht entzogen, politische Äußerungen von der Kanzel verboten, die Zivilehe eingeführt und alle geistlichen Orden verboten. Nach dem Tode von Papst Pius IX (1878) suchte – und fand – Bismarck den Ausgleich mit der katholischen Kirche. Die Zentrumspartei ging aus diesem Kulturkampf allerdings gestärkt hervor.

Arbeiterbewegung und Entwicklung der Sozialdemokratie

Mit dem gleichen Ergebnis endete die Auseinandersetzung, die Bismarck im gleichen Jahr gegen die Sozialdemokratie vom Zaun brach. Die regionalen Organisationen der Arbeiterbewegung hatten sich am 1863 zu zwei zentralen Vereinigungen zusammengeschlossen: In Leipzig zum „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ und in Eisenach zum „Vereinstag deutscher Arbeitsvereine“. Beide vereinigten sich 1875 in Gotha zur „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“. 1890 wurde der Name in „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ geändert. Schon im Norddeutschen Bund hatten August Bebel (1840–1913) und Wilhelm Liebknecht (1826–1900) gegen die Bewilligung von Kriegskrediten für den Krieg gegen Frankreich und gegen die Annexion Elsass-Lothringens gestimmt, was den Sozialdemokraten den Ruf „vaterlandsloser Gesellen“ zuzog.

Bismarcks „Sozialistengesetze“

Die Wirtschaftskrise von 1873 steigerte den Zulauf zu den Sozialisten und in den Reichstagswahlen 1874 und 1877 wuchs jedes Mal die Zahl ihrer Abgeordneten. Bismarck nahm zwei Attentatsversuche auf Kaiser Wilhelm I. (1797–1888, seit 1871 dt. Kaiser) zum Vorwand, im Oktober 1878 ein Reichsgesetz „wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ zu erlassen, das alle sozialdemokratischen Vereine verbot, ebenso Veranstaltungen, Demonstrationen, Versammlungen. Parteizeitungen mussten eingestellt werden, jeder, von dem behauptet wurde, er könne die Ordnung gefährden, konnte ausgewiesen oder verhaftet werden. Obwohl diese Bestimmungen bis 1890 Gültigkeit behielten, wuchs in dieser Zeit die Zahl der sozialdemokratischen Wähler auf des Dreifache, und die SPD wurde zur stärksten Fraktion im Reichstag.

Die nach 1878 auf die Sozialdemokraten konzentrierte Repression führte diejenigen staatlichen Unterdrückungsmaßnahmen aus der Tradition des Feudalabsolutismus fort, die auch schon unmittelbar nach 1849 praktiziert worden waren: So war die Situation in Preußen nach der oktroyierten Verfassung durch Restriktionen für das Presse- und Vereinswesen gekennzeichnet. Das Strafrecht wurde schon damals verschärft und um politische Vergehen und Verstöße gegen „Sitte und Glauben“ erweitert.

Obrigkeitsstaat, Bildung und geistiges Klima

Ein evangelischer Kirchenrat wurde gebildet, der allein dem König verantwortlich war, und eine Änderung der Schulordnung wies dem Religionsunterricht 1854 die dominierende Rolle in der Volksschule zu. Das Niveau der Lehrerbildung wurde gezielt gesenkt, Lehrern sogar in ihrer privaten Lektüre der Kontakt mit der „sogenannten klassischen Literatur“ verboten. Sie sollten Bücher lesen, die „nach Inhalt und Tendenz kirchliches Leben, christliche Sitte, Patriotismus und sinnige Betrachtung der Natur zu fördern“ geeignet waren (GdL. 1139, Anm. 12).

Wenn also noch 1966 im österreichischen Konkordatskonflikt Preußen als Vorbild gesehen wurde, weil es, so der im Vormärz noch kritische politische Lyriker Anastasius Grün (1806–1876), „eine ungeahnte Kraft entwickelt, weil es mehr Kultur besitzt, weil es kein Konkordat hat“ (Žmegač, 5), so war dieses Lob nur eingeschränkt berechtigt: Preußen und ab 1871 das Deutsche Reich und Österreich unterschieden sich im Grad praktizierter Freiheitsrechte nur unwesentlich: Beides war Obrigkeitsstaaten mit einer nahezu allmächtigen Polizei.

Und in dieser Hinsicht erweist sich die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Tat als durch einen Zeitgeist gekennzeichnete Epoche; denn schon 1852 schrieb Gustav Freytag ironisch:

Die Phantasie der Sicherheitsbehörden schwelgt in den greulichen Bildern von politischen Verbrechern, von Demokraten, von Roten, von Kommunisten. Überall sehen die würdigen Wächter unserer Sicherheit demokratische Ungeheuer in verdächtigen Verkleidungen durch das Land ziehen; auf allen Straßen tragen die Handwerksburschen hohle Stöcke, in welchen giftige Papiere verborgen sind, welche den Staat umwerfen werden; in allen Winkelkneipen halten kommunistische Verschwörer geheime Zusammenkünfte, in welchen sie Hab und Gut der deutschen Staaten unter ihre Trinkbrüder verteilen, gefährliche Journalisten fahren auf allen Eisenbahnen hin und her, um ruhige Untertanen durch bösartige Zeitungsartikel zu verführen (GdL. 414).

Anlass war der Kölner Kommunistenprozess von 1852, in dem Mitglieder des „Bundes der Kommunisten“ aufgrund zum Teil fadenscheiniger Anklagen verurteilt wurden, und in dessen Umfeld auch Anhänger bürgerlicher Positionen nicht vor Verfolgungen sicher sein konnten.

Republikanische Entwicklung der Schweiz

Gegenüber solchen Exzessen ohnehin, aber auch generell, unterschieden sich die Verhältnisse in der Schweiz von denen in Österreich und den deutschen Ländern, bzw. dem Deutschen Reich, erheblich. Die bürgerliche Revolution war hier erfolgreich, eine drohende Abspaltung der katholischen Kantone war durch den sogenannten Sonderbundkrieg (1847–48) verhindert worden. Die Verfassung von 1848 war nach amerikanischem Muster entworfen und erfüllte nahezu sämtliche „März-Forderungen“. Die Schweiz war „die einzige Demokratie, die es um die Jahrhundertmitte in Europa gab“ (Žmegač, 6). Wie sehr die Schweizer Zeitgenossen diesen Vorzug zu schätzen wussten, dafür gibt Gottfried Keller in seinem Roman Der grüne Heinrich ein Beispiel (s.S. 87ff.). Er ist auch ein sensibler Seismograph für die Probleme, die auch ein erfolgreiches demokratisches Staatswesen auf kapitalistischer Wirtschaftsgrundlage zwangsläufig entwickelt und machte auf die Widersprüche zwischen den Profitinteressen der florierenden Wirtschaft und dem humanitären Ideal der allseitigen Entwicklung menschlicher Anlagen aufmerksam. Die demokratische Entwicklung der Schweiz verlief evolutionär und wurde von keinem reaktionären Rückschlag unterbrochen. Die 1874 reformierte Verfassung ist zwar in einzelnen Artikeln immer wieder überarbeitet worden, in ihren Grundzügen jedoch bis in die Gegenwart gültig geblieben.

Einführung in die Literatur des Bürgerlichen Realismus

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