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KEIN PLATZ FÜR MÜLL UND WÄSCHE

WIE PAULA GANZ TROCKEN DAS TROCKNEN LERNT

Paula fühlte einen enormen Schaffensdrang. Hier war sie, ihre neue Welt und sie wollte sie sich um jeden Preis zu eigen machen. Auch wenn Catherine Deneuve, wie sie ihre Gastmutter Claudine im Geheimen nannte, das Regiment führte und alles kontrollierte, wollte sie sich doch wenigstens um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Und das bedeutete heute: Wäsche waschen.

Von Zuhause war sie es gewohnt, sich mit um die Wäsche der Familie zu kümmern, Küche und Bad zu putzen, die Geschirrspülmaschine ein- und auszuräumen, den Müll runterzubringen und ab und zu mal etwas einzukaufen. Hin und wieder kochte sie auch ganz gern, aber das traute sie sich hier nicht. Lange hatte sie ihre dreckige Wäsche in einer Reisetasche gehortet und jetzt, wo keiner da war, trug sie sie hinaus auf den Flur und in die Waschküche, die an die Küche anschloss.

Die Waschmaschinentür stand offen und Paula stopfte alles hinein, schloss die Tür, schüttete Waschpulver in die Ladefläche und startete ein 40-Grad-Programm. Das hätte sie schon viel früher tun sollen! Was für ein gutes Gefühl! Und was jetzt? Sie beschloss, sich während der Wartezeit ein wenig im Haus nützlich zu machen. Als ihr Blick durch die Küche glitt, entdeckte sie, dass der Mülleimer voll war. In der Waschküche stand eine weitere Tüte mit Müll. Paula entschloss sich, den Müll zu entsorgen. Sicher werden sich alle freuen, wenn ich mich darum kümmere, grinste sie in sich hinein.

Paula nahm den Müll und machte sich auf die Suche nach der Tonne. In dem Haus, in dem die Bouchards wohnten, lebten nur noch zwei weitere Parteien. Den Bouchards gehörte das Erdgeschoß, sie hatten ihren eigenen Hauseingang und hinter dem Haus eine schöne Terrasse. Aber wo kam hier bloß der Müll hin? Vor dem Haus stand keine Tonne, dafür war die Straße viel zu edel. Paula spähte von der Terrasse aus auf das Gelände hinter dem Haus, konnte hier aber auch nirgends Tonnen entdecken.

Während sie also den Müll durch die Gegend trug, viel ihr auf, dass es in den Tüten klapperte. Ein Blick hinein sagte ihr: Hier hat jemand keinen Müll getrennt! Papier, Glas, Plastik, Bio und Restmüll waren wild durcheinander in den Sack geworfen worden. Kein Wunder also, dass sich die Säcke hier stapelten. Paula war kurz versucht, den Müll selbst zu trennen, ließ es dann aber doch sein, weil sie ihn zu eklig fand. Aber toll war das nicht! Die Gastfamilie schien sich offenbar mit ihrem Müll keine große Mühe zu geben.

Paula beschloss, den Müll einfach wieder an seinen Platz zu stellen und stattdessen ihr eigenes Zimmer zu putzen. Pfeifend machte sie sich daran, das Bett neu zu beziehen und Staub zu wischen. In Gedanken war sie schon bei ihrer eigenen Familie. Sie freute sich riesig auf ihre Eltern. Sie hatte sogar noch Zeit zum Duschen und Haare waschen. Manni und Eva würden staunen, in was für einer schicken Umgebung sie hier gelandet und wie sie schon darin aufgegangen war. Als hätte sie schon immer hier gelebt!

Als die Waschmaschine endlich fertig war, warf Paula die nasse Wäsche in einen Korb und ging damit hinaus auf die Terrasse. In der Sonne würde alles schnell trocknen. Doch Paula fand weder eine Wäscheleine noch Klammern. Nichts wies in dieser schicken Umgebung darauf hin, dass so etwas wie dreckige Wäsche überhaupt existierte. Paula war ratlos. Sie beschloss, die Wäsche zum Trocknen über die Stühle, das Terrassengeländer und auf den Tisch zu legen. Danach holte sie ihr Wörterbuch aus dem Zimmer, zog einen Liegestuhl heran und legte sich zum Vokabellernen in die Sonne.

