Читать книгу Fettnäpfchenführer Frankreich - Bettina Bouju - Страница 13
Оглавление3
BONJOUR MADAME, BONNE NUIT MONSIEUR!
WARUM PAULA NICHTS VERSTEHT
Paula freute sich, »nach Hause« zu kommen, so man das schon sagen konnte. Irgendwie war doch alles noch ziemlich fremd und Paula hatte oft Heimweh. Ihre Sehnsucht nach Berlin, ihren Freunden und ihrer Familie wurde beständig größer. Auf der anderen Seite konnte sie sich ihre Eltern, die schon auf dem Weg hierher waren, kaum in diesem Ambiente vorstellen. Sie hatte Angst, dass sie von einem Fettnäpfchen ins nächste treten würden. Sie musste ihre Gasteltern unbedingt darauf vorbereiten. Außerdem wünschte sie sich, sich jemandem zu öffnen und ihre Probleme mitzuteilen. »Bonsoir Paula, comment ça va?« (Guten Abend, Paula, wie geht’s dir?), wurde sie von ihrem Gastvater Bernard begrüßt. Er blickte von seiner Zeitung auf und sah ihr direkt in die Augen. Das tat gut. Paula setzte sich hin und überlegte, wie sie es sagen sollte. »Bonne nuit, Bernard«, begann sie. »Je ne sais pas. Je suis un peu perdu. Un peu triste, mais je ne sais vraiment pas pourquoi ...« (Ich weiß nicht. Ich fühle mich etwas verloren, ein bisschen traurig, aber ich weiß nicht, warum ...). Sie wollte noch weitersprechen, doch Bernard unterbrach sie. »Tu verras: Tout ira bien.« (Du wirst sehen, alles wird gut.) Mit diesen Worten vertiefte er sich wieder in seine Zeitung und ließ Paula spüren, dass er nicht mehr gestört werden wollte. Paula war enttäuscht. Wie hatte sie aber auch ernsthaft glauben können, dass dieser Bernard, den sie kaum kannte, sich ihrer persönlichen Probleme annehmen würde? Andererseits, er war doch ihr Gastvater. Und er hatte sie gefragt, wie es ihr ging. Paula schämte sich in Grund und Boden, sie kam sich vor wie ein naives Kind. Schnell verließ sie den Salon. Da kam ihr Marie entgegen. »Bonne nuit Marie«, sagte Paula. »Tu es fatiguée?« (Bist du müde?), fragte Marie. »Pourquoi?« (Warum?), fragte Paula zurück. »Tu as l’air fatiguée« (Du siehst müde aus), antwortete Marie. Na danke! Das war jetzt wirklich zu viel. Sie war traurig und hatte Heimweh und wollte nicht noch hören, wie müde sie aussah! Kein Wunder, nach diesen anstrengenden Tagen, in denen sie sich überall anpassen und ständig diese fremde Sprache sprechen musste. Keiner konnte verstehen, wie schwer das für sie war. Wortlos und ohne eine Antwort zu geben, ging Paula an Marie vorbei in ihr Zimmer. Und sie hatte keine Lust, heute Abend noch einmal diese vier Wände zu verlassen.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Paulas Situation ist bestimmt schwer und jeder, der längere Zeit im Ausland verbracht hat, weiß, wie einsam man sich fühlen kann, wenn man die Sprache nicht vollkommen beherrscht und sich schon allein dadurch ausgeschlossen fühlt. In dieser Situation hat sich Paula an einen Strohhalm geklammert, der gar keiner war – an den Satz Comment ça va? Diese Frage gehört gewissermaßen zum Standard einer Begrüßung dazu und wird eigentlich immer mit bien (gut) oder très bien (sehr gut) beantwortet. Paula hatte angenommen, dass hinter dieser Hoflichkeits-Small-Talk-Frage wahres Interesse an ihrer Situation stecken würde, und musste leider feststellen, dass dem nicht so war. Bernard hatte die Frage einfach als formelhafte Begrüßung verwendet. Eine sich tagtäglich mehrfach wiederholende Frage, die auf keinen Fall mit erschöpfenden Auskünften über die persönlichen Befindlichkeiten oder gar mit der Wiedergabe schlechter Erlebnisse beantwortet werden darf. Dass der Gastvater Paula so schnell abgewürgt hat, hatte vielleicht auch den Grund, dass für ihn diese persönliche Offenbarung so plötzlich kam, dass er nicht darauf zu reagieren wusste. Seine Antwort »alles wird gut« ist natürlich nicht das, was man in solch einer Situation hören möchte, das heißt aber nicht, dass die beruhigenden Worte nicht ernst gemeint waren.
