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Autos

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Wir sind die, die einen klassischen Zweitwagen als Erstwagen fahren. Wir fahren Pandas oder Marbellas, Puntos oder Twingos. Natürlich könnten wir uns größere, schnellere, teurere Autos leisten. Eins, das sogar hinten Aschenbecher hat, vielleicht sogar Kopfstützen. Sabine ist gerade mit so einem weggefahren. Seit sie schwanger ist, bekommt sie Martins Auto. Das hat mehr Knautschzone. Sabine hat locker hinten die Tür geöffnet. Jacke und Tasche auf die Rückbank geschleudert und ist fröhlich vorne eingestiegen. Mein Auto hat hinten noch nicht mal Sicherheitsgurte, geschweige denn Türen. Natürlich könnten auch wir kind- und mannlosen Frauen ein Auto fahren, das nicht nur einen Shopping-Bag im Kofferraum, sondern auch einen Airbag im Fahrerraum hat. Wir haben aber keine Lust, so viel Geld für ein Fortbewegungsmittel auszugeben, das uns schließlich nur von A nach B, manchmal auch via C, bringen soll.

Natürlich haben wir die Kaufsumme auch nicht unter dem Kopfkissen liegen. Wir haben unser Geld auf einem Girokonto oder gar Sparbuch. Ein neues Auto müssten wir leasen oder per Kredit abzahlen. Was aber ist günstiger? Wo ist Geld billiger? Was ist genau effektiver Jahreszins? Unsere Gegenspieler, die kind- und ehelosen Männer um die 30, kennen die Antworten darauf. Oder sie tun so. Sie fahren nicht mit einem alten Fiat oder einem riesigen Taunus durch die Gegend. Sie haben Autos, die wirklich als Wagen gelten. Ich hingegen stehe am Fenster und sehe meinen Clio im Halteverbot oder gar absoluten Halteverbot – was genau war noch mal der Unterschied? – vor der Tür warten. Ich mag ihn richtig. Das würde kein Mann über sein Auto sagen. Dafür haben Männer Angst. Panik vor einer Beule. Die kennen wir Frauen nicht. Wenn es beim Zurücksetzen so ein fieses, knirschendes Geräusch gibt und uns der Poller einfällt, der da zumindest vorhin noch stand, steigen wir im Zweifelsfall noch nicht mal aus. Warum auch? Wie so eine Beule aussieht, können wir uns auch so hervorragend vorstellen. Wird die Beule hübscher, wenn ich transpirierend und mit hektischen roten Flecken am Hals davor stehe und bekümmert gucke? Nein.

Irgendwann gucken zwar auch wir Frauen uns diese Beule mal an. Und natürlich ärgern wir uns auch ein bisschen. Aber wir ändern nichts. Wenn der Poller wenigstens auf uns zugekommen wäre! Dann würden wir natürlich stehenden Fußes die Versicherung benachrichtigen, den Poller anzeigen, 400 Euro einsacken, für 10,95 Euro eine Farbspraydose kaufen und den Rest anderweitig ausgeben. So aber nicken wir nur, wenn uns wieder jemand droht: Das fängt an zu rosten. Natürlich fängt das an zu rosten. Das wissen wir auch. Aber: Ändert das an der Fahrtüchtigkeit eines dreizehn Jahre alten Clios irgendetwas?

Diese Nachlässigkeit setzt sich auch im Inneren des Fortbewegungsmittels fort. Zweifelsohne wäre es schön, ein Radio zu haben, das länger als eine Stunde den Sender halten kann. Klar würde es uns freuen, wenn das Kassettenteil schneller spulen als abspielen könnte. Natürlich erschrecke ich mich jedes Mal, wenn plötzlich die Verkehrsnachrichten in ohrenbetäubender Lautstärke ertönen, weil der senile Clio-Vorbesitzer das so eingestellt hat. Aber wir arrangieren uns. Die Alternative wäre, irgendjemanden zu fragen, der sich damit auskennt. Mir fallen viele ein. Alles Männer. Ich könnte Stefan fragen, der wohnt in der Wohnung unter mir und grüßt im Treppenhaus immer so nett. Dann müsste ich nutzlos daneben stehen, während Stefan bis zur Schulter mit seinem Arm in der Mittelkonsole verschwindet. Wahrscheinlich müsste ich erleben, wie Stefan es schafft, eine Sicherung durchbrennen zu lassen, die sich die vergangenen acht Jahre nicht gerührt hat. Dann wird nichts mehr gehen. Nicht mal der Verkehrsfunk. Und weil ich mich mit einem gänzlich stummen Radio gar nicht arrangieren kann, müsste ich zum Autofachhandel fahren und dort wieder dumm rumstehen. Und während ich Stefan wahrscheinlich noch mit einer Tasse Kaffee und geheucheltem Interesse für seine obskuren Hobbys bezahlen könnte, will der Autofachhändler Bares sehen. Nein danke.

Ich mag mein Auto, auch wenn mir die Staus entgegengebrüllt werden. Mein Wägelchen hat nämlich auch süße Eigenschaften. In ihm finde ich noch Hustenbonbons von 1988, Autokarten, auf denen es die DDR noch gibt, schöne glatte Steine vom letzten Elba-Urlaub (als Sabine noch unverheiratet und unschwanger war), und unter den Fußmatten findet sich im Zweifelsfall genug Tabak, um noch eine Zigarette zu drehen. Und wenn ich wirklich mal dringend Bares brauche, könnte ich einfach den leeren Kasten Sprudel wegbringen, der seit Monaten im Kofferraum scheppert. Doch das Schönste an meinem Auto sind die Kassetten. Sie sind fast ein akustisches Tagebuch vom »Sommer 2001« bis zu den »Sad Songs« aus dem vergangenen Jahr. So klingt das Leben!

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