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Musik

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Vor ein paar Tagen habe ich Sabine beim Musik hören überrascht. Ich dachte erst, ihre Waschmaschine sei kaputt, doch die Geräusche kamen eindeutig aus den Musikboxen. Sie wolle nur noch eben ihre Schwangerschafts-Entspannungs-CD zu Ende hören, hatte sie gesagt. Ich glaube, wenn ihr Embryo bei der Musik entspannt, braucht es später zum Einschlafen eine laufende Bohrmaschine. Sabine lauschte entzückt der Kombination aus Walfischbalzrufen und Alphornklängen. Und dabei hat Sabine Musik mal geliebt. Wir haben uns gemeinsam durch alles getanzt und gesungen. Halt gemacht haben wir nur vor Songs, die bei der Vorauswahl zum Grand-Prix-d’Eurovision laufen. Sabine ist eindeutig auf der musikalischen Strecke geblieben, aber ich werde weiter mitsingen bei »I will survive« oder »Im Wagen vor mir fährt ein junges Mädchen«. Ich fühle mich alt genug, um in der »Moldau« zu schwelgen, und jung genug, um mich mit »Sexbomb« angesprochen zu fühlen.

Allerdings – ein bisschen neidisch bin ich. Sabines Walfischgegröhle kam nämlich über Eins-a-Boxen ins Wohnzimmer.

Ihr Ehemann hat eine super Anlage mit in die Ehe eingebracht. Frauen wie ich haben immer nur eine klitzekleine Kompaktanlage von Tchibo oder ein raumgreifendes compositum mixtum. Mein Mixtum setzt sich zusammen aus einem alten Verstärker von Papa, einem Secondhand-Plattenspieler und einem CD-Spieler vom Geiz-Markt. Die Verbindung dieser Geräte gleicht einem gordischen Knoten und endet in einem überforderten Dreifachstecker. Krönender Abschluss meiner Stereoanlage (sagt man das überhaupt noch?) sind Lautsprecher, die leistungsschwächer sind als das, was Männer gemeinhin in ihren Autotüren oder Radioweckern haben.

Meinen Musikgenuss hindert das allerdings nicht im Geringsten. Und wenn ich aus Lust oder Frust mal wieder in die Badewanne flüchte, drehe ich die Lautsprecher einfach so laut, dass auch im Bad der Text noch zu verstehen ist. Text ist nun mal wichtig. Schließlich geht es uns bei Musik nicht so sehr um Klang, sondern um Stimme und Stimmung. Und wenn es sein muss, wird noch mal die Single »Seasons in the sun« rausgekramt. Die hört sich mittlerweile zwar definitiv so an, als würde Terry Jacks nicht nur am, sondern auch im Lagerfeuer sitzen, aber das ist unwichtig. Dieses Kribbeln im Bauch gibt es nur mit Kratzern auf Vinyl.

Neben meinen alten Platten mag ich auch die ganzen Kassetten. Die sind Fingerabdruck und DNA-Analyse in einem. Sie verraten mehr als Augen, Zeugnisse oder Schwangerschaftstests. Das fängt mit Titeln wie »Puschelrock« an und ist bei »Depress yourself« noch nicht zu Ende. Folgen Songs wie »Wish you were here« und »Against all odds« oder gar »Missing you« aufeinander, denke ich sofort wieder an diesen blonden Typen; dessen Name mir jetzt nicht einfällt oder den ich vielleicht auch noch nie wusste. Ganz, ganz alte Kassetten zeichnen sich dadurch aus, dass entweder mal Sandock dazwischenquatscht oder eine Stauschau à la »Achtung, auf der A 45 kommt Ihnen zwischen Siegen und Siegen-Eisern« mitten in »Urgent« erklingt. Wann immer »Urgent« irgendwo in der Disco oder Kneipe läuft, warte ich richtig auf die Warnung.

Natürlich ist die Tonqualität der Bänder nicht berauschend, eher nur rauschend. Aber ich könnte mich niemals von ihnen trennen. Schließlich sind sie auch der Soundtrack zu den letzten 17 Urlauben.

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