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2.3 Wenn Ich-Du-Typ und Ich-Es-Typ zusammentreffen

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Wenn Ich-Du-Typ und Ich-Es-Typ zusammentreffen, entsteht meist eine eigenartige Mischung von Faszination und Unverständnis.

Je nachdem, zu welchem Grundtyp ich von meiner eigenen Präferenz her eher neige, finde ich die eigene Orientierung normal und selbstverständlich, den anderen Typus dagegen eher ›unangemessen‹, ›fremd‹ und ›schwer nachvollziehbar‹.

Ich-Du-Typen beschreiben Ich-Es-Typen leicht als unnahbar, kühl, ›nur im Kopf‹, sachlich, beziehungslos und im Extremfall ›Menschen verachtend‹.

Ich-Es-Typen erleben aus ihrem eigenen Bezugsrahmen heraus Ich-Du-Typen eher als ›zu nah‹, ›unsachlich‹, desinteressiert am Thema, im Extremfall ›in Beziehungsduselei verfangen‹.

Zugleich fühlt sich ein Ich-Es-Typ von der warmherzigen und zugewandten Art des Ich-Du-Menschen angezogen und ›bedrängt‹. Einem Ich-Du-Typ imponiert die aufgabenbezogene Klarheit des Ich-Es-Menschen, wobei er sich von dem ›unpersönlichen Stil‹ zugleich abgestoßen fühlt.

Jeder hat ein Gespür dafür, dass der andere für ihn eine wesentliche Ergänzung sein könnte mit der Chance, die eigene Einseitigkeit auszugleichen. Beide erleben im anderen den Pol der eigenen Persönlichkeit, der dem eigenen Bewusstsein ferner steht, damit zugleich fremd, weniger steuerbar und unheimlich. Beide sehnen sich, meist sehr unbewusst, auch danach, die andere Dimension zu entwickeln und eigenständig zu leben.

Beide Typen sind demnach gleichberechtigte und gleichwertige Präferenzen, sich selbst mit dem Zentrum der eigenen Person verbunden und stimmig bezogen auf den Rest der Welt zu fühlen. Beide können sehr gehaltvolle und wertvolle Beziehungen führen und diese gestalten. Allerdings konstituieren sie Beziehung auf unterschiedliche Weise.

Beide Präferenzen sind als Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten in jedem Menschen angelegt, werden aber mit deutlich unterschiedlicher Gewichtung erlebt und gestaltet.

Weil sich Ich-Du- und Ich-Es-Menschen oft auf eine ambivalente Art von einander angezogen und abgestoßen, fasziniert und fremd fühlen, gehen sie oft eine private oder auch eine Arbeitsbeziehung ein. Der Kontrakt, den sie meinen geschlossen zu haben, sieht allerdings aus den jeweiligen Bezugsrahmen der beiden sehr unterschiedlich aus.

Der Ich-Du-Mensch interpretiert den Kontrakt so: Du wirst dich für mich interessieren. Der Ich-Es-Mensch: Du wirst mit mir gemeinsame Sache machen. Die anfängliche Verliebtheit oder die gemeinsame Faszination von der Sache schafft den notwendigen Raum, damit die Beziehung erst einmal wachsen kann, obwohl die beiden sich eigentlich in einem »Kontraktirrtum« befinden. Irgendwann, wenn die Faszination nachlässt und Ernüchterung eintritt, wundern sich beide, dass sich der andere so ganz anders organisiert und beispielsweise in kritischen Situationen andere Themen oder Fragen in den Vordergrund rückt. Sie merken dann nicht, dass für jeden die Beziehung andere konstituierende Merkmale hat und deshalb sehr grundsätzlich neu befragt werden muss. Stattdessen beginnen sie oft, sich zu polarisieren und sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen zu fangen.

Der Ich-Du-Typ deutet eine schlichte, sachbezogene Nachfrage – zunächst vielleicht nur als Missverständnis – im Sinne von: Und wie es mir damit geht, interessiert dich gar nicht, und antwortet: Dir geht es ja immer nur um die Sache! Dabei hat schon Immanuel Kant gesagt: Der Mensch darf niemals Mittel allein sein, sondern er muss immer auch das Ziel sein. Und jetzt entdecke ich, dass du mich nur gebrauchen willst. Dich interessiert ja nur dein Thema und ich bin dir ganz egal. Dass du so wenig beziehungsfähig bist, hätte ich nicht gedacht.