Ein zweiter Fehler, der Paula hier unterlaufen ist und der zu einem Missverständnis mit Marie führte, war die Verwendung der Begrüßung Bonne nuit (Gute Nacht). Denn Bonne nuit sagt man in Frankreich nur, wenn man wirklich unmittelbar vor dem Schlafengehen ist. Wie in Deutschland eigentlich auch. Marie hat also annehmen müssen, dass Paula sehr müde ist und vielleicht einfach alleine sein möchte. Ihre Aussage »Du siehst müde aus« war nicht abschätzig, sondern viel eher unterstützend gemeint, nach dem Motto: Ruh dich ruhig aus!
Was können Sie besser machen?
Paula hat in ihrer ohnehin schlechten Stimmung alles gegen sich interpretiert. Sich dem »Herrn des Hauses« so schnell anzuvertrauen war entweder ein sehr mutiger oder eben auch ein sehr verzweifelter Akt von ihr. Denn auf die bekannte Frage hätte sie auf keinen Fall gleich ihr ganzes Herz ausschütten sollen. Franzosen sind in diesem Punkt ähnlich oberflächlich, wenn man so will, wie Amerikaner: Das tägliche How are you doing? What’s up? ist auch auf keinen Fall als ernsthafte Frage zu verstehen.
Wenn Sie sich also jemandem anvertrauen wollen, suchen Sie eher in den gleichaltrigen Reihen. Die ältere Generation hat es meist nicht gelernt, über Gefühle offen zu sprechen. Suchen Sie sich die Person gut aus und tasten Sie sich langsam in dem Gespräch an das Problem heran. Vielleicht können Sie über Umwege herausfinden, ob Ihr Gegenüber grundsätzlich bereit ist, offen und ehrlich mit Ihnen zu reden und über eine gewisse Konversation hinauszugehen. Bei Franzosen kann das ganz schön dauern. Denn sie geben sich schließlich alle Mühe, perfekt zu wirken. Alle Schwierigkeiten und Probleme, die man zugibt und mitteilt, zerstören dieses perfekte Bild, und man muss hart daran arbeiten, es hinterher wieder aufzurichten.
BEGRÜSSUNGSFORMELN
Die formalen Regeln der Begrüßung nehmen die Franzosen sehr wichtig. Wenn man in ein Geschäft oder in ein Zimmer kommt, grüßt man immer mit Bonjour (was sowohl »Guten Morgen« als auch »Guten Tag« heißt). Der Zusatz »Madame« oder »Monsieur« ist dabei wichtig. Die Verkäuferin oder der Verkäufer eines Geschäftes wird Sie wahrscheinlich mit Bonjour Monsieur oder Bonjour Madame zurückgrüßen. Ärgern Sie sich nicht, wenn Sie in Frankreich mit Mademoiselle angesprochen werden. Der Begriff »Fräulein« ist in Frankreich keineswegs so verpönt wie bei uns, sondern eher ein Kompliment. Wenn Sie nicht mehr ganz so jung sind und jemand Sie mit Mademoiselle anspricht, hält er sie auf jeden Fall noch für eine junge Frau – aufgrund Ihrer jugendlichen Erscheinung. Ein junges Mädchen mit Madame anzusprechen, wäre hingegen eine echte Beleidigung. Wenn Sie sich nicht ganz sicher sind, dann sprechen Sie junge und nicht mehr ganz so junge Frauen lieber mit Mademoiselle an, das ist in jeden Fall die charmantere Variante.
Ab etwa 17 Uhr beginnt die Zeit für ein Bonsoir (Guten Abend). Bonne nuit (Gute Nacht) sagt man, wenn man ins Bett geht. Man verabschiedet sich generell mit einem Au revoir (Auf Wiedersehen). Salut zur Begrüßung sagt man nur »unter sich«, wenn Gleichaltrige, enge Verwandte oder Freunde sich treffen. Salut wird sowohl für »Hallo« als auch für »Tschüss« verwendet.