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Kapitel 8

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Früh am Morgen des darauf folgenden Tages – Vesontio lag nur noch einen langen Tagesritt vor ihnen – bekamen sie durch einen Melder die Nachricht übermittelt, sich auf dem schnellsten Wege und möglichst ohne Aufenthalt nach Magetobriga zu verfügen, da der Ausbruch des Krieges unmittelbar bevorstünde. Govanned ließ sofort schwenken und führte seine Leute in Eilmärschen nach Norden. Auf halbem Wege trafen sie dann auf das gewaltige Heereskontingent der Haeduer. Schon von weitem war die riesige Staubwolke auszumachen, die sich flirrend über der dahinziehenden Masse an Mensch und Tier in den frühlingsblauen Himmel erhob. Govanned ließ halten, und sie beobachteten eine Weile staunend den Vorbeimarsch der Haeduer. Flankiert von der zur Sicherung immer wieder ausschwärmenden Reiterei, bewegten sie sich, Clan nach Clan, schnell voran. Fearr, der noch nie in seinem Leben ein so großes Heer gesehen hatte, wunderte sich, wie es den Haeduern gelungen sein mochte, in einer so knapp bemessenen Frist eine solche Menge an Menschen und Material für diesen Kriegszug zusammenzustellen. Es mussten mehrere Tausend sein, die dort vor ihnen auf der weiten Ebene nach Magetobriga marschierten! Das grelle Sonnenlicht ließ ihre Speerspitzen und Helme zwischen den Staubschleiern tausendfach golden aufblitzen.

Und sie sangen! Sie sangen vom Krieg und vom Sieg, von den Frauen und vom Wein. Begleitet wurde ihr Gesang von den wilden, aufpeitschenden Klängen unzähliger Trommeln und Sackpfeifen.

Auf einer kleinen Anhöhe, die sich ihnen gegenüber auf der anderen Seite des dahinziehenden Heerbannes befand, erschienen plötzlich mehrere Reiter, die ebenfalls den Vorbeimarsch beobachteten. Govanned ließ seine Leute eine Rast einlegen und sprengte dann mit Fearr und Lochtaire zwischen den marschierenden Abteilungen auf die Anhöhe. Dort trafen sie auf Dumnorech und seine Hauptleute. Dumnorech hatte seinerseits die Präsenz der kleinen arvernischen Streitmacht registriert.

»Soll das etwa alles sein, was die Arverner aufzubieten haben?«, bellte er grußlos den drei Ankömmlingen entgegen und wies dabei auf die Lagernden auf der anderen Seite.

»Es gab Stimmen im Rate, die eine Teilnahme der Arverner an diesem Kriegszug gänzlich abgelehnt haben!«, entgegnete Govanned dem Haeduer ebenso barsch.

»Wenn euer hoher Rat eine blasse Ahnung von dem tatsächlichen Ausmaß der Invasion gehabt hätte, dann hätten die Arverner mit Sicherheit alle ihnen zu Gebot stehenden Krieger ins Feld geschickt. So aber ist euer armseliges Häuflein da drüben wohl eher ein Tropfen auf den heißen Stein!«, zischte Dumnorech unwirsch.

»Verzeihe uns Unwissenden, edler Dumnorech, aber die kargen Nachrichten, die wir von euch erhalten haben, waren bar jedweder diesbezüglichen Lagedetails. Das ist im Übrigen auch der Grund unseres Hierseins: uns vor Ort ein Bild von der tatsächlichen Lage zu machen, um dann nötigenfalls stärkere Truppen, die selbstverständlich sofort aufgestellt werden können, anzufordern«, reagierte Govanned äußerlich gelassen auf die anmaßenden Äußerungen des Haeduers.

»Also gut, wie auch immer, es kam eben alles ziemlich unvermutet über uns alle«, lenkte Dumnorech ein, »aber es sieht in der Tat sehr viel schlimmer aus, als wir es bis zu dem damaligen Zeitpunkt überhaupt erahnen konnten. Auf jeden Fall belagern die Germanen zur Zeit Magetobriga, und die Sequaner sind seit ein paar Tagen bereits in größere Kampfhandlungen verwickelt worden.«

»Sind denn bisher keine Versuche unternommen worden, Verhandlungen mit Ariovist zu führen?«, fragte Govanned.

»Natürlich, was glaubst du? Nur leider blieben es eben nur Versuche, denn Ariovist hat bislang jede Art von Gespräch kategorisch abgelehnt. Er und sein Volk, so ließ er nur wissen, seien nun mal ins Land gerufen worden, um den Sequanern bei ihren diversen Auseinandersetzungen mit ihren Nachbarn zu helfen, und so stünde den Sueben zu Recht neuer Siedlungsraum in unserem Land zu. Er habe deshalb nicht die Absicht, nachdem er für die Sequaner die Kastanien aus dem Feuer geholt habe, auf diesen Anspruch zu verzichten.«

»Wurden ihm etwa von den Sequanern derartige Zugeständnisse gemacht?«, rief Govanned entgeistert.