Der Ich-Es-Typ kann daraufhin den Gegenpol besetzen: Ich habe gedacht, du trägst wirklich inhaltlich mit, was wir gemeinsam erarbeitet haben, und jetzt willst du immer nur gemocht werden. Du willst immer Zeit mit mir haben, aber diese Zeit wird leicht unproduktiv. Du engagierst dich in der Zusammenarbeit, wenn du mich magst, aber du kannst nicht bei der Sache bleiben, wenn es uns gerade nicht so gut miteinander geht. Das ist mir zu viel Gefühlsduselei. Du hältst dich für besonders menschlich, aber die Art und Weise wie du als Führungskraft deinen Job machst, erzeugt für so viele Menschen schlechte Verhältnisse, dass es naiver Egoismus ist, sich allein von Ich-Du-Sympathien leiten zu lassen.

Jede/r fühlt sich vom anderen verraten und geht in sein/ihr Extrem, aus dem meist nur noch schwer eine neue Begegnung möglich ist. Denn jede Seite hat eben auch andere vertrauensbildende Maßnahmen, auf deren Grundlage Interesse aneinander neu geweckt werden könnte.

Der Ich-Es-Mensch möchte zunächst sichergestellt haben, dass sie noch auf das gleiche Interessengebiet verabredet sind. Anschließend kann er auch darüber reden, was sie tun können, damit es ihnen auch beziehungsmäßig wieder gut miteinander geht und sie miteinander in Harmonie sind. Wenn das Gegenüber sich bei dieser »Interessen-Klärung« nicht gültig, gemäß dem Bezugsrahmen des Ich-Es-Menschen, positionieren kann, hat dieser auch kein Interesse an der (Neu-) Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehung.

Der Ich-Du-Mensch möchte, gemäß seiner Präferenz, als erstes geklärt wissen, dass er im Gefühlsleben des anderen einen wichtigen Platz einnimmt. Bevor das nicht gesichert ist, erscheint ihm eine Klärung der anstehenden Sache unbedeutend und nicht geeignet, das (Beziehungs-) Problem zu lösen.

Sofern solche Präferenzunterschiede in Partnerschaften vorkommen – solche Menschen heiraten sich gerne, weil jede/r mit dem ›Sinn für Ergänzung‹ gut wählt – gibt es in musterhafter Regelmäßigkeit Beziehungskrisen, in denen sich beide in ihre jeweilige Einseitigkeit zurückziehen. Irgendwie finden sie dann wieder zueinander, oft ohne wirklich Verständnis für das Geschehen zu entwickeln.

Für den Ich-Du-Menschen ist die Beziehung wieder gut, wenn er das Leuchten der Zuneigung in den Augen des anderen wiederentdecken kann. Dann erwacht auch das Interesse an der Zusammenarbeit wieder. Der Ich-Es-Mensch freut sich, wenn die gemeinsame Sache wieder in den Vordergrund rückt und kann sich damit dem Gegenüber auch als Mensch wieder öffnen. Beides geschieht jedoch meist nicht in dem Maße, wie es sich das Gegenüber in neuer Hoffnung wünschen würde – und ein neuer Kreislauf von Erwartung, Stillhalten, Enttäuschung, Groll und Schuldzuweisungen nimmt seinen Lauf.

Viel gelitten wird in dieser Art auch im Bereich sexueller Vollzüge:

Während der Ich-Du-Typ gemeinsam gelebte Sexualität als Ausdruck und Höhepunkt inniger Bezogenheit erlebt und definiert, der viele andere Arten der Annäherung und persönlichen Wertschätzung vorauszugehen haben, ist für den Ich-Es-Typ der sexuelle Vollzug eine lustvolle gemeinsame Sache, die Nähe, Öffnung für den anderen, Tiefe der Gefühle und Bezogenheit erst wachsen lässt. Für ihn/sie wäre dies also eher der Ausgangspunkt intensiver Begegnung und gemeinsamer Entfaltung.

In der Polarisierung fühlt sich der Ich-Du-Typ von einem solchen Anliegen von Ich-Es-Typen bestenfalls »nicht wirklich als Person gemeint«, im schlimmsten Fall »missbraucht«. Darauf reagiert er mit Rückzug oder Hinhalten. Der Ich-Es-Typ hingegen fühlt sich in seiner Orientierung »auf das eine« diskriminiert, oft schuldig, zieht sich nun seinerseits zurück (oder hat bereits die erste Annäherung aufgegeben), sodass auch die langsame Annäherung, die der Ich-Du-Typ bräuchte, damit unterbunden wird. Beide bleiben enttäuscht, manchmal verzweifelt zurück, weil sie trotz redlichen Bemühens keinen Weg finden, der ihnen und dem anderen gerecht wird.

Theoretisch wäre das Zusammenspiel zwischen einem beziehungsorientierten und einem themenorientierten Typ eine ideale Kombination. Jeder trägt ein für eine Beziehung notwendiges Elemente in die Beziehung: Der Ich-Du-Typ stünde für Bezogenheit, der Ich-Es-Typ für ein Thema. Im Konflikt kommt es zwischen diesen Präferenztypen jedoch zu schwer überbrückbaren Auseinandersetzungen, weil jeder Voraussetzungen hat, unter denen er ein Minimum an Vertrauen hat und hofft, das zu bekommen, was er in der Beziehung braucht. Das ist dann so, wie bei gescheiterten Friedensverhandlungen.

