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b) Subjektive Vorhersehbarkeit
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Das Merkmal individueller Vorhersehbarkeit entspricht dem des Wissenselements beim Vorsatz: Dem Täter muss es möglich gewesen sein, diejenigen Elemente des Geschehens zu erkennen, die ihm im Falle vorsätzlichen Handelns hätten bekannt sein müssen. Nach der Rechtsprechung[1098] muss der Erfolg nur im Ergebnis und nicht in den Einzelheiten des dahin führenden Kausalverlaufs voraussehbar gewesen sein. Die Verantwortlichkeit soll aber für solche Ereignisse entfallen, die „so sehr außerhalb aller Lebenserfahrung liegen, dass sie der Täter auch bei der nach den Umständen dieses Falls gebotenen und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen zuzumutenden sorgfältigen Überlegungen nicht zu berücksichtigen brauchte“.[1099] Diese Maßstäbe der Vorhersehbarkeit sind rein subjektiv zu bestimmen, und zwar in ex-ante-Betrachtung, bezogen auf die Lage und Person des Arztes zum Zeitpunkt der Behandlung.[1100] Maßgeblich ist somit nur dasjenige, was der Täter nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten[1101] in der konkreten Situation als möglich hätte vorhersehen können. Ihm dürfen also in der Fahrlässigkeitsschuld keine Folgen nur deshalb zugerechnet werden, weil die Lebenserfahrung dafür spricht, dass derartige Folgen durch Handlungen der in Frage stehenden Art herbeigeführt werden. Die Frage, womit „man“ rechnen könne und in welchem Umfang der eingetretene Ablauf und die eingetretenen Folgen im Rahmen des nach normaler menschlicher Erfahrung Möglichen liegen, ist bereits (und nur) i.Z.m. der objektiven Vorhersehbarkeit im Rahmen der objektiven Zurechnung zu berücksichtigen.[1102] Im Bereich der Vorwerfbarkeit ist dagegen der Nachweis erforderlich, dass der Täter in diesem konkreten Falle mit der Möglichkeit hätte rechnen können, dass derartige Erfolge durch seine Handlung herbeigeführt würden.[1103] Es kommt entscheidend darauf an, dass der Täter wenigstens Veranlassung hatte anzunehmen, dass sein Verhalten riskant sei und daher zu einem Erfolg führen könnte,[1104] wobei allerdings die bloße Erkennbarkeit dieser besonderen Veranlassung genügt.[1105] Allerdings haben ältere strafgerichtliche Entscheidungen mitunter Erfolge bereits dann zur Last gelegt, wenn nach allgemeiner Erfahrung mit ihnen zu rechnen war. Bei einem durch Sondernormen definierten Sorgfaltsmaßstab (im Bereich der Heilbehandlung konturiert durch Leitlinien, siehe Rn. 15 ff.) hat das OLG Düsseldorf[1106] aus dem objektiv vorauszusetzenden Kenntnisstand hinreichende Rückschlüsse auf die individuelle Vorhersehbarkeit zugelassen. Derartiges Schlussfolgern,[1107] das aus der Feststellungsnot der Praxis geboren ist,[1108] ist nicht unbedenklich.[1109] Es darf nicht darauf hinauslaufen, dass dem Verursacher einer Verletzung alles zur Last fällt, was nach allgemeiner Erfahrung aus der Verletzung entstehen kann. Dann würden nämlich – wie bei der rein objektiv zu bestimmenden zivilrechtlichen Fahrlässigkeit – in unzulässiger Weise Adäquanzkriterien zur Beurteilung individueller Fahrlässigkeit herangezogen.[1110]
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Auch im Bereich der Heilbehandlung wirft die Feststellung der subjektiven Voraussehbarkeit im Falle bewusster Fahrlässigkeit keine besonderen Probleme auf: Der Täter hat dann ja über die Gefährlichkeit seines Verhaltens und die Möglichkeit des Erfolgseintritts reflektiert, aber pflichtwidrig darauf gehofft, dass diese sich nicht realisieren werde.[1111] Im Falle unbewusster Fahrlässigkeit hingegen fehlt dem Täter die Voraussicht im Hinblick auf den Erfolg; er hätte sich aber der Gefahr und damit der Möglichkeit eines Schadens bewusst werden können. Auch bei der unbewussten Fahrlässigkeit haben aber die individuellen Fähigkeiten des Täters (wie etwa Intelligenz, körperliche Leistungsfähigkeit, Vorbildung, Erfahrungswissen) den alleinigen Maßstab dafür abzugeben, ob er den Erfolg vorhersehen konnte. Dies setzt mindestens voraus, dass der Täter nach seiner bisherigen Erfahrung den Impuls zur Überprüfung der Gefährlichkeit seines Verhaltens spürt oder sich diese Gefahr ihm nach seinem bisherigen Erfahrungswissen aufdrängen musste. Dabei kommt es entscheidend darauf an, in welchen Lebensbereich die gefährliche Handlung fällt: Je komplizierter der Lebensvorgang ist, in dem sich ein möglicherweise gefährlicher Kausalzusammenhang abspielt, desto sorgfältiger ist zu prüfen, ob der Täter nach seinen Fähigkeiten eine Einsicht in die Gefährlichkeit des Vorgangs gewinnen konnte. Dies darf gerade im Bereich ärztlicher Heilbehandlung nicht außer Acht gelassen werden. Allerdings gibt es auch in diesem Bereich Handlungsvollzüge, deren Gefährlichkeit für jedermann derart auf der Hand liegen (bspw. das Nichtbeachten elementarer Hygienevoraussetzungen), dass eine Patientenschädigung und der mögliche Kausalzusammenhang einfach genug sind, „um auch dem beschränktesten Gemüt einzuleuchten.“[1112] Da dann im Allgemeinen auch von jedermann die notwendige Voraussicht erwartet werden kann und muss, dürfte die Begründung des individuellen Schuldvorwurfs nicht schwerfallen. Allerdings finden sich in der Rechtspraxis durchaus (nicht veröffentlichte) Fälle von ärztlichen Patientenschädigungen, in denen die subjektive Vorhersehbarkeit verneint wurde.[1113]