Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich - Страница 136
a) Zeitliche Differenz des Erfolgseintritts
Оглавление158
Im Bereich des Arztstrafrechts wird der Aspekt des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm insbesondere bei einer zeitlichen Differenz beim Erfolgseintritt relevant. So hätte im Falle von BGHSt 21, 59[975] die vom Zahnarzt unterlassene Voruntersuchung der zu narkotisierenden, an einer Myokarditis leidenden Patientin durch einen Internisten einige Tage in Anspruch genommen, so dass der Todeserfolg – die Patientin starb infolge ihrer nicht erkannten Herzmuskelschwäche an der Vollnarkose – erst entsprechend später hätte eintreten können; ob der Internist die Herzschwäche erkannt hätte, war nicht mit hinreichender Gewissheit zu klären. Aber: Die Pflicht zur Untersuchung hatte nur den Zweck, die Narkosefähigkeit der Patientin zu klären und damit deren Leben und Gesundheit zu schützen, nicht aber, das Leben der Patientin gerade um die Dauer der Untersuchung zu verlängern; insoweit liegt also keine spezifische Pflichtverletzung vor.[976] Anders ist hingegen zu entscheiden, wenn statt einer Operation eine andersartige und weniger gefährliche medizinische Maßnahme (bspw. eine konservative Behandlung) mit dem Ziel einer Lebensverlängerung angebracht gewesen wäre. Hier kann dem Arzt der tödliche Ausgang der verfrühten Operation auch dann als fahrlässige Tötung zur Last gelegt werden, wenn feststeht, dass durch die konservative Behandlung die später durchgeführte Operation letztlich doch nicht hätte umgangen werden können und sie dann mit dem gleichen Risiko wie die jetzige belastet gewesen und unter Umständen ebenso tödlich ausgegangen wäre.
159
Die Frage, worin die spezifische Schutzrichtung der verletzten Sorgfaltsnorm zu sehen ist, kann allerdings Schwierigkeiten bereiten.[977] Dies belegt bspw. die Entscheidung von BGH JR 1989, 382:[978] Der Arzt hatte bei einem Säugling einen Leistenbruch auf der falschen Seite operiert. Bei der Anschlussnarkose, die zur Korrektur dieses Behandlungsfehlers erforderlich war, kam es zu einem letztlich ungeklärten tödlichen Zwischenfall. Hier ist zu fragen, ob die ursprünglich unterlassene Untersuchung zur Feststellung der Operationsseite dem Lebensschutz oder dem Schutz der körperlichen Integrität dient. Da nur Letzteres in Betracht kommt, kann dem Täter der bei der zweiten Narkose eintretende Tod dann nicht zur Last gelegt werden,[979] wenn nicht auszuschließen ist, dass dieser Erfolg auf ein nicht feststellbares Herzleiden zurückzuführen war.