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Urlaub

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Es ist erst ein paar Monate her, da lag ich noch mit einer gänzlich unbefruchteten Sabine und Mona, einer weiteren Uralt-Freundin, am Strand. Und neben uns lagen diese anderen Frauen. Die, mit denen wir vielleicht das Geburtsjahr, aber sonst so gar nichts gemein haben. Sie hatten wirklich alles dabei: den Sonnenschirm, die Kühlbox, eine Luftmatratze (samt Einhakband, mit dem die Matratze zum Sitz umgebaut werden kann), das Strandspiel, den Zweitbikini. Meist auch einen Mann, manchmal auch ein Kind.

Wir 30er-Zone-Frauen haben ein Handtuch und Sonnencreme dabei. Und eben eine Freundin. Manchmal ist auch ein Mann im Gepäck, aber den kennen wir höchstens seit zwölf Stunden und/oder fünf Bier. Natürlich waren Sabine, Mona und ich irgendwann neidisch auf unsere Nachbarinnen. Nach einer Stunde in der prallen Sonne hätten wir auch gerne einen Schatten spendenden Schirm gehabt, nach einer weiteren Stunde sehnten wir uns nach einer Sitzgelegenheit.

Unsereins geht dann eben an die Bar, wo wir im Schatten sitzen und es Bier Nummer sechs bis sieben gibt. Die Familien-Frauen machen so etwas nicht. Die trinken Fruchtsaftgetränke aus der mitgeschleppten Kühlbox und suchen die Strandbar höchstens auf, um einige heiße Blicke mit Petro oder auch Stavros und auf der Toilette den Bikini zu wechseln.

Stopp. Es gibt doch noch eine Gemeinsamkeit zwischen denen und uns: die Cellulitis. Nur auf unsere hat niemand so geschaut. Wir lagen nämlich oben ohne im Sand. Natürlich sind wir nicht ohne Bikini-Oberteil schwimmen gegangen. Das macht keine Frau. Bräunen ohne den Stofffetzen ist okay, schwimmen definitiv nicht.

Grundsätzlich machen wir 30er-Zone-Frauen den gleichen Urlaub wie andere Frauen unseren Alters: Wir buchen Hotelroulette auf Kreta, fahren mit dem Auto nach Italien oder zum Skifahren nach Österreich. Und doch ist alles anders: Wir liegen irgendwie nicht auf, sondern zwischen den Liegestühlen. Wie eben Sabine, Mona und ich vor zwei Jahren in Griechenland. Am Pool lagen wir bei den 17-jährigen Teenies, die den letzten Urlaub mit Mama und Papa verbringen mussten. Beim abendlichen Essen saßen wir zwischen den jungen Eltern mit panischem Blick aufs Babyphone und drei Girlies, die sich diesen Urlaub beim Ferienjob in der Fabrik verdient hatten. Die Girlies haben uns nicht gefragt, ob wir später noch mit in die Disco wollten, die jungen Familien haben nicht mit uns über Kinderhaftpflichtversicherungen oder Hypotheken gesprochen. Wir fühlen wie die einen, sehen aus wie die anderen. Außen 30 plus, innen 20 minus. Wir tragen Glitzershirts Größe 164 und sind noch immer naiv genug, im Hotelzimmer das Portemonnaie zwischen der Unterwäsche zu verstecken. Auch wenn unsere Hausapotheke uns enttarnt. Die ist schon größer als die Wochenration eines Buschkrankenhauses. Aspirin, Kohletabletten, Bronchialspray, Salbe gegen Pilz, Tropfen gegen Halsweh, Hühneraugenpflaster und Tabletten für den Super-Gau in Form einer Blasenentzündung.

Wir sind in den vergangenen dreißig Jahren schon so manchen Schritt gegangen und haben trotzdem das Gefühl, noch ganz am Anfang zu stehen. Und so schlagen wir weiterhin im Urlaub unser Zelt – ob auf Elba oder an der Nordsee – neben Wohnkarawanen auf und staunen, wie sich die Zeltszene ändert. Das Zelten hat bei mir seinerzeit mit der Caritas und Busenfreundin Anja in Jugoslawien angefangen und ist noch lange nicht zu Ende. Ich habe immer noch die Klappstühle, die schon mit Mama und Papa im Urlaub waren, und mich begleitet immer noch die alte braune Rillen-Luftmatratze. Nur die Zeltnachbarn ändern sich.

