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Kapitel 14

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„Frau Schneider, rufen Sie Frau Börne an. Fragen Sie, ob sie kurzfristig einspringen kann, wenigstens für ein paar Tage!“

„Ich versuche es.“

Beate Börne war Benders frühere Sprechstundenhilfe, inzwischen im Ruhestand. Ohne jemanden, der die Telefonanrufe annahm, konnte die Praxis keine Beratungstermine ausmachen. Ohne Beratungstermine gab es keine Operationen.

Allerdings ging der Job über das Bedienen des Telefons weit hinaus. Koordination, Diskretion, Perfektion. Sie war gut darin, sogar sehr gut. Aber es gab auch so etwas wie persönliche Notlagen, da musste die Praxis eben zurückstehen. Sie nahm sich vor, sich von Bender kein schlechtes Gewissen machen zu lassen. Und sich nicht über ihn zu ärgern.

Gisela Schneider zog den schwarzen Hocker, der normalerweise im Labor stand, zu sich und nahm den Telefonhörer in die Hand. Bender hatte sich auf ihren Haworth-Schreibtischstuhl gesetzt und auf ihrem PC die Termine der kommenden Wochen aufgerufen. Er schien sich einen Ausdruck der Kontaktdaten einiger Patienten zu machen.

Toll. Wenn der Drucker läuft, verstehe ich nichts.

Sie hörte das Besetzt-Zeichen. Immerhin.

Die Räume hatten früher einmal zu einer Dermatologischen Praxis gehört. Um Bestrahlungen und Anwendungen durchzuführen, hatten kleine Zimmer ausgereicht, und auch der OP-Bereich war nicht besonders geräumig gewesen.

Bender hatte die benachbarte Wohnung dazu gemietet, zwei Monate lang alles den Handwerkern überlassen und dadurch die Praxis auf die Größe bringen können, die er brauchte. Da er viele privat versicherte Patientinnen hatte, legte er Wert auf einen geschmackvoll eingerichteten, großzügigen Wartebereich. Dagegen war der Bereich, in dem die Praxishilfe arbeitete, klein. Das war keinesfalls angemessen, fand sie.

Aber wenigstens musste sie den Raum nicht mit den OP-Schwestern teilen, die sich in einem Zimmer neben dem Labor aufhielten. Und Dr. Bender überließ ihr die Organisation der Praxis; er hatte sie sogar die neuen Schränke aussuchen lassen, nachdem sich das Furnier der vorherigen Möbel gelöst hatte. Er vertraute ihrer Kompetenz in organisatorischen Fragen.

Er ließ sich die Unterlagen, die er brauchte, immer in sein Besprechungszimmer bringen und belästigte sie nicht mit seiner Anwesenheit in ihrem kleinen Reich. Normalerweise. Aber die Krebsdiagnose bei ihrer Mutter hatte alles durcheinandergebracht.

Ausgerechnet jetzt, wo sie noch so viel regeln musste, setzte er sich an ihren Computer! Warum konnte er nicht an seinem eigenen Schreibtisch arbeiten? Dann fiel ihr ein, dass die Terminpläne nur von ihr geführt wurden und er von seinem Schreibtisch aus keinen Zugriff darauf hatte.

Sie dachte an die Mutter, die morgen ins Krankenhaus aufgenommen und übermorgen operiert werden würde. Und an ihren geistig behinderten Bruder, um den sie sich anschließend kümmern musste. Die Werkstatt, in der er arbeitete, hatte ausgerechnet jetzt zwei Wochen lang geschlossen. Sie fragte sich, was auf sie zukam.

Sie ärgerte sich über sich selbst. Die Mutter war jetzt 76. Wieso hatte sie, Gisela, nicht längst darauf bestanden, dass Jörg in einem Wohnheim angemeldet wurde? Nun, sie kannte die Antwort auf diese Frage.

Weil das anstrengend geworden wäre. Die Übergangszeit zumindest. Und ihre Mutter hätte ihren Lebensinhalt verloren, daran gab es keinen Zweifel.

Jörg wäre bestimmt viel selbständiger, wenn die Mutter zugelassen hätte, dass er in ein Wohnheim zog. Er genoss es offensichtlich, zur Werkstatt zu fahren, die Arbeitskollegen zu treffen. Es war schlimm für ihn, wenn die Werkstatt Ferien hatte, oder wenn der Werksleiter ihn aufforderte, endlich seinen Urlaub zu nehmen. Er wusste dann nichts mit sich anzufangen.

Martha Schneider jedoch hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, als der Hausarzt den Vorschlag gemacht hatte, Jörg ausziehen zu lassen. Sie hatte nichts davon wissen wollen. Inzwischen gab es lange Wartezeiten für das Wohnheim.

Ihre Mutter war auch die gesetzliche Betreuerin von Jörg. Gisela wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Musste sie etwas in die Wege leiten? Vielleicht war es ja ganz gut, dass sie mit Jörg wieder mehr zu tun bekam.

Als Kind und Jugendliche hatte sie oft auf ihn aufpassen müssen. Sie hatte die Flucht ergriffen, sobald sie es sich leisten konnte. Die Treffen mit Mutter und Bruder waren immer seltener geworden. Ihre Mutter war immun gewesen bezüglich der Vorschläge, die sie gemacht hatte.

Was willst du, Gisela - du bist ja sowieso nie da. Wir kommen auch ohne dich und deine Ratschläge aus, Jörg und ich.“

Sie lauschte dem Signal, das aus dem Hörer kam, und runzelte die Stirn. Mist. „Tut mir leid, Herr Doktor. Erst war immer besetzt, und jetzt geht keiner ran.“

Bender fuhr sich nervös mit der Hand durch das Haar.

„Ich versuche es gleich noch einmal.“

„Hören Sie nicht auf, bis Sie Frau Börne gesprochen haben. Ich brauche unbedingt eine Praxishilfe. Und sei es nur fürs Telefon. Wenn sie selbst nicht kann, dann kennt sie vielleicht jemanden, der einspringen könnte.“

„Ich tue mein Bestes.“

Ihr Chef war ärgerlich, das war nicht zu übersehen. Er sagte zwar nichts, aber er ließ sie spüren, dass ihre Auszeit zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kam. Nun, sie hatte es sich nicht ausgesucht.

Außerdem war in einer Praxis ein Ausfall der Sprechstundenhilfe immer ein Problem. Selbst wenn der Chirurg auf einer Fortbildung war, musste die Praxis besetzt sein, wenn es irgend ging.

Gott, ich muss ja noch die Quartalsabrechnung zu Ende bringen. Das hätte ich beinahe vergessen!

Aber bevor der Herr Doktor nicht ihren PC freigab, ging das auch nicht. Sie klopfte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Dann griff sie zum Hörer und rief beim Zulieferer für steriles Material an, um die anstehende Auslieferung zu verschieben.

Den Gedanken an die Krebserkrankung ihrer Mutter versuchte sie zu verdrängen. Mit geringem Erfolg.

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