Читать книгу Jagd auf Cosima - Bärbel Junker - Страница 6
SIE TEILEN SICH!
ОглавлениеSie verließen Harsefeld und fuhren in Richtung Hollenbeck weiter.
„Wie kommt ein Wissenschaftler nach Harsefeld?“, versuchte Tanja ein Gespräch in Gange zu bringen.
„Zufall. Purer Zufall“, erwiderte van Cliff. „Ich suchte nach einem ruhigen Ort, um an einer schwierigen Abhandlung zu arbeiten und kam dabei nach Harsefeld. Als ich dann von der angeblichen Wasserumwandlung hörte, wurde ich neugierig und beschloss zu bleiben. Mir gefällt die Gegend. Vielleicht lasse ich mich sogar hier nieder.“
„Und Ihre Frau?“
„Meine Frau? Wieso? Was soll mit meiner Frau sein?“
„Ist sie auch hier? Na ja, Sie tragen einen Ehering und da dachte ich, ihre Frau hätte Sie vielleicht begleitet.“
„Meine Frau ist tot. Ich bin schon seit mehreren Jahren Witwer.“
„Oh! Entschuldigen Sie bitte“, sagte Tanja verlegen.
„Schon gut. Das konnten Sie ja nicht wissen“, erwiderte van Cliff freundlich.
Vor ihnen leuchteten plötzlich die Blinker und Bremsleuchten grell auf, als die beiden Fahrzeuge in einen schmalen Feldweg einbogen. Tanja folgte ihnen.
Die dicken Stämme der alten Eichen zu beiden Seiten des Weges ließen nur wenig Platz. Tanja musste sehr vorsichtig fahren, um eine Kollision zu vermeiden. Das dichte Blätterdach über ihnen warf bizarre Schatten auf den sich wie eine Schlange darunter hindurch windenden Weg und verwandelte den lichten Tag in ein diffuses Halbdunkel.
Es war still, jedes Geräusch verstummt, außer dem Brummen der Motoren. Ein Gefühl kommenden Unheils beschlich die junge Frau und ließ sie frösteln. Da wurde der Weg breiter. Kurz darauf fuhren sie auf ein weites, mit Büschen und Gras bewachsenes Areal zu, in dessen Mitte eine sich weitflächig ausdehnende Sandwüste zu sehen war, die zur Mitte hin kontinuierlich zu einem beachtlichen Berg anwuchs.
Sie hatten ihr Ziel erreicht.
Tanja stieg aus und ging zusammen mit dem Wissenschaftler auf den Sandberg zu, der einmal ein Badesee gewesen sein sollte. „Und hier soll Wasser gewesen sein?“, fragte sie skeptisch.
„Dies hier war bis vor kurzem noch ein See“, sagte van Cliff. „Aber wieso ist es so schnell gegangen?“
„Wie meinen Sie das?“
„Na ja, falls unbekannte Mikroben Schuld an dieser Umwandlung von Wasser in Sand waren, dann ist das aber verdammt schnell gegangen. Da müssten ja ungeheure Mengen am Werk gewesen sein.“
„Sie glauben den Unsinn doch nicht, oder?“, fragte Tanja verblüfft.
„Weshalb sollten die Männer lügen? Das würde doch sehr schnell herauskommen“, erwiderte van Cliff. „Kommen Sie. Wir sehen uns mal den Forellenteich an.“
Sie fuhren Hans hinterher zu dem Teich, der nicht weit vom Badesee entfernt lag. Als sie dort ankamen stoppte Hans abrupt, sprang aus seinem Wagen und rannte laut schreiend darauf zu.
Alfons, Bruno und Tanja rannten ihm hinterher.
Die großzügig angelegte Anlage lag inmitten weiter Wiesenflächen, eingerahmt von dichtem Gebüsch. Das gegenüberliegende Ufer war so weit entfernt, dass es mit bloßem Auge kaum zu erkennen war.
Die reinste Idylle, dachte Tanja, musste jedoch beim Näherkommen feststellen, dass dieses Arkadien einen Makel besaß. Einstmals reichten die Wiesenflächen wohl bis an den Wasserrand. Jetzt wurde der weitläufige Teich von einem etwa zwei Meter breiten Sandgürtel eingefasst, auf dem sich wie mumifiziert aussehende Fischkadaver stapelten.
„Meine Forellen!“, schrie Hans und hüpfte wie ein verrückt gewordener Kobold aufgeregt hin und her.
Der Wissenschaftler bückte sich und nahm eine tote Forelle in seine Hand, die ein dünner Handschuh schützte. „Dem Fisch wurde die Flüssigkeit entzogen, dadurch wirkt er wie mumifiziert“, flüsterte er heiser.
„Was ist mit dem Wasser?“, fragte Tanja. „Es müsste ein stilles Gewässer sein, doch es brodelt und bewegt sich immerzu.“
„Ich werde eine Wasserprobe entnehmen und sie untersuchen“, sagte van Cliff. Er nahm eine bauchige Flasche aus seiner Aktentasche und ging zum Wasser.
„Was ist?“, fragte Tanja als er zurückkam. „Sie machen so ein besorgtes Gesicht?“
„Sehen Sie selbst“, sagte van Cliff und hielt die Flasche hoch. Tanja und Alfons traten näher.
Hinter dem Glas bewegte sich ein etwa walnussgroßes Insekt!
