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e) Selbstgefährdung des Patienten
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Eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Arztes scheidet auch dann aus, wenn sein Verhalten, wäre es vorsätzlich ausgeführt, ebenfalls straflos bliebe, eine für Fälle ärztlicher Mitwirkung an einer Selbstverletzung oder -gefährdung wichtige Erwägung. Diese resultiert daraus, dass die Fahrlässigkeitshaftung als die schwächere Form der deliktischen Haftung nicht weiter gehen kann als die Haftung für vorsätzliches Verhalten.[1006] So kann etwa aus dem Umstand, dass die vorsätzliche Mitwirkung am Suizid straflos ist, auf die Straflosigkeit der bloß fahrlässigen Mitwirkung an der Selbsttötung – etwa durch nachlässiges Verwahren eines tödlich wirkenden Giftes – geschlossen werden.[1007] Entsprechendes gilt auch für die (vorsätzliche oder fahrlässige) ärztliche Unterstützung einer Selbstgefährdung seitens eines eigenverantwortlich[1008] handelnden Patienten.[1009] Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[1010] unterfällt eine eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts, wenn sich das mit der Gefährdung vom Opfer bewusst[1011] eingegangene Risiko realisiert. Wer eine solche Gefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, kann daher nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts verurteilt werden: Er nimmt an einem Geschehen teil, welches – soweit es um die Strafbarkeit wegen Tötung oder Körperverletzung geht – kein tatbestandsmäßiger und damit kein strafbarer Vorgang ist.[1012] Wer schon nicht für eine Suizidteilnahme einzustehen hat, kann nicht wegen Mitwirkung[1013] an einer reinen Selbstgefährdung, mag diese auch tödlich verlaufen, bestraft werden. Da den Arzt keine Sorgfaltspflicht trifft, denjenigen vor sich selbst zu schützen, der sich freiverantwortlich selbst gefährdet,[1014] entfällt die objektive Erfolgszurechnung unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung der Verantwortungsbereiche verschiedener Personen.[1015] Angesichts des in der Regel im Arzt-Patienten-Verhältnis bestehenden Informationsgefälles kommt Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Arztes allerdings dann in Betracht, wenn er eine Selbstschädigung des Patienten mit überlegenem Sachwissen verursacht (etwa bei Verschreibung eines suchtfördernden Medikaments[1016]). Bei einem non liquet ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo von der Eigenverantwortlichkeit des Opfers auszugehen.
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Die Straflosigkeit einer Selbstgefährdungsteilnahme darf auch nicht dadurch ausgehebelt werden, dass sie mit dem Eintritt der Gefahrenlage in eine strafbare Unterlassungstäterschaft umgedeutet wird.[1017] Dies hätte i.Ü. zur Konsequenz, dass für Ärzte als Schutzgaranten ihrer Patienten von vornherein eine auf Verhinderung freiverantwortlicher Selbstgefährdungen zielende Sorgfaltspflicht begründet wäre:[1018] Da angesichts freiverantwortlicher Selbstgefährdung keine insoweit pflichtwidrige Gefahrschaffung vorlag,[1019] liegt allenfalls eine Strafbarkeit aus § 323c StGB vor.[1020] Hingegen kommt eine Unterlassungsstrafbarkeit des Arztes dann in Betracht, wenn ein Patient seine Behandlung in der Fehlvorstellung ablehnt, in Konsequenz hieraus lediglich nicht geheilt zu werden oder möglicherweise eine weitere Gesundheitseinbuße zu erleiden, ihm aber die Kenntnis fehlt, dass diese Behandlungsverweigerung sein Leben gefährden könnte. Kommt es dann zu einer lebensbedrohlichen Zuspitzung der Krankheit, so würde insoweit keine ernst gemeinte und freiverantwortliche Entscheidung zur Selbstgefährdung vorliegen; das Nichtverhindern des Todes durch den ärztlichen Garanten (kraft Behandlungsübernahme) könnte dann seine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen[1021] auslösen.[1022] Anders hingegen dann, wenn nach einem patientenschädigenden Behandlungsfehler die medizinisch gebotene Versorgung aufgrund einer Patientenverfügung des nicht mehr ansprechbaren Geschädigten unterlassen oder abgebrochen werden muss und hieraus sein Tod resultiert. Auch in diesem Fall hat sich zwar ein vom behandelnden Arzt pflichtwidrig geschaffenes Risiko im Erfolg realisiert. Der Patient hat aber durch seine vorab verfügte Behandlungsverweigerung für bestimmte Krankheits- und Behandlungskonstellationen sein Recht auf selbstbestimmtes Sterben geltend gemacht, welches das Recht umfasst, nach freiem Willen lebenserhaltende Maßnahmen abzulehnen und auf diese Weise einem zum Tode führenden Krankheitsgeschehen seinen Lauf zu lassen.[1023] Damit ist als Kehrseite dieses Selbstverfügungsrechts auch der sich hieraus ergebende Erfolg allein seinem Verantwortungsbereich zuzuschreiben, so dass nur der fahrlässige Behandlungsfehler (Körperverletzung) als solcher dem Arzt zur Last fällt.[1024]
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Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Arztes kann auch dann begründet sein, wenn das Opfer sich dadurch gefährdet, dass es sich in eine bereits bestehende, von einem anderen (bspw. durch fahrlässig herbeigeführte Infektion eines Patienten) rechtswidrig geschaffene Gefahrenlage begibt.[1025] Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn vom Vorliegen einer selbstverantwortlichen Vornahme der riskanten Handlung nicht mehr gesprochen werden kann. Dies wäre zum einen dann der Fall, wenn in vorhersehbarer Weise Personen zu selbstgefährdendem Verhalten motiviert werden, die zur Erkenntnis des Risikos bzw. sachgemäß selbstschützendem Handeln außerstande sind. Zum anderen wird dies dann anzunehmen sein, wenn die Veranlassungshandlung oder ihre eingetretenen oder vorhersehbaren Folgen derart beschaffen sind, dass der dadurch Veranlasste nicht nur hinsichtlich des „Ob“, sondern auch bzgl. des „Wie“, nämlich der Inkaufnahme eines Risikos, rechtlich gebunden ist. Im erwähnten Beispiel einer fahrlässig verursachten Infektiosität des Patienten werden Angehörige ärztlicher oder pflegerischer Berufe aber regelmäßig in der Lage sein, sich hinreichend selbst zu schützen. Gefährden sich hingegen Angehörige des Patienten infolge nicht hinreichender Selbstschutzmaßnahmen beim Krankenbesuch selbst, so würde deren Infizierung dem erstinfizierenden Arzt allerdings noch zugerechnet werden können. Die Schaffung von Situationen, die einen nachvollziehbaren Motivationsdruck zum Eingreifen erzeugen, genügt, da der Unterschied zwischen einem moralischen Motivationszwang zum Handeln und einer Rechtspflicht hierzu kein sachgerechtes Unterscheidungskriterium darstellt: In beiden Fällen ist der sich daraufhin selbst Gefährdende einem gleich starken Motivationsdruck ausgesetzt.[1026]