Die Lösung kann nur darin bestehen, dass jede/r sich im Laufe seines/ ihres Lebens zunehmend selber klärt:

• Welcher Art ist meine Ich-Es-Orientierung und wie bedeutsam ist sie mir in meinen Beziehungen?

• In welchen Kontexten spielt diese Orientierung eine größere Rolle als in anderen?

• Welcher Art ist meine Ich-Du-Beziehungsseite?

• Wie kann ich beide stimmig mit den jeweils betroffenen Personen und ihren Anliegen zusammenbringen?

Es geht also darum, sich eine Art »Beziehungs-Portfolio« zu gestatten und dieses zu gestalten. Es geht darum, sicherzustellen, dass man nicht von einer Beziehung alles erwartet, denn damit ist jede/r Beziehungspartner/ in überfordert. Nötig ist, dass beide Partner ein echtes Verständnis davon gewinnen, dass sie in dieser Beziehung von ihren Präferenzen und Orientierungen her unterschiedlich sind. Nötig ist auch, dass sie lernen, diese Unterschiede als gleichwertig gelten zu lassen, auch wenn ihnen das immer wieder schwerfallen sollte. Sie müssen anerkennen, dass sie zusammen nur dann auf Dauer bzw. immer wieder harmonieren können, wenn jeder in dem Bereich, der ihn nicht vorrangig interessiert, Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen entwickelt, die der andere als für sich genügend befriedigend erlebt, um den eigenen vorrangigen Bereich wahrgenommen, gewürdigt und bedient zu sehen.

Die Schwierigkeit ist, dass Menschen normalerweise kein derartiges pragmatisches Verhältnis zu Beziehungen haben. Sie wollen, dass der andere sie liebt, schätzt und würdigt, wie sie sich selbst würdigen wollen (bzw. dies von einem anderen ersehnen). Auch erteilen sie anderen Würdigung nach ihren Maßstäben und wundern sich, wenn dem anderen die Augen nicht so leuchten, wie sie ihnen selbst leuchten würden, wenn sie eben dies sehen, hören oder fühlen würden.

Das heißt, beide brauchen ein gewisses Maß an Umsicht und Erkennen: Das braucht der andere. Und darauf ist es wichtig, dass ich mich beziehe, um Anschluss an ihn zu gewinnen, nicht zuletzt um meine Präferenz mit ihm leben zu können. Wenn ich meine Vorliebe zuerst und vorrangig durchsetzen will, kann es sein, dass ich den anderen als Menschen oder sein Interesse verliere. Dann fehlt auch die Grundlage für meine Beziehungspflege bzw. die gemeinsame Sache.

In der Annäherung muss sowohl der Ich-Du-orientierte als auch der Ich-Es-orientierte Mensch lernen, von der eigenen Präferenz Abstand zu nehmen und sich auf die Andersartigkeit des Gegenüber einzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass beide aufhören, sich gegenseitig in ihren Sicht- und Verhaltensweisen zu diffamieren. Stattdessen müssen sie anfangen, sich von ihren Vorlieben und ihren Hintergründen zu erzählen. Sie müssen lernen, dies ohne Anspruch auf Zustimmung zu tun, nur im Bemühen sich zu verstehen im Sinn einer Bezugsrahmenerweiterung. In einem dritten Schritt wäre zu prüfen, wo jeder dem anderen auf seinem Annährungsweg entgegenkommen kann, obwohl es sich etwas ungewohnt anfühlt und bisher vielleicht intern auch als ›sich etwas vergeben‹ oder ›sich verleugnen‹ gedeutet wurde. So können beide mit der Zeit einen größeren GestaltungsSpielraum in ihrer Beziehung gewinnen, gepaart mit wachsendem Respekt vor der Andersartigkeit und dem Bemühen des anderen um gelingende Begegnung.

Ein wesentlicher Aspekt von Begegnungskompetenz sowohl in privaten als auch in professionellen Beziehungen ist somit das Vermögen, der eigenen Neigung zu widerstehen. Man muss die Kraft aufbringen, maßvoll und integrativ dem anderen soweit entgegenzukommen, wie er es braucht, um seinerseits entgegenkommen zu können. Bei aller Präferenz, die jedem natürlich in seiner Eigenart zusteht, muss man die Bereitschaft entwickeln, sich an die Beziehungsandersartigkeiten des Gegenübers anzuschließen. Dadurch erhält man relative Freiheit in bestimmten Beziehungsebenen und Rahmen.

Systemisches Coaching

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