Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich - Страница 169

2. Gesetzeswortlaut und Gesetzesmaterialien

Оглавление

197

Nimmt man diese in den Blick, so fällt ins Auge, dass § 630c Abs. 2 S. 3 BGB davon spricht, dass „die Information nach Satz 2“ nicht „verwendet“ werden darf. Diese weite – über ein bloßes Beweisverwertungsverbot hinausgehende – Formulierung wird freilich durch die Einschränkung „zu Beweiszwecken“ begrenzt. Nach der Gesetzesbegründung[1188] soll durch diese Regelung erreicht werden, dass „dem Behandelnden aus der Offenbarung eigener Fehler […] keine unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Nachteile erwachsen“. Ferner wurde im Gesetzgebungsverfahren[1189] auch darauf hingewiesen, dass bei § 97 Abs. 1 S. 3 InsO „eine vergleichbare Interessenlage zugrunde liegt“. Hieraus wird geschlossen, dass sich der Gesetzgeber bei der Fassung des Wortlautes maßgeblich an dem Beweisverwendungsverbot in § 97 Abs. 1 S. 3 InsO orientiert habe.[1190] Daher ist für die Interpretation von § 630c Abs. 2 S. 3 BGB die Entstehungsgeschichte und Interpretation dieser insolvenzrechtlichen Regelung in den Blick zu nehmen.

198

Anlass für die Schaffung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO war der sogenannte „Gemeinschuldnerbeschluss“ des Bundesverfassungsgerichtes, in dem aus dem Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ ein verfassungsrechtliches Beweisverwertungsverbot für jene Informationen abgeleitet wurde, die im Insolvenzverfahren vom Schuldner erzwungen werden können.[1191] Auch in nachfolgenden Entscheidungen[1192] hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass sich ein verfassungsunmittelbares Beweisverwertungsverbot ergibt, wenn in strafrechtlicher Hinsicht selbstbelastende Auskünfte zwangsweise durchgesetzt werden können. § 97 Abs. 1 S. 3 InsO geht mit der Statuierung eines „Beweisverwendungsverbotes“ über diese verfassungsrechtlichen Vorgaben sogar noch hinaus. In der Gesetzesbegründung hieß es dazu: „Entsprechend einem Anliegen des Bundesbeauftragten für den Datenschutz wird damit zum Ausdruck gebracht, dass eine Auskunft des Schuldners ohne dessen Zustimmung auch nicht als Ansatz für weitere Ermittlungen dienen darf.“. Daraus hat die Literatur zum großen Teil gefolgert, dass jedwede Nutzung der Informationen, die der Schuldner nach § 97 Abs. 1 S. 1, S. 2 InsO erteilt hat, außerhalb des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen sein soll.[1193] Sie sollen nicht zur Begründung eines Anfangsverdachtes[1194] herangezogen werden können; darüber hinaus soll auch eine (mittelbare) Fernwirkung[1195] eingreifen. Einige Autoren verneinen auch die Möglichkeit, hypothetische Ermittlungsverläufe insoweit zu berücksichtigen.[1196] Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Rechtspraxis eine solch weitgehende Wirkung dieses Beweisverwendungsverbotes nicht anerkannt hat. Dort wird einhellig davon ausgegangen, dass jedenfalls die erzwungene Vorlage von Geschäftsunterlagen wie Handelsbüchern und Bilanzen, die der Schuldner ohnehin kraft gesetzlicher Verpflichtung führen muss, nicht von dem Beweisverwendungsverbot erfasst wird.[1197]

199

Würde man diese letztgenannte Rechtsprechung auf § 630c Abs. 2 S. 3 BGB übertragen,[1198] dann dürften jedenfalls die nach § 630f BGB anzufertigenden Behandlungsdokumentationen als Urteilsgrundlage verwendet werden.[1199] Die oben angesprochene Wortlauteinschränkung „zu Beweiszwecken“ müsste dann sogar noch dazu führen, dass die Informationen nach § 630c Abs. 2 S. 2 BGB zumindest als Ermittlungsansatz genutzt werden dürften, da diese Wendung allgemein[1200] und bspw. für § 477 StPO ausdrücklich auch vom Gesetzgeber[1201] so verstanden wird.[1202] Das würde auch dazu führen, dass keine Fernwirkung einträte, da es inkonsequent wäre, den Ermittlungsansatz erst zu legalisieren, um die darauf beruhenden Ermittlungsergebnisse dann für unverwertbar zu halten.[1203]

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх