Читать книгу Marjorie & Lorraine - Blossom Rydell - Страница 5

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Kapitel 3

Während ich auf das Eintreffen unseres bestellten Kaffees wartete, musterte ich die vorbeigehenden Passanten. Doch keiner von ihnen schien Notiz von uns zu nehmen. Achtlos schlenderte sie stattdessen auf dem Weg zum nächsten Einkauf am Straßencafé vorbei. Als mir Lorraine vorgeschlagen hatte, meine Arbeit mit ihr bei einem gemeinsamen Mittagessen zu besprechen, war es mir etwas komisch vorgekommen. Ich kannte dergleichen nicht, hatte mich aber dennoch bereit erklärt und die Einladung angenommen. Immerhin war sie meine neue Vorgesetzte, und möglicherweise hatte sie ja ein paar neue inspirierende Ideen vorzubringen oder andere Verbesserungsvorschläge. Zwar war ich für die Agentur schon über zwei Jahre erfolgreich als Werbetexterin tätig, aber von mir nicht so eingenommen zu glauben, bereits alles zu wissen.

Schnell stellte sich heraus, dass Lorraine auch daran interessiert zu sein schien, etwas über mich, meine privaten Aktivitäten und persönlichen Vorlieben zu erfahren. Immer wieder rollte sie mit ihrem Zeigefinger über ihre Lippen, während sie mich genau beobachtete, und ich mich ein ums andere Mal fragte, was wohl so in ihrem Kopf vor sich ging. Erst als sie sich mir nach einer Weile zuneigte, gewährte sie mir einen kleinen Einblick.

»Weißt du: Ich frage mich gerade, ob ich mit dir mithalten kann.«

»Warum?« Ihr angenehm fruchtiges Parfüm flutete meine Nase.

»Als Trevor sagte, dass du die Beste in deinem Fach bist, hatte ich erwartet auf einen ›Geek‹ oder ›Nerd‹ mit Brille und schlechtem Modegeschmack zu treffen.«

»Oh, okay …«

»Offensichtlich habe ich mich in jeder Hinsicht geirrt.« Sie lehnte sich entspannt zurück, als ich an meinem Kaffee nippte. »Du bist ausgesprochen hübsch und mir gefällt sehr, was du trägst.«

»Oh …« war alles, was ich über die Lippen brachte, gefolgt von einem gehauchten »Vielen Dank für die Blumen.«

»Ich möchte wetten, das wird dir laufend gesagt.«

»Laufend?« Erstaunt hob ich die Augenbrauen. »Kannst du dir vorstellen, dass Trevor dergleichen sagen würde, ohne zu stammeln oder gegen etwas zu stoßen?«

»Nein, das kann ich nicht wirklich.« Sie lachte herzlich. »Er ist … Nun, wie soll ich mich ausdrücken: Er ist diesbezüglich schon etwas peinlich.«

Einen Moment lang saßen wir schweigend da, ehe ich es wagte, meine Gedanken auszusprechen: »Ich denke, ich werde es sehr genießen, mit dir zu arbeiten, Lorraine.«

Sie legte eine Hand auf die meine und strich wie unbeabsichtigt leicht darüber. »Ja, das denke ich auch …«

*

Von meiner ursprünglich geplanten Arbeit schaffte ich an diesem Nachmittag nicht mehr sehr viel, denn Lorraine unterbreitete mir eine Anzahl potenzieller Kunden, die sie für recht interessant hielt und deren Aufmerksamkeit sie auf unsere Agentur ziehen wollte. Dabei war sie insbesondere an dem Namen ganz oben auf ihrer Akquise-Liste interessiert, von dem ich bis dahin noch nie etwas gehört hatte.

»Wenn es uns gelingt sie richtig zu beeindrucken«, meinte sie, »wird sie für immer zu uns kommen.«

»Hast du denn schon eine gewisse Vorstellung?«

»Oh, ja, habe ich … Es muss heißblütig und sexy sein. Zugleich auch ein wenig anrüchig und auf jeden Fall unglaublich anregend … Etwas für die lebensbejahende Frau zwischen zwanzig bis Mitte vierzig ... Und der Text sollte mindestens fünfhundert Worte haben.«

Ich dachte kurz über ihren Vorschlag nach. »Denkst du an heiße Dessous für die erfolgreiche Geschäftsfrau?«

»Bekommst du das hin?«, fragte sie zurück, ohne mir direkt zu antworten.

»Ja, das geht.« Ich schenkte ihr ein bestätigendes Lächeln. »Zuvor muss ich allerdings die Deadline für ein Feinschmecker-Restaurant einhalten.«

Sie winkte ab.

»Die Aufgabe werde ich delegieren. Soweit ich das an meinem ersten Tag beurteilen kann, müsste Kathryn mit so alltäglichen Dingen fertig werden. Ich brauche dich …«, ihre Stimme wurde leiser, »für richtig verruchtes Zeug.«

Ich starrte sie an.