Das Zelt ist zwar auch noch an Bord, aber nur als Spiel- und Snoezelraum für die Kinder. Der Trend geht zum Wohnmobil (braucht man dafür eigentlich einen Lkw-Führerschein?). Es bietet alles, was die verwöhne Mitteleuropäerin so braucht. Betten mit Daunendecke und bandscheibenfreundlichem Lattenrost. Kühlschrank plus 3-Sterne-Gefrierfach. Toilette, eine Sitzecke für die lustigen Kniffel-Abende und natürlich den Fernseher. Und so sitzen unsere Nachbarn am Abend in ihrer Sitzecke, trinken Dosenbier aus Gläsern, knabbern aus Tüten und gucken genüsslich eine RTL-2-Reportage »Last Minute: Vom Trip zum Tripper«.

Im vergangenen Sommer habe ich eine Postkarte von Anja bekommen. Das Motiv zeigte den Campingplatz aus der Vogelperspektive. Es sah aus wie ein De-Luxe-Ghetto. Gerade Straßen, gerade Kanten, exakte Baumreihen, Wohnwagen an Wohnwagen. Ein Mobil war mit einem blauen Kugelschreiberkreuz markiert. Da wohnten Anja und Anhang. Direkt neben dem Klo!

Zelturlaub in der 30er-Zone sieht anders aus: Wir brühen uns in Hockstellung (stärkt die Oberschenkelmuskulatur für den Toilettengang) auf dem einflammigen Gaskocher einen Kaffee auf und essen dann in der Zeltplatz-Taverne einen »salate à la irgendwas«. Dazu läuft im Fernseher auf dem Tresen ein Fußballspiel: Rotblaugestreift contra Schwarzweißgestreift. Nach dem zweiten »una litro vino per favore« halten wir zu den Rotblauen und amüsieren uns prächtig.

Natürlich sind wir auch neidisch, wenn wir am Strand oder anderswo Paare sehen. Vor allem dann, wenn sie glücklich wirken. Noch ein bisschen mehr, wenn der männliche Part auch noch gut aussieht. Und dann stellen wir uns vor, dass morgen, allerspätestens übermorgen, direkt neben uns zwei attraktive und vor allem allein stehende Surfer, Biker oder auch Railway-Freaks ihr Zelt aufschlagen. Die Wahrscheinlichkeit tendiert natürlich gen null. Denn: Die potenziellen Kandidaten müssen schon mal zu zweit anreisen. Sonst gibt es Ärger. Sie dürften auch zu Hause keine Herzdame sitzen haben, weil sonst unsere Frauensolidarität auf eine zu harte Probe gestellt würde. Dann dürften sie auch keinen tiefbayrischen oder ostdeutschen Akzent haben und uns nicht erzählen, wie viele PS ihr Auto hat und wie viele Tore sie letzten Sonntag geschossen haben. Wir möchten auch nicht wissen, was sie von Frauen halten, die latent zu Orangenhaut neigen. Sie dürften vor vier Uhr nachmittags keinen Alkohol konsumieren – außer wir haben spontan Lust auf ein Sektfrühstück. Und natürlich dürfen sie keine Musik hören, die auf einer der zahllosen Kuschelrock-CDs enthalten ist. Sie dürfen gerne behaart sein, außer auf Rücken, Zehen oder rund um den Mund. Und sie müssten im Fall eines Falles zur richtigen Zeit ein Kondom aus der Badehose zaubern. Die Wahrscheinlichkeit ist damit kleiner als null. Aber gegen Tagträume hatte die Wahrscheinlichkeitsrechnung noch nie eine Chance.

Also haben Sabine und ich seinerzeit auf Elba immer nur mit Angelo geflirtet, der uns mit dem strahlendsten Perl-Weiß-Lächeln zwei Dosen Heineken für ein kleines Vermögen in bar verkaufte, und waren uns einig, dass das Paar neben uns auf dem Handtuch nicht glücklich sein konnte.

»Der ist bestimmt verheiratet«, mutmaßte Sabine.

»Bestimmt. Und sie nicht«, unkte ich.

»Außerdem pupst der bestimmt unter die Bettdecke und telefoniert auf dem Klo«, verkündete sie und rülpste laut.

Solche Phantasien kann ich einfach besser mit einer Freundin besprechen. Männer haben dafür nur bedingt Verständnis. Außerdem kann ich mich mit einer Freundin im Urlaub auch mal verfahren. Und wenn ich die Landkarte drehen muss, um zu gucken, ob der Gardasee jetzt eher links oder rechts von uns liegt, ist das auch kein Anlass für höhnisches Gelächter.

Natürlich ist so ein Freundinnen-Urlaub nicht ein einziges großes Abenteuer, nicht ein einziges Lachen und Lästern. Aber er könnte zumindest ein Abenteuer werden. Und dieser Konjunktiv reicht uns ja manchmal schon. Wir sind bescheiden geworden. Ein Grund dafür ist der Sonntag.

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