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Sonntag, 18. April 8 Uhr 45

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Die Kremser Großbäckerei hatte zweihundert Stück Gebäck pünktlich an Bord gebracht. Aber der Fleischhauer war mit der Lieferung der täglichen hundertfünfzig Paar Frankfurter zehn Minuten später als vertraglich vereinbart dran gewesen. Kapitän Leutgeb notierte zwar die Verspätung in seinem Bordbuch. Da der Lieferant aber seit dem Beginn der Zusammenarbeit mit der DDSG immer pünktlich gewesen war, wollte er daraus keine große Sache machen. Er würde die verspätete Lieferung nicht nach Wien melden.

Ein Ablegen ohne die Würstel wäre für das Schiff freilich eine kleine Katastrophe gewesen. Stimmungsmäßig und finanziell. Frankfurter waren die bei Weitem beliebteste Speise auf einem Wachau-Schiff. An einem guten Tag verzehrten die Passagiere mehr als zweihundert Paar. Besonders gern zusammen mit einem Wachauer Laberl. Viele Passagiere kamen von weit her mit dem Auto nach Krems, um den Schiffsausflug in die Wachau zu machen. Darunter war stets eine erkleckliche Anzahl von Personen, die ohne zu frühstücken in ihre Autos gestiegen waren. Die stürmten gleich nach dem Ablegen des Schiffs das Bordrestaurant. Um ihren ersten Kaffee des Tages zu trinken oder sich ein Paar Frankfurter zu gönnen.

Heute gab es kaum Wellengang. Der Wasserstand der Donau war seit Monaten ausgesprochen niedrig. Der Winter war zwar recht lang und überraschend kalt, aber niederschlagsarm gewesen. Auch in den letzten Wochen hatte es wenig geregnet. Und die Schneeschmelze in den Bergen hatte gar noch nicht richtig begonnen.

Bei niedrigem Wasserstand war das Ablegemanöver für die gesamte Mannschaft eine tausendfach durchexerzierte Routineangelegenheit. Dennoch war der Kapitän wie immer aufmerksam und überwachte die Einhaltung der für das Manöver geltenden Vorschriften sehr penibel. Immerhin hatte es auch auf der Donau schon Schiffsunglücke mit mehreren Toten gegeben. Er wusste, dass sich das eine oder andere Crew-Mitglied von ihm manchmal einen etwas laxeren Umgang mit den Regeln gewünscht hätte. Davon ließ er sich jedoch nicht beeindrucken. Auf seinen Schultern lag ja die ganze Verantwortung.

Als das Manöver beendet war, lehnte er sich an die Fensterfront des Kapitänsstandes und gönnte sich bewusst eine Pause. Bewusste Pausen förderten die Konzentrationsfähigkeit. Außerdem würden sie gleich an Stein vorbeifahren. Die ufernahe Häuserfront von Stein war für ihn eines der Highlights der Fahrt. Die weißen und grauen Fassaden hinter der Reihe alter Bäume, die breite, fast unbefahrene Straße parallel zur Uferstraße, die beiden kleinen Plätze, die sich wie Buchten zur Donau hin öffneten, das alles vermittelte ein Gefühl von Gemütlichkeit und Lebensfreude, irgendwie ein mediterranes Flair. Immer wieder war er überrascht, dass offenbar nur wenige Passagiere seine Begeisterung für Stein teilten. Allenfalls zückten die Passagiere ihre Handys und Fotoapparate, wenn sie die Pfarrkirche und die gleich dahinter am Hügel stehende Frauenbergkirche sahen. Beide Kirchen lagen hinter der jahrhundertealten Häuserzeile. Er hatte schon mehrmals mit seiner Frau Führungen durch Stein mitgemacht. Da gab es traumhafte barocke Innenhöfe mit Arkaden und Balustraden, die mit Weinlaub verwachsen waren. Außerdem reich verzierte Bürgerhäuser, die vom bis ins Mittelalter zurückreichenden Reichtum dieses alten Handelsplatzes zeugten. Die beiden zur Donau hin offenen Plätze hätten seiner Meinung nach auch gut in eine alte italienische Stadt gepasst. Die Kremser Plätze waren zwar bei den Touristen beliebter. Aber an Schönheit konnten es die Plätze in Stein locker mit denen in Krems aufnehmen.

Kurz vor der Mauterner Brücke wurde er aus seinen Gedanken gerissen.

Der Steuermann rief ihm zu: »Da schwimmt schon wieder eine Vogelscheuche! Backbord.«

»Du meinst eine Schaufensterpuppe«, berichtigte er. Gab es entlang der Donau jemanden, der sich einen Spaß daraus machte, mannsgroße Puppen ins Wasser zu schmeißen? Er blickte hinunter auf die Wellen. Dieser erste Blick machte ihn stutzig. Schnell griff er nach dem Fernglas, das hinter ihm an der Wand hing und verließ hastig seinen Steuerstand. Keine zehn Sekunden später war er sicher, dass diesmal keine Puppe in der Donau schwamm. Noch an der Reling stehend nahm er sein Handy aus der Tasche und wählte den Polizeinotruf.

Dürnsteiner Puppentanz

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