„Was ist das?“, fragte Tanja.
„Es ähnelt einer zu groß geratenen Wanze. Mehr kann ich im Moment nicht sagen. Ich muss es erst untersuchen“, erwiderte van Cliff zurückhaltend.
Die Journalistin starrte wie hypnotisiert auf das Insekt. Und dann sah sie plötzlich ... ZWEI! Sie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, waren es jedoch noch immer zwei Insekten, obgleich das nicht möglich war.
Der Wissenschaftler bemühte sich den aufgebrachten Hans zu beruhigen. Von der Verdoppelung der Wanze hatte er noch nichts bemerkt. Tanja beobachtete weiter. Plötzlich zogen sich die Körper der beiden Insekten zusammen, dehnten sich, zogen sich erneut zusammen, teilten sich. Jetzt befanden sich bereits VIER! Insekten in der Flasche und es wurde langsam eng.
„Vier! Sie teilen sich!“, stieß Tanja gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen hervor.
„Was sagten Sie?“, fragte van Cliff.
„Sie teilen sich. Jetzt sind es schon vier.“
Der Wissenschaftler starrte auf die Flasche in seiner Hand. „Tatsächlich“, flüsterte er.
„Und was bedeutet das alles?“, fragte Bruno verständnislos.
„Ich muss zurück und einige Tests vornehmen“, sagte van Cliff aufgeregt.
„Das können Sie sich sparen“, stieß Tanja hervor. „Diese Viecher sind es. Sie machen aus Wasser Sand!“
Alle starrten auf die Flasche. Die vier Insekten vermehrten sich nicht mehr. Sie hockten regungslos in der Flasche und saugten das Wasser in sich hinein; aus einer Öffnung am hinteren Ende ihres Körpers kam es als Sand wieder heraus. Die fünf Menschen sahen bestürzt zu.
Kurz darauf war die Flasche mit Sand gefüllt, und die vier unheimlichen Lebewesen hatten sich aufgelöst. Nur vier kirschgroße, dunkelrote Kugeln waren von ihnen übrig geblieben.
„Mein Gott!“, flüsterte Tanja. „Was würde wohl passieren, sollten diese Viecher in die Wasserversorgungssysteme gelangen?“
Van Cliff antwortete nicht, sondern starrte auf die mit Sand gefüllte Flasche in seiner Hand.
„Das ist ja schrecklich“, stöhnte Hans. „Jetzt wissen wir, wo der Badesee geblieben ist und was mit dem Baggersee geschieht. Und was wird aus meinen Forellen?!“, brüllte er plötzlich hysterisch. „Unternehmen Sie doch was! Vernichten Sie dieses eklige Zeug!“, schrie er van Cliff an.
„Das kann ich nicht. Ich weiß doch ebenso wenig wie Sie, woher diese sonderbaren Lebewesen kommen und was man dagegen unternehmen kann.“
„Die Gesundheitsbehörden müssen verständigt werden. Und ich muss sofort meine Redaktion anrufen“, sagte Tanja aufgeregt, die nun doch noch eine richtige Story witterte.
„Woher kommen diese Viecher so plötzlich?“, meinte Bruno nachdenklich. „Sie müssen doch irgendwie hierhergekommen sein.“
„Falls sie nur hier, in Harsefeld, vorkommen und sich auf die Teiche und Seen beschränken die keinen Zufluss zu anderen Gewässern haben, können wir sie wohl unter Kontrolle halten, aber wenn sie auf andere Gewässer oder auf die Versorgungssysteme übergreifen ...“ Er verstummte.
„Sobald kein Wasser mehr da ist, sterben die Wasserkiller anscheinend“, sagte Tanja. „Der Badesee wurde bereits zu Sand und dem Forellenteich und dem Baggersee wird wohl dasselbe Schicksal beschieden sein. Damit dürfte sich dieses Problem doch von selbst erledigen.“
„Wenn diese Wasserkiller, übrigens ein sehr treffender Name“, lächelte van Cliff, „nur hier auftreten, könnten Sie recht haben.“
„Aber woher kommen diese gemeinen Viecher?“, fragte Bruno noch einmal.
„Ich weiß es nicht, aber wir sollten es auf jeden Fall herausfinden. Zuerst einmal müssen die betroffenen Gebiete sofort isoliert werden. Noch lässt sich der Schaden vielleicht begrenzen, aber wehe diese Brut breitet sich aus, dann gnade uns Gott!“
„Schrecklich“, murmelte Bruno bestürzt.
Sie kamen überein, die gefährdeten Gebiete zu überwachen, bis offizielle Stellen diese Aufgabe übernehmen würden.
Hans blieb bei seinem Forellenteich. Bruno kümmerte sich um den Baggersee. Und Alfons würde ein Auge auf den ehemaligen Badesee haben. Der Wissenschaftler erklärte sich bereit die Behörden von Harsefeld aus telefonisch zu mobilisieren. Und Tanja arbeitete bereits gedanklich an ihrem Artikel.
Entweder Bartels gab ihr die Story oder sie würde sich an eine andere Zeitung wenden, dachte Tanja. Wegnehmen ließ sie sich diese Chance jedenfalls nicht! Plötzlich hatte sie es eilig nach Harsefeld zurückzukommen. Sie verabschiedete sich von Hans und seinen beiden Freunden und eilte gefolgt von dem Wissenschaftler zu ihrem Wagen.