Sie brach in ein herzhaftes Lachen aus, richtete sich auf, legte mir eine Hand auf die Schulter und drückte sie leicht. »Du bist viel zu verkrampft, Marjorie. Entspann' dich lieber … und hab' viel Spaß damit.«

Ich lächelte, nickte und schaute ihr nach, derweil sie in Richtung ihres Büros davonschlenderte, wobei ihre wohlgeformten Pobacken das Material ihrer Anzughose bei jedem Schritt auf erregende Weise dehnten. Unwillkürlich fragte ich mich, ob sie überhaupt etwas darunter trug und wenn ja, ob es wohl ein neckischer String war. Dabei stellte ich mir einen Moment lang vor, mit den Zähnen an ihm zu knabbern, ehe ich mich wieder in die Realität zurückversetzte.

»Halte dich bloß zurück, Marjorie«, murmelte ich kaum hörbar vor mich hin.

»Was bist du nur für ein verdorbenes Miststück! Sie ist deine Vorgesetzte!« Aber ihr immer noch in der Luft schwebendes, verlockendes Parfüm vernebelte mir die Sinne und ließ mich nicht mehr los …

*

Bis kurz vor Büroschluss hatte ich mehrere Entwürfe verfasst und legte sie Lorraine auf den Schreibtisch, während sie am Telefon sprach. Sie blickte kurz auf und bedeutete mir mit einem Wink des Zeigefingers zu bleiben, ehe ich mich wieder zurückziehen konnte. Also wartete ich und genoss den Klang ihres sanften ›Contraltos‹, während sie informell weiter plauderte. Mein gelegentlicher Blick durch ihr Büro zeigte, dass sie der Ausstattung nicht allzu viel hinzugefügt hatte. Ein neuer Wandkalender, ein in schwarzes Leder gebundener Terminplaner und ein Bild mit Goldrahmen waren die einzigen neuen Elemente, die ich ausmachen konnte. Der Kalender zeigte einen sonnenverwöhnten tropischen Strand und das ›Filofax‹ enthielt vermutlich all die wichtigen Kontakte ihres vorherigen Jobs. Wie beiläufig versuchte ich einen Blick auf das Foto auf ihrem Schreibtisch zu erhaschen.

Lorraine saß im Halbschatten auf einer niedrigen Mauer und hatte den Arm um die Schulter einer anderen Frau, mit den gleichen langen schwarzen Haaren wie sie selbst, gelegt. Sie schien spanische Wurzeln zu haben und etwas jünger zu sein. Unwillkürlich suchte ich nach einer Familienähnlichkeit, konnte mich aber nicht wirklich entscheiden.

»Sie hieß Cataleya«, verriet mir Lorraine, als sie meinen studierenden Blick bemerkte.

Ich wirbelte herum, verlegen, so indezent gewesen und von ihr erwischt worden zu sein.

Sie legte auf und beobachtete mich einige Sekunden. Dann kräuselte ein kleines Lächeln ihre Lippen.

»Es tut mir leid. Ich wollte ganz sicher nicht indiskret sein.«

»Natürlich wolltest du das nicht … Cataleya war eine sehr schöne Frau.«

»Du … sprichst von ihr schon wieder im Indikativ Präteritum.«

Lorraine seufzte. »Sie ist Anfang letzten Jahres an Leukämie gestorben.«

»Das tut mir aufrichtig leid.« Mein Blick glitt zurück zu dem Foto. Cataleya war in der Tat eine schöne Frau. Sie lächelte, aber nicht übermäßig, und ich entschied, dass es sich eher um ein schüchternes Lächeln handelte.

»Wir hatten einige wirklich sehr schöne Zeiten miteinander«, fügte Lorraine leise hinzu.

»Sie war also nicht deine Schwester?« Es war mir unangenehm, diese Frage zu stellen.

Lorraine lachte. »Ich kann dir nicht übelnehmen, dass du gedacht hast, wir wären verwandt, und du bist damit auch nicht allein … Nein, sie war nicht meine Schwester …« Ein trauriger, sehnsüchtiger und zugleich verlorener Ausdruck bemächtigte sich ihres Gesichts. »Cataleya und ich sind ein Paar gewesen.« In dem Moment, als sie das Wort ›Paar‹ aussprach, sah sie zu mir auf, als wollte sie meine Reaktion darauf abschätzen, dass sie mit einer Frau liiert gewesen war.

Erinnerungen an meine eigene bereits etwas zurückliegende Trennung füllten meine Gedanken – Erinnerungen daran, dass ich meinem Ex am liebsten den Tod gewünscht hatte, nur um mich dabei direkt schrecklich zu fühlen. Ich schwieg, ging aber zu ihr um den Schreibtisch herum und ergriff ihre Hand. »Wie lange wart ihr zusammen?«

»Drei viel zu kurze Jahre.«

»Und es fühlt sich so an, als ob man dir ein Stück deines Herzens herausgerissen hat, nicht wahr?« Als sie nickte, drückte ich leicht ihre schlanke Hand. »Wenn du möchtest: … Ich würde dir sehr gerne zuhören.«

»Danke, Marjorie. Das ist wirklich sehr lieb von dir gemeint, aber ...« Sie wischte sich eine Träne fort und wandte sich meinen Entwürfen zu. »Kommen wir erst einmal zu deinen Vorschlägen …«

***

Marjorie & Lorraine

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