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Jean-Louis Dumas begrüßte seine Sekretärin. Er erkundigte sich nach ihrem Befinden und sagte etwas Freundliches über ihre Arbeit.

Zumindest ein Grund zur Freude, dachte er beim Betreten des Büros. Dominique war nicht nur kompetent. Sie war auch außergewöhnlich attraktiv. Sie besaß einen Körper, der die Männer zum Träumen brachte. Es schadete nicht, dass sie eine Mulattin war. Das machte sie nur noch anziehender.

Schon bald wollte er sie in eines der schicksten und teuersten Pariser Restaurants einladen. Doch es lag unter seiner Würde, sie mit billigen Tricks oder simpler Bestechung rumzukriegen. Die Initiative sollte von ihr ausgehen. Sie selbst sollte begreifen, was er von ihr erwartete. Dass es nicht ausreichte, ihre Arbeit tadellos zu erledigen, war ihr sicherlich klar. Für einen Mann in seiner Position war Zerstreuung außerordentlich wichtig; das musste sie doch verstehen, wenn er ihr das auf nette Weise zu verstehen gab.

Im Übrigen war es an der Zeit, dass etwas passierte. Seine Geliebte langweilte ihn. Es fehlte ihr einfach an Fantasie. Außerdem hatte sie begonnen, ihn selbst, doch vor allem seine Brieftasche als ihr Eigentum zu betrachten. Die Arbeit in seiner Abteilung lief wie am Schnürchen, was vor allem Georges’ Verdienst war. Georges aus dem Ausland zurückzuholen und zum Abteilungsleiter zu machen, war ein Geniestreich gewesen, der nicht zuletzt seine eigenen Führungsqualitäten unter Beweis stellte. Der Vorstandsvorsitzende sowie die gesamte Konzernleitung hatten die Augenbrauen gehoben. Sie waren davon überzeugt gewesen, dass Georges’ Entwicklungspotenzial an seine Grenzen gestoßen und es nur eine Frage der Zeit sei, wann er gegen einen jüngeren und dynamischeren Mitarbeiter ausgetauscht werden musste. Niemand bezweifelte, dass Georges seinen Auftrag erfüllt hatte, doch es mangelte ihm an Respekt gegenüber seinen Vorgesetzten. Die Konzernleitung schien sich allerdings nicht darüber im Klaren zu sein, dass ein Haus von Menschen und nicht von Maschinen gebaut wurde.

Darum hatte Georges auch das Problem mit Alain zur Sprache gebracht. Georges hatte Recht, obwohl er mehr mit dem Herzen als mit dem Kopf dachte.

Manchmal fragte sich Dumas, warum er sich eigentlich erbarmt hatte, Alain einzustellen. Die Antwort war leicht. Es konnte Dumas eines Tages von Nutzen sein, zu beweisen, dass er seine alten Freunde aus Algerien nicht im Stich gelassen hatte. Es war der Front National zu verdanken, dass so viele rachedürstende und verbitterte Verlierer jetzt aus ihren Löchern krochen und einem Mann wie ihm ernste Probleme bereiten konnten. Die Station »Condorcet« musste in jedem Fall rechtzeitig fertig gestellt werden, um eventuelle Schadensersatzansprüche der Staatlichen Bahngesellschaft SNCF zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, war ihm jedes Mittel recht.

Das Konsortium wusste seit geraumer Zeit, dass das Projekt mit nominellen Verlusten abgeschlossen werden würde, die ihm jedoch nicht zur Last gelegt werden konnten. Das millionenschwere Defizit sollte auf die sechs Unternehmen des Konsortiums verteilt werden. Dumas sollte ausschließlich dafür Sorge tragen, dass der Eigenanteil am Verlust die 30-Millionen-Grenze nicht überschritt. Dreißig Millionen waren keine Kleinigkeit. Wenn er klug agierte, sollte er die Kosten noch um einige Millionen drücken können, von denen ein Teil direkt in seine Tasche wanderte. Eine gewisse Entschädigung für seinen undankbaren und harten Job in der am wenigsten glamourösen aller Branchen sollte ihm wirklich zustehen. Wen kümmerte es schon, dass er eines der spektakulärsten Pariser Bauprojekte leitete? In den Etagen der Macht hörte man auf die Bosse der Ölindustrie, der Fluggesellschaften und des Militärs, vom Banken- und Versicherungssektor ganz zu schweigen. Selbst simple Autohändler von Renault oder Citroën besaßen mehr Macht und Einfluss als er, der aus einer Branche kam, die keine Gewinnspannen kannte. Und da wunderte man sich noch über die verbreitete Korruption in der Bauindustrie! Eine andere Möglichkeit gab es doch gar nicht, wollte man überhaupt etwas zu Stande bringen. Wie sollte man überhaupt kompetente Führungspersönlichkeiten wie ihn gewinnen, wenn man ihnen nicht ermöglichte, ein paar Groschen dazuzuverdienen? Die Journalisten, die voller Empörung über Schmiergeldaffären berichteten, vergaßen die Hauptsache: die Dinge mussten funktionieren. Wenn dieses Projekt scheiterte, würde das ganze Pariser Verkehrssystem eines schönen Tages kollabieren. Dann konnten diese Moralapostel mit gekonnten Formulierungen über die Regierung und die Bauunternehmer herziehen. Das war die Realität. Schöne Worte hatten noch nie etwas von bleibendem Wert oder praktischem Nutzen für die Menschen geschaffen. Die Frage war, ob sie die Menschen überhaupt ein wenig glücklicher gemacht hatten. Mit einer schönen Frau zu schlafen, war in jedem Fall befriedigender, als mit ihr zu sprechen, wie intelligent und redegewandt sie auch sein mochte.

Und eines stand für ihn fest: Wenn das Projekt in zwei Jahren abgeschlossen war, würde er die Branche wechseln. Er hatte es satt, bautechnische Wunderwerke zu errichten, in deren Glanz sich andere sonnten, vor allem die Vorsitzenden der übrigen fünf Gesellschaften, die an dem Konsortium beteiligt waren. Mit einigen Millionen extra in der Tasche sollte es ein Leichtes sein, sich zu gegebener Zeit Einfluss zu verschaffen.

Es waren die finanziellen Möglichkeiten, nicht die Fähigkeiten, die Vertrauen schafften. Und Vertrauen hieß Macht, und Macht hieß noch mehr Geld. So war die Welt nun mal.

Der böse Blick

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