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bb) Fahrlässige Tätigkeitsübernahme

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Kann gegen den Arzt (bspw. wegen mangelnder Fachkenntnisse oder Ermüdung) ein Schuldvorwurf in der konkreten Handlungssituation nicht erhoben werden, so kann aber möglicherweise ein – auch subjektiv zurechenbarer – Fahrlässigkeitsvorwurf nach den Grundsätzen der Übernahmefahrlässigkeit erhoben werden. Bei einer objektiv pflichtwidrigen Tätigkeitsübernahme kommt ein Schuldvorwurf jedoch nur dann in Betracht, wenn der Täter weiß oder zumindest hätte wissen können, welche Gefahren für den Patienten er zu meistern hat und welche Fähigkeiten hierfür erforderlich sind.[1089] So würde im Falle einer infolge Altersabbaus reduzierten individuellen Leistungsfähigkeit der Arzt nur dann schuldhaft handeln, wenn ihm dieser Abbau entweder bekannt oder zumindest erkennbar war.[1090] Kann ein Arzt infolge Übermüdung die objektiv gebotene Sorgfalt nicht (mehr) einhalten, so wird ihm im Regelfall ein Schuldvorwurf zu machen sein, da Ermüdungsanzeichen ihm ein hinreichendes „Veranlassungsmoment“[1091] hätten sein müssen, von seiner den Patienten schädigenden Verhaltensweise Abstand zu nehmen.[1092] Es kann von Ärzten aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung erwartet werden, dass sie besser als andere beurteilen können, wann allgemein mit einem im Schutzinteresse des Patienten nicht mehr zu tolerierenden Nachlassen der körperlichen und geistigen Fähigkeit des operierenden Arztes zu rechnen ist.[1093] Auch verlangt die – insoweit durchaus in das Strafrecht zu übertragende – Zivilrechtsprechung, dass der Arzt (auch ein Berufsanfänger) sich selbstkritisch prüft, ob er über die für die Behandlungsmaßnahme erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt.[1094] Insoweit wird gerade von einem Berufsanfänger erwartet, dass „er gegenüber seinen Fähigkeiten besonders selbstkritisch und sich der u.U. lebensbedrohenden Gefahren für einen Patienten bewußt ist, die er durch gedankenloses Festhalten an einem Behandlungsplan, durch Mangel an Umsicht oder das vorschnelle Unterdrücken von Zweifeln heraufbeschwören kann.“[1095] In Bezug auf Pflichten einer ärztlichen Berufsanfängerin betonte der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, dass „berufliche Unerfahrenheit und eine Überforderung (einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit) … nicht entgegen(steht), weil es rechtlich auf die auch von der Anfängerin zu erwartende Einsicht in ihre nicht ausreichenden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen angesichts der für sie erkennbaren unklaren und für den Patienten gefährlichen Umstände ankommt.“[1096] Konnte der noch nicht hinreichend berufserfahrene Arzt aber im Einzelfall nicht erkennen, dass seine mindere Qualifikation den Patienten gefährden könnte, dann fehlt es am individuellen Fahrlässigkeitsvorwurf.[1097]

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