»Castich hat uns jedenfalls beteuert, dass nichts dergleichen versprochen wurde.«

»Bei Lug! Gerade ein Grenzstamm, wie es die Sequaner sind, müsste doch aus Erfahrung wissen, dass die Germanen schon immer Hunger auf keltisches Gebiet gehabt haben. Jetzt haben sie die Wölfe in ihr Land geholt und meinen, dass sie sich, nachdem sie mit einem freundlichen Dankeschön abgespeist wurden, wieder freiwillig in ihre unwirtlichen Wälder zurückziehen würden. Sollten wir, was ich inständig hoffe, diesen Krieg zu unseren Gunsten beenden, dann werden wir mit Castich einiges zu besprechen haben, was ihm sicherlich nicht gefallen wird!«

»Genau diese unangenehmen Dinge sind es, die der Vergobret der Haeduer zum Hauptbestandteil des Beistandspaktes mit den Sequanern gemacht hat!« Dumnorech lachte grimmig. »Aber jetzt haben wir keine Zeit mehr zu verlieren«, fuhr er weiter fort, »Wollen wir hoffen, so rechtzeitig vor Magetobriga zu erscheinen, dass wir Castichs angeschlagene Truppen erfolgreich und überraschend für den Feind ersetzen können. Ich schlage deshalb vor, dass wir zwei uns sofort zum Lager der Sequaner begeben, uns dort ein Bild von der momentanen Situation machen, um dann das nachrückende Heer – es wird bei diesem Marschtempo schätzungsweise gegen Abend vor der Stadt eintreffen – in die jeweils günstigsten Stellungen einzuweisen.« Dumnorech drehte sich im Sattel nach einem verwegen dreinblickenden, narbenübersäten Mann, der leicht vornübergebeugt auf seinem Pferd saß. »Carannog! Führe das Heer nach Magetobriga und gliedere die Arverner bei der Nachhut ein! Haltet beim ersten sequanischen Posten und melde mir dann sofort eure Ankunft! Vermeidet, wenn irgend möglich, jede Feindberührung. Und achte mir auf die Flankendeckung. Solltet ihr dennoch angegriffen werden, so handle nach deinem Ermessen; schicke mir nur rechtzeitig eine Nachricht!« Wortlos nickend bestätigte Carannog den Befehl des Fürsten, dann ritten er und die anderen Hauptleute den Hügel hinab und setzten sich an die Spitze des Heerbannes, während Fearr und Lochtaire wieder zu den Arvernern stießen, um sie zu der ihnen befohlenen Position zu führen.

Dumnorech und Govanned warteten noch einen Moment die Ausführung ihrer Befehle ab, dann gaben sie ihren Pferden die Sporen und jagten mit wehenden Mänteln davon.

Im Lager der Sequaner herrschte die schiere Hoffnungslosigkeit; in jedem Gesicht spiegelten sich Niedergeschlagenheit und Schrecken. Schon die Männer, die sie unterwegs getroffen hatten, erschienen ihnen ausgemergelt und übermüdet, aber das, was sich den beiden Fürsten im Lager selbst bot, übertraf deren schlimmste Erwartungen. Überall lagen Verwundete, teils stumm ergeben, teils laut stöhnend umher. Nachdem sie sich bei einem der Posten gemeldet hatten, wurden sie sofort zu Castich geführt, der gerade hastig ein Stück kalten Braten verschlang. Auch er war von den Anstrengungen der letzten Tage gezeichnet und schaute die Neuankömmlinge aus leeren, übernächtigten Augen an. Das graue Haar hing ihm in wirren, verklebten Strähnen ins stoppelige Gesicht, und sein Bart war seit Tagen nicht mehr gepflegt worden.

»Gut, dass ihr da seid!«, begrüßte er sie mit einer vom vielen Brüllen heiser gewordenen Stimme, »wie viele Krieger führst du zu uns?«

»Auch ich freue mich, dich zu sehen, Castich! Die Haeduer sind deinem Ruf mit ihrer gesamten Heeresmacht gefolgt, insgesamt sechstausend Mann, davon tausend zu Pferde.« Dumnorech vermied, das kleine Aufgebot der Arverner zu erwähnen.

»Ich ... ich hatte mehr erwartet«, sagte Castich mit brüchiger Stimme und ließ seinen rot geäderten Blick viel sagend auf Govanned verweilen.

»Wie sieht es denn aus?«, meisterte Dumnorech rasch die peinliche Situation. Castich antwortete zunächst nichts darauf, sondern füllte drei Trinkhörner mit Korma und reichte zwei davon an seine Gäste weiter. Dann nahm er einen tiefen Schluck, rülpste vernehmlich und wischte sich dann den Schaum aus seinem Bart.

»Nun, Magetobriga ist eingeschlossen. Die Germanen haben einen doppelten Belagerungsring um die Stadt gelegt. Außerdem stehen Truppenteile in den umliegenden Wäldern und kontrollieren somit die Zufahrtswege zur Stadt. Täglich führen sie neue Scharen heran«, erklärte einer der sequanischen Hauptleute.

»Seit Tagen versuchen wir erfolglos, ihre Linien zu durchbrechen«, ergänzte Castich den knappen Lagebericht. »Aber wir erwarten noch an diesem Abend die Hilfskontingente der Senonen und Treverer. Sobald diese Truppen eingetroffen sind, werden wir unser weiteres Vorgehen gemeinschaftlich planen.«

»Sehr gut«, stimmte Dumnorech zu. »Ich werde, falls du nichts dagegen hast, bis dahin meine Truppen etwas abseits eures Lagers Stellung beziehen lassen, um uns und euch den Rücken freizuhalten. Übrigens würde ich gerne noch mehr von deiner köstlichen Korma trinken; es wird sowieso noch eine Weile dauern, bis meine Leute ankommen.« Dann lehnte er sich genüsslich zurück, trank Castich zu und begann mit den anderen Anwesenden zu plaudern, so, als ob sie sich im tiefsten Frieden befinden würden. Am frühen Abend dann wurde die Ankunft des haeduischen Heeres gemeldet.

»Also, Castich, ich werde jetzt meine Leute wie besprochen in ihre Stellungen einweisen. Wir treffen uns morgen früh mit den anderen. Bis dahin wünsch ich dir eine gute Nacht«, sagte Dumnorech, leerte sein Horn und verließ dann mit Govanned das Lager.

Die letzten Tage der Kelten

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