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2.4 Ein Beispiel

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Ein Beispiel aus dem Organisationsbereich mag die Begegnungsschwierigkeiten zwischen Ich-Du- und Ich-Es-Typen noch einmal beleuchten und zugleich die Klärungskraft dieses Modells dokumentieren:

Ein leitender Angestellter wird zu seinem Chef gerufen, der ihm mitteilt, dass er mit seiner Leistung in einem bestimmten Tätigkeitsfeld nicht zufrieden ist. In mehreren Gesprächen unter vier Augen arbeitet er mit ihm zusammen einen Plan aus, wie das Problem gelöst werden kann. Er möge diesen innerhalb von drei Monaten umsetzen und ihm dann einen Erfolgsbericht geben.

Dieser Mitarbeiter schätzt seinen Chef als Mensch und Führungskraft, die Rüge trifft ihn sehr persönlich, auch wenn er die intensive Arbeit mit ihm genossen hat. Er vermutet, dass sein persönliches Vertrauensverhältnis durch diesen Vorgang empfindlich gestört ist, und nimmt sich vor, alles daran zu setzen, um seinen Vorgesetzten nicht noch einmal zu enttäuschen. Er geht die Sache an und es gelingt ihm, in besagtem Arbeitsfeld das Steuer herumzureißen und binnen kurzem sowohl wieder schwarze Zahlen zu schreiben als auch zwei anstehende Personalprobleme auf gute Weise zu lösen. Ganz glücklich darüber, schreibt er einen ausführlichen Bericht und schickt ihn seinem Chef mit der Bitte um einen persönlichen Termin, um ihm darüber in einem Vier-Augen-Gespräch noch detaillierter zu berichten. Es dauert eine Weile, bis er ein kurzes Memo erhält: Vielen Dank für die Erledigung! Dann folgt ein Terminvorschlag für die Vorlage eines Projektentwurfes in einem anderen Aufgabenfeld. Der Mitarbeiter ist zunächst enttäuscht, dann wütend. Er hatte gehofft, dass durch diesen Erfolg die gute Beziehung zum Chef wiederhergestellt sei, d.h. eigentlich, dass sie dadurch nun intensiver würde. Und jetzt wendet er sich einfach anderen Aufgaben zu! Der kann mich …!

Was ist geschehen? Durch die Brille unseres Modells betrachtet, zeigt sich hier ein typisches Ich-Du/Ich-Es-Unverständnis-Muster auf beiden Seiten. Der Mitarbeiter – als Ich-Du-Typ – organisiert sein Engagement vorrangig beziehungsorientiert. Seine ›gute Beziehung‹ zum Chef erscheint gestört. Das bringt ihn in Gang und motiviert ihn zum Erfolg. Dem Chef – als echtem Ich-Es-Typ – geht es vorrangig darum, dass für ein problematisches Geschäftsfeld eine gute Lösung gefunden wird. Dafür ist er bereit, Zeit und Energie zusammen mit dem betreffenden Mitarbeiter einzusetzen. Er freut sich, dass dieser so bereitwillig einsteigt, und genießt auch diese intensive Art der Zusammenarbeit. Nachdem er den Erfolgsbericht vorliegen hat, ist für ihn die Sache erledigt bzw. sie läuft zu seiner Zufriedenheit. Somit kann er seine Aufmerksamkeit auf andere Bereiche lenken, in denen sein Engagement und seine Fachlichkeit jetzt dringender von Nöten sind.

Beide haben zu lernen: Der Mitarbeiter muss lernen, seinen Erfolg nicht abzuwerten, nur weil der Chef ihm nicht die Anerkennung in der Art und Weise zeigt, wie er das gerne hätte. Außerdem sollte er, anstatt sich an dieser Stelle zurückzuziehen, seinen Chef wissen lassen, wie es ihm mit seiner Nicht-Reaktion geht, und was er sich von ihm als Führungskraft an Würdigung seiner Arbeit erwartet.

Der Chef hätte zu lernen, dass ›Nix gesagt‹ ›nicht genug gelobt‹ ist. Führen heißt u.a. andere dabei ›erwischen‹, wie sie etwas gut machen, und sie davon wissen zu lassen. Er könnte dabei auch erfahren, dass Wertschätzung seiner Person mehr ist als sein fachliches Können, etwas, wonach sich ein anderer Teil seiner Seele vielleicht auch sehnt.

Systemisches Coaching

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