Читать книгу Zone 30 - Birgit Schlieper - Страница 5

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Sabine drückt die Zigarette schwungvoll aus. Vier Züge wären noch dran gewesen. Mindestens. »Das hat doch so keinen Sinn. Ich rauche einfach gar nicht mehr. Ich höre ganz auf. Das kann auch nicht schwieriger sein, als sich auf drei Kippen pro Tag zu beschränken.«

Ich nicke und inhaliere tief. Fast berühren sich die Innenseiten meiner Wangen. Ich hab’s geahnt. Sabine ist nicht nur plötzlich Ehefrau und noch plötzlicher schwanger. Sie ist jetzt auch anders als ich. Sie führt ein neues Leben. Damals, als sie Martin kennen lernte, haben wir uns geschworen, dass das – also er – an unserer Freundschaft nichts ändern würde. Wir haben dieses Versprechen beteuert, immer wieder. Als sie mit Martin zusammenzog, vor dem Standesamt, nach dem Standesamt und auch angesichts des rosa Punktes auf dem Teststreifen. Die Freundschaft hat sich vielleicht auch gar nicht geändert. Sabine hat sich geändert. Und ich bin gleichzeitig gönnerhaft, neidisch, mitleidig und misstrauisch. Ich drücke meine Kippe auch aus. Ich habe eh schon einen Zug zu viel genommen.

Mir ist so vieles fremd an dieser neuen Sabine. Sie hat eine feste Seite im Ehebett, muss einen Kreditantrag nicht mehr alleine unterschreiben. Sie wird sich bald über Angebote für »Mini-Gruppen« freuen und im TUI-Katalog unter »k« wie »kinderfreundlich« gucken. Bald wird sie wissen, wie es sich anfühlt, wenn sich sonntags früh um sieben zwei Fingerchen in ihre Augen bohren und eine Stimme wissen will »bistduschonwach?« Und wenn sie dann auf dem Weg in die Küche ist, werde ich wahrscheinlich auf dem Heimweg sein. Wir werden beide sehen, wie der Morgen langsam graut – und mir graut Fürchterliches. Sabine wird eine von den Dreier-Frauen sein. Sie ist erstens Ehefrau, wird zweitens Mutter und drittens irgendwann wieder berufstätig sein. Und wenn nicht, wird sie sich als Klassenpflegschaftsvorsitzende verdingen.

Und ich? Ich werde weiterhin nur mitten in der 30er-Zone stehen. Mitte 30, ohne Mann (ohne festen zumindest), ohne Kind, ohne Kombi. Weder als Auto noch als Kostüm.

Ich stecke mir schnell wieder eine Zigarette an, als könne Sabines Entschluss ansteckend sein. Ich sehe mich neben ihr auf einer Bank am Rande eines Spielplatzes sitzen. Ich werde genau wie die kleinen Mädchen im Sandkasten eine rosa Spange im Haar haben, werde ein bauchfreies Shirt tragen, weil da keine Dehnungsstreifen sind, und ich werde unter der Jeans schon Krampfadern haben. Ich werde eine bunte Mischung sein. Vielleicht auch eine lustige.

Sabine verabschiedet sich. Sie muss noch zu Prenatal oder zur Post. Ich hab’s vergessen. »Rauch nicht so viel, Frederieke«, mahnt sie noch und schiebt ihren Bauchansatz zur Tür. Ich sinke wieder auf den Küchenstuhl, trinke den Rest des koffeinfreien Kaffees, den ich extra für sie gebraut habe, und fühle mich wie ein Mädchen in der Menopause. Zwischen Pubertät und PMS.

Aber ich weiß, dass ich kein Unikat bin. Es gibt viele von uns. Frauen, die mitten in der 30er-Zone stehen. In unseren Regalen steht das alte Poesiealbum direkt neben der Pflegeversicherungspolice. In unserem Schrank stehen noch alte Märchenplatten aus Vinyl, auf dem Schreibtisch ein Laptop mit DVD-Laufwerk. Wir tragen abwechselnd Bauch-weg-Slips und Schlüpfer mit Mickey-Mouse-Aufdruck. Wir fühlen uns noch feucht hinter den Ohren und neigen schon zu Wasser im Knie. Ich sehe überall welche von uns. Beim Aerobic, im Büro, beim Einkaufen und auf der Straße. Dort sind wir besonders leicht zu erkennen.

Zone 30

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