Paula war gerade im Liegestuhl eingeschlafen, als Claudine nach Haus kam und beim Anblick von der verteilten Wäsche einen spitzen Schrei ausstieß. »Ça ne va pas, non?!« (Sag mal, geht’s noch?), schoss es aus hier heraus. Sie befahl Paula in strengem Ton, sofort ihre Wäsche wieder einzusammeln, sie wolle keine Unterwäsche auf ihrem Terrassentisch haben! Paula gehorchte etwas pikiert, und als sie kleinlaut ihre nassen Klamotten eingesammelt hatte, wurde Claudine versöhnlicher. »Viens« (Komm), sagte sie und ein kleines Lächeln umspielte ihren Mund. Paula folgte Claudine wortlos in die Waschküche und blieb vor einem großen Trockner stehen. »Mets ton linge là dedans. Je vais mettre la machine en route!« (Pack’ deine Sachen da rein. Ich mach’ die Maschine gleich an!), sagte sie jetzt etwas freundlicher. Paula konnte nicht anders, als etwas zu erwidern: »Mais en plein été, on n’a pas besoin d’un séchoir à linge! Ça consomme beaucoup trop d’énergie!« (Aber mitten im Sommer braucht man doch keinen Trockner! Der verbraucht viel zu viel Energie!), erwiderte sie Claudine und fühlte sich dabei ein bisschen wie die tapfere Jeanne d’Arc. Doch Claudine wischte den Einwand mit einer Handbewegung fort: »En France, on a suffisamment d’énergie.« (In Frankreich haben wir genug Energie.) Damit verschwand sie aus der Waschküche und ließ Paula mit ihrer nassen Wäsche allein.

Was ist schiefgelaufen?

Wie gut, dass Paula nicht angefangen hat, den Müll zu sortieren! Denn dann hätten sich die Tüten noch vermehrt – und sie wäre sie nicht so schnell losgeworden. Das hat mehrere Gründe: Eine gut organisierte »Wertstofferfassung«, wie man in Deutschland sagt, gibt es für den Müll in Frankreich nicht. Zwar ist dort fast alles zentral organisiert, das Entsorgen des Mülls jedoch wird über die Kommunen abgewickelt – demzufolge gibt es keine einheitliche Regelung. Zudem ist das Recyceln von Wertstoffen noch nicht lange im Bewusstsein der Franzosen angekommen und sehr unterschiedlich weit entwickelt. Kommunen, die mehr Wert auf Mülltrennung legen, treiben die Sache stärker voran als andere. Dementsprechend gibt es auch nicht in jedem Wohnhaus getrennte Mülltonnen. Meistens stehen Sammelcontainer je nach Wohnort in Hausnähe, auf dem Land in einem größeren Dorf oder einer nahen Kleinstadt. Dort werden Plastik, Pappe, Konservendosen und Papier in dieselbe Tonne geworfen. Joghurtbecher und kleinerer Plastikmüll müssen manchmal wiederum getrennt entsorgt werden oder sind generell nicht für die Wiederverwertung vorgesehen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, dass der Müll sauber ist! Papier oder Plastik, an dem Nahrungsmittel kleben oder die fettig sind, gehören in Frankreich in den Restmüll.

Was können Sie besser machen?

Zur Entwicklung des Recyclings gehören natürlich nicht nur die Tonnen, sondern auch die entsprechenden Fabriken, die den Abfall wieder in Wertstoffe zurückverwandeln. Während in Deutschland die Mülltrennung in Restmüll, Biomüll, Metallmüll, Kunststoffmüll, Papier und Glas laut Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) seit 2015 Pflicht ist und bei Nicht-Trennung mit Bußgeldern bis zu 2.500 Euro geahndet werden kann, ist Mülltrennung in Frankreich eine rein freiwillige Angelegenheit, die noch dazu oft persönliches Engagement braucht und in vielen Privathaushalten noch nicht angekommen ist. Mit den deutschen Müllerfahrungen im Rücken missionarisch aufzutreten ist natürlich weder angemessen, noch sonderlich zielführend. Am besten fragen oder schauen Sie nach den örtlichen Regelungen – und versuchen, das eigene Umweltbewusstsein weiterzuvermitteln und Vorurteile zu minimieren. Viele Franzosen denken noch, dass Mülltrennung nur Leute mit einer gewissen politischen Einstellung ausüben.

Umweltschutz und Energiesparen sind Themen, die in Frankreich lange Zeit ignoriert wurden und erst in den letzten Jahren ins Bewusstsein gesickert sind. Doch wenn das Bewusstsein einmal da ist, kommt es in Frankreich durch die Zentralregierung oft schneller zur Umsetzung neuer Gesetze. So hat Frankreich 2015 als erstes Land den Weichmacher Bisphenol A in Plastik- und Lebensmittelverpackungen Kinderspielzeug, Küchengeräten und anderen Elektronikartikeln sowie Plastikgeschirr verboten.

450 Jahre braucht eine Plastiktüte, um biologisch abgebaut zu werden. Von daher hat die französische Regierung Grund zum Handeln gesehen und seit dem 1. Juli 2016 die Ausgabe von Einwegplastiktüten in Supermärkten, Apotheken, Bäckereien, Tankstellen und Märkten verboten. Damit übernimmt das Land eine Vorreiterrolle in der EU, ist aber nicht das erste EU-Mitglied mit einem Verbot: Italien untersagte Einwegtüten bereits 2012. In Deutschland ist also, was Mülltrennung und Umweltschutz angeht, bei Weitem nicht alles besser als im Nachbarland.

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