Читать книгу Dürnsteiner Puppentanz - Bernhard Görg - Страница 17
Samstag, 17. April 17 Uhr 55
ОглавлениеIhre ursprüngliche Idee war gewesen, sein Geburtstagsfest ohne fremde Hilfe zu gestalten. Nur die Familie Strasser. Klaus, Theresa, Katja und Mathias. Bald hatte sie jedoch eingesehen, dass das für sie nicht zu schaffen war. Weil die Kinder protestierten und auch Klaus von diesem Plan alles andere als begeistert war. Hilfe im Haushalt war nie seine Sache gewesen. Daher hatte sie einen Koch und zwei junge Studentinnen aus Spitz engagiert. Die schienen sich über den in Aussicht gestellten Verdienst aufrichtig zu freuen.
Der Koch war schon gestern Nachmittag zu einem Bauern nach Mühldorf gefahren, um sich von einem frisch geschlachteten Kalb die schönsten Stücke auszusuchen. Und von einem Rind, das schon seit einer Woche in der Kühlkammer des Bauern hing. Mit dem Auftrag an den Landwirt, das Fleisch bis heute vierzehn Uhr bei den Strassers abzuliefern. Hatte auch bestens geklappt.
Seit einer guten Stunde füllte sich das Haus mit den angesagten zwanzig Gästen. Obwohl das Geburtstagsfest offiziell erst um achtzehn Uhr starten sollte. Gute Freunde nahmen es mit Beginnzeiten eben nicht so genau. Die meisten Gäste waren schon mehrmals bei ihnen zu Besuch gewesen und hatten keine Mühe gehabt, das Haus zu finden. Dennoch verbrachte sie viel Zeit am Telefon, um diejenigen herzulotsen, die sich in dem verwinkelten Ort verfuhren.
Die, die über Nacht bleiben wollten, hatten schon in ihren Quartieren eingecheckt und sich auch vorsichtshalber den Schlüssel zu ihrer Unterkunft mitgenommen, wie sie es ihnen empfohlen hatte. Der Abend würde ja sehr lang werden und die Rezeptionen der meisten kleinen ländlichen Hotels waren nachts nicht durchgehend besetzt.
Gott sei Dank hatte sie die Mehrheit der zu früh Kommenden überreden können, noch einen kleinen Ausflug zur Ruine Hinterhaus und zum Tausendeimerberg, dem bekanntesten Weinberg der ganzen Wachau, zu machen. Keine zehn Gehminuten vom Wochenendhaus der Strassers entfernt. Jetzt waren fast alle wieder zurück.
Das Geburtstagskind war jedoch noch immer nicht da. Sie hatte Klaus gebeten, doch ausnahmsweise am Vormittag laufen zu gehen. Aber nein. Seit der Zeit ihres Kennenlernens wusste sie, dass Klaus erstens ein Sturkopf und zweitens wenig rücksichtsvoll war. Also Joggen am Nachmittag. Heute kurz nach sechzehn Uhr. Dieses Timing hatte er bestimmt absichtlich so gewählt, um sie nervös zu machen. Langweilig würde ihr mit ihm nie werden.
Zum Glück kannten ihn seine Freunde gut genug, um sich von seiner Sturheit und seiner Abwesenheit nicht vor den Kopf stoßen zu lassen. Anders als der Bürgermeister von Spitz, der gestern sichtlich empört von dannen gezogen war.
Normalerweise brauchte Klaus eine Stunde zum Joggen. Bis jetzt war er immer spätestens binnen eineinhalb Stunden zurück gewesen. Diese eineinhalb Stunden waren längst vorbei.
An seine manchmal merkwürdige Art von Humor hatte sie sich im Lauf der Jahre gewöhnt. Wollte Klaus erst im letzten Moment auf der Bildfläche erscheinen? Ohne geduscht und sich umgezogen zu haben? Um ja sicherzugehen, dass alle Gäste bereits erschienen waren? Um das Gehabe eines Königs an den Tag zu legen? Oder wollte er sie und seine Gäste in Schrecken versetzen, um ihr und allen anderen klar zu machen, welch unbeschreiblichen Verlust für die Welt ein Verschwinden von Klaus Strasser bedeuten würde?
Sie war froh, dass ihre Gäste ihre steigende Nervosität nicht zu bemerken schienen. Jedenfalls ließen sich alle die Horsd’oeuvres und den Champagner schmecken, den die beiden Studentinnen auf ihr Geheiß fleißig ausschenkten. »Typisch Klaus!«, war ein Kommentar, den sie immer wieder aufschnappte. Bis ihr ein Kollege ihres Mannes durch die offene Küchentür zurief: »Theresa! Jetzt übertreibt dein Mann aber schön langsam. Auf diese Art wird er nie Kammerpräsident.«
Sie bemühte sich um ein Lächeln und konterte: »Wenn er deswegen nicht Präsident wird, dann soll er von mir aus ruhig noch eine Stunde wegbleiben.« Sie hoffte dabei, dass niemand ihr Zittern bemerken würde. Diese Hoffnung währte allerdings nur eine Sekunde lang. Eine Sekunde brauchte die Porzellanplatte mit hauchdünn geschnittenem Zarenlachs, die sie eben noch in der Hand gehalten hatte, um auf dem Boden vor ihren Füßen zu zerspringen. Da wusste sie, dass sie Angst hatte. Große Angst.