Читать книгу Handbuch des Strafrechts - Bernd Heinrich - Страница 213

4. Klonen zu Forschungszwecken

Оглавление

112

Prinzipiell denkbar erscheint darüber hinaus auch eine Gewinnung von Stammzellen aus geklonten Embryonen.[410] In der rechtspolitischen und medizinethischen Debatte wird „die Erzeugung von Embryonen, Zellen oder Zellverbänden mit dem Ziel ihrer (verbrauchenden) Verwendung zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken“[411] als therapeutisches Klonen (oder präziser: Klonen zu Forschungszwecken) bezeichnet und vom sog. reproduktiven Klonen unterschieden, das auf die Erzeugung lebender Menschen abzielt.[412] Während das reproduktive Klonen einhellige Ablehnung erfährt[413] und u.a. in Art. 3 Abs. 2 lit. d EUGrCh untersagt wird,[414] fällt die Einschätzung des Klonens zu Forschungszwecken gemeinhin differenzierter aus.[415] Für die Bewertung entsprechender Praktiken nach deutschem Recht ist v.a. das in § 6 ESchG normierte, strafbewehrte Klonierungsverbot sowie das ebenfalls strafbewehrte Verbot der Chimären- und Hybridbildung gemäß § 7 ESchG von Bedeutung.

113

Vom Klonierungsverbot des § 6 ESchG ist zunächst unzweifelhaft das sog. Embryonensplitting umfasst. Dabei wird der Versuch unternommen, im frühen Embryonalstadium durch Abspaltung totipotenter Zellen einen Embryo herzustellen, der die gleiche embryonale, fötale oder menschliche Erbinformation aufweist.[416]

114

Ob darüber hinaus auch der Zellkerntransfer in eine enukleierte Eizelle § 6 ESchG unterfällt, ist umstritten. Bei dieser Methode wird in eine zuvor entkernte Eizelle ein anderer Zellkern transferiert; hierdurch entsteht eine totipotente humane Zelle, deren Erbinformationen nahezu mit denen des Menschen übereinstimmen, der den Zellkern gespendet hat.[417] Fraglich ist, ob die auf diesem Wege entstandene Zelle angesichts des geringen, etwa 0,01 bis 0,02 % des Gesamtgenoms ausmachenden Anteils eigenen genetischen Materials derart von der Ausgangszelle abweicht, dass sie nicht mehr als „gleich“ i.S.d. § 6 Abs. 1 ESchG angesehen werden kann.[418] Dabei spricht für die Annahme eines Klons, dass sich das in Rede stehende eigene genetische Material nicht auf den Phänotyp auswirkt.[419] Selbst wenn man von einer „Gleichheit“ von Ausgangszelle und neu entstandener Zelle ausgeht, ist jedoch weiter umstritten, ob der erzeugte Klon als „Embryo“ i.S.d. Embryonenschutzgesetzes bezeichnet werden kann. Nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 ESchG gilt als Embryo „bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag“ (Hervorh. d. Verf.).[420] Aus dem Umstand, dass beim Zellkerntransfer keine Kernverschmelzung stattfindet und mithin keine befruchtete Eizelle entsteht, folgert ein Teil des Schrifttums, dass der mittels Zellkerntransfer hergestellte Klon nicht als Embryo i.S.d. § 8 Abs. 1 ESchG anzusehen ist.[421] Wenn demgegenüber die Gesetzesmaterialien und Teile des Schrifttums[422] das Adverb „bereits“ nicht abschließend im temporären Sinne, sondern lediglich als Einleitung eines Beispiels („auch“) verstanden wissen wollen, so erscheint dies nicht ohne Weiteres mit dem üblichen Wortgebrauch vereinbar und gerät infolgedessen in Konflikt mit dem strafrechtlichen Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG).[423] Andere Stimmen im Schrifttum gehen davon aus, dass der Embryonenbegriff in § 6 Abs. 1 ESchG abweichend von § 8 Abs. 1 ESchG zu interpretieren ist, und begründen dies damit, dass ansonsten einige der in § 6 Abs. 1 ESchG aufgeführten Tatmodalitäten (das Klonen von Feten, von bereits geborenen Menschen und von schon Verstorbenen) ihre Bedeutung verlieren würden.[424] Wenngleich den Vertretern dieser Ansicht darin zuzustimmen ist, dass die Regelung des § 6 Abs. 1 ESchG bei einer Orientierung an der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 ESchG zu einem Gutteil ins Leere läuft, wäre es Aufgabe des Gesetzgebers, die hieraus resultierende Lücke (ggf. durch eine Orientierung an der abweichenden Definition des § 3 Nr. 4 StZG) auszufüllen.[425] De lege lata wird man allerdings nicht umhinkommen, im Anwendungsbereich des Embryonenschutzgesetzes einen einheitlichen, § 8 Abs. 1 ESchG zu entnehmenden Embryonenbegriff zugrunde zu legen.[426]

115

Nicht verboten ist der Transfer eines Zellkerns in eine menschliche Eizelle, dessen Erbinformationen zuvor manipuliert wurden, wenn kein Kern einer totipotenten Zelle oder Keimbahnzelle i.S.d. § 8 Abs. 3 ESchG verwendet wird. Diese Vorgehensweise verstößt nicht gegen § 6 Abs. 1 ESchG, da kein Embryo mit identischem Erbmaterial erzeugt wird; darüber hinaus findet keine Verwendung eines Embryos zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck statt (§ 2 Abs. 1 ESchG), und auch das in § 5 ESchG normierte Verbot der künstlichen Veränderung menschlicher Keimbahnzellen ist nicht tangiert.[427] Zulässig ist des Weiteren die Übertragung des Kerns einer (nicht totipotenten) menschlichen Zelle in eine tierische Eizelle (sog. heterologer Zellkerntransfer[428]), da auf diesem Weg ebenfalls kein Embryo i.S.d. § 8 Abs. 1 ESchG entsteht.[429] In diesem Fall greift auch das Verbot der Chimären- und Hybridbildung gemäß § 7 Abs. 1 ESchG nicht.[430] Umstritten ist die strafrechtliche Beurteilung der sog. Mitochondrienersatztherapie, bei der ein seitens der Mutter vererbbarer mitochondrialer Gendefekt bei dem späteren Kind dadurch ausgeschlossen werden soll, dass der Nukleus einer Eizelle der betroffenen Frau in die enukleierte Eizelle einer anderen Frau transferiert und die modifizierte Eizelle sodann zur Befruchtung verwendet wird.[431]

Handbuch des Strafrechts

Подняться наверх